Der Immobilienbewerter - Zeitschrift für die Bewertungspraxis  Archiv  2018  Ausgabe 3  Wertermittlung 

Autor:
Gabriele Bobka
Beitragstyp:
Beitrag
Ausgabe:
3/2018 Seiten: 3 bis 8

Aktuelles aus Bewertung und Immobilienwirtschaft

49. Freiburger Immobilien-Fachseminar der Deutschen Immobilien-Akademie (DIA) an der Universität Freiburg

Gabriele Bobka

Die Lage der deutschen Wirtschaft, die Situation auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt, Verhaltensökonomie und Wohnungspolitik standen ebenso auf dem Programm des 49. Freiburger Immobilien-Fachseminars der DIA wie das aktuelle Datenschutzrecht und spezifische Probleme der Immobilienbewertung. Gut 170 Teilnehmer diskutierten mit Experten Hintergründe und Lösungsmöglichkeiten für die Praxis.

Wertermittlung von denkmalgeschützten Immobilien

„Die Wertermittlung von denkmalgeschützten Immobilien wird oftmals nicht marktgerecht durchgeführt, sei es aus Vereinfachungsgründe oder aus Unkenntnis“, so die Erfahrung von Andreas Jardin, Sachverständiger für Immobilienbewertung bei der Oberfinanzdirektion Rheinland. Baudenkmale seien Kulturdenkmale, also von Menschenhand hergestellt und bestünden aus baulichen Anlagen oder Teilen baulicher Anlagen. Der Denkmalschutz unterliege der Kulturhoheit der Länder. Dementsprechend gebe es kein bundeseinheitliches Denkmalschutzgesetz. An der Erhaltung eines Denkmals bestehe ein öffentliches Interesse. „Wird bei einem Gebäude die Denkmaleigenschaft festgestellt, so wird die Unterschutzstellung durch die Denkmalbehörde eingeleitet. Die genauen Abläufe hierzu sind in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich, ebenso wie die Rechtsakte, mit denen ein Gebäude zu einem Denkmal wird“, führte Jardin aus. Der Denkmalschutz gehöre aufgrund der Erhaltungspflicht, des Abbruchverbots, des Instandhaltungsgebots sowie des Wiederherstellungsgebots zu den stärksten Bindungen des Privateigentums. Dabei müssten die Beschränkungen des Grundstücks vom Sachverhalt her geboten und in ihrer Ausgestaltung sachgerecht sein. Mit der Denkmaleigenschaft seien zahlreiche öffentlich-rechtliche Pflichten und Beschränkungen verbunden, die im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art. 14 GG regelmäßig hingenommen werden müssten. Die Auflagen, die mit einer Unterschutzstellung einhergehen könnten, seien jedoch kein Fall der Enteignung, sondern basierten auf der Sozialbindung des Eigentums und konkretisierten sich durch die individuelle Situationsgebundenheit. Die Stärke der jeweiligen Bindung könne allerdings in bestimmten Fällen in eine Enteignung umschlagen, wenn ein denkmalgeschütztes Gebäude nicht mehr sinnvoll genutzt werden könne und nur noch als Denkmal der Allgemeinheit diene. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit werde überschritten, sofern das Grundstück nicht sinnvoll genutzt werden könne oder wenn die Kosten zur Erhaltung und der Bewirtschaftung nicht durch Erträge oder den Gebrauchswert des Kulturdenkmals im Wesentlichen aufgewogen werden könnten. Auch in Fällen, in denen das Baudenkmal in absehbarer Zeit ohnehin dem Verfall preisgegeben sei und sich daher die Ziele des Denkmalschutzes aus „tatsächlichen“ Gründen nicht mehr verwirklichen ließen, könne die Zumutbarkeitsschwelle überschritten werden. Bei festgestellter Unzumutbarkeit sei ein Eingriff in das Denkmal erlaubt oder der Eigentümer müsse entschädigt werden. Die Entschädigung bemesse sich nach dem Verkehrswert des Grundstücks unter Berücksichtigung dessen, was der Eigentümer im Rahmen der Sozialpflichtigkeit bis zur sog. Zumutbarkeitsschwelle entschädigungslos hinzunehmen habe.

