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VK Thüringen, Beschluss vom 16.05.2019, 250 - 4003 - 10824 / 2019 - E - S - 002 - SÖM

(Bieter unterliegt)

Normen:

§ 57 S. 1 SektVO
Stichworte:Sicherheitsaufschlag bei Kostenschätzung, Aufhebung durch Sektorenauftraggeber

Leitsatz (redaktionell):

  1. Ein Antragsteller muss zumindest tatsächliche Anhaltspunkte oder Indizien aufzeigen, die ihn zu dem Schluss bewogen haben, die Vergabestelle habe sich rechtswidrig verhalten.
  2. Die pauschale Mitteilung des geschätzten Gesamtauftragswertes gibt dem Bieter nicht positive Kenntnis von der Tatsache, dass diese Auftragswertschätzung fehlerhaft ist.
  3. Die Aufhebung von Vergabeverfahren durch Sektorenauftraggeber ist nicht an konkrete Voraussetzungen gebunden. Der Auftraggeber muss eine Ermessensentscheidung treffen und es bedarf zur rechtmäßigen Aufhebung zumindest eines sachlichen Grundes.
  4. Ein solcher sachlicher Grund ist nicht nur dann anzunehmen, wenn einer der in den anderen Vergabeverordnungen ausdrücklichen bestimmten Aufhebungsgründe vorliegt.
  5. Die Entscheidung des Auftraggebers, die ausgeschriebenen Leistungen selber durchzuführen, ist ein ausreichender sachlicher Grund für eine Aufhebung.
  6. Eine ordnungsgemäße Auftragswertschätzung wird die Anforderungen einer seriösen betriebswirtschaftlichen Finanzplanung berücksichtigen und auch eine angemessene Gewinnmarge beinhalten.
  7. Da es sich bei der Kostenermittlung um eine Schätzung handelt, muss der Auftraggeber für eine realistische Ermittlung des Kostenbedarfs einen nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmenden Sicherheitsaufschlag vornehmen.

Entscheidungstext:

In dem Nachprüfungsverfahren, §§ 155 ff. GWB,

aufgrund des Antrages vom 22.03.2019 des Busunternehmen XXX, xxx ./. YYY GmbH, yyy, betreffend das Vergabeverfahren "Busverkehrsleistungen im Landkreis YYY, Los 2 Linienverkehrsleistungen im Raum BBB (Vergabe-Nr.: 509/18)"

pp.

hat die Vergabekammer Freistaat Thüringen, in der Besetzung mit

Herrn Regierungsdirektor Scheid als Vorsitzendem,

Herrn Oberregierungsrat Gers als hauptamtlichem Beisitzer und Herrn Beck als ehrenamtlichem Beisitzer,

ohne mündliche Verhandlung am 21.05.2019 beschlossen:

1. Der Nachprüfungsantrag des Antragstellers wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Nachprüfungsverfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin zu tragen.

3. Die Hinzuziehung von anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten für das Nachprüfungsverfahren durch die Antragsgegnerin wird für notwendig erklärt.

4. Die Gebühr für das Nachprüfungsverfahren wird auf xxxx € festgesetzt. Auslagen werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Landkreis YYY, der Alleingesellschafter der AG ist, hat diese ab dem 01.06.2019 auf der Grundlage eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages nach Artikel 5 Absatz 2 der VO (EG) Nr. 1370 /2007 mit der Durchführung bestimmter Busverkehrsleistungen im Landkreis YYY beauftragt.

Die AG hat im Supplement zum EU-Amtsblatt vom xxxxx (Az.: xxxxx) die Durchführung bestimmter Busverkehrsleistungen als Nachauftragnehmer der AG im Landkreis YYY für den Zeitraum vom 01.06.2019 bis zum 31.05.2029 in drei Losen im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens mit vorherigem Wettbewerb europaweit ausgeschrieben. Das Los 1 beinhaltet die Durchführung von Busverkehrsleistungen im Raum AAA, das Los 2 die Durchführung von Busverkehrsleistungen im Raum BBB und das Los 3 die Durchführung von Busverkehrsleistungen im Raum CCC.

Die AG hat ausweislich der Vergabeakten, insbesondere ausweislich des Vermerks über die Vergabevorbereitung vom 15.10.2018, den Auftragswert der zu vergebenden Busverkehrsleistungen mit insgesamt xxxx € netto geschätzt. Sie hat dabei für das Los 1 für einen Kraftomnibus eine Vergütung von 2,25 €/Fahrplankilometer und für einen Kleinbus eine Vergütung von 1,23 €/Fahrplankilometer, für das Los 2 für einen Kraftomnibus eine Vergütung von 2,53 €/Fahrplankilometer und für einen Kleinbus eine Vergütung von 1,59 €/Fahrplankilometer und für das Los 3 für einen Kraftomnibus eine Vergütung von 2,03 €/ Fahrplankilometer zugrunde gelegt.

Nach Nr. II.1.6) der europaweiten Auftragsbekanntmachung sind Angebote für alle Lose möglich. An einen Bieter kann maximal aber nur ein Los vergeben werden.

Nach Nr. II.2.5) der europaweiten Auftragsbekanntmachung sind Zuschlagskriterien der mit 80 % zu gewichtende Preis sowie das mit 20 % zu gewichtende Qualitätskriterium des Durchschnittsalters der zur Vertragserfüllung eingesetzten Fahrzeuge zu Beginn der Leistungserbringung.

Die Nr. IV.2.2) der europaweiten Auftragsbekanntmachung sieht als Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge den 15.11.2018, 11:00 Uhr, vor. Nach Nr. VI.3), Sätze 3 und 4, der europaweiten Auftragsbekanntmachung sind die Teilnahmeanträge und späteren Angebote jeweils in schriftlicher Form abzugeben; eine elektronische Abgabe ist insofern nicht zugelassen.

Nach Nr. VI.5) der europaweiten Auftragsbekanntmachung hat die AG diese Bekanntmachung bereits am 15.10.2019 an die TED-Webseite zur europaweiten Veröffentlichung versendet.

Neben der europaweiten Auftragsbekanntmachung erfolgte am 24.10.2018 eine gleichlautende Auftragsbekanntmachung im Amtsblatt des Landkreises YYY.

Der AST hat mit Schreiben vom 01.11.2018 und 14.11.2018 die AG unter anderem um die Mitteilung des Gesamtauftragswertes für alle drei Lose gebeten. Die AG hat mit Schreiben vom 15.11.2018 gegenüber dem AST diesen Gesamtauftragswert mit xxxx € netto beziffert.

Der AST hat am 15.11.2018 fristgerecht einen auf den 12.11.2018 datierten Teilnahmeantrag für die Lose 1, 2 und 3 bei der AG eingereicht. Neben dem Antragsteller hat ein weiterer Bewerber am 14.11.2018 einen auf den 14.11.2018 datierten Teilnahmeantrag für das Los 1 und ein weiterer Bewerber am 13.11.2018 einen auf den 12.11.2018 datierten Teilnahmeantrag für das Los 3 bei der AG eingereicht. Bei dem weiteren Bewerber für das Los 3 handelt es sich um die ZZZ GmbH, die sich als spätere Zuschlagsdestinatärin für das Los 3 herausstellen sollte (vgl. hierzu noch unten).

Die AG hat den zweiten Bewerber um das Los 1 am 23.11.2018 zur Nachreichung von nur unvollständig übersendeten Unterlagen bis zum 07.12.2018 aufgefordert. Der Bewerber ist dieser Aufforderung ausweislich der Vergabeakte nur unvollständig nachgekommen, so dass die AG den Teilnahmeantrag mit Schreiben vom 07.01.2019 vom Vergabeverfahren ausgeschlossen hat. Der Bewerber hat gegen diesen Ausschluss am 07.01.2019 Widerspruch bei der AG eingelegt, den die AG am 14.01.2019 zurückgewiesen hat.

Die AG hat am 14.12.2018 den AST und die ZZZ GmbH zur Abgabe eines ersten Angebots bis zum 11.01.2019, 11:00 Uhr, aufgefordert.

Die ZZZ GmbH hat am 08.01.2019 fristgerecht ein auf den 08.01.2019 datiertes erstes Angebot für das Los 3 bei der AG eingereicht. Sie hat in ihrem Angebot für das Los 3 für einen Kraftomnibus eine Vergütung von 3,03 € netto zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer für jede 1000 Soll-Fahrplanmeter angeboten.

Der AST hat am 11.01.2019 fristgerecht auf den 10.01.2019 datierte erste Angebote für die Lose 1, 2 und 3 bei der AG eingereicht. Der AST hat im Angebot für das Los 1 für einen Kleinbus eine Vergütung von 4,44 € netto zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer für jede 1000 Soll-Fahrplanmeter und für einen Kraftomnibus 5,87 € netto zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer für jede 1000 Soll-Fahrplanmeter, im Angebot für das Los 2 für einen Kleinbus eine Vergütung von 3,85 € netto zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer für jede 1000 Soll-Fahrplanmeter und für einen Kraftomnibus 6,60 € netto zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer für jede 1000 Soll-Fahrplanmeter sowie im Angebot für das Los 3 für einen Kraftomnibus 4,65 netto zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer für jede 1000 Soll-Fahrplanmeter angeboten.

Die AG hat ausweislich ihres Vermerks über die Prüfung der (indikativen) Angebote und erforderlichen Aufklärungsgespräche vom 17.01.2019 unter anderem festgestellt, dass die Angebotspreise des AST und der ZZZ GmbH erheblich über den Schätzungen des Auftragswertes durch die AG lägen. Sie lägen zudem sowohl über den geltenden Vergütungssätzen der Nachauftragnehmer der AG als auch über den Werten der Finanzuntersuchung des straßengebundenen ÖPNV im Freistaat Thüringen für die Jahre 2015 und 2016. Es sei daher zu prüfen, ob die Ausschreibung damit ein unwirtschaftliches Ergebnis erbracht habe. Mit den Bewerbern seien daher Aufklärungsgespräche über die Höhe ihrer Preise zu führen. Die Bewerber sollten dabei insbesondere die Zusammensetzung ihrer Preise sowie ihre Kalkulationen erläutern. Sie sollten zweckentsprechende Informationen mitteilen, die entweder den Eindruck von ungewöhnlich hohen Angeboten entkräften oder aber Gründe dafür aufzeigen, dass das jeweilige Angebot trotz seiner Höhe zu akzeptieren ist.

Die AG hat den AST und die ZZZ GmbH nach erfolgter Prüfung ihrer ersten Angebote mit Schreiben vom 22.01.2019 zu jeweils gesonderten Aufklärungsgesprächen über ihre Angebote am 05.02.2019 eingeladen. Der AST und die ZZZ GmbH haben in diesen Aufklärungsgesprächen ihre Angebotspreise näher erläutert.

Ausweislich des Vermerks der AG über die Auswertung der Aufklärungsgespräche vom 14.02.2019 konnten der AST und die ZZZ GmbH ihre von der AG für ungewöhnlich hoch befundenen Angebotspreise nach wie vor nicht aufklären. Die AG hat sich aber aufgrund der begrenzten Bieterzahl gleichwohl dazu entschlossen, mit den Bietern nunmehr zu verhandeln und erst nach Abschluss der Verhandlungen und Abgabe von finalen Angeboten die abschließende Prüfung der Angemessenheit der Preise und ggf. die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots vorzunehmen. Die Verhandlungen sollten insbesondere genutzt werden, um mit den Bietern nochmals die Angebotspreise zu erörtern und dabei günstigere Angebotspreise zu erreichen. Aus Gründen der Gleichbehandlung und der Transparenz sollte allen Bietern die Möglichkeit gegeben werden, im Rahmen der Abgabe eines finalen Angebots ihre Angebotspreise anzupassen.

Die AG hat daraufhin am 15.02.2019 die AST und die ZZZ GmbH zu gesonderten Verhandlungen am 19.02.2019 eingeladen. Auf Wunsch des AST ist sein für den 19.02.2019 vorgesehener Verhandlungstermin auf den 25.02.2019 verlegt worden.

Die AG hat sich in den Verhandlungen am 19.02.2019 mit der ZZZ GmbH im Los 3 auf einen bestimmten Angebotspreis/Fahrplankilometer einigen können. Die AG konnte in den Verhandlungen am 25.02.2019 mit dem AST keine Einigung im Hinblick auf die Angebotspreise für die Lose 1, 2 und 3 erzielen. Die AG hat daraufhin die ZZZ GmbH mit Schreiben vom 21.02.2019 und den AST mit Schreiben vom 25.02.2019 zur Abgabe eines finalen Angebots bis zum 27.02.2019, 14:00 Uhr, gebeten.

Die ZZZ GmbH hat am 25.02.2019 fristgerecht ein auf den 22.02.2019 datiertes finales Angebot für das Los 3 bei der AG eingereicht. Sie hat dabei die mit der AG am 19.02.2019 ausgehandelte Vergütung/Fahrplankilometer angeboten.

Der AST hat am 27.02.2019 fristgerecht auf den 27.02.2019 datierte finale Angebote für die Lose 1, 2 und 3 bei der AG eingereicht. Er hat in seinen finalen Angeboten dieselben Vergütungen/Fahrplankilometer angeboten wie in seinen ersten Angeboten vom 11.01.2019.

Die AG hat dem AST mit Schreiben vom 12.03.2019 mitgeteilt, dass sein finales Angebot für Los 3 nicht berücksichtigt werden soll und die AG insofern beabsichtige, den Zuschlag am 25.03.2019 auf das finale Angebot der ZZZ GmbH zu erteilen, da diese ein wirtschaftlicheres Angebot abgegeben habe. Die AG hat mittlerweile den Zuschlag auf das finale Angebot der ZZZ GmbH vom 25.02.2019 für das Los 3 erteilt.

Die AG hat dem AST mit einem weiteren Schreiben vom 12.03.2019 mitgeteilt, dass das Vergabeverfahren im Hinblick auf die Lose 1 und 2 aufgehoben werde. Die AG hat zur Begründung angeführt, dass das Vergabeverfahren insofern kein wirtschaftliches Ergebnis erbracht habe. Die Angebotspreise des AST für die Lose 1 und 2 hätten erheblich über den Schätzungen des Auftragswertes durch die AG gelegen. Für das Los 1 betrage der Abstand des Angebotspreises zu den Schätzungen der Auftragswerte 173,35 %. Für das Los 2 betrage der Abstand der Angebotspreise zu den Schätzungen der Auftragswerte 155,71 %. Die Angebotspreise des AST für die Lose 1 und 2 lägen zudem auch in einem extremen Ausmaß sowohl über den geltenden Vergütungssätzen der Nachauftragnehmer der AG als auch über den Werten der Finanzuntersuchung des straßengebundenen ÖPNV im Freistaat Thüringen für die Jahre 2015 bis 2017. Das Vergabeverfahren für die Lose 1 und 2 sei auch deshalb einzustellen gewesen, da die AG die Leistungen zu geringeren Kosten selbst erbringen könne. Die Bieter seien auf diesen Vorbehalt in Nr. 2.2.12 der Vergabebedingungen (Teil A. der Ausschreibungsunterlagen) hingewiesen worden. Im Falle einer Zuschlagserteilung zugunsten des AST entstünden Mehrkosten, für die keine Mittel der AG und im Haushalt des Landkreises YYY zur Verfügung stünden. Die wirtschaftliche Existenz der AG wäre im Falle einer Zuschlagserteilung zugunsten des AST zu den unangemessen hohen Angebotspreisen des AST zumindest gefährdet. Der AG stünden auch keine weniger einschneidenden Maßnahmen zur Verfügung, wie zum Beispiel eine Anpassung des auszuschreibenden Leistungsumfangs oder eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand der Versendung der Vergabeunterlagen. Die AG habe bei ihrer Ermessensentscheidung für eine Aufhebung des Vergabeverfahrens im Hinblick auf

die Lose 1 und 2 auch die Interessen des AST hinreichend berücksichtigt. Die berechtigten Interessen des AST müssten jedoch hinter den Interessen der AG an einer Einstellung des Vergabeverfahrens zurücktreten. Es sei auch nicht beabsichtigt, den Auftrag betreffend die Lose 1 und 2 erneut auszuschreiben. Die Vergabekammer macht ergänzend darauf aufmerksam, dass das eine Aufhebung des die Lose 1 und 2 betreffenden Vergabeverfahrens erklärende Schreiben der AG vom 12.03.2019 auf der Grundlage eines von der AG erstellten und gleichfalls auf den 12.03.2019 datierten Einstellungsvermerkes betreffend die Lose 1 und 2 ergangen ist, der das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Aufhebung/ Einstellung des Vergabeverfahrens im vorliegenden Fall ausführlich abhandelt.

