Bernhard Bischoff
Seit einigen Jahren weisen manche Gutachterausschüsse, insbesondere mit Zuständigkeitsbereichen in Großstädten mit stark steigenden Verkehrswerten wie Frankfurt/Main, Berlin oder Hamburg, auch negative Liegenschaftszinssätze aus, die dann besonders im Ertragswertverfahren genutzt werden können. Ein negativer Liegenschaftszinssatz bedeutet nach der Definition in § 14 Abs. 3 ImmoWertV, dass Kaufpreise negativ verzinst werden, also ein Verlust bei der Bewirtschaftung in Kauf genommen wird. Ob ein solches Käuferverhalten dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach § 194 BauGB entspricht, wäre in diesen Fällen zu prüfen. Ausgeschlossen ist es aber in Zeiten allgemein niedriger Zinsen nicht, denn auch Banken verlangen für Einlagen negative Zinssätze und die Bundesbank weist für einige Schuldverschreibungen, Bundeswertpapiere und Pfandbriefe eine negative Umlaufrendite aus, die vom Kapitalmarkt akzeptiert wird. Beim Ertragswertverfahren nach der ImmoWertV ist in Fällen negativer Liegenschaftszinssätze mit der Formel und damit mit der Methode umzugehen.
Jedes Ertragswertverfahren wird beeinflusst durch das zugrunde gelegte Modell, welches im Wesentlichen die Erträge, die Kosten, die Laufzeit und den Zinssatz berücksichtigt. Beim Ertragswertverfahren der ImmoWertV wird der Zinssatz als Liegenschaftszinssatz definiert und aus abgeschlossenen Kauffällen errechnet. Dabei werden für einige Einflussparameter Annahmen getroffen, da die realen Informationen zu Mieten oder Bewirtschaftungskosten nicht vorliegen, Miet- und Pachtverträge nicht ausgewertet werden können und die wirtschaftliche Restnutzungsdauer nicht zuverlässig und genau zu bestimmen ist. Aus diesen Gründen werden üblicherweise Modelle gewählt, die für die einzelnen Einflussgrößen Annahmen treffen, um
Unbekanntes, wie die wirtschaftliche Restnutzungsdauer, zu normieren und nachvollziehbar messbar zu machen,
Ungenaues, wie die Ertragssituation, vollständig nachvollziehbar darzustellen oder
nicht allgemein verständlich zu Definierendes, wie die zu berücksichtigenden Bewirtschaftungskosten, gleichmäßig und gleichgewichtig zu berücksichtigen.
Bei der Berechnung von Liegenschaftszinssätzen aus Kaufpreisen wird dann die Ertragswertformel angewandt, sodass mathematisch modellkonform die Berechnung durchgeführt wird. Die Ertragswertformel des Allgemeinen Ertragswertverfahrens lautet nach der Ertragswertrichtlinie
vEW = (RE – BW × LZ) × KF + BW
mit:
vEW = vorläufiger Ertragswert
RE = jährlicher Reinertrag
BW = Bodenwert ohne selbstständig nutzbare Teilfläche
LZ = Liegenschaftszinssatz
KF = Kapitalisierungsfaktor (Barwertfaktor; Anlage 1 ImmoWertV)
n = wirtschaftliche Restnutzungsdauer
p = Zinsfuß.
Daraus wird die Formel für den Liegenschaftszinssatz abgeleitet, die sich ergibt mit:
Darin bedeuten:
p = Liegenschaftszinssatz in %
RE = Reinertrag des Grundstücks
KP = Kaufpreis
BW = Bodenwert des (unbebaut angenommenen) Grundstücks
q = 1 + 0,01 x p
n = Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen.
In der rechten Seite der Gleichung ist wegen q = 1 + 0,01·x p der Liegenschaftszinssatz selbst noch enthalten. Der Liegenschaftszinssatz lässt sich folglich nur iterativ ermitteln.
Als erste Näherung ergibt sich:
Bei Betrachtung dieser bekannten Formeln zeigt sich, bei welchen Situationen ein negativer Liegenschaftszinssatz sich bei den Berechnungen ergibt.
Für die folgenden Beispielberechnungen werden die in Tab. 1 aufgeführten Ausgangswerte angesetzt.