„Zur Vorgehensweise der Ermittlung des Verkehrswertes eines denkmalgeschützten Gebäudes gibt es keine normierten Verfahren“, erläuterte Jardin. Der Denkmalschutz könne sich wertmindernd, werterhöhend oder gar nicht auf den Verkehrswert auswirken. Es gelte einerseits, die Einschränkungen durch die Denkmaleigenschaft hinsichtlich der Nutzbarkeit und der Erhaltungspflicht sowie der Auflagen im Falle einer Sanierung zu berücksichtigen. Andererseits müssten insbesondere die steuerlichen Vorteile, die sonstigen Förderungen und der Ambiente-Gewinn eines Denkmals beachtet werden. „Teilweise wird behauptet, dass die Berücksichtigung der steuerlichen Vorteile bei der Verkehrswertermittlung nicht zulässig sei, da steuerliche Vorteile von der individuellen Einkommens- und Vermögenssituation des Eigentümers abhängig sind und persönliche Umstände nicht bei der Verkehrswertermittlung berücksichtigt werden dürfen“, so Jardin. Tatsächlich sei jedoch festzustellen, dass die steuerliche Förderung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei der Preisfindung berücksichtigt werde. Bei der Verkehrswertermittlung nach § 194 BauGB dürfe jedoch nicht der persönliche Steuersatz Berücksichtigung finden, sondern der gewöhnliche Steuersatz des objektspezifischen Teilmarktes zur Anwendung kommen. Etwas anderes gelte zudem bei der Beleihungswertermittlung. Es bestünden mehrere Möglichkeiten im Einkommensteuerrecht, die Steuerschuld aufgrund von Aufwendungen für Baudenkmäler zu mindern, insbesondere durch die erhöhte Absetzung für Anschaffungs- und Herstellungskosten (§ 7i EStG), Sonderbehandlung von Erhaltungsaufwendungen (§ 11b EStG), Sonderausgabenabzug für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmäler (§ 10f EStG) und Sonderausgabenabzug für schutzwürdige Kulturgüter, die weder zur Einkunftserzielung noch zu eigenen Wohnzwecken genutzt würde (§ 10g EStG). Bei der Verkehrswertermittlung eines zur Vermietung genutzten Denkmalobjektes sei der zum Bewertungsstichtag kapitalisierte Steuervorteil des Baudenkmals gegenüber einem nicht unter Denkmalschutz stehenden Objekt zu ermitteln. Dieser Vorteil unterscheide das Baudenkmal in steuerlicher Hinsicht von der Wertermittlung eines „Nicht-Baudenkmals“.

Neben steuerlichen Gesichtspunkten seien insbesondere die besonderen denkmalrechtlichen Anforderungen an ein Baudenkmal zu berücksichtigen. Hierbei seien bescheinigungsfähige und genehmigungsfähige Baumaßnahmen zu unterscheiden. Nur bescheinigungsfähige Baumaßnahmen würden besonders steuerlich gefördert. Zudem müssten die Aufwendungen nach Art und Umfang dazu erforderlich sein, das Gebäude oder den Gebäudeteil als Baudenkmal zu erhalten oder sinnvoll zu nutzen und nicht nur wirtschaftlich zu optimieren. Nicht bescheinigungsfähig seien weiterhin Aufwendungen für Baumaßnahmen, die vor der Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde erfolgt seien.