Der AST hat mit Telefax/E-Mail vom 18.03.2019 die mit Schreiben vom 12.03.2019 mitgeteilte Einstellung des Vergabeverfahrens im Hinblick auf die Lose 1 und 2 gegenüber der AG gerügt. Der AST hat zur Begründung angeführt, dass die AG den Zuschlag auf die Angebote des AST für die Lose 1 und 2 ablehne, da für das Los 1 der Abstand der Angebotspreise zu der Schätzung ihrer Auftragswerte 173,35 % und für das Los 2 der Abstand der Angebotspreise zu der Schätzung ihrer Auftragswerte 155,71 % betrage. Der AST bestreitet die ordnungsgemäße Ermittlung bzw. Schätzung der Auftragswerte durch die AG. Die unzutreffende Schätzung der Auftragswerte und die darauf beruhende Teileinstellung des Vergabeverfahrens stellten einen Vergaberechtsverstoß dar. Der AST hat die AG aufgefordert, ihre geschätzten Auftragswerte unter Beifügung der dazugehörigen Kalkulation umgehend bis zum 20.03.2019, 12:00 Uhr, offen zu legen.

Die AG hat mit Schreiben vom 19.03.2019 die Rüge des AST vom 18.03.2019 zurückgewiesen. Die AG hat zur Begründung angeführt, dass die Schätzung der Auftragswerte durch die AG ordnungsgemäß entsprechend den vergaberechtlichen Vorschriften erfolgt sei. Das Rügeschreiben des AST enthalte keinerlei Anhaltspunkte, die einen Vergaberechtsverstoß begründeten. Der AST beschränke sich auf ein reines Bestreiten, ohne seinerseits die eigene Kalkulation seiner Angebotspreise vorzulegen. Die AG habe dem AST die Gründe für die teilweise Aufhebung/Einstellung des Vergabeverfahrens ausführlich schriftlich mitgeteilt. Die Ausführungen des AST gäben keinen Grund für eine Änderung der Einschätzung durch die AG. Dem AST stehe auch kein Anspruch auf Übersendung der Kalkulation der AG zu.

Der AST hat mit Schreiben/Telefax vom 22.03.2019 bei der Vergabekammer einen Nachprüfungsantrag gestellt. Er hat bei der Vergabekammer im Einzelnen beantragt,

1. die AG zu verpflichten, die Aufhebung des Vergabeverfahrens bezüglich des Loses 2 rückgängig zu machen und dem AST den Zuschlag für das Los 2 zu erteilen,

2. hilfsweise erneut in die Angebotswertung einzutreten,

3. hilfsweise festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig ist,

4. Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren,

5. der AG die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zum Zwecke der entsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des AST aufzuerlegen und

6. festzustellen, dass die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten für den AST notwendig war.

Nach Auffassung des AST ist sein Nachprüfungsantrag zulässig.

Der vorliegend maßgebliche Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungsaufträge von Sektorenauftraggebern betrage xxxx €. Das Angebot des AST für das Los 2 belaufe sich auf xxxx €.

Der AST sei nach § 160 Absatz 2 GWB antragsbefugt. Er habe durch die Abgabe eines Angebotes sein Interesse an dem Auftrag hinreichend dokumentiert. Er sei durch die erfolgte Aufhebung des Vergabeverfahrens in seinen Rechten verletzt worden. Durch die Teilaufhebung des Vergabeverfahrens für das Los 2 drohe ihm auch ein Schaden. Der AST sei der einzige Bieter gewesen, der ein Angebot für das Los 2 abgegeben habe. Die erfolgte Aufhebung des Vergabeverfahrens sei rückgängig zu machen und sodann seinem Angebot für das Los 2 der Zuschlag zu erteilen.

Der AST habe den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß innerhalb von zehn Kalendertagen und damit rechtzeitig gerügt.

Nach Auffassung des AST ist sein Nachprüfungsantrag auch begründet.

Zwar liege augenfällig eine Abweichung der Angebotspreise des AST von den Auftragswertschätzungen der AG vor. Jedoch sei diese Abweichung nicht dadurch bedingt, dass der AST als Bieter fehlerhaft kalkuliert habe. Die Ursache der Abweichung liege in einer unzureichenden Schätzung der Auftragswerte durch die AG. Der AST bestreitet, dass die Schätzung der Auftragswerte durch die AG mit der angemessenen Sorgfalt erfolgt ist. Der AST habe so kalkuliert, wie es üblich sei, und unter Beachtung des anzuwendenden MDOTarifvertrages. Die Kalkulation des AST sei in Anlehnung an übliche Kalkulationsmodelle (zum Beispiel PWC) erfolgt. Der AST habe sämtliche Kalkulationsparameter berücksichtigt. Der Geschäftsführer der AG habe in dem Bietergespräch am 05.02.2019 zudem erklärt, dass er auch nicht anders kalkulieren würde. Er würde beispielsweise auch die Leerkilometer einkalkulieren. Der AST hat in seinem Nachprüfungsantrag seine Kalkulation für den Standardbus und Kleinbus detailliert dargelegt. Er hat dabei in der Summe für den Standardbus einen Kilometersatz von 4,74 €/Wagenkilometer und für den Kleinbus einen Kilometersatz von 4,40 €/Wagenkilometer ermittelt. Er hat zu seiner Kalkulation angemerkt, dass es üblich sei, dass Leerkilometer vergütet werden, um den tatsächlichen Kostenaufwand zu decken. Wenn ein Wagenlauf ende, müsse der Bus nebst Fahrer zum Ausgangsort zurückkehren. Es entstünden so zusätzliche Kosten für Bus und Fahrer. Folglich würden auch die Leerkilometer üblicherweise vergütet. Wenn ein Angebot für einen Standardbus auf Basis von Fahrplankilometern abgegeben werden solle, erhöhe sich denknotwendiger-weise der Kilometersatz von 4,74 € auf 6,60 € pro Fahrplankilometer. Der AST habe für den Kleinbus 4,40 €/Wagenkilometer kalkuliert. Sein Angebot habe er jedoch zu einem Preis von 3,85 € pro Fahrplankilometer abgegeben. Der AST sei hier von seiner Kalkulation zugunsten der AG abgewichen, da es sich um einen Kleinbus handele. Hier müsse der Reservebus nicht eingerechnet werden. Es handele sich sozusagen um eine Zusatzleistung, die dem Bieter abverlangt werde. Kerngeschäft sei jedoch die Erbringung von Beförderungsleistungen mit den Standardbussen. Die Leistung des Kleinbusses könne auch mit dem Standardbus gefahren werden. Der AST habe auch die Risikopositionen Umleitungskilometer, Minderleistung von über 6 % jährlich, Zusätzliche Kosten, 10-Jahresvertrag, Entwicklung der Kosten für Treibstoff, Öl etc. sowie weitere zusätzliche Kosten (RBL-Verkabelung für neue Linienbusse, Abschlagszahlung bis zum 25. des Folgemonats, Erheblicher Verwaltungsaufwand, Stillstandskosten und Reservebus in die Kalkulation einbeziehen müssen, was mit großen Schwierigkeiten verbunden gewesen sei. Der AST geht davon aus, dass die AG den Auftragswert fehlerhaft geschätzt habe. Die AG habe nicht die Kosten und nicht die Preise für die ausgeschriebenen Wagenumläufe ermittelt. Wahrscheinlich habe die AG andere Preise zum Vergleich herangezogen. Die ausgeschriebenen Beförderungsleistungen seien nicht mit üblichen Ausschreibungen vergleichbar. Die Umläufe wiesen zum Teil erhebliche Leerkilometer auf. Die AG habe die ausgeschriebenen Leistungen durch den Fahrplan so gestaltet, dass erhebliche Leerkilometer vorhanden seien. Die zum Teil vorliegende Auslastung pro Bus mit weniger als 200 km pro Tag sei unwirtschaftlich. Die Fahrzeiten seien zudem zeitlich weit auseinanderfallend, was zu einem erhöhten Personalaufwand führe. Die Kostenstruktur der AG könne nicht mit den Kosten des AST verglichen werden. Die AG zahle nur den Mindestlohn, nicht jedoch den Tariflohn, der nach dem Vertrag verlangt werde. Der Tariflohn des MDO betrage ab 2020 17,70 €/Stunde (Stand: ab 01.01.2020). Die Schätzung der AG beziehe fehlerhaft nur den Mindestlohn ein. Nach der Ausschreibung sei der Einsatz von neuen Bussen erforderlich, da dies ein 20%iges Wertungskriterium sei. Eine Förderung der Busse erfolge nicht, da der Freistaat Thüringen den Erwerb neuer Busse erst fördere, wenn ein Vertrag zustande gekommen sei. Die Förderung bedürfe zudem noch der Zustimmung der AG. Dies sei der AG bekannt. Ein Rechtsanspruch auf Förderung bestehe nicht. Die AG nehme eine Quersubventionierung mit ihren Einnahmen aus dem Gelegenheitsverkehr vor. Einmalig sei hierbei, dass die AG als kommunales Unternehmen als Konkurrenz zu Privatunternehmen im Gelegenheitsverkehr tätig sei. Standzeiten seien zu vergüten. Die AG vergüte bekanntermaßen keine Standzeiten. Es bestehe kein Grund für die erfolgte Aufhebung des Vergabeverfahrens. Ein Aufhebungsgrund läge nur dann vor, wenn auch das die Zuschlagskriterien erfüllende Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis unwirtschaftlich sei. Es bestehe Einigkeit darin, dass die Beurteilung dieser Frage nicht in das vollständige Belieben der AG gestellt werden könne. Auch könne nicht allein auf den Marktpreis abgestellt werden. Die Zusammenstellung der Wagenumläufe und die Gestaltung des Fahrplans durch die AG seien für ein Verkehrsunternehmen fast nicht zumutbar und nur realisierbar, wenn hierfür nicht auch eine entsprechende Entlohnung erfolge. Dass die Entlohnung höher sei, liege daran, dass die Unzumutbarkeit sich preislich niederschlage und daher über den Preis kompensiert werden müsse. Der Preis bzw. die Schätzung, den die AG aufrufe, müsse methodisch zutreffend ermittelt werden. Die Kostenschätzung müsse daher ordnungsgemäß mit der gebotenen Sorgfalt erstellt worden sein. Dies setze eine zutreffende Tatsachengrundlage nach Maßgabe der zum Aufstellungszeitpunkt vorliegenden und erkennbaren Daten sowie die Anwendung von Methoden voraus, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis ernsthaft erwarten ließen. Die AG sei in dieser Weise nicht vorgegangen. Nicht umsonst weigere sich die AG, ihre Schätzung vorzulegen. Ein Aufhebungsgrund liege somit nicht vor. Der AST habe vorliegend einen Anspruch auf Rückgängigmachung der Aufhebung und Fortsetzung des Vergabeverfahrens. Dieser Anspruch sei im Wege des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer durchsetzbar. Aus § 57 SektVO ergebe sich insofern nichts anderes. Die Vorschrift benenne im Gegensatz zu den Aufhebungstatbeständen des übrigen Vergaberechts keine konkreten Voraussetzungen für die Aufhebung. Anerkannt sei jedoch, dass ein Vergabeverfahren auch im Anwendungsbereich der SektVO nicht ohne weiteres beendet werden dürfe. Die Grenze der fehlerfreien Ermessensausübung sei dort zu ziehen, wo eine Aufhebung als willkürlich anzusehen sei. Es bedürfe daher zur Aufhebung zumindest eines sachlichen Grundes. Ein solcher Grund wäre dann anzunehmen, wenn ein zuschlagsfähiges Angebot nicht existiere. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Auch der Hinweis der AG, sie habe sich vorbehalten, die Leistungen bei zu hohen Preisen selbst zu erbringen, ändere hieran nichts. Ansonsten wäre einem willkürlichen Verhalten der AG Tür und Tor geöffnet. Der AST weist darauf hin, dass die AG nach Artikel 5 Absatz 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag vom Landkreis YYY erhalten habe. Bei der Weitervergabe von Beförderungsleistungen seien Interessen des Mittelstandes angemessen zu berücksichtigen. Dies sei nicht der Fall, wenn die AG eine Stückelung und Zusammenstellung von Wagenläufen vornehme, für die sich kein Bieter auf dem Markt finde. Die AG berücksichtige durch ihre Vorgehensweise nicht die Interessen des Mittelstandes.

Die Vergabekammer hat am 25.03.2019 den Nachprüfungsantrag des AST an die AG übersendet sowie die AG um die Übersendung der Vergabeakten bis zum 28.03.2019 und um eine Stellungnahme zum Nachprüfungsantrag des AST bis zum 01.04.2019 gebeten.

Der AST hat auf Anforderung der Vergabekammer vom 25.03.2019 einen Kostenvorschuss in Höhe der Mindestgebühr von xxxx € entrichtet.

Die AG hat der Vergabekammer am 28.03.2019 die Vergabeakten übergeben sowie am 01.04.2019 eine auf den 27.03.2019 datierte Stellungnahme zum Nachprüfungsantrag des AST übersendet.

Die AG hat in ihrer Stellungnahme vom 01.04.2019 beantragt,

1. die Anträge des AST aus dem Nachprüfungsantrag vom 22.03.2019 als unbegründet zurückzuweisen,

2. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die AG gemäß § 182 Absatz 4 GWB für notwendig zu erklären und

3. dem AST die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der AG aufzuerlegen.

Nach Auffassung der AG ist der AST mit der Rüge der unzutreffenden Schätzung der Auftragswerte durch die AG gemäß § 160 Absatz 3 GWB bereits präkludiert.

Dem AST sei durch das Schreiben der AG vom 15.11.2018 der geschätzte Gesamtauftragswert der zu erbringenden Leistungen mitgeteilt worden. Damit sei dem AST bereits zu diesem Zeitpunkt der geschätzte Auftragswert sowie der erhebliche Abstand seiner Angebotspreise für die Lose 1 bis 3 von der Auftragswertschätzung der AG bekannt gewesen. Für den anwaltlich vertretenen AST sei auch erkennbar gewesen, dass die Schätzung gemäß § 2 Absätze 1 und 11 Nr. 2 SektVO erfolgt sei und damit der 48-fache Monatswert zugrunde gelegen habe. Die 10-Tages-Frist für eine Rüge hinsichtlich der vermeintlich fehlerhaften Schätzung sei gemäß § 160 Absatz 3 Nr. 1 GWB somit bereits zum 25.11.2018 abgelaufen gewesen. Die Rüge am 19.03.2019 sei damit bereits verspätet gewesen.

Nach Auffassung der AG ist der Nachprüfungsantrag des AST auch unbegründet.