Kaufpreis |
KP (€) |
1.250.000 |
Reinertrag |
RE (€) |
50.000 |
Bodenwert |
BW (€) |
500.000 |
LZ (%) |
4,0 | |
Restnutzungsdauer |
n (Jahre) |
40 |
Tab. 1: Ausgangsdaten der Beispielsrechnungen |
Der Anfangszinssatz ergibt sich aus dem Quotienten Reinertrag / Kaufpreis = 0,0400.
Die Iteration zur Berechnung des Liegenschaftszinssatzes mit diesen Ausgangsdaten zeigt Tab. 2.
Iteration |
Liegenschaftszinssatz (%) |
Liegenschaftszinssatz |
1 |
3,3686 |
0,03368591 |
2 |
3,2685 |
0,03268515 |
3 |
3,2515 |
0,03251506 |
4 |
3,2486 |
0,03248583 |
5 |
3,2481 |
0,03248080 |
6 |
3,2480 |
0,03247993 |
7 |
3,2480 |
0,03247978 |
8 |
3,2480 |
0,03247975 |
Tab. 2: Iteration zur Berechnung des LZ mit den Ausgangsdaten |
Bereits ein negativer Kaufpreis führt in der Näherungsformel zu einem negativen Zinssatz. Solche Kaufpreise sind nicht ausgeschlossen, da Fälle bekannt sind, bei denen der Veräußerer dem Erwerber zur Immobilie ergänzend einen Betrag als negativen Kaufpreis übergibt oder auch Leistungen übernimmt, die monetär zu einem negativen Kaufpreis führen. Diese Fälle ereignen sich bei besonderen Immobilien, wie einer extrem hohen Belastung mit Altlasten oder umweltgefährdenden Stoffen in den Gebäuden. Auch sind diese Kaufpreise bei Entwicklungsflächen mit hohem weiterem Risiko bekannt, auf den nicht unkritische Entwicklungen geplant sind oder besondere Nutzungen durch öffentlich-rechtliche Körperschaften umzusetzen sind. Es handelt sich nicht um Normalfälle des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs. Sie sind für die Ableitung von Liegenschaftszinssätzen daher nicht geeignet. Eine Berechnung eines Liegenschaftszinssatzes ist mathematisch möglich, führt aber zu keinem sinnvollen Ergebnis.
Ein negativer Reinertrag ergibt sich, wenn die Bewirtschaftungskosten höher sind als die Roherträge, also die nicht umlegbaren Ausgaben die Einnahmen übersteigen. Dabei muss beachtet werden, dass im Ertragswertverfahren das relevante Jahresergebnis über die Zeit der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer kapitalisiert wird. Sollte das negative Ergebnis in ein positives veränderbar sein, kann das Problem mit der Anwendung des periodischen Ertragswertverfahrens gelöst werden, da ein Verlust selten von einem Eigentümer dauerhaft akzeptiert wird oder werden muss.
Da die marktübliche Miete gesichert sein sollte, die im Ertragswertverfahren genutzt wird, tritt der Fall des negativen Reinertrags selten auf bzw. kann mit den Wertermittlungsmethoden berücksichtigt werden und ein negativer Liegenschaftszinssatz fällt nicht immer an.
Die Berechnung des Liegenschaftszinssatzes bei einem Reinertrag von –12.000 € zeigt das in Tab. 3 auf S. 18 dargestellte Bild.
Die Iteration der Zinssatzberechnung ergibt die in Tab. 4 auf S. 18 dargestellten Liegenschaftszinssätze.
Die Berechnung ähnelt dem Normalfall nur mit dem Unterschied, dass die Verzinsung negativ ist, wie die Daten des Kauffalls es erwarten lassen.