Bei der Verkehrswertermittlung von Denkmalobjekten ließen sich im Wesentlichen drei Modelle unterscheiden: das Vergleichs-, Ertrags- oder Sachwertverfahren unter Berücksichtigung der Denkmaleigenschaft innerhalb des Modells durch denkmalspezifische Parameter, das Ertragsmodell mit einer unendlichen Restnutzungsdauer und das Regelverfahren unter Berücksichtigung der Denkmaleigenschaft als besonderes objektspezifisches Grundstücksmerkmal. Die wenigsten Gutachterausschüsse wiesen spezielle Daten hinsichtlich des Einflusses der Denkmaleigenschaften aus. Es gestalte sich daher im Hinblick auf die Modellkonformität und die fehlenden Vergleichsdaten problematisch, die Denkmaleigenschaft durch denkmalspezifische Parameter zu berücksichtigen. Eine unendliche Restnutzungsdauer sei keinesfalls praxisgerecht, da ein Denkmal sich nicht „per Gesetz“ von alleine erhalte. Zahlreiche Denkmalobjekte belegten, dass nicht immer kontinuierlich eine Instandhaltung erfolge. Das Erhaltungs- und Instandhaltungsgebot alleine garantiere keine unendliche Restnutzungsdauer. Die Berücksichtigung der Denkmaleigenschaft als besonderes objektspezifisches Grundstücksmerkmal erfolge durch Zu- oder Abschlag nach der Marktanpassung, sofern ihm der Grundstücksmarkt einen eigenständigen Werteinfluss beimesse. Grundsätzlich könnten in diesem Modell sämtliche nach § 8 ImmoWertV zulässigen Verfahren zur Anwendung kommen. Die Berücksichtigung müsse marktgerecht erfolgen und nachvollziehbar begründet werden.

Anhand eines Praxisbeispiels erläuterte Jardin die Vorgehensweise. Die Aufgabenstellung bestehe darin, den Verkehrswert eines vollständig unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes zu ermitteln. Das Bewertungsgrundstück sei mit einem viergeschossigen, Acht-Parteien-Mehrfamilienhaus im nachgefragten Innenstadtbereich bebaut. Das Objekt sei im Jahr 1926 errichtet und weitgehend kontinuierlich instandgehalten worden. Lediglich das Dach, die Fenster und die Fassade seien sanierungsbedürftig. Es seien daher in Kürze Baumaßnahmen bei diesen Gewerken in Höhe von 400.000 € notwendig. Die Baumaßnahmen seien mit der Denkmalbehörde abgestimmt und die für die Inanspruchnahme der erhöhten Abschreibung notwendige Bescheinigung durch die Denkmalbehörde zugesagt worden. Das Grundstück werde planungsrechtlich optimal genutzt und der Bodenwert sei vollständig den Erträgen zuzuordnen. Würden die Baumaßnahmen nicht unter Denkmalgesichtspunkten realisiert, so könnten diese günstiger veranschlagt werden. Die geschätzten Kosten fielen bei dem Bewertungsobjekt um rd. ein Drittel höher aus als bei einem „Nicht-Baudenkmal“. Der vorläufige Ertragswert betrage 1 Mio. €. Die RND sei unter Berücksichtigung der Baumaßnahmen mithilfe des Modells zur Ableitung der wirtschaftlichen RND der Sachwertrichtlinie (Anl. 4) ermittelt worden. Ferner seien bei der Ermittlung des vorläufigen Ertragswertes 15 % höhere Instandhaltungskosten gegenüber dem vom Gutachterausschuss zum Liegenschaftszinssatz veröffentlichten Instandhaltungskosten angesetzt worden. Da die Abweichung geringfügig sei, bestünden keine Bedenken, diese bereits bei der Ermittlung des vorläufigen Ertragswertes zu berücksichtigen, zumal die Differenzberechnung mithilfe des identischen Liegenschaftszinssatzes im Rahmen der besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale nicht zu anderen Ergebnissen käme. Die Kosten der bescheinigungsfähigen Baumaßnahmen würden später als besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale in Abzug gebracht. Der Marktanpassungsfaktor betrage 1,0, der Liegenschaftszinssatz 5 %, der marktangepasste vorläufige Ertragswert 1 Mio. €.