Der AST habe keinen Anspruch auf Rückgängigmachung der Aufhebung der Ausschreibung hinsichtlich des Loses 2 und auf Erteilung des Zuschlags auf sein Angebot für das Los 2 sowie hilfsweise auf den Eintritt der AG in eine erneute Angebotswertung. Der AST habe keinen Anspruch auf Fortführung des beendeten Vergabeverfahrens hinsichtlich des Loses 2. Die AG habe sich dafür entschieden, die Leistungen der Lose 1 und 2 nicht erneut auszuschreiben, sondern wolle diese Leistungen selbst erbringen. Auf die Ausschreibung der AG hätte sich nur eine begrenzte Anzahl von interessierten Unternehmen beteiligt. Der begrenzte Wettbewerb habe zu keinen marktüblichen Preisen geführt. Die Angebotspreise des AST für das Los 2 seien überhöht gewesen. Der AST habe seine ungewöhnlich hohen Angebotspreise im Rahmen der durchgeführten Aufklärung nicht erläutern können. Auch im Rahmen der durchgeführten Verhandlungen habe keine Reduzierung der Angebotspreise des AST erreicht werden können. Es sei aus Sicht der AG unwahrscheinlich, dass eine erneute Ausschreibung zu anderen Ergebnissen führen würde. Die AG habe sich daher nach Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens entschieden, die Beschaffungsabsicht hinsichtlich der Leistungen für die Lose 1 und 2 aufzugeben und die Leistungen ab dem 01.06.2019 selbst zu erbringen. Die AG unterliege nämlich keinem Kontrahierungszwang. Niemand könne sie zwingen, einen Vertrag mit einem bestimmten Bieter abzuschließen. Vielmehr bleibe es der AG grundsätzlich unbenommen, von einem Beschaffungsvorhaben auch dann Abstand zu nehmen, wenn dafür kein in den Vergabe- und Vertragsordnungen anerkannter Aufhebungsgrund vorliege. Nur in Ausnahmefällen sei eine Verpflichtung der AG zur Rückgängigmachung und Fortführung des Vergabeverfahrens möglich, beispielsweise wenn der öffentliche Auftraggeber seine Absicht, die ausgeschriebene Leistung von Dritten zu beschaffen, unverändert aufrechterhalte und tatsächlich kein sachlich gerechtfertigter Grund sowie kein Aufhebungstatbestand vorliege. Daran fehle es hier. Die AG habe ihre Absicht, die in Rede stehenden Busverkehrsleistungen an einen Dritten zu vergeben, aufgegeben. Aus den vorgenannten Gründen könne die AG im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nicht verpflichtet werden, ihren Beschaffungsbedarf ab dem 01.06.2019 im Wege eines Linienverkehrsvertrages mit Nachauftragnehmern anstelle der Eigenerbringung zu decken.

Der AST könne auch nicht die Feststellung beanspruchen, dass die Aufhebung des verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahrens hinsichtlich des Loses 2 rechtswidrig gewesen sei. Die AG habe das Vergabeverfahren hinsichtlich des Loses 2 rechtmäßig aufgehoben/eingestellt, nachdem die Ausschreibung für dieses Los kein wirtschaftliches Ergebnis erbracht habe. Auch eine Aufhebung/Einstellung des Vergabeverfahrens nach dem hier maßgeblichen § 57 SektVO dürfe nicht willkürlich erfolgen. Ein uneingeschränkter und willkürlicher Entschluss zur Aufhebung sei ebenso unzulässig wie eine nur zum Schein erfolgte Aufhebung. Eine Aufhebung dürfe nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen und müsse dem Transparenzgebot genügen. Auch gelte für eine Aufhebung eines Vergabeverfahrens nach der SektVO ein weiterer Maßstab als in der VOL/A EG oder VOB/A. Vorliegend sei dem Einstellungsvermerk der AG zu entnehmen, dass das einzige Angebot des AST für Los 2 zu der Schätzung des Auftragswertes der AG einen Abstand von 155,71 % aufweise und zudem in einem extremen Ausmaß von den geltenden Vergütungssätzen der Nachauftragnehmer der AG sowie von den ermittelten Werten der Finanzuntersuchung des straßengebundenen ÖPNV im Freistaat Thüringen und zu den Angebotspreisen des einzigen anderen eingegangenen Angebotes abweichen würde. Im Einstellungsvermerk sei zudem nachvollziehbar ausgeführt, dass eine Verdreifachung der bisher für die Leistungen gezahlten Vergütung (6,60 € anstatt 2,05 €/Fahrplankilometer für Standardbus) für den Zeitraum der nächsten zehn Jahre für die AG existenzbedrohend sei. Die Aufhebungsentscheidung der AG sei daher von mehreren nachvollziehbaren sachlichen Gründen getragen gewesen. Es könne daher weder von einem willkürlichen Entschluss zur Aufhebung noch von einer nur zum Schein erfolgten Aufhebung die Rede sein. Deshalb sei die Aufhebungsentscheidung der AG nicht zu beanstanden, sondern als vergaberechtskonform zu bewerten.

Die Aufhebung/Einstellung des Vergabeverfahrens nach § 57 SektVO sei immer dann durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt, wenn einer der ausdrücklichen Aufhebungstatbestände des übrigen Vergaberechts vorliege. So liege zum Beispiel gemäß § 63 Absatz 1 Nr. 3 VgV ein Aufhebungsgrund vor, wenn kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt werde. Dies sei unter anderem dann der Fall, wenn ein Angebot erheblich über dem Preis liege, der nach einer ordnungsgemäßen Schätzung des Auftragswertes ermittelt worden sei. Dies sei vorliegend hinsichtlich des Angebotes des AST für das Los 2 gegeben. Die AG habe den Auftragswert insofern auch ordnungsgemäß geschätzt, wobei an diese Schätzung keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürften. Die AG habe die voraussichtlichen Kosten mit der gebotenen Sorgfalt ermittelt. Die Kostenschätzung als ein der Ausschreibung vorgeschalteter Vorgang sei mit gewissen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten behaftet; sie könne nicht an den gleichen Maßstäben wie das Angebot der Teilnehmer am Ausschreibungsverfahren gemessen werden. Sie bilde ihrem Gegenstand nach eine Prognose, die dann nicht zu beanstanden sei, wenn sie unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten in der Materie angemessenen und methodisch vertretbaren Weise erarbeitet worden sei. Aus der Sicht der Beteiligten seien ihre Ergebnisse hinzunehmen, wenn die Prognose aufgrund der bei ihrer Aufstellung objektiv vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheine. Daran werde es regelmäßig fehlen, wenn die Kostenschätzung auf erkennbar unrichtigen Daten beruhe oder wichtige Aspekte außer Acht lasse oder pauschal und auf ungeprüft anderen Kalkulationsgrundlagen beruhende Werte übernehme. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass dem Auftraggeber bei der Kostenschätzung eine gewisse Toleranz zugebilligt werden müsse (mindestens 20 %). Vorliegend seien keine Anhaltspunkte für die Annahme einer solchen nicht mehr vertretbaren Fehlprognose der AG gegeben. Ausschlaggebend für die Schätzung der Auftragswerte durch die AG sei zunächst das Ergebnis einer eigenen Kostenberechnung und Kalkulation der AG getrennt für die Lose 1 bis 3 gewesen. Die AG selbst erbringe seit vielen Jahren Linienverkehrsleistungen in erheblichem Umfange mit eigenen Fahrzeugen und Personal und verfüge daher über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen, insbesondere zu den Kostenansätzen, um eine Kalkulation selbst vornehmen zu können. Sie habe die so ermittelten Auftragswerte mit den geltenden Vergütungssätzen der Nachauftragnehmer der AG und mit der Finanzuntersuchung des straßengebundenen ÖPNV im Freistaat Thüringen vom 31.01.2018 für die Jahre 2015 und 2016 abgeglichen. Die AG habe die eigene Kostenberechnung und Kalkulation unter anderem des Loses 2 unter Einbeziehung der Leekilometer so vorgenommen, wie es ein typischer Nachauftragnehmer für die Erbringung der auszuschreibenden Leistungen getan hätte. Danach ergebe sich für das Los 2 ein geschätzter Auftragswert pro Fahrplanjahr von insgesamt xxxx € netto. Dem habe eine ermittelte Vergütung von 2,53 € netto pro Fahrplankilometer für den Standardbus und 1,59 € netto pro Fahrplankilometer für den Kleinbus zugrunde gelegen. Die Schätzung der Auftragswerte durch die AG lasse keinen Vergaberechtsverstoß erkennen. Die AG habe in ihrer Kalkulation insbesondere die Kosten und Preise für die ausgeschriebenen Wagenumläufe ermittelt. So seien Diesel, Personal etc. berücksichtigt worden. Die AG habe auch die Leerkilometer für das Los 2 ausreichend berücksichtigt. Die Linien- und Leerkilometer seien für jeden einzelnen Dienst und die Schul- und Ferienzeiten berücksichtigt und in der Kalkulation gesondert ausgewiesen worden. Von insgesamt 96.968,00 km seien 36.140,00 Leerkilometer mit-berücksichtigt worden. Die AG habe die ausgeschriebene Leistung durch den Fahrplan auch nicht so gestaltet, dass erhebliche Leerkilometer vorhanden seien. Die Zusammenstellung der Wagenumläufe und die Gestaltung des Fahrplans durch die AG seien für ein Verkehrsunternehmen auch nicht unzumutbar. Die AG habe den Fahrplan auch nicht so ausgestaltet, dass dieser für Nachauftragnehmer unwirtschaftlich sei. Alleiniger Maßstab für die AG und den Landkreis YYY bei der Ausgestaltung des Fahrplanes seien die Bedürfnisse der Bürger und die örtlichen Gegebenheiten. Davon unabhängig sei es ausschließlich Aufgabe der AG, welche Leistungen wie auszuschreiben seien. Abwegig sei auch die Behauptung des AST, die AG hätte eine Stückelung und Zusammenstellung von Wagenumläufen ausgeschrieben, für die sich kein Bieter auf dem Markt finde. Denn immerhin würden diese Leistungen seit dem Jahr 1995 von Nachauftragnehmern, unter anderem auch vom AST, für die AG erbracht. In die Schätzung der Auftragswerte durch die AG sei auch der geforderte MDO-Tariflohn und nicht nur der Mindestlohn eingeflossen. Die AG habe in ihrer Kalkulation keine Förderung für die Neuanschaffung von Bussen eingerechnet. Bei der kalkulierten Neuanschaffung für Busse sei der Preis für den teuersten Linienbus angenommen worden. Die AG habe im Vergabeverfahren auch nicht den Einsatz von neuen Bussen gefordert, auch wenn Mindestanforderungen an das Fahrzeugalter gestellt worden seien. Der AST trage vor, dass eine Förderung des Erwerbs neuer Busse durch den Freistaat Thüringen nicht erfolge. Gleichzeitig erkläre er, dass der Erwerb neuer Busse erst gefördert werde, wenn der Vertrag zustande gekommen sei. Dies sei widersprüchlich. Zwar bestehe kein Rechtsanspruch auf eine Förderung. Gleichwohl bestehe grundsätzlich die Möglichkeit einer Förderung. Zudem setze der AST derzeit zwei Busse ein, welche in der Förderbindung des Freistaats Thüringen seien, was der AST durchaus hätte einkalkulieren können. Die AG habe auch keine Quersubventionierung mit ihren Einnahmen aus dem Gelegenheitsverkehr vorgenommen. Sie habe vielmehr im Rahmen der Schätzung der Auftragswerte wie ein Nachauftragnehmer kalkuliert. Einnahmen aus dem Gelegenheitsverkehr seien nicht berücksichtigt worden. Auch seien Standzeiten nicht zu vergüten. Gleichwohl habe die AG im Rahmen ihrer Kostenschätzung auch die Standzeiten ausreichend berücksichtigt. Insbesondere seien in der Kostenschätzung Auf- und Abrüstzeiten und geteilte Dienste berücksichtigt worden. Nach alledem habe die AG eine ordnungsgemäße Schätzung der Auftragswerte vorgenommen.