Kaufpreis |
KP (€) |
1.250.000 |
Reinertrag |
RE (€) |
–12.000 |
Bodenwert |
BW (€) |
500.000 |
Restnutzungsdauer |
n (Jahre) |
40 |
Zinssatz (am Anfang) |
p |
–0,0096
–0,96 % |
Kaufpreis |
KP (€) |
1.250.000 |
Tab. 3: Die Berechnung des Liegenschaftszinssatzes bei einem Reinertrag von –12.000 € |
Iteration |
Liegenschaftszinssatz (%) |
Liegenschaftszinssatz |
1 |
–2,7593 |
–0,02759264 |
2 |
–3,4183 |
–0,03418269 |
3 |
–3,6901 |
–0,03690140 |
4 |
–3,8068 |
–0,03806759 |
5 |
–3,8576 |
–0,03857555 |
6 |
–3,8798 |
–0,03879822 |
7 |
–3,8896 |
–0,03889611 |
8 |
–3,8939 |
–0,03893919 |
Tab. 4: Iteration der Zinssatzberechnung |
Im Ertragswertverfahren wird der Bodenwert des fiktiv unbebauten Grundstücks angesetzt. Es kann sich die Situation ergeben, dass der Bodenwert höher ist als der Ertragswert des bebauten und genutzten Grundstücks. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ergibt sich damit ein Grund für den Abbruch des Gebäudes und der Neubebauung, da so die Wirtschaftlichkeit erreicht werden kann. Der Verkehrswert besteht dann aus dem Wert des unbebauten Grundstücks abzüglich der Abbruchkosten, soweit dieses Verhalten marktüblich ist. Bei vermieteten Objekten kann auch das Liquidationsverfahren genutzt werden, welches in der Ertragswertrichtlinie für diese Fälle dargestellt ist.
Problematisch wird dieser Fall, wenn die Gebäude nicht abgerissen werden, sondern weitervermietet wirtschaftlich genutzt werden. Da die Liegenschaftszinssätze nach § 14 Abs. 2 ImmoWertV die Zinssätze sind, „mit denen Verkehrswerte von Grundstücken je nach Grundstücksart im Durchschnitt marktüblich verzinst werden“, ergibt sich in der Logik dieser Regelung, dass ein Käufer bereit ist, eine geringe Verzinsung, also einen Verlust, hinzunehmen.
Bei Einzelfällen mit diesem Ergebnis bleibt der marktübliche Liegenschaftszinssatz unberührt, wenn diese Sonderfälle nicht als gewöhnlicher Geschäftsverkehr erkannt werden und so für die Ableitung des Liegenschaftszinssatzes nicht genutzt werden. Tritt diese Situation häufig oder sogar regelmäßig auf, ist die Marktsituation zu analysieren und die Ursache zu benennen.
Bei Anwendung der Formel des Ertragswertverfahrens ergibt sich kein negativer Liegenschaftszinssatz.
In Fällen eines sehr hohen Bodenwerts, der nicht durch entsprechend hohe Mieten gerechtfertigt ist, entsteht bei der Anwendung des Allgemeinen Ertragswertverfahrens eine negative Ertragssituation. Durch die Bodenverzinsung wird der Reinertrag vermindert und wenn dann die Bodenwertverzinsung größer als der Reinertrag ist, entsteht ein negativer Gebäudeertragswert, der zwar durch die Addition mit dem Bodenwert einen positiven vorläufigen Ertragswert ergibt, aber mit einem Ertragswert, der kleiner als der Bodenwert ist. Ein negativer Liegenschaftszinssatz ergibt sich mit der Formel des Allgemeinen Ertragswertverfahrens nicht.
Geringe Erträge, die von der marktüblichen Situation deutlich abweichen, können ebenfalls zu negativen Liegenschaftszinssätzen führen, da die real existierende Marktsituation nicht mehr abgebildet wird. Dem wird im Ertragswertverfahren der zwingend vorgeschriebene Ansatz der „marktüblichen Miete“ gegenübergestellt, der anzuwenden ist. Die Differenz zwischen Ist-Miete und marktüblicher Miete ist dann als „Underrent“ beim Ansatz der besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale mit aufzunehmen. Es können auch im Rahmen einer Staffelung mit Anwendung des periodischen Ertragswertverfahrens die gesetzlich möglichen Mietveränderungen simuliert werden.
Nicht ausgeschlossen ist aber der Fall, wonach Wohnungsmieten gesetzlich oder auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrags auf einem bestimmten Niveau gehalten werden müssen, was durch Aufsichtsbehörden und regelmäßige Nachweise überprüft wird. Bekannt sind für diese Fälle die Gebäude des öffentlich geförderten Wohnungsbaus (sozialer Wohnungsbau), bei dem mit staatlichen Zuschüssen und begünstigten Darlehen die Finanzierung gestützt wird und dafür Mietobergrenzen mindestens über den Zeitraum der öffentlichen Förderung vereinbart und geprüft werden.