Als besonderes objektspezifisches Grundstücksmerkmal seien die bescheinigungsfähigen Baumaßnahmen in Höhe von 400.000 € zu berücksichtigen. Beim Bewertungsobjekt sei ein Steuersatz von 40 % für einen typischen Marktteilnehmer wahrscheinlich, da dieser aufgrund der relativ hohen Anschaffungskosten und der Ertragserzielungsabsicht üblicherweise über ein hohes zu versteuerndes Einkommen verfügen werde. Die Steuerentlastungswirkung der Sonderabschreibung auf das Denkmalobjekt betrage vom ersten bis zum achten Jahr 14.400 €. Der Barwertfaktor liege bei acht Jahren Laufzeit und einem 5-Prozent-Kapitalisierungszinssatz bei 6,46. Der Barwert zum Bewertungsstichtag belaufe sich somit auf 93.024 €. Die Steuerentlastungswirkung der Sonderabschreibung vom neunten bis zum zwölften Jahr liege bei 11.200 €, der Barwertfaktor bei 2,4, der Barwert zum Bewertungsstichtag bei 26.880 €. Die gesamte Steuerentlastungswirkung der Sonderabschreibung auf das Denkmalobjekt betrage 119.904 €. Die Steuerentlastungswirkung der AfA unter der Annahme, dass das Objekt kein Baudenkmal wäre, läge bei 58.432 €. Der Steuervorteil des Denkmalobjekts gegenüber einem nicht unter Denkmalschutz stehenden Objekts liege bei 61.472 €. Da der typische Marktteilnehmer in diesem sachlichen und regionalen Teilmarkt im Allgemeinen die Baukosten und den Steuervorteil im Rahmen einer professionellen Beratung ermitteln ließe bzw. selbst über die notwendigen Kenntnisse verfüge, sei davon auszugehen, dass die Baukosten und der Steuervorteil vollständig berücksichtigt würden. Es sei des Weiteren in diesem Teilmarkt davon auszugehen, dass der Vorteil an einen Veräußerer in voller Höhe weitergegeben werde und sich somit vollständig auf den Verkehrswert auswirke. Der Faktor 1,0 sei daher plausibel. Der Verkehrswert betrage rd. 662.000 €.

Instandhaltungsstau richtig kalkulieren

„Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale, wie eine wirtschaftliche Überalterung, ein überdurchschnittlicher Erhaltungszustand, Baumängel oder Bauschäden, sind gemäß § 8 ImmoWertV durch marktgerechte Zu- und Abschläge zu berücksichtigen“, erläuterte Prof. Josef Kraus, Lehrstuhl Facility Management an der Beuth Hochschule für Technik Berlin. Wertminderungen aufgrund von Baumängeln bzw. Bauschäden könnten durch Abschläge nach Erfahrungswerten, unter Zugrundelegung von Schadensbeseitigungskosten oder auf der Grundlage von Schadensbeseitigungskosten berücksichtigt werden. Ein Abzug der vollen Schadensbeseitigungskosten komme nur in Betracht, wenn der Schaden unverzüglich beseitigt werden müsse. Dabei sei ggf. ein Vorteilsausgleich („neu für alt“) vorzunehmen. Bei einer wirtschaftlichen Überalterung könne zusätzlich zum Ansatz der Alterswertminderung ein Abschlag wegen wirtschaftlicher Überalterung in Betracht kommen, wenn das Bewertungsobjekt nur noch eingeschränkt verwendungsfähig bzw. marktgängig sei. Anhaltspunkte könnten z.B. erhebliche Ausstattungsmängel oder unzweckmäßige Gebäudegrundrisse sein. Ausnahmsweise könne ein Zuschlag wegen überdurchschnittlichen Erhaltungszustands in Betracht kommen, wenn sich das Bewertungsobjekt in einem besonders gepflegten Zustand befinde. In Abgrenzung zur Modernisierung handele es sich hier um über das übliche Maß hinausgehende Instandhaltungsmaßnahmen, die in ihrer Gesamtheit zwar das Erscheinungsbild des Bewertungsobjekts überdurchschnittlich positiv beeinflussten, jedoch keine Erhöhung der Restnutzungsdauer bewirkten. DIN 31051 gliedere die Instandhaltung in vier Grundmaßnahmen: Wartung, Inspektion, Instandsetzung und Verbesserung. DIN EN 13306:2018-02, die die Begriffe der Instandhaltung definiere, unterteile Instandhaltung in die beiden Kategorien vorbeugende Instandhaltung und korrektive Instandhaltung.