Die AG habe anschließend die kalkulierten Auftragswerten mit den geltenden Vergütungssätzen der Nachauftragnehmer der AG und mit dem Ergebnis der vom Freistaat Thüringen in Auftrag gegebenen Finanzuntersuchung des straßengebundenen ÖPNV im Freistaat Thüringen vom 31.01.2018 abgeglichen. Dieser Abgleich habe ergeben, dass die entsprechenden Werte unter den von der AG kalkulatorisch ermittelten Auftragswerten lägen, so dass für die AG kein Grund für eine Anpassung der eigenen Auftragswerte/Kostenschätzung bestanden hätte. Die AG habe die Auftragswert-/Kostenschätzung ordnungsgemäß vorgenommen. Ein pauschales Bestreiten der ordnungsgemäßen Auftragswert-/ Kostenschätzung durch den AST reiche dann nicht mehr aus. Die Beweislast für eine nicht ordnungsgemäße Auftragswert-/Kostenschätzung gehe insofern auf den AST über. Die AG müsse nicht mehr beweisen, dass ihre Auftragswert-/Kostenschätzung ordnungsgemäß gewesen sei. Aus der Kalkulation des AST folge auch nicht, dass die Kalkulation der AG unzutreffend gewesen ist. Die Kalkulation des AST sei für die Frage, ob die Schätzung der Auftragswerte durch die AG ordnungsgemäß erfolgt sei, ohne Aussagekraft. Allenfalls könnten sich aus der vom AST nunmehr eingereichten Kalkulation Anhaltspunkte dafür ergeben, warum die unangemessen hohen Preise des AST zu akzeptieren sind. Allerdings habe der AST im Rahmen des Aufklärungsgespräches am 05.02.2019 und im Rahmen der nachfolgenden Verhandlungen am 25.02.2019 ausreichend Gelegenheit gehabt, seine jetzt vorgelegte Kalkulation zur Prüfung durch die AG vorzulegen. Dies sei nicht geschehen. Der AST habe in diesen Gesprächen keine Kalkulation oder nachprüfbare Gründe zur Erklärung seiner hohen Angebotspreise vorgelegt. Daher sei er zum jetzigen Zeitpunkt mit diesem neuen Vorbringen präkludiert. Die mit dem Nachprüfungsantrag erstmals vorgelegten Kalkulationen und Anmerkungen und Besonderheiten hierzu seien daher in diesem Verfahren unbeachtlich. Sie könnten weder Zweifel an der ordnungsgemäßen Schätzung der Auftragswerte der AG begründen noch als Grund zur Rechtfertigung der hohen Preise des AST herangezogen werden. Unabhängig davon sei die nunmehr vorgelegte Kalkulation des AST auch nicht geeignet, Zweifel an der Schätzung der Auftragswerte durch die AG zu begründen. Denn diese leide an wesentlichen offensichtlichen Fehlern. Der AST habe insbesondere in mehrfacher Hinsicht zu hohe Kosten(sätze) veranschlagt. Die AG gehe auch davon aus, dass der AST, der einen großen Teil Reiseverkehr betreibe, die Einnahmen aus dem Linienverkehr für die Finanzierung dieses Reiseverkehrs verwende. Die Kalkulation des AST lasse vermuten, dass sie absichtlich hochgerechnet worden seien, um andere Kosten zu decken. Dies habe aus Sicht der AG nichts mit der Realität des Linienverkehrs zu tun. Der Geschäftsführer der AG habe in dem Aufklärungsgespräch am 05.02.2019 auch nicht erklärt, dass er auch nicht anders kalkulieren würde wie der AST. Die AG habe letztendlich unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles das eingeräumte Ermessen dahingehend ausgeübt, das Vergabeverfahren teilweise einzustellen. Es existiere zwar kein einheitlicher Maßstab dafür, welches Maß der Überschreitung der Schätzung des Auftragswertes eine Unwirtschaftlichkeit des Ergebnisses begründe. Allerdings dürfte unzweifelhaft sein, dass ein unwirtschaftliches Ergebnis dann vorliege, wenn der Angebotspreis des AST für Los 2 einen Preisabstand von 155,71 % zu den Schätzungen der Auftragswerte durch die AG aufweise. Der AST habe seine ungewöhnlich hohen Angebotspreise auch nicht im Aufklärungsgespräch vom 05.02.2019 sowie in den nachfolgenden Verhandlungen vom 25.02.2019 erläutern können. Zudem erbringe der AST derzeit noch Linienverkehrsleistungen für die AG im Raum BBB auf der Grundlage eines Linienverkehrsvertrages aus dem Jahr 2011. Die Leistungen entsprächen in etwa den in Los 2 ausgeschriebenen Leistungen. Der AST erbringe diese Leistungen zu einer Vergütung von 2,05 € (Standardbus) und 1,30 € (Kleinbus) jeweils netto pro Fahrplankilometer. Nunmehr kalkuliere er für ähnliche Leistungen eine Vergütung von 6,60 € (Standardbus) und 3,85 € (Kleinbus) jeweils netto pro Fahrplankilometer. Seit dem Jahr 2011 seien jedoch keine derart erheblichen Kostensteigerungen eingetreten, welche zu einer solchen Vergütungshöhe führen könnten. Solche Preissteigerungen seien vom AST weder im Rahmen der in der Vergangenheit durchgeführten Preisanpassungsprüfungen noch im Rahmen des gegenständlichen Vergabeverfahrens nachvollziehbar mitgeteilt worden. Auch habe die AG vor der Entscheidung über die Aufhebung der Ausschreibung ihre Schätzung der Auftragswerte nochmals sorgfältig überprüft. Hierzu habe sie sich veranlasst gesehen, da lediglich zwei Angebote eingegangen seien. Auch die nochmalige Überprüfung der Schätzung der Auftragswerte durch die AG habe zu keinem anderen Ergebnis geführt. Insbesondere habe die Fortschreibung der Finanzuntersuchung des straßengebundenen ÖPNV im Freistaat Thüringen vom 31.01.2018 nach einer unverbindlichen Vorabinformation der zuständigen Stelle für das Jahr 2017 und für Thüringen insgesamt durchschnittliche Kosten pro Fahrplankilometer von 2,70 € ergeben. Selbst wenn man diesen Betrag unter Zuhilfenahme der Wertsicherungsklausel der Vergabeunterlagen für das Vertragsjahr 2019/2020 um 7 % auf 2,89 € erhöhen würde, sei der Preisabstand zu den Angebotspreisen des AST mit ca. 230 % immer noch erheblich. Die AG habe zudem aktuelle Angebote für vergleichbare Leistungen am Markt eingeholt, die im Durchschnitt bei 2,67 € je Linienkilometer betragen würden. Auch hierzu stünden die Angebotspreise des AST in keinem Verhältnis. Des Weiteren habe die AST ihre Kalkulation zur Schätzung der Auftragswerte durch die Steuerkanzlei QQQQ aus qqqq überprüfen lassen, die die Kalkulation für plausibel befunden habe. Die AG sei zudem als hundertprozentige Tochter des Landkreises YYY ebenso wie dieser an den Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Mittelverwendung gebunden. Die im Falle einer Zuschlagserteilung auf eines der Lose 1 oder 2 entstehenden Mehrkosten stünden weder der AG noch dem Landkreis YYY zur Verfügung. Die wirtschaftliche Existenz der AG wäre im Falle der Fortführung des Vergabeverfahrens und der Zuschlagserteilung zu den unangemessen hohen Angebotspreisen des AST zumindest gefährdet. Bei Zuschlagserteilung auf das Los 2 würden die Mehrkosten pro Jahr ca. xxxx € und für die gesamte Vertragslaufzeit ca. xxx Mio. € betragen. Die AG könne diese Mehrkosten nicht durch zusätzliche Einnahmen kompensieren. Der Landkreis YYY habe diese Kostenerhöhung nicht eingeplant und sei aufgrund der Grundsätze der sparsamen und wirtschaftlichen Mittelverwendung ebenso daran gehindert, die hohen Vergütungssätze des AST auszugleichen. Die AG könne daher nicht den Zuschlag auf eines der Lose 1 oder 2 erteilen, ohne ihre wirtschaftliche Existenz und die Erfüllung des im Übrigen mit dem Landkreis YYY bestehenden öffentlichen Dienstleistungsauftrages zu gefährden. Die Angebotspreise des AST würden zudem auch erheblich von dem niedrigeren Angebotspreis des einzigen anderen Bieters für das Los 3 abweichen. Dabei sei zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Anteil der Leerkilometer im Los 3 höher als im Los 2 sei, so dass auch vor diesem Hintergrund die höheren Angebotspreise des AST im Los 2 nicht nachvollziehbar seien. Die AG habe ihre Entscheidung für eine teilweise Aufhebung/Einstellung des Vergabeverfahrens ergänzend darauf gestützt, dass sie die Leistungen zu einem geringeren Selbstkostenpreis erbringen könne. Auf diesen Vorbehalt seien die Bewerber unter Nr. 2.2.12 der Vergabebedingungen (Teil A. der Ausschreibungsunterlagen) hingewiesen worden. Die Angebotspreise des AST für die Lose 1 und 2 lägen über diesen Kosten. Es sei darauf hinzuweisen, dass die Selbsterbringungskosten der AG nicht mit den geschätzten Auftragswerten für die Nachauftragnehmer identisch seien. Die AG habe auch geprüft, ob ihr weniger einschneidende Maßnahmen zur Verfügung stünden. Eine Anpassung des Leistungsumfangs sei dabei nicht in Betracht gekommen, da dieser aufgrund der Vorgaben im öffentlichen Dienstleistungsauftrag zwischen der AG und dem Landkreis YYY feststehe. Eine Verkürzung des Leistungsumfangs würde zudem nicht dazu führen, dass die Leistungen von den Nachauftragnehmern wirtschaftlicher erbracht werden könnten. Auch eine Änderung des Umfangs der Leerkilometer in den einzelnen Losen sei nicht möglich und würde zudem zu keinem anderen Ergebnis führen. Auch eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand der Versendung der Vergabeunterlagen sei aufgrund der begrenzten Anzahl von Bewerbern nicht zielführend und daher keine Alternative zu einer Aufhebung des Vergabeverfahrens. Die AG habe bei ihrer Ermessensentscheidung auch die Interessen des AST hinreichend berücksichtigt. Die berechtigten Interessen des Bieters hätten jedoch hinter den Interessen der AG an einer Einstellung des Vergabeverfahrens zurücktreten müssen. Die AG sei daher insgesamt zu dem Ergebnis gelangt, dass die Ausschreibung für Los 2 zu keinem wirtschaftlich akzeptablen Ergebnis geführt habe und das Vergabeverfahren daher teilweise einzustellen gewesen sei. Die AG habe sich zudem dafür entschieden, die Leistungen der Lose 1 und 2 nicht erneut auszuschreiben und zu vergeben, sondern diese Leistungen selbst zu erbringen. Die AG habe damit ihre Beschaffungsabsicht insofern aufgegeben. Der Nachprüfungsantrag des AST sei damit zusammenfassend auch als unbegründet zurückzuweisen.

Die Vergabekammer hat dem AST am 03.04.2019 Einsicht in die Vergabeakten gewährt, soweit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren, indem sie ihm nach erfolgter fernmündlicher Absprache die zur Einsichtnahme eröffneten Aktenbestandteile in Kopie übersendet hat.

Die Vergabekammer hat am 23.04.2019 gegenüber den Verfahrensbeteiligten die Frist zur Entscheidung in der Sache nach § 167 Absatz 1 GWB bis zum 31.05.2019 verlängert.

Der AST hat mit Schreiben/Telefax vom 25.04.2019 bekräftigt, dass hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Loses 2 seine Angebotskalkulation ordnungsgemäß und die Schätzung des Auftragswertes durch die AG nicht ordnungsgemäß erfolgt sei, und hat dies nochmals ausführlich begründet. Die von der AG angenommenen niedrigen Vergütungssätze pro Fahrplankilometer würden dem Mittelstand die Möglichkeit nehmen, Beförderungsleistungen zu erbringen. Die AG habe den Fahrplan unwirtschaftlich gestaltet. Daraus ergäben sich zwangsläufig hohe Preise. Die AG hätte den Fahrplan leicht so gestalten können, dass eine ausreichende Anzahl von Fahrplankilometern und eine sinnvolle Auslastung von Busfahrten möglich sei. Dies sei jedoch nicht gewollt gewesen. Die AG habe eine Stückelung und Zusammenstellung von Wagenumläufen vorgenommen, für die sich kein Bieter auf dem Markt finde. Trotz europaweiter Ausschreibung habe nur ein Bieter ein Angebot für das Los 2 abgegeben - der AST. Die im Los 2 ausgeschriebenen Leistungen würden sich auch erheblich von den seit 1995 von den Nachauftragnehmern, unter anderem auch von dem AST, für die AG erbrachten Leistungen unterscheiden. Auch sei der Einsatz von neuen Bussen erforderlich, da dies ein 20-prozentiges Wertungskriterium sei. Der Einsatz neuer Busse sei gewollt und ein wesentliches Wertungskriterium. Die AG nehme eine Quersubventionierung aus dem Gelegenheitsverkehr vor. Dies ergebe sich aus einem von dem AST beigefügten Zeitungsartikel. Der AST verwende seine Einnahmen aus dem Linienverkehr auch nicht, um seinen Reiseverkehr (quer) zu subventionieren. Die AG fordere von den Bietern eine hohe Qualität der Leistung, was höhere Preise der Bieter zur Folge habe. Die AG habe es in der Hand gehabt, die Qualitätskriterien zu verringern, um damit das Preisniveau zu senken. Dies sei jedoch nicht erfolgt. Die wirtschaftliche Existenz der AG sei im Falle der Fortführung des Vergabeverfahrens und einer Zuschlagserteilung zugunsten des AST auch nicht gefährdet. Die AG trage hierfür keine Tatsachen vor. Es handele sich um eine reine Behauptung ohne Substanz. Der AST sei auch nicht mit der Rüge der unzutreffenden Schätzung des Auftragswertes durch die AG präkludiert. Die AG habe die Auftragswerte nicht für die einzelnen Lose bekannt gegeben, sondern einen Auftragswert für alle drei Lose, so dass die Angabe dieses Auftragswertes keine Aussagekraft für ein einzelnes Los haben könne. Die vom AST veranschlagten Kosten seien im Hinblick

auf die zu erbringende Leistung angemessen und nicht überteuert. Die Leistung könne nicht kostengünstiger erbracht werden. Maßgeblich sei nur die Kalkulation der Beförderungsleistungen im Hinblick auf das konkrete Los 2. Eine Durchschnittsbetrachtung („üblicherweise“, „Preise aus der Vergangenheit in Thüringen“) sei nicht zulässig. Die AG könne sich auch nicht auf die Preise und Kosten der Vergangenheit beziehen. Maßgeblich komme es allein darauf an, welche Preise und Kosten aktuell für den ausgeschriebenen Auftrag zur Anwendung kämen. Der AST habe in der Vergangenheit bei der Erbringung von Beförderungsleistungen für die AG finanzielle Verluste erlitten. Die AG könne nicht erwarten, dass der AST dieses Verhalten auch in Zukunft fortführen werde. Der AST habe in der Vergangenheit Preisveränderungen nicht angemessen durchsetzen können, da sich die Preise nach Ansicht der AG nicht verändert hätten. Die Art der Preisgestaltung der AG habe zur Insolvenz der RRR GmbH geführt, die ausschließlich im ÖPNV für die AG tätig gewesen sei. Dies sei bedenklich, zumal die AG nunmehr die RRR GmbH aus der Insolvenz erwerbe.

Die AG hat auf Nachfrage der Vergabekammer vom 29.04.2019 mit einem am 07.05.2019 eingegangenen Schreiben vom 06.05.2019 ihre Kalkulation der Auftragswerte für die Lose 1 und 2, die von ihr geschätzten Vergütungssätze pro Fahrplankilometer sowie ihre Kalkulation des Gesamtauftragswertes näher erläutert. Des Weiteren hat sie zum Schreiben/ Telefax des AST vom 25.04.2019 ausführlich Stellung genommen. Sie hat nochmals bekräftigt, dass ihre Auftragswertschätzung ordnungsgemäß erfolgt sei. Sie habe die Leistungen losweise und damit mittelstandsfreundlich ausgeschrieben. Anders als der AST seien andere Bieter in der Lage, vergleichbare Leistungen zu niedrigeren Angebotspreisen zu erbringen und ihre Angebotspreise im Rahmen einer Aufklärung zu erläutern. Die AG habe den Fahrplan nicht zulasten der Nachauftragnehmer unwirtschaftlich ausgestaltet. Die Ausgestaltung des Fahrplanes richte sich nach den Bedürfnissen der Beförderungskunden der AG. Die Feststellung des erforderlichen Bedarfs und die Ausgestaltung der auszuschreibenden Leistungen sei allein Aufgabe der AG. Die AG habe kein aufwändiges und teures Vergabeverfahren mit dem Ziel durchgeführt, um am Ende gar keine Leistungen vergeben zu wollen. Es sei unklar, was der AST mit einer ausreichenden Anzahl von Fahrplankilometern und einer sinnvollen Auslastung von Busfahrten meine. Das verfahrensgegenständliche Los 2 sei für Bieter auskömmlich gewesen, ansonsten wäre keine Angebotsabgabe durch den AST erfolgt. Die AG habe keine sachwidrige Stückelung und Zusammenstellung von Wagenumläufen vorgenommen, für die sich auf dem Markt kein Bieter finde. Dies werde gerade durch das Angebot des AST widerlegt. Der Einsatz neuer Busse sei nicht zwingend vorgeschrieben gewesen und habe in der betriebswirtschaftlichen Entscheidung des Bieters gelegen. Die AG betreibe keine Quersubventionierung ihres Linienverkehrs mit Einnahmen aus dem Gelegenheitsverkehr. Es erfolge nur eine Nutzung der vorhandenen Kapazitäten für weitere Betätigungsfelder im Rahmen der Subventionsrichtlinie. Der AST habe die Pflicht (gehabt), seine Angebotskalkulation näher darzulegen. Dieser Pflicht sei er bereits im Aufklärungsgespräch vom 05.02.2019 nicht nachgekommen. Daher sei er zum jetzigen Zeitpunkt insofern mit neuem Vorbringen präkludiert. Der AST sei mit seinem Angebot auch gemäß § 60 Absatz 3 VgV auszuschließen. Der AST habe seine Angebotspreise nicht detailliert und ausführlich gerechtfertigt. Er sei nicht bereit, die Kalkulation seiner von der Auftragswertschätzung der AG deutlich abweichenden Preise offen zu legen. Die Angebotskalkulation des AST und die von ihm veranschlagten Kostensätze, insbesondere zu Gewinn und Risiko, seien nicht nachvollziehbar. Die AG stelle auch keine überdurchschnittlich hohe Qualitäts- und Leistungsanforderungen. Die AG könne die hohen Angebotspreise des AST nicht akzeptieren, da sie ansonsten in eine wirtschaftliche Schieflage geriete. Dies werde auch dadurch belegt, dass die AG nunmehr bereit sei, die Busverkehrsleistungen selbst zu erbringen. Es sei auch eine Gegenprüfung der Auftragswertschätzung der AG mit den geltenden Vergütungssätzen der Nachauftragnehmer der AG erfolgt. Diese geltenden Vergütungssätze entsprächen den aktuellen Marktpreisen. Preiserhöhungsverlangen des AST seien nur in den Fällen abgelehnt worden, in denen der AST eine Erhöhung seiner Sach- und Personalkosten nicht habe nachweisen können. Der AST habe in der Vergangenheit bei der Erbringung von Beförderungsleistungen für die AG keine finanziellen Verluste erlitten. Der AST habe keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass er in der Vergangenheit nicht kostendeckend gearbeitet habe. Die Preisgestaltung der AG habe auch nicht zur Insolvenz der RRR GmbH geführt. Es handele sich hierbei um haltlose Unterstellungen des AST. Das Auseinanderfallen von Fahrzeiten und der unterschiedliche Umfang einzelner Fahrleistungen seien im ÖPNV der Normalfall. Ein ordnungsgemäßer Unternehmer werde dafür sorgen, dass die Fahrzeuge und das Personal zwischen den einzelnen Fahrzeiten anderweitig eingesetzt werden könnten. Im ÖPNV seien längere und zusammenhängende Strecken eher unüblich. Es könnten hier durchaus längere Unterbrechungen zwischen einzelnen Fahrten entstehen. Die Standzeiten der Fahrer seien dabei nicht zu vergüten. Die AG habe bei ihrer Auftragswertschätzung die Lohnkosten des MDOTarifvertrages mit 14,45 € einschließlich Arbeitgeberanteil angesetzt. Der AST habe zu hohe Lohnkosten und zu viel Fahrpersonal veranschlagt. Die AG sei auch von zutreffenden jährlichen Wagenkilometer für Standardbusse ausgegangen. Sie habe auch den Kraftstoffverbrauch zutreffend angesetzt. Auch die Reifenkosten und die Kosten für Öle, Pflege, Reinigung, Instandhaltung, Versicherung, TÜV, Betriebshof und sonstigen Betriebskosten seien durch die AG zutreffend veranschlagt worden. Die AG sei auch von zutreffenden Anschaffungskosten für Busse und von marktüblichen Zinssätzen ausgegangen. Auch die Verwaltungs- und Gemeinkosten seien in die Auftragswertschätzung der AG zutreffend einkalkuliert worden. Der AST habe hingegen zu viel Verwaltungspersonal veranschlagt. Der AST trage vor, er habe Gewinn und Risiko mit lediglich 9 % veranschlagt; tatsächlich habe er für Gewinn und Risiko aber 22 % veranschlagt. Der AST könne nicht ernsthaft davon ausgehen, dass ein Auftraggeber im Rahmen der Auftragswertschätzung einen Gewinn- und Risikozuschlag von 22 % ansetze. Der Vortrag des AST lasse nicht erkennen, woraus sich vorliegend ein besonderes Risiko ergebe, zumal etwaige Kostensteigerungen durch die Preissicherungsklausel abgefangen würden. Der Nachprüfungsantrag des AST sei nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.