Eine andere bekannte Situation ergibt sich durch eine erhebliche Diskrepanz zwischen marktüblichen Wohnungsmieten und den ortsüblichen Vergleichsmieten nach § 558 BGB, die in der Regel in Mietspiegeln publiziert werden. Da die Mietspiegel eine rückwärtige Betrachtung der Situation des Mietenmarktes von vier Jahren abbilden (§§ 558c und 558d BGB), können sie methodisch nach dem BGB nicht die marktübliche Miete aufzeigen. Steigt die marktübliche Miete in diesem Zeitraum deutlich an, sind die marktüblichen Erträge höher als die nach dem BGB zulässigen, wenn von Neuvermietungen abgesehen wird. Bei einer Entwicklung über mehrere Jahre kann diese Differenz sich erheblich vergrößern, sodass negative Liegenschaftszinssätze nicht ausgeschlossen sind. Das kann auch eintreten, wenn Gemeinden über viele Jahre keine neuen Mietspiegel mehr aufstellen und regelmäßig nur einfache Fortschreibungen vornehmen.
Treten dann auch noch Probleme mit Mietspiegeln auf,
da sie auf lagebezogene regionale Auswertungen innerhalb einer Gemeinde verzichten (z.B. Lageeinfluss auf die Mieten),
weil bei der Auswahl der Mieten für die ortsübliche Vergleichsmiete das Geschehen des Mietenmarktes nicht repräsentativ abgebildet wird (wenigen Mieten von Privateigentümern oder nichtstaatlichen Gesellschaften stehen vielen Mietangaben der Wohnungsgesellschaften der Kommunen oder Länder gegenüber) oder
die Marktsituation falsch abbilden, wenn Einflussfaktoren wie Baujahr, Zustand, Ausstattung oder energetische Eigenschaften nicht marktgerecht berücksichtigt werden,
kann es zu negativen Liegenschaftszinssätzen kommen, die im Ertragswertverfahren nur eingeschränkt korrigiert werden können.
Beispielhaft wird im Beispiel der Reinertrag von 50.000 € auf 15.000 € verringert (s. Tab. 5).
Kaufpreis |
KP (€) |
1.250.000 |
Reinertrag |
RE (€) |
15.000 |
Bodenwert |
BW (€) |
500.000 |
Zinssatz (am Anfang) |
p |
0,0120
1,20 % |
Tab. 5: Verringerung des Reinertrags von 50.000 € auf 15.000 € |
Iteration |
Liegenschaftszinssatz (%) |
Liegenschaftszinssatz |
1 |
0,0225 |
0,00022497 |
2 |
–0,2934 |
–0,00293430 |
3 |
–0,3876 |
–0,00387551 |
4 |
–0,4164 |
–0,00416365 |
5 |
–0,4253 |
–0,00425258 |
6 |
–0,4280 |
–0,00428008 |
7 |
–0,4289 |
–0,00428860 |
8 |
–0,4291 |
–0,00429124 |
Tab. 6: Iteration mit verändertem Reinertrag |
Diese mathematisch nicht ausgeschlossene Situation ist in der Realität des Immobilienmarktes nur in besonderen Fällen anzutreffen. Da im Ertragswertverfahren die Berechnungen regelmäßig nicht mit den objektbezogenen Daten erfolgen, sondern die standardisierten Ansätze der Ertragswertrichtlinie oder anderer Informationsquellen genutzt werden, ist hier eine Quelle für negative Liegenschaftszinssätze nicht vorhanden. Sollten die Mieten sehr gering sein, wäre zu prüfen, ob der Rohertrag mit marktüblichen Mieten richtig ermittelt wurde.
Im Allgemeinen Ertragswertverfahren wird der Reinertrag über die wirtschaftliche Restnutzungsdauer kapitalisiert. Damit kann die Länge der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer sich auf den Liegenschaftszinssatz auswirken, was insbesondere bei kurzen Laufzeiten der Fall ist.
Die Beispielrechnung (s. Tab. 7 u. 8) macht deutlich, wie sich diese Änderungen der Restnutzungsdauer auswirken können.