Hauptzielsetzungen eines Instandhaltungsmanagements mit seinen Instandhaltungsstrategien nach DIN EN 13306:2018-02 seien die Sicherung der Verfügbarkeit des Objekts in der geforderten Funktion zu den günstigsten Kosten, Beachtung der mit dem Objekt einhergehenden Sicherheits-, personellen, Umwelt- und aller anderen obligatorischen Anforderungen, Beachtung aller Einflüsse auf die Umwelt und die Aufrechterhaltung der Haltbarkeit des Objekts und/oder der Qualität der gelieferten Produkte oder der erhaltenen Dienstleistung, unter Beachtung der Kosten. Instandhaltung orientiere sich an den allgemein anerkannten Regeln der Technik, die gemäß der europäischen Norm EN 45020 als die „technischen Festlegungen, die von der Mehrheit repräsentativer Fachleute als Wiedergabe des Standes der Technik angesehen werden“ definiert seien. Zur Kalkulation von Instandhaltungskosten gebe es mehrere Methoden: die Schätzung der anfallenden Kosten, eine Berechnung nach der Formel von Peters, die Berechnung nach der II. Berechnungsverordnung oder das Differenz-Verfahren. Stelle der Gutachter bei der Verkehrswertermittlung einen Instandhaltungsstau fest, müsse er diesen als besonderes objektspezifisches Grundstücksmerkmal berücksichtigen. Im Rahmen von Praxisbeispielen zeigte Prof. Kraus Besonderheiten von Gebäuden der 1960er und 1970er Jahre auf und legte dar, dass Sicherheitsmängel über einen Instandhaltungsstau hinausgingen. Die Gefahrenpotenziale, die bei einer Objektbegehung zu beachten seien, gliederten sich in die Bereiche Konstruktion und Standsicherheit, Feuerschutz, Absturz und Sturzsicherung, Maschinen und Anlagentechnik, Elektroanlagen, Trinkwasser, Grundwasser, Druckbehälter, Heizungsanlagen, Tanks, Gasleitungen, Gasgeräte, Abgasführung Gas, Freianlagen, unbebaute Grundstücke, öffentliche Verkehrsflächen sowie Sicherheit und Unfallverhütung.

Bewertung bei weit zurückliegenden Stichtagen

„Die Bewertung bei geringer Datenlage ist die Königsdisziplin der Wertermittlung“, stellte Stephan Zehnter, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Immobilienbewertung in München, fest. Insbesondere in solchen Fällen seien der Sachverstand und die Erfahrung von Sachverständigen der Immobilienbewertung gefragt. Solche Bewertungssituationen träten häufig bei weit zurück liegenden Stichtagen oder auch in abgelegenen Regionen mit einer Bebauung im Außenbereich auf. Als Beispiel stellte Zehnter ein denkmalgeschütztes Einfamilienhaus mit einer Grundfläche von 260 m², Baujahr 1860, mit zahlreichen Mängeln vor. In dem Gebäude seien Kreuzgewölbe, gemauerte Segmentbögen, Rabitzdecken, Fachwerk, ein erst noch zu erstellendes WC, ein offener Aufgang zum Dach, ein alter Dachstuhl ohne Dämmung und nur mit einem einfachen Holzbretterboden belegt, Feuchtigkeitsschäden im Keller, eine Dacheindeckung mit handbehauenem Naturschiefer, aufsteigende Feuchtigkeit und eine Unterfangung gegen Absenkung festgestellt worden. Die Sanierungskosten seien im Jahr 2012 auf 300.000 bis 350.000 € geschätzt worden. Zudem habe für das Sanierungsobjekt, in dem der Mieter nach der Sanierung beabsichtigt habe, wieder einzuziehen, ein Mietvertrag mit einer monatlichen Miete von 327,64 € bestanden. Der Auftrag für den Sachverständigen habe darin bestanden, Marktmiete und Verkehrswert der unvermieteten Immobilie zum Stichtag 1.1.1990 und die ortsübliche Vergleichsmiete und Verkehrswert des vermieteten Objektes vor Sanierung zum Stichtag 1.1.2012 zu ermitteln. Verwertbare Vergleichswerte hätten nicht vorgelegen. Der BGH habe in seinem Urteil (XII ZR 49/99) ausgeführt, dass in solchen Fällen „andere Erfahrungswerte heranzuziehen“ seien, insbesondere ein Gutachten eines erfahrenen, mit der konkreten Marktsituation vertrauten Sachverständigen. „Es mag sein, dass man bei einem auf diese Weise erstatteten Gutachten mit einer größeren Schätzungstoleranz rechnen muss als bei einem Gutachten, das auf konkreten Vergleichswerten aufbauen kann. Diese Folge muss hingenommen werden. Sie kann jedenfalls nicht dadurch beseitigt oder abgemildert werden, dass man für solche Einzelobjekte von statistischen Durchschnittswerten ausgeht“, so das Urteil. Im Gutachten gelte es, die allgemeine Marktsituation zum Stichtag, die Objektart und persönliche Erfahrung mit dieser Objektart, den Teilmarkt und seine Wirkungsweisen bzw. Wechselwirkungen mit anderen Teilmärkten zu beschreiben und daraus nachvollziehbare Ausgangspunkte und Rückschlüsse darzulegen. Der Grundsatz laute, vom Bekannten auf das Unbekannte zu schließen.