Die AG hat auf Nachfrage der Vergabekammer vom 13.05.2019 in ihrem Schriftsatz vom 16.05.2019 insbesondere unter Hinweis auf ihren Wirtschafts- und Ertragsplan für die Jahre 2018/2019 näher dargelegt, welche Mehrkosten im Falle einer Zuschlagserteilung auf das Angebot des AST für das verfahrensgegenständliche Los 2 entstünden, dass diese Mehrkosten nicht durch Mittel der AG und des Landkreises YYY gedeckt werden könnten und weitere Mittel zur Deckung der Finanzierungslücke nicht bewilligt werden könnten. Weitere als die genehmigten Mittel seien bei der AG nicht vorhanden. Es sei auch nicht möglich, die Mehrkosten durch etwaige zusätzliche Einnahmen, zum Beispiel aufgrund von Fahrpreiserhöhungen, zu decken. Die zur Verfügung stehenden finanziellen Beiträge des Landkreises YYY habe die AG bereits in ihrer Planung berücksichtigt. Der Landkreis YYY könne keine zusätzlichen Mittel mehr bewilligen. Er trage auch nicht das Risiko von Mehrkosten aufgrund von unwirtschaftlichen, hohen Angebotspreisen von Seiten der Bieter. Auch bestehe keine Nachschusspflicht des Landkreises YYY als Alleingesell-chafter der AG gemäß § 26 GmbHG. Die Selbstvornahmekosten im Los 2 würden sich ausweislich der zum Einstellungsvermerk der AG betreffend die Lose 1 und 2 vom 12.03.2019 gehörenden losweisen Aufstellung ihrer Selbstvornahmekosten auf 2,56 € pro Fahrplankilometer belaufen. Die AG habe im Rahmen ihrer Auftragswertschätzung keine Gewinnmarge einkalkuliert. Selbst wenn man jedoch zugunsten des AST eine Gewinnmarge von zum Beispiel 5 % einkalkuliere und einen weiteren Sicherheitsaufschlag von 10 % einräume, lägen die Angebotspreise des AST immer noch wesentlich über der Auftragswertschätzung der AG. Die AG regt vorsorglich die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage an, ob die von der AG vorgenommene Kostenschätzung der Höhe nach vertretbar ist und, ob die Angebotspreise des AST wesentlich über den am Markt zu erzielenden üblichen Preisen liegen. Die AG hat ihrem Schriftsatz vom 16.05.2019 einen Auszug aus der fortgeschriebenen Finanzuntersuchung des straßengebundenen ÖPNV im Freistaat Thüringen vom 23.03.2019 beigefügt, aus dem sich für das Jahr 2017 Durchschnittskosten von 2,53 € pro Fahrplankilometer im Landkreis YYY und von 2,70 € pro Fahrplankilometer für Gesamtthüringen ergeben.

Der AST hat in seinem Telefax vom 16.05.2019 nochmals bekräftigt, dass die AG keine ordnungsgemäße Auftragswertschätzung vorgenommen habe. Die Kalkulationsansätze der AG, die Kalkulation selbst sowie deren Ergebnisse seien fehlerhaft und somit unbrauchbar. Die gelte insbesondere hinsichtlich der zugrunde gelegten Kilometerangaben, Anschaffungskosten für Busse und Abstellkosten. Des Weiteren habe die AG in ihrer Kalkulation die Kosten für den Reservebus nicht eingestellt. Die Bieter müssten zwingend einen Reservebus sowie einen weiteren Fahrer für Urlaubs- und Krankheitsfälle vorhalten. Die Wagenläufe könnten so gestaltet werden, dass das Los 2 wirtschaftlich gefahren werden könne. Auch habe die AG den MDO-Tarifvertrag im Rahmen ihrer Auftragswertschätzung fehler-haft angewandt. Die vertraglich vorgesehene Wertsicherungsklausel sei zudem kein wirksames Instrument, um Tariferhöhungen abzufedern, da an Stelle des MDOTarifvertrages auf den Jahresdurchschnitt des Statistischen Bundesamtes abgestellt werde. Die aus einem Abgleich der Einnahmen- und Ausgabenseite abzuleitende Deckungslücke der AG könne diese nur durch Einnahmen aus dem Schienenersatzverkehr und aus dem Gelegenheitsverkehr kompensieren.

Die AG hat sich bereits mit Schriftsatz vom 08.05.2019 und der AST mit Telefax vom 16.05.2019 mit einer Entscheidung der Vergabekammer nach Lage der Akten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 166 Absatz 1 Satz 3, 1. Alternative GWB einverstanden erklärt.

Die Vergabekammer nimmt ergänzend Bezug auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten der AG.

II.

1. Zulässigkeit

Der Nachprüfungsantrag des AST ist überwiegend zulässig.

a)

Der Nachprüfungsantrag ist trotz der am 12.03.2019 durch die AG erklärten Aufhebung des Vergabeverfahrens unter anderem für das vorliegend verfahrensgegenständliche Los 2 statthaft.

Zwar bedarf es grundsätzlich eines bereits begonnen und noch nicht beendeten, laufenden Vergabeverfahrens, damit ein Nachprüfungsantrag statthaft ist, § 155 GWB. Die durch die AG am 12.03.2019 erklärte Aufhebung des Vergabeverfahrens unter anderem für das verfahrensgegenständliche Los 2 beendet grundsätzlich auch das Vergabeverfahren insofern. Dennoch ist ein gegen eine Aufhebungsentscheidung gerichteter Nachprüfungsantrag statthaft, denn anders als die Zuschlagserteilung durch den Auftraggeber wirkt eine Aufhebung nicht als absolute, den Primärrechtsschutz ausschließende Zäsur, sondern sie ist -wie ein Gegenschluss aus § 168 Absatz 1 Satz 1 GWB belegt- ihrerseits reversibel, so dass der AST die Aufhebungsentscheidung der AG einer Kontrolle im Nachprüfungsverfahren unterziehen kann (Vergabekammer Bund, Beschluss vom 07.03.2018, Az.: VK 2-12/18).

b)

Die Vergabekammer ist für das Nachprüfungsverfahren gemäß den §§ 155, 156 Absatz 1 2. HS, 158 Absatz 2 und 159 Absatz 3 Satz 1 GWB in Verbindung mit § 2 Absatz 1 Satz 1 ThürVkVO sachlich und örtlich zuständig.

- Die AG ist Sektorenauftraggeberin nach den §§ 98, 99 Nr. 2 lit. b) und c), 100 Absatz 1 Nr. 1, 102 Absatz 4 GWB.

- Die ausgeschriebenen Busverkehrsleistungen haben einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag im Sinne der §§ 103 Absätze 1 und 4, 156 Absatz 1 GWB und Artikel 2 Nr. 5 der Richtlinie 2014/25/EU zum Gegenstand.

- Der für den ausgeschriebenen Dienstleistungsauftrag nach § 106 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Nr. 1 GWB in Verbindung mit Artikel 15 lit. a) der Richtlinie 2014/25/EU geltende Schwellenwert in Höhe von 443.000,00 € ohne Umsatzsteuer ist bereits mit Blick auf die von der AG nach § 2 Absätze 1 und 11 Nr. 2 SektVO vorgenommene Schätzung des Gesamtwertes des Auftrags in Höhe von xxxx € netto deutlich überschritten. Auch wenn man mit dem AST von einer fehlerhaft zu

niedrigen Auftragswertschätzung der AG ausgeht, ist der maßgebliche Schwellenwert auf jeden Fall überschritten.

c)

Der AST hat gemäß den §§ 160 Absatz 1, 161 GWB einen ordnungsgemäßen Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens innerhalb der in § 160 Absatz 3 Satz 1 Nr. 4 GWB geltenden 15-Tage-Frist gestellt.

Nach Auffassung der Vergabekammer hat der AST allerdings die in seinem Nachprüfungsantrag vom 22.03.2019 pauschal behauptete Quersubventionierung des Linienbusverkehrs mit Einnahmen aus dem Gelegenheitsverkehr durch die AG in unzulässiger Weise gerügt. Die Vergabekammer macht insofern darauf aufmerksam, dass der Nachprüfungsantrag gemäß § 161 Absatz 2 1. HS GWB unter anderem eine Beschreibung der behaupteten Rechtsverletzung mit Sachverhaltsdarstellung und die Bezeichnung der verfügbaren Beweismittel enthalten muss. Auch wenn es sich bei der vom AST behaupteten Quersubventionierung um einen Umstand aus der Sphäre der AG handelt und dem AST insofern nähere Einblicke und Kenntnisse naturgemäß verwehrt sind, so dass er sich in seinem Nachprüfungsantrag darauf beschränken darf, das zu behaupten, was er auf der Grundlage seines nur beschränkten Informationsstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, muss er gleichwohl zumindest Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen. Ein Mindestmaß an Substantiierung ist einzuhalten; reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen reichen nicht aus. Auch ist eine willkürliche, aufs Geradewohl oder ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung unzulässig und unbeachtlich. Der Bieter kann nicht mit pauschalen und unsubstantiierten Behauptungen Nachprüfungsanträge in der Erwartung stellen, die Amtsermittlung der Vergabekammer werde zum Nachweis eines Verstoßes führen; er hat zumindest tatsächliche Anhaltspunkte oder Indizien aufzuzeigen, die ihn zu dem Schluss bewogen haben, die Vergabestelle habe sich rechtswidrig verhalten (Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., 2016, § 160, Rdn. 81 f.). Die pauschale Behauptung des AST in seinem Nachprüfungsantrag vom 22.03.2019, die AG quersubventioniere den Linienbusverkehr mit ihren Einnahmen aus dem Gelegenheitsverkehr, genügt diesen Anforderungen ersichtlich nicht. Sofern der AST in seinen Stellungnahmen vom 25.04.2019 und 16.05.2019 seine Behauptung der Quersubventionierung des Linienbusverkehrs mit Einnahmen aus dem Gelegenheitsverkehr durch die AG unter Hinweis auf einen Pressebericht aus der Thüringer Allgemeinen Zeitung, Ausgabe Landkreis YYY, vom 10.01.2019 aufrechterhalten hat, hat er seine Behauptung insofern nachträglich substantiiert. Der AST ist aber mit diesem Hinweis auf die Presseberichterstattung nach § 160 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 GWB präkludiert. Nach dieser Bestimmung hat der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften, den er vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt, innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Der AST konnte folglich den ihm bereits vor Einreichung des Nachprüfungsantrages vom 22.03.2019 bekannten Presseartikel vom 10.01.2019 nicht mehr zur Begründung der von ihm angenommenen Quersubventionierung in seinen Stellungnahmen vom 25.04.2019 und 16.05.2019 und damit deutlich nach Ablauf der 10-Tage-Frist verwenden.

d)

Der AST ist gemäß § 160 Absatz 2 GWB antragsbefugt.

Nach dieser Bestimmung ist antragsbefugt jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

aa)

Der AST hat sein Interesse an einer Beauftragung mit den verfahrensgegenständlichen Busverkehrsleistungen mit seinem Teilnahmeantrag vom 15.11.2018, seinem ersten (indikativen) Angebot vom 11.01.2019, seinem finalen Angebot vom 27.02.2019, seinen

Rügen vom 18.03.2019 sowie mit seinem Nachprüfungsantrag vom 22.03.2019 deutlich zum Ausdruck gebracht.

bb)

Der AST hat eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 GWB durch Nichtbeachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren geltend gemacht. Der AST hat insbesondere das Fehlen eines Grundes für die von der AG am 12.03.2019 erklärte Aufhebung des Vergabeverfahrens unter anderem im Hinblick auf das verfahrensgegenständliche Los 2 geltend gemacht.

cc)

Der AST hat einen drohenden Schaden dargelegt. Der drohende Schaden ergibt sich aus der von der AG dem AST am 12.03.2019 mitgeteilten Selbstvornahme der vormals europaweit ausgeschriebenen Busverkehrsleistungen unter anderem im verfahrensgegenständlichen Los 2 und dem dadurch dem AST entgehenden Auftrag.

Auch wenn ein Auftraggeber die Ausschreibung bereits aufgehoben hat, kann ein Bewerber -hier der AST- demnach noch in zulässiger Weise die Vergabekammer anrufen und geltend machen, durch Nichtbeachtung der die Aufhebung der Ausschreibung betreffenden Vergabevorschriften in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 GWB verletzt zu sein (BGH, Beschluss vom 18.02.2003, Az.: X ZB 43/02; Beschluss vom 20.03.2014, Az.: X ZB 18/13).

e)

Das für den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag in Bezug auf die Rechtswidrigkeit der Aufhebungsentscheidung erforderliche Feststellungsinteresse liegt in der theoretisch möglichen Vorbereitung eines Schadensersatzprozesses seitens des AST, für den eine bestandskräftige Entscheidung der erkennenden Vergabekammer Bindungswirkung gemäß § 179 Absatz 1 GWB entfalten würde (vgl. auch Vergabekammer Bund, Beschluss vom 07.03.2018, Az.: VK 2-12/18).

f)

Der AST ist seinen Rügeobliegenheiten insbesondere nach § 160 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 GWB überwiegend fristgerecht nachgekommen.

aa)

Sofern der AST in seinem Rügeschreiben vom 18.03.2019 sowie in seinem Nachprüfungsantrag vom 22.03.2019 die Auftragswertschätzung der AG und die darauf beruhende Annahme der AG, die davon erheblich abweichenden hohen Angebotspreise des AST hätten ein unwirtschaftliches Ergebnis des Vergabeverfahrens zur Folge gehabt, gerügt hat, ist er mit dieser Rüge nicht präkludiert.

Nach § 160 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 1. HS GWB muss der Antragsteller, der den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrages erkannt hat, gegenüber dem Auftraggeber innerhalb von einer Frist von zehn Kalendertagen rügen.