In diesem Fall wurde modellmäßig die zu nutzende wirtschaftliche Restnutzungsdauer von 40 Jahren auf zehn Jahre reduziert, was eine Änderung des Liegenschaftszinssatzes von mehreren Prozentpunkten bedeutete.
Die Existenz solcher Marktsituationen kann nicht mehr auf Sonderfälle zurückgeführt werden, wenn sie häufig auftreten und nicht immer, bezogen auf den Einzelfall, zu erklären sind. Zu empfehlen ist, die einzelnen betroffenen Grundstücksteilmärkte nach folgenden Kriterien zu analysieren:
Lage: Sind bestimmte Lagen in der Gemeinde oder der Stadt betroffen, wie es in Sanierungsgebieten oder Entwicklungsbereichen der Fall sein kann? In diesen Fällen ist zu analysieren, welche Gründe für diese Entwicklung erkennbar sind, wobei das Planungsrecht wie auch die demografische Entwicklung, der Ruf dieser Gebiete oder deren soziale Struktur wie auch Emissionen und Immissionen relevant sein können.
Baujahre: Sind nur bestimmte Baujahre bzw. Baujahresgruppen betroffen? Nicht ausgeschlossen werden kann, dass bestimmte Besonderheiten durch baurechtliche Vorschriften oder durch staatliche Förderung, verbunden mit Anforderungen an die Gebäude und deren Ausstattung (z.B. öffentlich geförderter Wohnungsbau), zu negativen Liegenschaftszinssätzen führen.
Mieten: Gibt es auffällig niedrige Mieten in den betroffenen Immobilien? Insbesondere in Gebäuden des sozialen Wohnungsbaus können langfristige Bindungen an ein bestimmtes Mietniveau zu geringeren als marktüblichen Mieten führen, was sich auch oft in den Neubaugebieten mit einem Lagebezug deckt. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass ein bestimmter Eigentümer aus sozialen oder politischen Gründen niedrige Mieten vereinbart, was bei öffentlich-rechtlich beherrschten Vermietern der Fall sein kann.
Kaufpreis |
KP (€) |
1.250.000 |
Reinertrag |
RE (€) |
50.000 |
Bodenwert |
BW (€) |
500.000 |
Restnutzungsdauer |
n (Jahre) |
10 |
Zinssatz (am Anfang) |
p |
0,0400
4,0 % |
Tab. 7: Ausgangswerte mit veränderter Restnutzungsdauer |
Iteration |
Liegenschaftszinssatz (%) |
Liegenschaftszinssatz |
1 |
–0,9975 |
–0,00997457 |
2 |
–2,2743 |
–0,02274262 |
3 |
–2,6399 |
–0,02639926 |
4 |
–2,7477 |
–0,02747699 |
5 |
–2,7797 |
–0,02779724 |
6 |
–2,7893 |
–0,02789263 |
7 |
–2,7921 |
–0,02792107 |
8 |
–2,7930 |
–0,02792955 |
Tab. 8: Iteration mit veränderter RND |
Das Ergebnis einer solchen Analyse kann Lösungsmöglichkeiten aufzeigen, die aber durch die Sachverständigen oder Gutachterausschüsse bei der Ableitung von Liegenschaftszinssätzen nicht umgesetzt werden können. In vielen Fällen wird dann versucht, diese ungewöhnliche Situation mit Änderungen des Modells des Ertragswertverfahrens zu korrigieren, um so positive Liegenschaftszinssätze zu erhalten. Es findet eine Verschiebung des Problems statt, es wird versucht, die Marktsituation zu „verstecken“.
Zur Änderung des Modells gibt es mehrere Ansätze, die auch kumuliert genutzt werden können, um positive Liegenschaftszinssätze zu veröffentlichen:
Einnahmen: ImmoWertV und Ertragswertrichtlinie gehen von den marktüblichen Mieten aus, die den Rohertrag beschreiben. Bei Änderung dieser Vorgabe und Nutzung der ortsüblichen Vergleichsmiete eines Mietspiegels oder anderer Mietübersichten, wie von Gutachterausschüssen, Maklerverbänden oder Mietervereinigungen, kann ein anderes Mietniveau angewendet werden. Dadurch verändern sich die Erträge, sodass die Liegenschaftszinssätze sich im positiven Bereich veröffentlichen lassen. Die Mietunterschiede zur marktüblichen Miete können dann als besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale im Ertragswertverfahren berücksichtigt werden.