Verhaltensökonomie in der Grundstücksbewertung

„Nicht nur Käufer und Verkäufer handeln irrational, auch Sachverständige sind Menschen, die ebenso Denk- und Wahrnehmungsfehlern unterliegen, Informationen unrichtig interpretieren und falsche Schlüsse ziehen“, stellte Hauke Kruse, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Immobilienbewertung aus Hamburg, fest. Das Gehirn sei in der Praxis träge. Menschen griffen bei der Entscheidungsfindung daher häufig zu einfachen Problemlösungsmechanismen (Heuristiken). Hierdurch komme es zu Verhaltensweisen, die stark von der ökonomischen Rationalität abwichen. So käme es beispielsweise zu einer Vernachlässigung von tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten und Stichprobenumfang, falschen Vorstellungen von Zufall, Durchschnitt und Abweichungen, falscher Risikobewertung oder auch Ankereffekten. Verhaltensökonomie beschäftige sich mit menschlichem Verhalten in wirtschaftlichen Situationen. Dabei würden die Konstellationen untersucht, in denen Menschen im Widerspruch zur Modellannahme des homo oeconomicus, also des rationalen Nutzenmaximierers, agierten. Für den Bereich der Grundstücksbewertung sei das Thema noch relativ neu, obwohl der Grundstückssachverständige überdurchschnittlich häufig von der Verhaltensökonomie betroffen sei. Ihre Erkenntnisse könnten beispielsweise helfen, objektspezifische Grundstücksmerkmale nachvollziehbar zu bewerten und darzustellen. Verhaltensökonomie werde im Bereich Grundstückswertermittlung immer dann bedeutsam, wenn Einflüsse von Entscheidungen unter Unsicherheit, bei denen der Käufer nicht über alle Informationen verfüge, einzuschätzen seien. Aus Sicht des Sachverständigen stelle sich dann nicht nur die Frage nach den objektiven Gegebenheiten, sondern, wie ein Käufer darüber denke. Ein Käufer handle meist nicht nach dem Grundsatz der Nutzenmaximierung. Seine Handlungen würden vielmehr stark von Emotionen, Ängsten, Ungeduld und anderen menschlichen Eigenschaften geprägt. Solche Fragestellungen ergäben sich insbesondere bei merkantilen Minderwerten, bei Lagebesonderheiten, Rechten und Belastungen oder auch Baumängeln.