Vorliegend hat die AG in ihrer Mitteilung an den AST vom 12.03.2019 zur (Teil-) Aufhebung des Vergabeverfahrens im Hinblick auf die Lose 1 und 2 zum Ausdruck gebracht, dass sie die Busverkehrsleistungen nicht mehr im Wettbewerb an einen anderen Marktteilnehmer vergeben möchte, da sie die Busverkehrsleistungen nunmehr selber zu erbringen beabsichtige. Sie hat die vorgesehene Selbstvornahme der Busverkehrsleistungen in der Sache mit mehreren Argumenten begründet: Zum einen sollen nach ihrer Auffassung die Angebotspreise des AST für die Lose 1 und 2 unter anderem erheblich über den von ihr kalkulierten Auftragswertschätzungen liegen und das Vergabeverfahren insofern ein unwirtschaftliches Ergebnis erbracht haben. Zum anderen sollen die Angebotspreise des AST für die Lose 1 und 2 in einem extremen Ausmaß sowohl über den geltenden Vergütungssätzen ihrer Nachauftragnehmer als auch über den fortgeschriebenen Werten der Finanzuntersuchung des straßengebundenen ÖPNV im Freistaat Thüringen vom 31.01.2018 liegen. Auch ist die AG der Auffassung, dass sie die Busverkehrsleistungen zu geringeren Kosten selber erbringen kann. Des Weiteren hat sie dargelegt, dass bei Fortsetzung des Vergabeverfahrens und Zuschlagserteilung auf eines der Angebote des AST für die Lose 1 und 2 Mehrkosten entstünden, die weder durch eigene Mittel noch durch Haushaltsmittel des Landkreises YYY gedeckt werden könnten und dadurch ihre wirtschaftliche Existenz zumindest gefährdet wäre. Der AST hat in seinem Rügeschreiben vom 18.03.2019 sowie in seinem Nachprüfungsantrag vom 22.03.2019 und damit innerhalb der 10-Tage-Frist des § 160 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 1. HS GWB zunächst die Auftragswertschätzung der AG und die darauf beruhende Annahme der AG, die davon erheblich abweichenden hohen Angebotspreise des AST hätten ein unwirtschaftliches Ergebnis des Vergabeverfahrens zur Folge gehabt, gerügt, soweit ihm dies möglich war. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der AST keine genaue Kenntnis der von ihm gerügten Auftragswertschätzung der AG haben konnte, da es sich insofern um einen Umstand aus der Sphäre der AG gehandelt hat. Die AG war auch nicht bereit, dem AST die ihrer Auftragswertschätzung zugrunde liegende Kalkulation mitzuteilen. Die Vergabekammer kann aber den Seiten 17 ff. des Nachprüfungsantrages entnehmen, dass der AST zumindest tatsächliche Anknüpfungstatsachen und Indizien vorgetragen hat, die nach Auffassung des AST die Fehlerhaftigkeit der Auftragswertschätzung der AG belegen sollen, so dass insofern von einer fristgerechten und hinreichend substantiierte Rüge des AST auszugehen ist (vgl. auch Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., 2016, § 160, Rdn. 81). Der AST ist mit dieser Rüge nun nicht dadurch präkludiert, dass die AG am 15.11.2018 dem AST auf seine Bieterfragen vom 01.11.2018 und 14.11.2018 den geschätzten Gesamtauftragswert der zu erbringen Busverkehrsleistungen mit xxxx € netto angegeben hat. Diese bloß pauschale Mitteilung hat dem AST nicht die positive Kenntnis von Tatsachen vermittelt, dass die Auftragswertschätzung der AG unter anderem für das verfahrensgegenständliche Los 2 fehlerhaft ist. Der AST musste aus dieser Mitteilung nicht auf einen entsprechenden Vergaberechtsverstoß schließen. Dem AST war es daher unbenommen, insbesondere in seinem Nachprüfungsantrag vom 22.03.2019 und damit innerhalb der 10-Tage-Frist des § 160 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 1. HS GWB Anknüpfungstatsachen und Indizien vorzutragen, die nach seiner Auffassung die Fehlerhaftigkeit der Auftragswertschätzung der AG für das verfahrensgegenständliche Los 2 belegen sollen. Die AG ist auch darauf hinzuweisen, dass der AST ausweislich der vorliegenden Protokolle im Aufklärungsgespräch vom 05.02.2010 sowie im Verhandlungsgespräch vom 25.02.2019 seine Angebotskalkulation zumindest in Teilen gegenüber der AG erläutert hat. Dem AST war es unbenommen, seine eigene Angebotskalkulation im Nachprüfungsantrag vom 22.03.2019 und damit innerhalb der 10-Tage-Frist des § 160 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 1.HS GWB näher zu erläutern und darauf hinzuweisen, dass nicht seine Angebotskalkulation, sondern die aus seiner Sicht unzutreffende, weil zu niedrige Auftragswertschätzung der AG für das verfahrensgegenständliche Los 2 Ursache der erheblichen Abweichung der Angebotspreise des AST von dieser Auftragswertschätzung und damit für das aus Sicht der AG unwirtschaftliche Ergebnis des Vergabeverfahrens gewesen sei. Der AST durfte auch seine bereits im Nachprüfungsantrag vom 22.03.2019 innerhalb der 10-Tage-Frist des § 160 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 1. HS GWB näher erläuterte Angebotskalkulation in seinen Stellungnahmen vom 25.04.2019 und 16.05.2019 weiter erläutern. Insofern handelt es sich nicht um einen Vortrag zu einer neuen Rüge, mit dem der AST nach § 160 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 1. HS GWB präkludiert wäre.

bb)

Sofern der AST in seinem Nachprüfungsantrag vom 22.03.2019 und in seinen Stellungnahmen vom 25.04.2019 und 16.05.2019 gerügt hat, dass die AG im Rahmen der Ausschreibung eine Stückelung und Zusammenstellung von Wagenumläufen vorgenommen habe, für die sich auf dem Markt kein Bieter finde, und hierdurch die Interessen des Mittelstandes nicht angemessen berücksichtigt worden seien, ist der AST mit dieser Rüge jedenfalls nach § 160 Absatz 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert.

Nach dieser Bestimmung müssen Verstöße gegen Vergabevorschriften, die in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Da die vom AST beanstandete Stückelung und Zusammenstellung der Wagenumläufe, aus denen der AST einen Verstoß gegen die Interessen des Mittelstandes nach § 97 Absatz 4 Satz 1 GWB ableiten möchte, für den AST bereits aus den Vergabeunterlagen zumindest erkennbar, wenn nicht sogar bekannt war, war seine daran anknüpfende Rüge im Nachprüfungsantrag vom 22.03.2019 und in seinen Stellungnahmen vom 25.04.2019 und 16.05.2019 auf jeden Fall mit dem Ablauf der Frist für die Abgabe des Erstangebots (vgl. hierzu Münchener Kommentar, Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht, Band 3, Vergaberecht I, 2. Aufl., 2018, § 160 GWB, Rdn. 85) am 11.01.2019 präkludiert.

cc)

Sofern der AST in seinem Nachprüfungsantrag vom 22.03.2019 und in seinen Stellungnahmen vom 25.04.2019 und 16.05.2019 gerügt hat, dass die AG aufgrund der vorgesehenen geringen Fahrplankilometer, der erheblichen Leerkilometer und der zeitlich weit auseinanderfallenden Fahrzeiten den Fahrplan so ausgestaltet habe, dass die Auslastung der Busse nur unzureichend und damit unwirtschaftlich erfolgen könne und sich daraus höhere Preise ergäben, ist der AST mit dieser Rüge ebenfalls nach § 160 Absatz 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert, da für den AST auch die Fahrplankilometer, die Leerkilometer, die zum Teil weit auseinanderfallenden Fahrzeiten und die sonstige Fahrplangestaltung ebenfalls bereits aus den Vergabeunterlagen zumindest erkennbar, wenn nicht sogar bekannt waren. Die daran anknüpfende entsprechende Rüge des AST im Nachprüfungsantrag vom 22.03.2019 und in seinen Stellungnahmen vom 25.04.2019 und 16.05.2019 ist damit auf jeden Fall mit dem Ablauf der Frist für die Abgabe des Erstangebots am 11.01.2019 als präkludiert zu betrachten.

dd)

Sofern der AST in seiner Stellungnahme vom 25.04.2019 gerügt hat, dass die Fortsetzung des Vergabeverfahrens und die Zuschlagserteilung zugunsten des AST zu den von ihm angebotenen Preisen die AG nicht in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährde, und der AST damit konkludent zum Ausdruck gebracht hat, dass auch insofern kein sachlicher Grund zur erfolgten (Teil-) Aufhebung des Vergabeverfahrens bestanden habe, ist der AST mit dieser Rüge nach § 160 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 1. HS GWB präkludiert. Die AG hat bereits in ihrer Mitteilung an den AST vom 12.03.2019 zur Aufhebung des Vergabeverfahrens im Hinblick auf die Lose 1 und 2 unter anderem dargelegt, dass bei Fortsetzung des Vergabeverfahrens und Zuschlagserteilung auf eines der Angebote des AST für die Lose 1 und 2 Mehrkosten entstünden, die weder durch eigene Mittel noch durch Haushaltsmittel des Landkreises YYY gedeckt werden könnten und dadurch ihre wirtschaftliche Existenz zumindest gefährdet wäre. Die hiergegen nach Ablauf der 10-Tage-Frist gerichtete Rüge des AST vom 25.04.2019 ist damit nach § 160 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 1. HS GWB als präkludiert zu betrachten.

2. Begründetheit

Der Nachprüfungsantrag des AST ist unbegründet.

a)

Der AST hat keinen Anspruch auf Rückgängigmachung der am 12.03.2019 ergangenen Aufhebungsentscheidung der AG unter gleichzeitiger Fortführung des bisherigen Vergabeverfahrens einschließlich einer Erteilung des Zuschlags auf sein Angebot für das Los 2. Die AG hat am 12.03.2019 gegenüber dem AST insofern das vorangegangene Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb rechtswirksam und rechtmäßig eingestellt.

Nach § 57 Satz 1 SektVO kann ein Vergabeverfahren ganz oder bei Losvergabe für einzelne Lose aufgehoben werden oder im Falle eines Verhandlungsverfahrens eingestellt werden. Die Vorschrift selbst benennt im Gegensatz zu den Aufhebungstatbeständen des übrigen Vergaberechts (vgl. auch § 63 Absatz 1 Nr. 3 VgV, 32 Absatz 1 Nr. 3 KonzVgV, § 17 Absatz 1 VOB/A-EU) keine konkreten Voraussetzungen für eine Aufhebung. Der Verordnungsgeber hat dem Sektorenauftraggeber in der SektVO ganz bewusst Spielräume für die individuelle Organisation von Vergabewettbewerben eingeräumt. So auch im Rahmen der Verfahrensaufhebung, indem er § 57 Satz 1 SektVO als eine reine Ermessensvorschrift ausgestaltet hat. Anerkannt ist jedoch, dass ein Vergabeverfahren rechtmäßig auch im Anwendungsbereich der SektVO nicht ohne weiteres beendet werden darf. Die Grenze der fehlerfreien Ermessensausübung ist dort zu ziehen, wo eine Aufhebung als willkürlich anzusehen ist. Es bedarf daher zur rechtmäßigen Aufhebung nach § 57 Satz 1 SektVO zumindest eines sachlichen Grundes, der allerdings gesetzlich nicht näher definiert ist (Vergabekammer Bund, Beschluss vom 14.03.2017, Az.: VK 1-15/17). Nach Auffassung der Vergabekammer ist ein solcher sachlicher Grund nicht nur dann anzunehmen, wenn einer der in den anderen Vergabeverordnungen ausdrücklich bestimmten Aufhebungsgründe vorliegt (vgl. auch § 63 Absatz 1 Nr. 3 VgV, 32 Absatz 1 Nr. 3 KonzVgV, § 17 Absatz 1 VOB/A-EU; Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 4. Aufl., 2017, § 57 SektVO, Rdn. 9; a.A.: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., 2018, § 57 SektVO, Rdn. 2). Denn der direkten oder analogen Anwendung dieser Bestimmungen steht die Spezialität der SektVO entgegen. Wenn aber einer der Aufhebungsgründe aus Bestimmungen anderer Vergabeverordnungen vorliegt, dürfte auch ein sachlicher Grund für eine Aufhebung des Vergabeverfahrens nach § 57 Satz 1 SektVO anzunehmen sein (in diese Richtung auch Burgi/ Dreher, Vergaberecht, VgV-SektVO-KonzVgV-VSVgV-VOB/A-EU-VOB/A-VS, 3. Aufl., 2019, § 57 SektVO, Rdn. 8). Nach Auffassung der Vergabekammer ist die Aufhebungsbefugnis nach § 57 Satz 1 SektVO auch nicht vom Vorliegen schwerwiegender Gründe oder außergewöhnlicher Umstände abhängig (Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., 2016, § 57 SektVO, Rdn. 2; Burgi/Dreher, Vergaberecht, VgV-SektVOKonzVgV-VSVgV-VOB/A-EU-VOB/A-VS, 3. Aufl., 2019, § 57 SektVO, Rdn. 7).

Allerdings müssen nach der Rechtsprechung die Bieter die Aufhebung eines Vergabeverfahrens nicht nur dann hinnehmen, wenn sie von den einschlägigen Bestimmungen der jeweils anwendbaren Vergabeverordnung zugelassenen Gründen gedeckt und deswegen von vornherein rechtmäßig ist, sondern auch, wenn kein derartiger, als rechtmäßig anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt. Der Auftraggeber ist aus Gründen des allgemeinen Vertragsrechts nicht gezwungen, einen der Ausschreibung entsprechenden Auftrag zu erteilen; er unterliegt grundsätzlich keinem Kontrahierungszwang. Dies gilt auch dann, wenn er nach den maßgeblichen Vergabevorschriften keinen Grund zur Aufhebung der Ausschreibung hat (BGH, Beschluss vom 20.03.2014, Az.: X ZB 18/13; OLG Celle, Beschluss vom 10.03.2016, Az.: 13 Verg 5/15; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.01.2015, Az.: VII-Verg 29/14). Dieser Befund findet seine Bestätigung auch im EU-Recht in Artikel 75 Absatz 1 der Richtlinie 2014/25/EU, der keine weiteren Voraussetzungen für die Befugnis des Auftraggebers vorsieht, auf die Vergabe eines Auftrags, für den ein Aufruf zum Wettbewerb stattgefunden hat, zu verzichten. Insbesondere ist die Ausübung dieser Befugnis nicht vom Vorliegen schwerwiegender Gründe oder außergewöhnlicher Umstände abhängig. Daher können als Begründung einer Aufhebungsentscheidung etwa auch politisch veränderte Konstellationen oder auch reine Zweckmäßigkeitserwägungen dienen (vgl. auch EuGH, Urteil vom 11.12.2014, Az.: C-440/13 Croce Amica One; Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, 2017, § 63, Rdn. 16 ff.). Sofern die Aufhebung des Vergabeverfahrens aber nicht von den einschlägigen Bestimmungen der jeweils anwendbaren Vergabeverordnung gedeckt ist, ist diese rechtswidrig und kann ggf. Schadensersatzansprüche der sich an der Ausschreibung beteiligenden Unternehmen nach § 181 GWB begründen (BGH, Beschluss vom 20.03.2014, Az.: X ZB 18/13; OLG Celle, Beschluss vom 10.03.2016, Az.: 13 Verg 5/15). Allerdings setzt auch eine rechtswirksame Aufhebung des Vergabeverfahrens zumindest voraus, dass der Auftraggeber für seine Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund hat, so dass eine Diskriminierung einzelner Bieter ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich ist, und nicht nur zum Schein erfolgt (BGH, Urteil vom 18.02.2003, Az.: X ZB 43/02; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.01.2015, Az.: VII-Verg 29/14; Vergabekammer Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.10.2016, Az.: 1 VK 45/16).

Die AG hatte einen sachlichen Grund, um das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb unter anderem im Hinblick auf das verfahrensgegenständliche Los 2 einzustellen. Die AG hat in ihrer Mitteilung an den AST vom 12.03.2019 zur Aufhebung des Vergabeverfahrens im Hinblick auf die Lose 1 und 2 zum Ausdruck gebracht, dass sie die Busverkehrsleistungen nicht mehr im Wettbewerb an einen anderen Marktteilnehmer vergeben möchte, da sie diese nunmehr selber zu erbringen beabsichtige. Nach Auffassung der Vergabekammer ist die Entscheidung der AG für eine Selbstvornahme der Busverkehrsleistungen bereits ein ausreichender sachlicher Grund für die erklärte Teilaufhebung des Vergabeverfahrens. Wenn die AG sich entscheidet, die Busverkehrsleistungen nunmehr mit eigenem Personal und Fahrzeugen selber erbringen zu wollen, kann sie mit einem Nachprüfungsantrag nicht mehr gezwungen werden, diese Busverkehrsleistungen im Markt zu beschaffen (in diese Richtung auch Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK, 5. Aufl., 2016, § 57 SektVO, Rdn. 5). Dies gilt umso mehr, als die Entscheidung der AG zur Selbstvornahme der Busverkehrsleistungen nicht willkürlich, sondern aufgrund sachlicher Erwägungen erfolgte. Sie ist nach Eingang und Prüfung der finalen Angebote des AST vom 27.02.2018 unter anderem zu der Erkenntnis gelangt, dass sie die Busverkehrsleistungen in den Losen 1 und 2 selber günstiger erbringen kann als der AST (vgl. hierzu noch unten).