Bewirtschaftungskosten: Durch Senkung der Bewirtschaftungskosten kann der Reinertrag erhöht werden mit der Folge, keine negativen Liegenschaftszinssätze auszuweisen. Da die Ansätze für die Bewirtschaftungskosten regelmäßig auf dem Modell des Ertragswertverfahrens beruhen, ist eine solche Korrektur durch eine Änderung der Ansätze für das Mietausfallwagnis, der Verwaltungskosten, der Instandhaltungskostenpauschale oder der sonstigen Betriebskosten vorzunehmen. Da die Ansätze der Ertragswertrichtlinie nicht angewendet werden müssen und nur ein Teil der Gutachterausschüsse und Sachverständigen sie auch benutzen, sind diese Änderungen unproblematisch vorzunehmen. Die dann berechneten Liegenschaftszinssätze sind nicht mehr negativ.
Restnutzungsdauer: Die wirtschaftliche Restnutzungsdauer ist nicht exakt gesichert zu ermitteln. In jedem Fall handelt es sich um eine Schätzung der zukünftigen Entwicklung, die nicht gesichert prognostiziert werden kann. Neben der in der Definition begründeten Ungenauigkeit (auch wenn es umfangreiche Berechnungen zur Ermittlung gibt), kommen auch subjektive Einflüsse bei der Angabe durch Sachverständige hinzu. In der Regel gibt es für die Ableitung von Liegenschaftszinssätzen ein Modell zur Bestimmung einer modellhaften Restnutzungsdauer, welches dann auch bei der Bewertung identisch anzuwenden ist. Mit Änderungen in diesem Modell können Veränderungen bewirkt werden, die dann bei den besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmalen objektbezogen korrigiert werden können.
Bodenwert: Es ist möglich, auch Veränderungen des Bodenwerts modellhaft vorzunehmen, was aber selten erfolgt. Da in der Regel die aktuellen Bodenrichtwerte des Gutachterausschusses vor dem Kaufvertrag genutzt werden (oft mit einer Anpassung infolge der Preisentwicklung bis zum Kaufvertragsdatum oder dem Maß der baulichen Nutzung), besteht kein großer Handlungsspielraum. Eine Ausnahme ist es, wenn die Bodenrichtwerte erkennbar falsch sind oder nicht für die Nutzungsart eines Wertermittlungsobjektes geeignet sind.
Um regelmäßige Modelländerungen zu vermeiden, besteht aber die Möglichkeit, negative Liegenschaftszinssätze zu veröffentlichen, weil sie die Marktsituation unter Beachtung des Modells des Ertragswertverfahrens beschreiben. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Liegenschaftszinssätze regelmäßig veröffentlicht werden, wie es das BauGB und die ImmoWertV vorsehen, denn Modelländerungen führen zu erheblichen Unsicherheiten bei der Anwendung. Das wird verstärkt durch die Praxis vieler Gutachterausschüsse, Liegenschaftszinssätze über einen Zeitraum von mehreren Jahren mathematisch-statistisch abzuleiten. Ursache für dieses sinnvolle Vorgehen ist die zu geringe Anzahl von Kauffällen, die eine jährliche getrennte statistisch gesicherte Auswertung nicht mehr zulassen.
Kommt es bei Auswertungen über mehrere Jahre zu Überschneidungen der Auswertejahre, ist für identische Kalenderjahre mehr als ein Wert veröffentlicht worden. Diese Werte müssen sich unterscheiden, wenn sie nicht auf der Grundlage des gleichen Modells abgeleitet wurden, was nur noch Experten verständlich zu machen ist.
Um eine Vergleichbarkeit der Liegenschaftszinssätze, also der Rendite von Grundstücken im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, über einen längeren Zeitraum zu ermöglichen, sollte das Modell soweit und solange es möglich ist, konstant gehalten werden, was die Veröffentlichung von negativen Liegenschaftszinssätzen mit einschließt.