Datenschutzrecht aktuell

„Jede Person hat das Recht, über die Preisgabe und die Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen“, erläuterte der Freiburger Rechtsanwalt Dr. Dominik Nikol. Die 2016 in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gelte ab 25. Mai 2018 unmittelbar in jedem EU-Mitgliedsstaat. Sie habe Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht. Die Verordnung vereinheitliche EU-weit das Datenschutzniveau für natürliche Personen und sichere die gleichen Wettbewerbsbedingungen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. Sachlich anwendbar sei die DSGVO für jede „automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Datensystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen“ (Art. 2 Abs. 1). Räumlich anwendbar sei die Verordnung auch, soweit die Tätigkeiten in Niederlassungen eines Verantwortlichen oder Auftraggebers in der Union erfolge. Sie gelte i.d.R. ebenso, wenn Daten von Personen, die sich in der EU befänden, verarbeitet würden. Unter personenbezogenen Daten seien alle Informationen zu verstehen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person bezögen. Hierunter falle auch die IP-Adresse. Ohne Rechtsgrundlage dürfe keine Datenverarbeitung vorgenommen werden. Die Verarbeitung der persönlichen Daten sei nur rechtmäßig, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung erteilt habe, die Verarbeitung im Rahmen einer Vertragserfüllung erfolge, dessen Vertragspartei die betroffene Person sei, oder die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung sowie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen erforderlich sei. Im Rahmen der Datenerhebung bestünden gemäß Art. 13 strenge Informationspflichten, und zwar offline und online. Als Grundsätze für die Datenverarbeitung schreibe Art. 5 DSGVO Rechtmäßigkeit, Zweckbindung, Datenminimierung, Speicherbegrenzung, Integrität und Vertraulichkeit sowie Rechenschaftspflichten im Hinblick auf diese Grundsätze vor. Die Betroffenen besäßen umfangreiche Datenschutzrechte auf Information, Auskünfte, Berichtigung, Löschung, Sperrung, Widerspruch und Datenübertragbarkeit. In Betrieben mit zehn und mehr mit der Datenverarbeitung beschäftigten Personen sei zudem ein Datenschutzbeauftragter zu bestellen. Dieser sei bei der Erfüllung seiner Aufgaben weisungsfrei, berichte unmittelbar an die höchste Managementebene und müsse die erforderlichen Ressourcen und Unterstützung erhalten. Die Datensicherheit sei unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und des Zwecks der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeiten und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen sicherzustellen. Hierfür müsse das Unternehmen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen treffen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten. Bei Datenpannen bestehe gem. Art. 33 DSGVO eine Meldepflicht. Die Bußgelder seien von bislang maximal 300.000 auf 20 Mio. € oder bis zu 4 % des weltweit erzielten Jahresumsatzes erhöht worden.

Ideen für eine bessere Wohnungspolitik

„Die Mieten und Preise in den Großstädten steigen stetig und belasten zunehmend die privaten Haushalte. Ursächlich hierfür ist ein starker Zuzug in die Städte und eine zu geringe Bautätigkeit“, führte Dr. Ralph Henger, Senior Economist für Wohnungspolitik und Immobilienökonomik beim Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln, aus. Um den Markt wieder zu entspannen, bedürfe es einer deutlichen Ausweitung der Bautätigkeit, etwa über Nachverdichtungen und die Erschließung neuer Stadtviertel. Die bisherigen Strategien, die vor allem auf die Mietpreisbremse und die Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus setzten, seien dabei wenig hilfreich. Schließlich zeigten internationale Erfahrungen, dass eine scharfe Mietpreisregulierung vor allem zu einem Ausstieg der privaten Vermieter beitrage.Zielführender sei eine Erhöhung des Wohngelds, das ebenso wie die Grundsicherungsleistungen automatisch an die veränderte Kaufkraft und die steigenden Mieten anzupassen sei. Zudem solle der Kauf von Belegungsrechten im Bestand deutlich erweitert werden. Ein großes Potenzial für zusätzlichen Wohnraum bestehe in der besseren Nutzung des Bestands, etwa durch Dachaufstockungen, Untervermietungen oder durch die Schaffung von Einliegerwohnungen. Als weiteres Instrument nannte Henger die Unterstützung von Haushalten beim Umzug in kleinere Wohnungen. Vielfach, gerade auch in Nordrhein-Westfalen (NRW), seien wachsende und schrumpfende Städte nah beieinander. Durch eine bessere Verkehrsverbindung (ÖPNV) und durch ein Attraktivieren des Wohnumfelds in schrumpfenden Städten ließen sich Ausweichquartiere für zahlreiche Menschen schaffen.