Die AG hat die beabsichtigte Selbstvornahme der Busverkehrsleistungen in der Sache wiederum mit mehreren Argumenten begründet. Sie hat zunächst darauf abgestellt, dass nach ihrer Auffassung die Angebotspreise des AST für die Lose 1 und 2 erheblich über den von ihr kalkulierten Auftragswertschätzungen liegen und das Vergabeverfahren insofern ein unwirtschaftliches Ergebnis erbracht haben soll. Auch sollen die Angebotspreise des AST für die Lose 1 und 2 in einem extremen Ausmaß sowohl über den geltenden Vergütungssätzen ihrer Nachauftragnehmer als auch über den fortgeschriebenen Werten der Finanzuntersuchung des straßengebundenen ÖPNV im Freistaat Thüringen vom 31.01.2018 und 23.03.2019 liegen. Des Weiteren könne die AG die Busverkehrsleistungen in den Losen 1 und 2 auch zu geringeren Kosten erbringen. Im Falle einer Zuschlagserteilung auf eines der Angebote des AST für die Lose 1 oder 2 entstünden zudem Mehrkosten, für die keine Mittel der AG und des Landkreises YYY zur Verfügung stünden. Die wirtschaftliche Existenz der AG sei Falle der Fortführung des Vergabeverfahrens und einer Zuschlagserteilung zugunsten des AST zu den von ihm angebotenen Preisen zumindest gefährdet.

Nach Auffassung der Vergabekammer ist die Selbstvornahme der Busverkehrsleistungen in den Losen 1 und 2, da die AG diese zu geringeren Kosten erbringen kann als der AST, auf jeden Fall ein sachlicher Grund für die erfolgte (Teil-) Einstellung des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb, der vom AST weder in seiner Rüge vom 18.03.2019 noch in seinem Nachprüfungsantrag vom 22.03.2019 noch nach erfolgter Akteneinsicht am 03.04.2019 in seinen Stellungnahmen vom 25.04.2019 und 16.05.2019 gerügt worden ist. Die Rügen des AST beschäftigen sich ausschließlich mit der beanstandeten fehlerhaften Auftragswertschätzung und der insofern zugrunde liegenden Kalkulation der AG sowie mit der Annahme der AG, ihre wirtschaftliche Existenz sei im Falle der Fortführung des Vergabeverfahrens und einer Zuschlagserteilung zugunsten des AST zu den von ihm angebotenen Preisen zumindest gefährdet. Die Annahme der AG, sie könne die Busverkehrsleistungen in den Losen 1 und 2 zu geringeren Kosten erbringen als der AST, wird vom AST weder ausdrücklich noch konkludent in Frage gestellt. Die Vergabekammer verweist zu den geringeren Selbsterbringungskosten der AG auf den Einstellungsvermerk der AG betreffend die Lose 1 und 2 vom 12.03.2019 sowie auf ihre hierzu erstellte losweise Aufstellung ihrer Selbsterbringungskosten. Die Selbstvornahme der Busverkehrsleistungen in den Losen 1 und 2 durch die AG, da die AG diese zu geringeren Kosten erbringen kann als der AST, ist umso mehr ein sachlicher Grund für die erfolgte (Teil-) Einstellung des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb als die AG ein zur Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit in der Mittelverwendung verpflichtetes Kommunalunternehmen des Landkreises YYY ist.

Nach Auffassung der Vergabekammer stellt sich die am 12.03.2019 erfolgte (Teil-) Einstellung des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb auch als ermessensgerecht, insbesondere als verhältnismäßig, dar.

Die AG hat in ihrem Einstellungsvermerk betreffend die Lose 1 und 2 vom 12.03.2019 sowie in ihrem Aufhebungsschreiben vom 12.03.2019 (ausführlich) dargestellt, dass weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen. Sie hat auch die (wirtschaftlichen) Interessen des AST hinreichend berücksichtigt. Die AG hat die Bieter zudem in Nr. 2.2.12 der Vergabebedingungen (Teil A.) darauf hingewiesen, dass sie nur dann gehalten ist, die ausgeschriebenen Leistungen an einen Nachauftragnehmer zu vergeben, wenn die durch die Beauftragung des Nachauftragnehmers entstehenden Kosten nicht höher sind als bei einer Erbringung der Verkehrsleistungen durch die AG selbst. Die AG hat sich vorbehalten, den Auftrag für ein oder mehrere Lose nicht zu vergeben, wenn die entstehenden Kosten höher sind als bei einer Eigenerbringung der Verkehrsleistungen. Die sachlich begründete (Teil-) Einstellung des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb stellt sich auch nicht als willkürlich dar. Der AST ist nicht diskriminiert worden. Es liegt insbesondere kein Fall einer bloßen Scheinaufhebung zulasten des AST vor, die die AG in rechtlich zu missbilligender Weise dazu einsetzt, durch die Aufhebung die formalen Voraussetzungen dafür zu schaffen, den Auftrag außerhalb des eingeleiteten Vergabeverfahrens an einen bestimmten Bieter bzw. in einem anderen Bieterkreis vergeben zu können (BGH, Beschluss vom 20.03.2014, Az.: X ZB 18/13). Damit hat die AG auch den Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 97 Absätze 1 Satz 1, 2 GWB gewahrt (vgl. hierzu auch Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 4. Aufl., 2017, § 57 SektVO, Rdn. 9; Burgi/Dreher, Vergaberecht, VgV-SektVO-KonzVgV-VSVgV-VOB/A-EU-VOB/A-VS, 3. Aufl., 2019, § 57 SektVO, Rdn. 8). Die AG ist erst nach Eingang und Prüfung der finalen Angebote des AST vom 27.02.2018 zu der Erkenntnis gelangt, dass sie die Busverkehrsleistungen in den Losen 1 und 2 selber günstiger erbringen kann als der AST. Dieser Umstand war ihr nicht vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt oder für sie vorhersehbar und schon gar nicht von ihr zu vertreten (vgl. hierzu Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 4. Aufl., 2017, § 57 SektVO, Rdn. 9; ablehnend hierzu Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPKVergaberecht, 5. Aufl., 2016, § 57 SektVO, Rdn. 2; Burgi/Dreher, Vergaberecht, VgVSektVO-KonzVgV-VSVgV-VOB/A-EU-VOB/A-VS, 3. Aufl., 2019, § 57 SektVO, Rdn. 7).

Nach Auffassung der Vergabekammer ist ein für die rechtmäßige Aufhebung eines Vergabeverfahrens nach § 57 Satz 1 VgV notwendiger sachlicher Grund auch dann anzunehmen, wenn das Vergabeverfahren ein unwirtschaftliches Ergebnis erzielt hat (vgl. auch § 63 Absatz 1 Nr. 3 VgV, 32 Absatz 1 Nr. 3 KonzVgV; auch Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., 2018, § 57 SektVO, Rdn. 1 f.; Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 4. Aufl., 2017, § 57 SektVO, Rdn. 9).

Die Vergabekammer kann derzeit nicht abschließend feststellen, dass die Angebotspreise des AST wesentlich über der Auftragswertschätzung der AG und somit über dem prognostizierten Marktpreis (vgl. hierzu unten) liegen und das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb insofern ein unwirtschaftliches Ergebnis erzielt hat.

Die Feststellung, dass die Angebotspreise des AST wesentlich über der Auftragswertschätzung der AG liegen, setzt zunächst eine ordnungsgemäße Auftragswertschätzung des Auftraggebers voraus (BGH, Urteil vom 20.11.2012, Az.: X ZR 108/10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2019, Az.: Verg 42/18; Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 4. Aufl., 2017, § 57 SektVO, Rdn. 9 und § 63 VgV, Rdn. 60 f.). Nach Auffassung der Vergabe-kammer begegnet die Auftragswertschätzung der AG unter anderem im Hinblick auf das verfahrensgegenständliche Los 2 aber grundsätzlichen Bedenken.

Zwar hat die AG im Rahmen der Auftragswertschätzung für die Lose 1 bis 3 jeweils die kilometerabhängigen und arbeitsstundenabhängigen Kosten (getrennt nach Standard- und Kleinbus) pro Fahrplanjahr berechnet. Sie hat im Rahmen der Berechnung der kilometerabhängigen Kosten jeweils die Gesamtkilometer zugrunde gelegt und damit auch die Leerkilometer berücksichtigt. Die AG hat dann in den Losen 1 bis 3 jeweils die kilometerabhängigen und arbeitsstundenabhängigen Kosten (getrennt nach Standardbus und Kleinbus) zusammengerechnet und daraus schließlich den losbezogenen Auftragswert pro Fahrplanjahr errechnet. Der losbezogene Auftragswert pro Fahrplanjahr beträgt für das Los 1 xxxx €, für das Los 2 xxxx € und für das Los 3 xxxx €, so dass der Gesamtauftragswert für alle drei Lose pro Fahrplanjahr xxxx € beträgt. Die AG hat dann mit Blick auf den vorgesehenen Vertragszeitraum für die zu vergebenden Busverkehrsleistungen (10 Jahre) gemäß § 2 Absätze 1 und 11 Nr. 2 SektVO einen Gesamtauftragswert für alle drei Lose in Höhe von xxxx € netto errechnet. Da nach § 3 Absatz 1 des Entwurfs eines losbezogenen Vertrages über die Durchführung von Linienverkehren eine Vergütung des Auftragnehmers pro Fahrplankilometer erfolgen sollte, hat die AG in den Losen 1 bis 3 jeweils die

Gesamtkosten für den Standardbus und Kleinbus durch die ermittelten Fahrplankilometer geteilt und daraus losbezogen die geschätzte Vergütung pro Fahrplankilometer errechnet. Für Los 1 ergibt sich daraus für den Standardbus eine geschätzte Vergütung von 2,25 € pro Fahrplankilometer und für den Kleinbus 1,23 € pro Fahrplankilometer, für Los 2 ergibt sich für den Standardbus eine geschätzte Vergütung von 2,53 € pro Fahrplankilometer und für den Kleinbus 1,59 € pro Fahrplankilometer und für das Los 3 ergibt sich für den allein zugrunde gelegten Standardbus eine geschätzte Vergütung von 2,03 pro Fahrplankilometer. Die Vergabekammer verweist im Hinblick auf die erfolgte Auftragswertschätzung der AG im Einzelnen auf den von der AG am 15.10.2018 erstellten Vermerk über die Vergabevorbereitung nebst Anlagen sowie auf die erläuternde Stellungnahmen der AG vom 01.04.2019 und 07.05.2019.

Jedoch hat die AG in ihrer Stellungnahme vom 01.04.2019 die Angebotskalkulation des AST unter anderem dahingehend beanstandet, dass der AST in seiner Kalkulation den Gewinn und das Risiko nicht nur mit 9 %, sondern mit 22 % berechnet habe. Der AST hat daraufhin nach erfolgter Akteneinsicht mit Stellungnahme vom 25.04.2019 in zulässiger Weise (vgl. hierzu Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., 2016, § 160, Rdn. 180 ff.) gerügt, dass die AG in ihrer Kalkulation hierfür überhaupt keine Position ausgewiesen habe. Der Auftraggeber muss gemäß § 2 Absatz 1 Satz 1 SektVO bei der Schätzung des Auftragswerts vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer ausgehen. Dabei ist der voraussichtliche Gesamtpreis einer späteren Auftragnehmers für die vom Auftraggeber angestrebte Leistung ohne Umsatzsteuer zu bestimmen. Da dieser vor der Ausschreibung nicht bekannt ist, erfordert die Schätzung des Auftragswerts eine Prognose des Auftraggebers (Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 4. Aufl., 2017, § 3 VgV, Rdn.5; Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, 2017, § 3, Rdn. 5). Diese Prognose des Auftraggebers muss ernsthaft und sorgfältig sein. Sie Prognose zielt darauf ab, festzustellen, zu welchem Preis die in den Vergabeunterlagen beschriebene Leistung voraussichtlich unter Wettbewerbsbedingungen beschafft werden kann. Die Schätzung soll somit den Verkehrs- oder Marktwert der ausgeschriebenen Leistung widerspiegeln. Der pflichtgemäß geschätzte Auftragswert ist somit jener Wert, den ein umsichtiger und sachkundiger Auftraggeber nach sorgfältiger Prüfung des relevanten Marktsegmentes und im Einklang mit den Erfordernissen betriebswirtschaftlicher Finanzplanung bei der Beschaffung der vergabegegenständlichen Leistung veranschlagen würde. Dabei ist jede Zahlung, die der Auftraggeber in dem Verfahren an Bieter für die Erfüllung des gegenständlichen Auftrags voraussichtlich leisten wird, zu berücksichtigen (Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-VergR, 5. Auf., 2016, § 3 VgV, Rdn. 13 ff., Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 4. Aufl., 2017, § 3 VgV, Rdn.5).

Der durch den Auftraggeber im Rahmen der Auftragswertschätzung zu prognostizierende Gesamtpreis für die zu beschaffende Leistung setzt sich nicht nur aus (vorliegend kilometerabhängigen und arbeitsstundenabhängigen) Sach- und Personalkosten zusammen. Eine seriöse betriebswirtschaftliche Finanzplanung wird im Rahmen der Preiskalkulation immer auch eine angemessene Gewinnmarge zu veranschlagen haben. Denn erst der Gewinn eines Unternehmens erlaubt diesem ein Fortbestand am Markt sowie den Ausgleich etwa erlittener Verluste aus seiner sonstigen Geschäftstätigkeit (Zahlungsausfall eines Schuldners, Konjunktureinbruch etc.). Die Vergabekammer kann vorliegend nicht feststellen, dass die AG im Rahmen ihrer Auftragswertschätzung eine solche Gewinnmarge einkalkuliert hat. Dem Vermerk der AG über die Vergabevorbereitung vom 15.10.2018 nebst Anlagen ist hierzu ebenso wenig zu entnehmen wie ihren Stellungnahmen vom 01.04.2019 und 07.05.2019. Die AG hat in ihrer Stellungnahme vom 07.05.2019 ausgeführt, dass der AST nicht ernsthaft davon ausgehen könne, dass ein Auftraggeber im Rahmen der Schätzung der Auftragswerte ein Risiko- und Gewinnzuschlag von 22 % ansetze. Die AG hat in ihrer Stellungnahme vom 16.05.2019 eingeräumt, dass sie in ihrer Auftragswertschätzung keine Gewinnmarge einkalkuliert habe. Sie ist der Auffassung, dass die Angebotspreise des AST immer noch wesentlich über der Auftragswertschätzung der AG lägen, wenn man zugunsten des AST eine Gewinnmarge von zum Beispiel 5 % einkalkulieren und einen weiteren Sicherheitsaufschlag von 10 % zugestehen würde. Die AG hat vorsorglich die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage angeregt, ob ihre Kostenschätzung der Höhe nachvertretbar sei und, ob die Angebotspreise des AST wesentlich über den am Markt zu erzielenden Preisen liegen. Die Vergabekammer sieht keine Veranlassung, ein Sachverständigengutachten einzuholen, da sie jedenfalls der Auffassung ist, dass die AG die Busverkehrsleistungen zu geringeren Kosten erbringen kann als der AST und damit bereits ein sachlicher Grund für die erfolgte (Teil-) Einstellung des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb gegeben ist.