Nach ImmoWertV ist der Liegenschaftszinssatz eine Angabe zur marktüblichen Verzinsung von Verkehrswerten (Marktwerten). Bei negativen Liegenschaftszinssätzen bedeutet diese Definition auch, dass das bei einem Kauffall eingesetzte Kapital negativ verzinst wird, also Verluste in Kauf genommen werden. Ein solches Verhalten erscheint bei einer marktwirtschaftlichen Gesellschaftsordnung und dem üblichen Ziel der Gewinnerzielung nicht mehr nachvollziehbar. Allerdings ist eine intensivere Betrachtung der Marktsituation geboten, wenn solche Effekte auftreten.
Bereits in den 1970er und 1980er Jahren war dieser Effekt zu bemerken. Es traten in Großstädten Situationen auf, die zu Kaufpreisen unter dem Bodenwert führten und doch im Anschluss keine Abbrüche erfolgten, sondern es wurde weiter vermietet und das jeweilige Objekt erkennbar ohne Verluste bewirtschaftet. Bei einer Analyse dieser Fälle ergab sich, dass es sich weitgehend um Grundstücke handelte, die mit öffentlich geförderten Wohnungsbauten bebaut waren und die Förderungen noch einige Zeit liefen. Hier waren die Bestimmungen der Förderungen für die Marktteilnehmer so günstig, dass trotz der geringen Kaufpreise eine Bewirtschaftung sinnvoll war.
Gleichzeitig konnte im Rahmen von Analysen des Ertragswertverfahrens und der genutzten Modelle festgestellt werden, dass für diese Fälle weitere Abhängigkeiten bestanden, die zu umfangreichen Veröffentlichungen führten. Im Abschnitt 1.3.6.3 von Praxis der Grundstücksbewertung beschreibt Möckel die Situation aus den 1980er und 1990er Jahren mit vergleichbaren Entwicklungen in Berlin.
Ergänzend ist an die Diskussionen zum „gedämpften Bodenwert“ bzw. des „geminderten Bodenwerts“ zu erinnern, die in der Fachliteratur umfassend geführt wurde.1Kleiber, in: Kleiber/Simon/Weyers: Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 4. Auflage, S. 1090 ff.,Kleiber, in: Sandner/Weber: Lexikon der Immobilienbewertung, 1. Auflage, S. 252, Möckel, in: Möckel/Gerardy/Troff/Bischoff, Praxis der Grundstücksbewertung, S. 4.3.9 ff.
So hat Möckel bereits 2003 das „Berliner Modell“ eingeführt, bei dem der Bodenwert in einen rentierlichen und unrentierlichen Anteil aufgeteilt wurde.
In der Regel wurden Überlegungen zur Senkung des Bodenwerts publiziert, die zu einem bebauten und einem unbebauten Bodenrichtwert führten (Gutachterausschuss Stuttgart) oder den Bodenwert im Ertragswertverfahren in einen rentierlichen und einen unrentierlichen Bodenwert aufteilten (Möckel, in: Berlin).
Diese Diskussionen wurden bei veränderten Marktsituationen über viele Jahre nicht weitergeführt und nicht mehr genutzt. Mit Beginn der großen Preissteigerungen ab ca. 2012 für Wohnbauland in den großen Städten Deutschlands trat das gleiche Problem wieder auf, diesmal aber nicht durch öffentliche Förderungen beeinflusst. Da das Modell des Ertragswertverfahrens der früheren WertV und des Allgemeinen Ertragswertverfahrens der ImmoWertV gleich ist, mussten andere Ereignisse oder Situationen Ursache dafür sein. Es zeigten sich folgende Ursachen für diese Entwicklung der sehr großen Preissteigerungen für unbebaute Grundstücke:
geringes Angebot an Bauland in den Innenstädten,
große Nachfrage nach Bauland in den Innenstädten,
ungewöhnlich niedrige Kreditzinsen bei Immobilienfinanzierungen weltweit,
ungewöhnlich geringe, z.T. negative Zinsen für Kapitalanagen oder
unsichere wirtschaftliche Situationen mit schwankenden Kursen für Aktien.
In den Innenstädten der deutschen Großstädte hat bereits seit Jahren das Angebot an unbebauten Grundstücken für Wohnungsbau oder Büro- und Dienstleistungsnutzungen stark abgenommen. Im Ergebnis dieser Entwicklung kann eher von Baulückenschließungen als von normalem Bauland gesprochen werden, und da bekanntlich Baulücken oft über den Werten des „normalen“ Baulandes gehandelt werden, entstanden so deutlich gesteigerte Kaufpreise.