Die Lage der deutschen Wirtschaft – Wachstum ohne Ende?

„Das Bruttoinlandsprodukt wächst in Deutschland seit 1850 mehr oder weniger stark, allerdings hat sich die Wachstumsrate deutlich verringert“, berichtete Prof. Timo Wollmershäuser, stellvertretender Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen in München. In den 1970er Jahren hätte diese noch 3 bis 4 % betragen, aktuell nur noch 1 bis gut 2 %. Hauptursache sei die Abschwächung des Produktivitätswachstums trotz fortgesetzter technologischer Innovationen. Zudem habe sich die Kapitalakkumulation in Deutschland aufgrund der internationalen Arbeitsteilung, der Globalisierung und der digitalen Revolution verringert. Hinzu komme der demografische Wandel, der ab 2020 zu einem deutlichen Rückgang der Bevölkerung führe. Auf dem Arbeitsmarkt werde dieser Rückgang teilweise kompensiert durch eine steigende Partizipationsrate, insbesondere von Frauen, die von 60 % in den 1970er Jahren auf aktuell 75 % zugelegt habe. Im Hinblick auf die geleisteten Arbeitsstunden sei Deutschland im europäischen Vergleich das Schlusslicht. Für das laufende Jahr rechne das Institut mit einem Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts um 2,6 % und 2,1 % im kommenden Jahr. Ein wichtiger Treiber der deutschen Konjunktur sei die Weltwirtschaft. Massive Einkommensteuersenkungen in den USA und ein starker Aufschwung im Euro-Raum beflügelten die Nachfrage nach deutschen Waren und Dienstleistungen. Allerdings drückten die Debatte über die Einführung bzw. Anhebung von Zöllen im transatlantischen Handel und die Aufwertung des Euros auf die Stimmung der Unternehmer hierzulande. Vorübergehend stimulierend wirke jedoch die Wirtschaftspolitik der neuen Bundesregierung, da den Koalitionsvereinbarungen zufolge vor allem im kommenden Jahr staatliche Transferleistungen und Ausgabenprogramme ausgeweitet werden dürften. Gleichzeitig enttäusche der Koalitionsvertrag bei der Reform des Steuer- und Abgabensystems. Insbesondere bleibe er eine Antwort auf die deutliche Absenkung der Unternehmenssteuern in den USA, aber auch in Frankreich und in Großbritannien, schuldig.

Aktuelle Preis- und Mietenentwicklung von Wohnimmobilien

„In Deutschland steigen nicht nur die Neuvertragsmieten, sondern auch die Mietspiegelmieten weiter an“, führte Dr. Volker Reimann von F+B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt, aus. Der deutsche Markt für Wohnimmobilien präsentiere sich nach wie vor äußerst heterogen. Durchschnittsdaten könnten daher immer nur Trends aufzeigen. So habe 2017 der durchschnittliche Kaufpreis für Eigentumswohnungen in München 5.800 €/m² betragen. Die Stadt stehe damit an der Spitze des F+B-Rankings. Die Spreizung der Preise im Stadtgebiet liege allerdings in einer Spanne von 2.700 bis 11.470 €/m². Obwohl Hamburg mit einem Durchschnittspreis von 3.940 €/m² nur Rang neun besetze, lägen die Spitzenpreise hier mit 10.410 €/m² gar nicht so viel niedriger. Auch bei den Neuvermietungsmieten stehe München mit Marktmieten von durchschnittlich 13,20 €/m² für zehn Jahre alte, 75 m² große Wohnungen unverändert an der Spitze. Die Mietspanne reiche jedoch von 8,20 bis 21,90 €/m². Auch hier erreicht die Spitzenmiete in Hamburg mit 20,40 €/m² einen fast ähnlich hohen Wert, obwohl die Durchschnittsmiete bei 10,30 €/m² liege.