Kleiber digital  Teil X - Anhang  Sachverständigenwesen  SVO – Muster-Sachverständigenordnung  III Pflichten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen 

§ 16

Schweigepflicht

(1)

Dem Sachverständigen ist untersagt, bei der Ausübung seiner Tätigkeit erlangte Kenntnisse Dritten unbefugt mitzuteilen oder zum Schaden anderer oder zu seinem oder zum Nutzen anderer unbefugt zu verwerten.

(2)

Der Sachverständige hat seine Mitarbeiter zur Beachtung der Schweigepflicht zu verpflichten.

(3)

Die Schweigepflicht des Sachverständigen erstreckt sich nicht auf die Anzeige- und Auskunftspflichten nach §§ 19 und 20.

(4)

Die Schweigepflicht des Sachverständigen besteht über die Beendigung des Auftragsverhältnisses hinaus. Sie gilt auch für die Zeit nach dem Erlöschen der öffentlichen Bestellung.

Richtlinie:

16.1 Verschwiegenheitspflicht und Verwertungsverbot

16.1.1

Die Verschwiegenheitspflicht ist ein maßgeblicher Grund für die Vertrauenswürdigkeit des öffentlich bestellten Sachverständigen. Der Sachverständige darf weder das Gutachten noch Tatsachen oder Unterlagen, die ihm im Rahmen seiner gutachtlichen Tätigkeit anvertraut worden oder bekannt geworden sind, unbefugt offenbaren, weitergeben oder ausnutzen. Die Pflicht zur Verschwiegenheit umfasst alle Tatsachen, die er durch seine Tätigkeit als öffentlich bestellter Sachverständiger erfahren hat, sofern diese nicht offenkundig sind. Stellt der Sachverständige zum Beispiel bei der Bewertung eines Gebäudes fest, dass Schwarzarbeit geleistet oder dass ohne Genehmigung gebaut wurde, darf er dies nicht zur Anzeige bringen; der Sachverständige ist kein Hilfsorgan von Ordnungs- und Verwaltungsbehörden. Auch die Tatsache seiner Beauftragung ist gegebenenfalls geheim zu halten. So dürfen Dritten nicht ohne weiteres auf Anfrage Auskünfte über den Inhalt oder Umstände der Gutachtenerstattung erteilt werden. Wenn z. B. Versicherungsgesellschaften, denen das Gutachten eines Kraftfahrzeugsachverständigen vorgelegt worden ist, Rückfragen haben, ist das Einverständnis des Auftraggebers zur Auskunftserteilung einzuholen, wenn es nicht aus den Umständen oder der Interessenlage unterstellt werden kann. Im Gegensatz dazu: Über seine Ausführungen in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung darf der Sachverständige aufgrund der Öffentlichkeit der Verhandlung auch Personen gegenüber berichten, die in der Verhandlung nicht anwesend waren.

16.1.2

Der Sachverständige darf die bei seiner Gutachtertätigkeit erlangten Kenntnisse in anonymisierter Form für sich oder Dritte verwerten (beispielsweise zum Zweck des Vergleichs, der Statistik oder des Erfahrungsaustausches). In diesen Fällen muss der Sachverständige jedoch sicherstellen, dass - auch mittelbar - Rückschlüsse auf den Auftraggeber, den konkreten Gutachtenfall oder das begutachtete Objekt nicht möglich sind. Dies gilt nicht gegenüber der zuständigen Bestellungskörperschaft. Andernfalls könnte diese nicht ihrer Aufsichtspflicht nachkommen. Für die Nachweise, die er der IHK im Rahmen des Überprüfungsverfahrens vorzulegen hat, ist die Regelung in Ziffer 5.2.3 maßgeblich.

16.1.3

Da der öffentlich bestellte Sachverständige auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten förmlich verpflichtet worden ist, stellt die Verletzung der Schweigepflicht eine strafbare Handlung nach § 203 (2) Nr. 5 StGB dar; die oben genannten Ausnahmen von der Schweigepflicht gelten auch hier.

16.2 Verpflichtung der Mitarbeiter

Diese Schweigepflicht gilt auch für alle im Betrieb des Sachverständigen mitarbeitenden Personen. Der Sachverständige hat dafür zu sorgen, dass die Schweigepflicht von den genannten Personen eingehalten wird.

16.3 Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht

16.3.1

In den Fällen der §§ 19, 20 MSVO gilt die Verschwiegenheitspflicht nicht.

16.3.2

Des Weiteren ist der Sachverständige in bestimmten Fällen befugt, Tatsachen oder seine gutachtlichen Leistungen zu offenbaren. Eine befugte Offenbarung liegt dann vor, wenn der Auftraggeber den Sachverständigen ausdrücklich von der Schweigepflicht entbindet. Es empfiehlt sich, die Zustimmung des Auftraggebers schriftlich einzuholen. Der Sachverständige darf allerdings Dritten, denen der Auftraggeber das Gutachten zugänglich gemacht hat, unter Schonung der berechtigten Belange des Auftraggebers das Gutachten erläutern.

16.3.3

Der Sachverständige ist auch verpflichtet, als Zeuge im Strafprozess auszusagen. Die Zeugnispflicht geht hier der Schweigepflicht vor. Er hat kein Auskunftsverweigerungsrecht nach der Abgabenordnung.

16.4 Fortdauer der Verschwiegenheitspflicht

Die Verschwiegenheitspflicht besteht fort, wenn der Auftrag beendet, die öffentliche Bestellung des Sachverständigen erloschen (§ 22 (1) MSVO) oder der Auftraggeber verstorben ist.