Wegen der nicht nur kurzfristig steigenden Preise verkauften Eigentümer ihre Flächen nicht mehr und hofften auf weitere Wertsteigerungen, wenn die individuelle wirtschaftliche Situation es erlaubte. Auch andere Anbieter, insbesondere der Staat und seine Gebietskörperschaften, erweiterten das Angebot nicht, da sie bereits zur Haushaltskonsolidierung nicht benötigte Immobilien veräußert hatten und den Bestand für den eigenen Bedarf benötigten.
Der Mangel an Bauland ging einher mit einer steigenden Nachfrage durch Kapitalanleger, die in anderen Anlageformen keine ausreichende Rendite oder Sicherheit vor zu erwartenden plötzlichen Krisen erwarteten. So traf ein immer geringer werdendes Angebot auf eine immer größere Nachfrage, was zu deutlichen Preissteigerungen bei Bauland führte.
Verstärkt wurde diese Entwicklung durch einen in den Großstädten deutlich spürbaren Mangel an Wohnraum, insbesondere für Vermietungen zu Mieten, die sehr viele Menschen wirtschaftlich bezahlen können. Aus dieser Lage heraus, und unterstützt durch geringe Zinsen für Immobilienfinanzierungen mit bis zu einem Zinssatz von 1 %, wurden vermehrt Eigentumswohnungen errichtet bzw. bestehende Grundstücke in Wohneigentumsanlagen umgewandelt. Durch diese Entwicklung gefördert, stiegen auch die Preise für Eigentumswohnungen z.T. sehr deutlich.
Ein weiterer Gesichtspunkt war in Deutschland die Internationalisierung des Immobilienmarktes, welche durch große Kapitalanleger, wie Pensionsfonds, Hedgefonds oder Immobiliengesellschaften, gefördert wurde. Den großen Kapitalanlegern folgten auch andere Anleger von Kapital in geringerem Umfang aus dem Ausland, denn der deutsche Immobilienmarkt gilt als u.a.
sicher wegen der politischen Situation,
wirtschaftlich stabil ohne zu erwartende negative Ereignisse,
frei von Währungskrisen wegen einer starken Währung und
besonders unterbewertet (also mit zu geringen Preisen) im Vergleich zu anderen europäischen Märkten, insbesondere in den Großstädten und darum mit zu erwartenden großen Preis- und Wertsteigerungen.
Der hohe Anlagedruck, gepaart mit einer stark gewachsenen Nachfrage, wurde verstärkt durch politische und marktbeeinflusste Verstärkungen des Wohnungsmarktes, um die große Wohnungsnachfrage bewältigen zu können.
Die Preissteigerungen für unbebautes Bauland waren sehr deutlich und auch die Argumentation mit Baulücken und deren hohen Preisen oder Ausnahmefällen durch ausländische Kapitalanleger konnte nicht mehr aufrechtgehalten werden. Das führte zu erheblichen Steigerungen bei den Bodenwerten, die durch die Gutachterausschüsse in den Bodenrichtwerten abgebildet wurden.
In vielen Fällen wurden Kaufpreise für Bauland gezahlt, die nur durch den Bau teurer Eigentumswohnungen refinanzierbar waren, was zu entsprechend großen Steigerungen der Kaufpreise für Eigentumswohnungen führte.
Die Summe der einzelnen Entwicklungen ergab dann die Situation, die zu negativen Liegenschaftszinssätzen führte. Kapitalanleger oder Eigennutzer nutzen zur Verfügung stehendes Geld und legen es sicher in deutschen Immobilien an, ohne dass sie eine positive Rendite erwarten, von zukünftigen Wertsteigerungen abgesehen. Das übliche Streben eines Investors nach gewinnbringendem Ertrag wird nunmehr ergänzt durch das Streben nach wirtschaftlicher Sicherheit. Das alles führt zu negativen Liegenschaftszinssätzen im Modell des Ertragswertverfahrens.
Der Beitrag wird in Heft 2/19 fortgesetzt.
Dipl.-Ing. Bernhard Bischoff REV ist ö.b.u.v. Sachverständiger für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, Mitglied in den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte in Berlin und im Landkreis Havelland (Brandenburg) und Mitglied im Verband der vereidigten Sachverständigen VVS und BVS.