Die Vergabekammer hält aus diesem Grunde auch eine weitere Auseinandersetzung mit den vom AST vorgebrachten Rügen gegen die Auftragswertschätzung der AG für entbehrlich. Sie hält diese Rügen im Übrigen für unzulässig bzw. sachlich unbegründet. Insbesondere die Rüge des AST, die AG betreibe eine Quersubventionierung ihres Linienbusverkehrs mit ihren Einnahmen aus dem Gelegenheitsverkehr, ist bereits unzulässig bzw. präkludiert (vgl. hierzu oben). Die Rüge ist auch in der Sache unbegründet. Die AG bestreitet die vom AST behauptete Quersubventionierung ihres Linienbusverkehrs mit Einnahmen aus dem Gelegenheitsverkehr. Die Vergabekammer entnimmt aber der Vergabeakte eine Berechnung ihrer Einnahmen und Kosten bei Selbstvornahme der fraglichen Busverkehrsleistungen. Nach dieser Berechnung zählen zu den Einnahmen auch Einnahmen aus dem Gelegenheitsverkehr, die knapp 6 % der Gesamteinnahmen ausmachen. Die Kosten für die Selbstvornahme der fraglichen Busverkehrsleistungen liegen betragsmäßig etwas niedriger als die Einnahmen. Wenn man unabhängig von dem vom AST übersendeten Presseartikel mit Blick auf diese Berechnung davon ausgeht, dass tatsächlich eine Quersubventionierung des Linienbusverkehrs durch Einnahmen aus dem Gelegenheitsverkehr stattfindet, dann beträgt diese ungefähr 6 %. Daraus könnte abgeleitet werden, dass die AG im Rahmen ihrer Auftragswertschätzung aufgrund einer nicht ausgewiesenen und damit intransparenten Quersubventionierung des Linienbusverkehrs mit zu billigen Kostenansätzen kalkuliert hat, die die wahren Marktverhältnisse nicht widerspiegeln. Die Vergabekammer kann der Vergabeakte eine solche fehlerhaft zu niedrige Kalkulation der AG nicht entnehmen. Auch der Umstand, dass die Vergütungssätze pro Fahrplankilometer in der Auftragswertschätzung der AG in etwa sowohl den derzeitigen Vergütungen ihrer Nachunternehmer als auch den fortgeschriebenen Ergebnissen der Finanzuntersuchung des straßengebundenen ÖPNV im Freistaat Thüringen vom 31.01.2018 und 23.03.2019 entsprechen, spricht eher gegen eine manipulativ zu niedrig erfolgte Kalkulation der Auftragswertschätzung der AG im oben dargelegten Sinne. Die Vergabekammer macht auch darauf aufmerksam, dass die Auftragswertschätzung des Auftraggebers das Gesamtvertragsvolumen des von ihm beabsichtigten konkreten Auftrags ohne Umsatzsteuer zum Gegenstand hat. Der pflichtgemäß geschätzte Auftragswert ist der Wert, den ein umsichtiger und sachkundiger Auftraggeber nach sorgfältiger Prüfung des relevanten Marktsegments und im Einklang mit den Erfordernissen betriebswirtschaftlicher Finanzplanung bei der geplanten Beschaffung der Leistungen veranschlagen würde. Der Auftraggeber muss eine ernsthafte (seriöse) Prognose über den voraussichtlichen Auftragswert und die Beschaffung der Leistungen unter Wettbewerbsbedingungen treffen (Kulartz/ Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, 2017, § 3, Rdn. 2; Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, Band 3, Vergaberecht I, 2. Aufl., 2018, § 3 VgV, Rdn. 6 f.; Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., 2018, § 3 VgV, Rdn. 11; vgl. auch oben). Auch wenn eine Quersubventionierung des Linienbusverkehrs durch die AG erfolgen sollte, war es ihr mit Blick auf den Gegenstand der Auftragswertschätzung verwehrt, die Quersubventionierung kalkulatorisch bei der Auftragswertschätzung zu berücksichtigen. Die AG musste im Rahmen der Auftragswertschätzung von marktgängigen Preisen ausgehen (Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, Band 3, Vergaberecht I, 2. Aufl., 2018, § 3 VgV, Rdn. 7). Eine Quersubventionierung hätte nicht Eingang in eine Kalkulation ihrer Auftragswertschätzung finden dürfen. Da die AG ihre Auftragswertschätzung ausweislich ihres Vermerks zur Vergabevorbereitung vom 15.10.2018 nebst Anlagen sowie ihrer erläuternden Stellungnahmen vom 01.04.2019 und 07.05.2019 grundsätzlich anhand objektiver Parameter vorgenommen hat, begegnet die Auftragswertschätzung aus dem Gesichtspunkt eine Quersubventionierung des Linienverkehr durch Einnahmen aus dem Gelegenheitsverkehr keinen vergaberechtlichen Bedenken.

bb)

Die Vergabekammer kann auch nicht anhand anderer objektiver Gesichtspunkte abschließend feststellen, dass die Angebotspreise des AST wesentlich über dem Marktpreis liegen und das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb insofern ein unwirtschaftliches Ergebnis erzielt hat. Insbesondere ist der Vergabekammer ein Vergleich mit vergleichbaren Marktpreisen bei ähnlichen früheren Aufträgen des Auftraggebers, Aussagen sachkundiger Fachleute oder ähnlichen anderen Angebote derzeit nicht möglich (OLG Celle, Beschluss vom 10.03.2016, Az.: 13 Verg 5/15; Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 4. Aufl., 2017, § 63 VgV, Rdn. 61).

Die Beteiligten des Verfahrens streiten gerade darüber, ob die vom AST bislang erbrachten Fahrleistungen, die von der AG bedeutend geringer vergütet werden, mit den verfahrensgegenständlichen Busverkehrsleistungen im Los 2 überhaupt vergleichbar sind. Auch liegen Aussagen sachkundiger Fachleute zu marktüblichen Preisen und zur Angemessenheit der Angebotspreise des AST in den Losen 1 und 2 bislang ebenso wenig vor wie vergleichbare Angebot anderer Bieter. Zwar hat die AG die Selbstvornahme der Busverkehrsleistungen weiter damit begründet, dass die Angebotspreise des AST für die Lose 1 und 2 in einem extremen Ausmaß sowohl über den geltenden Vergütungssätzen der Nachauftragnehmer der AG als auch über den fortgeschriebenen Werten der Finanzuntersuchung des straßengebundenen ÖPNV im Freistaat Thüringen vom 31.01.2018 und 23.03.2019 stünden. Die Vergabekammer teilt diese Auffassung der AG und verweist insofern auf den Vermerk der AG zur Vergabevorbereitung vom 15.10.2018 sowie auf ihre Stellungnahmen vom 01.04.2019 und 16.05.2019. Der Umstand aber, dass der AST mit seinen Angebotspreisen für die Lose 1 und 2 erheblich von den geltenden Vergütungssätzen der Nachauftragnehmer der AG und von den fortgeschriebenen Werten der Finanzuntersuchung des straßengebundenen ÖPNV im Freistaat Thüringen vom 31.01.2018 und 23.03.2019 abweicht, ist aber nur ein starkes Indiz, aber keinesfalls ein sicherer Nachweis für (erheblich) überhöhte Angebote des AST und damit für ein unwirtschaftliches Ergebnis des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb. Die geltenden Vergütungssätze der Nachauftragnehmer der AG und die fortgeschriebenen Werte der Finanzuntersuchung des straßengebundenen ÖPNV im Freistaat Thüringen vom 31.01.2018 und 23.03.2019 beinhalten lokale/regionale Durchschnittspreise, die für den vorliegenden Fall nicht zwingend gelten müssen.

cc)

Nach Auffassung der Vergabekammer bestehen allerdings gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Angebotspreise des AST unter anderem im Hinblick auf das verfahrensgegenständliche Los 2 die zur Verfügung stehenden Mittel der AG und des Landkreises YYY erheblich überschreiten, hierdurch bei der AG eine Finanzierungslücke bzw. Budgetüberschreitung entstehen würde und das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb insofern ein unwirtschaftliches Ergebnis erzielt hat.

Die AG hat bereits in ihrem Einstellungsvermerk betreffend die Lose 1 und 2 vom 12.03.2019 sowie in ihrer Mitteilung an den AST vom 12.03.2019 zur Aufhebung des Vergabeverfahrens im Hinblick auf die Lose 1 und 2 zum Ausdruck gebracht, dass im Falle einer Zuschlagserteilung auf eines der Angebote des AST für die Lose 1 und 2 Mehrkosten entstünden, die weder durch Mittel der AG noch des Landkreises YYY gedeckt werden könnten. Die AG hat weiter dargelegt, dass im Falle einer Fortführung des Vergabeverfahrens und einer Zuschlagserteilung zugunsten des AST zu den von ihm angebotenen Preisen die wirtschaftliche Existenz der AG zumindest gefährdet sei. Die AG hat auf Nachfrage der Vergabekammer vom 13.05.2019 in ihrer Stellungnahme vom 16.05.2019 insbesondere unter Hinweis auf ihren Wirtschafts- und Ertragsplan für die Jahre 2018/2019 näher dargelegt, welche Mehrkosten im Falle einer Zuschlagserteilung auf das verfahrensgegenständliche Angebot des AST für das Los 2 entstünden, dass diese Mehrkosten nicht durch Mittel der AG und des Landkreises YYY gedeckt werden könnten und weitere Mittel zur Deckung der Finanzierungslücke nicht bewilligt werden könnten. Nach Auffassung der Vergabekammer kann die mangelnde Finanzierbarkeit eines Beschaffungsvorhabens bzw. die wesentliche Budgetüberschreitung grundsätzlich ein sachlicher Grund für eine Aufhebung des Vergabeverfahrens nach § 57 Satz 1 SektVO sein, ohne dass es auf eine durch die Finanzierungslücke/Budgetüberschreitung bedingte Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Auftraggebers ankommt. Der Auftraggeber muss dann aber vor der Ausschreibung im Rahmen der Kostenermittlung mit der gebotenen und ihm möglichen Sorgfalt prüfen, ob die Finanzierung auch unter Berücksichtigung der erkennbaren Eventualitäten für das in Aussicht genommene Beschaffungsvorhaben ausreicht. Da es sich bei der Kostenermittlung um eine Schätzung handelt, von der die nachfolgenden Ausschreibungsergebnisse -Angebote- erfahrungsgemäß mitunter nicht unerheblich abweichen, muss der Auftraggeber für eine realistische Ermittlung des Kostenbedarfs einen nach den Umständen des Einzelfalles zu bestimmenden (Sicherheits-) Aufschlag auf den sich nach der Kostenschätzung ergebenden Betrag vornehmen (ca. 10 %, vgl. zu alledem näher OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.08.2018, Az.: Verg 14/17; OLG Celle, Beschluss vom 10.03.2016, Az.: 13 Verg 5/15; Vergabekammer Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.10.2016, Az.: 1 VK 45/16). Die Vergabekammer kann vorliegend nicht feststellen, dass die AG im Rahmen ihrer Kostenschätzung einen entsprechenden Sicherheitszuschlag einkalkuliert hat. Sie hat aber in ihrer Stellungnahme vom 16.05.2019 unter anderem ausgeführt, dass selbst dann, wenn man zugunsten des AST eine Gewinnmarge von zum Beispiel 5 % einkalkulierte und einen weiteren Sicherheitsaufschlag von 10 % einräumte, die Angebotspreise des AST immer noch wesentlich über der Auftragswertschätzung der AG lägen. Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 29.08.2018 (Az.: Verg 14/17) zum Ausdruck gebracht, dass eine Finanzierungslücke die Aufhebung eines Vergabeverfahrens rechtfertigen könnte, wenn selbst unter Berücksichtigung eines (fehlenden) angemessenen Sicherheitszuschlags eine Finanzierungslücke wegen der hohen Angebotspreise eines Bieters entstanden wäre, da in diesem Fall die Finanzierungslücke letztlich nicht auf einem Fehler des Auftraggebers beruht. Nach Einschätzung der Vergabekammer dürfte demnach die aufgrund der hohen Angebotspreise des AST entstehende Finanzierungslücke/Budgetüberschreitung auf Seiten der AG dazu geführt haben, dass das Verhandlungsfahren mit Teilnahmewettbewerb ein unwirtschaftliches Ergebnis erzielt hat, und auch insofern die am 12.03.2019 mitgeteilte (Teil-) Einstellung dieses Vergabeverfahrens sachlich gerechtfertigt war. Die Vergabekammer sieht aus Gründen der Verfahrensökonomie insofern keine Veranlassung zur weiteren Prüfung, da sie jedenfalls der Auffassung ist, dass die AG die Busverkehrsleistungen zu geringeren Kosten erbringen kann als der AST und damit bereits ein sachlicher Grund für die erfolgte Einstellung des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb gegeben ist.

b)

Die Vergabekammer kann die AG auch nicht verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten.

Der AST begehrt faktisch mit diesem Hilfsantrag ebenfalls die Aufhebung der erfolgten (Teil-) Einstellung des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb im Hinblick auf das verfahrensgegenständliche Los 2. Damit kann der AST nicht durchzudringen. Denn für die erfolgte (Teil-) Einstellung des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb hat zumindest ein sachlicher Grund bestanden (vgl. auch Vergabekammer Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.10.2017, Az.: 1 VK 41/17).

c)

Die Vergabekammer kann auch nicht feststellen, dass die erfolgte (Teil-) Einstellung des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb im Hinblick auf das verfahrensgegenständliche Los 2 rechtswidrig gewesen ist.

Für die erfolgte (Teil-) Einstellung des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb hat zumindest ein sachlicher Grund bestanden und die AG hat insofern auch ermessensgerecht gehandelt (vgl. hierzu oben), so dass der insofern gestellte Hilfsantrag des AST ebenfalls unbegründet ist.

Nach alledem war der Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

3. Kostenentscheidung

Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.

Der AST hat gemäß § 182 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 GWB die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der AG zu tragen, da er in dem Verfahren unterlegen ist.

Die Vergabekammer hatte die Hinzuziehung von anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die AG im Nachprüfungsverfahren gemäß § 182 Absatz 4 Satz 4 GWB in Verbindung mit § 80 Absätze 2 und 3 Satz 2 ThürVwVfG für notwendig zu erklären. Es handelt sich um einen in rechtlicher Hinsicht schwierigen Fall, so dass es der AG nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen. Auch aufgrund des Zeitdrucks im Nachprüfungsverfahren ist eine gezielte juristische Betreuung der AG mit Hilfe von anwaltlichen Bevollmächtigten erforderlich gewesen.

Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Absatz 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500,00 € und 50.000,00 €, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag von 100.000,00 € erhöht werden kann.

Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Die Gebühr wird ausgehend von dem von der AG errechneten Nettoauftragswert in Höhe von xxxx € zuzüglich der vom AST mit 9 % veranschlagten Risiko-/Gewinnmarge und zuzüglich der nach § 12 Absatz 2 Nr. 10 UStG geltenden siebenprozentigen Umsatzsteuer sowie der Gebührentabelle der Vergabekammer (Stand: 01.01.2010) zunächst auf xxxx € festgesetzt. Da die Vergabekammer gemäß § 166 Absatz 1 Satz 3, 1. Alternative GWB mit Zustimmung der Beteiligten nach Lage der Akten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist von einem verminderten personellen Aufwand der Vergabekammer auszugehen (vgl. auch Müller-Wrede, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 2016, § 182, Rdn. 27), so dass die Vergabekammer die Gebühr für das Nachprüfungsverfahren nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens auf xxxx € festgesetzt hat. Zu erstattende Auslagen der Vergabekammer sind im Nachprüfungsverfahren nicht (mehr) angefallen.

Da der AST bereits einen Kostenvorschuss in Höhe der Mindestgebühr von xxxx € gezahlt hat, ist dieser Betrag mit der festgesetzten Gebühr in Höhe von xxxx € zu verrechnen. Der AST wird daher aufgefordert, den geleisteten Kostenvorschuss überschießenden Betrag von xxxx € bis zum xxxx (Fälligkeit) unter Angabe der Posten-Nr.: xxxx an die nachfolgend genannte Bankverbindung zu überweisen:

Empfänger X

Kreditinstitut: X

IBAN: X

SWIFT-Adresse (BIC): X

Hinweis:

Ein gesondertes Kostenfestsetzungsverfahren findet nicht statt (§ 182 Absatz 4 Satz 5 GWB).

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig.

Sie ist schriftlich, innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung der Vergabekammer beim Thüringer Oberlandesgericht, Rathenaustraße 13, 07745 Jena, einzulegen.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung der Vergabekammer beantragt wird, und Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen bei Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Die sofortige Beschwerde hat gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist.

Scheid

Vorsitzender VK

Gers

Hauptamtlicher Beisitzer

Siegel

Zitierung:
VK Thüringen, 16.05.2019, 250 - 4003 - 10824 / 2019 - E - S - 002 - SÖM
Bundesland:
Thüringen