In dem Nachprüfungsverfahren
pp.
Vergabe des „Neubaus Schulzentrum XXX (Totalunternehmermodell)" im Verhandlungsverfahren, Referenznummer der Bekanntmachung XXX hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, den hauptamtlichen Beisitzer Dipl. Sozialwirt Tiede und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Magill auf die mündliche Verhandlung vom 07.12.2018 beschlossen:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten (Gebühren der Vergabekammer) werden auf XXX € festgesetzt.
3. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten.
Begründung:
Mit europaweiter Bekanntmachung vom XXX.2018 hat die Antragsgegnerin die Leistung „Neubau Schulzentrum XXX (Totalunternehmermodell)" im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb ausgeschrieben.
Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge war der XXX.2018.
Die Verfahrensunterlagen wurden barrierefrei über das elektronische Vergabeportal „Deutsches Vergabeportal" (https://www.dtve.de) zur Verfügung gestellt. Die Teilnahmeanträge waren gern. Ziff. 1.3) elektronisch über das Vergabeportal einzureichen.
Nach Ziffer 3.1 des „Verfahrensbriefes' waren Teilnahmeanträge ausschließlich elektronisch im Original über den Projektraum abzugeben. Unter Ziffer 3.3 wurde ergänzend ausgeführt:
„Der Teilnahmeantrag inklusive der Bewerberformulare, die vom Bewerber zwingend auszufüllen und — soweit vorgesehen — zu unterschreiben sind, ist mit den geforderten Nachweisen und Erklärungen bis zum XXX.2018, 12:00 Uhr in dem Projektraum „Neubau XXX Schulzentrum" elektronisch einzustellen."
Hinweise und Fragen waren gern. Ziff. 12 ebenfalls „schriftlich über den Kommunikationsbereich der Vergabeplattform DTVP über den entsprechenden Projektraum einzureichen". Die Bieterfragen waren zudem gern. Ziff. 14 per „Formblatt gemäß Anlage C8 „Bieterfragenkatalog" schriftlich zu diesem Verfahren zu stellen und ausschließlich über den Kommunikationsbereich des Vergabeportals DTVP in dem Projektraum „Neubau XXX Schulzentrum" zu stellen".
Nach Prüfung der Teilnahmeanträge teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Schreiben vom 25.10.2018 mit, dass ihr Teilnahmeantrag ausgeschlossen wird, da er gern. § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV nicht formgerecht eingereicht worden sei. Der Teilnahmeantrag sei im Projektraum nicht über den vorgesehenen Bereich „Teilnahmeantrage", sondern über den Kommunikationsbereich abgegeben worden. Dies ermögliche dem Auftraggeber einen gern. § 10 Abs. 1 Nr. 2 VgV nicht zulässigen vorfristigen Zugriff auf die empfangenen Daten.
Aufgrund des Schreibens vom 25.10.2018 rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 26.10.2018 das Vergabeverfahren. Der Teilnahmeantrag sei frist- und formgerecht eingegangen, da er über den Projektraum abgegeben wurde. Eine weitere Konkretisierung auf bestimmte Bereiche sei weder in der Bekanntmachung noch den Bedingungen zum Teilnahmeantrag vorgegeben. Die Anforderung aus § 10 VgV, einen vorfristigen Zugriff zu verhindern, binde zudem ausschließlich den Auftraggeber. Die Antragsgegnerin solle daher den Ausschluss rückgängig machen. Zudem sei ein Ausschluss unangemessen.
Die Antragsgegnerin teilte daraufhin der Antragstellerin mit Schreiben vorn 30.10.2018 mit, dass der Rüge nicht abgeholfen werde, da der Teilnahmeantrag nicht formgerecht eingereicht worden sei. Zudem sei der Ausschluss zwingend, da die Vertraulichkeit der Daten und die erforderliche Datensicherheit durch die Hochladung über den Kommunikationsbereich nicht gewährleistet sei.
In Folge rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 01.11.2018 zudem das Versäumnis der Vergabestelle, einen vergaberechtskonformen elektronischen Eingang von Teilnahmeanträgen sicherzusteilen. Über den Projektraum sei es möglich gewesen, den Antrag auf zwei verschiedenen Wegen abzugeben, von denen einer nicht den Vorgaben des § 10 Abs. 1 VgV entspräche. Mangels näherer Angaben sei dieser Verstoß gegen das Vergaberecht der Vergabestelle anzulasten. Auch seien Verfahren zur Ver- und Entschlüsselung zu benennen, da sonst zum einen der Auftraggeber mit Kodierungsverfahren konfrontiert werden könnte, auf die er technisch nicht eingerichtet ist, und zum anderen der Bieter sich einer Berücksichtigung seines Antrages nicht sicher sein könne. Hier dürfe der Bieter davon ausgehen, dass die vergaberechtlichen Vorgaben erfüllt seien.
Die Antragsgegnerin reagierte mit Schreiben vom 02.11.2018. Erneut wurde der Rüge nicht abgeholfen. Es gäbe keine Versäumnisse, das Verfahren sei über eine Vergabeplattform abgewickelt worden, wobei die Bieterkommunikation unverschlüsselt erfolge, damit die Kommunikation nicht ins Leere laufe und die Einreichung der Anträge in einem verschlüsselten Bereich zu erfolgen hatte. Durch die entsprechenden Bezeichnungen „Kommunikation" und „Teilnahmeanträge" im Projektraum sei dies für die Bewerber erkennbar gewesen. Sollte die Abgabe des Teilnahmeantrages nicht ausreichend beschrieben worden sein, hätte dies zudem vor Arttragsabgabe gerügt werden müssen.
Daraufhin beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom 12.10.2018 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens,
Der Ausschluss sei rechtswidrig, da keine Verstöße der Antragstellerin gegen vergaberechtliche Formerfordernisse erkennbar seien. Die Antragsgegnerin habe auf bieterseitige Sicherheitsvorkehrungen verzichtet, da keine verbindlichen Anforderungen an die verwendeten elektronischen Mittel über die Mindestanforderungen hinaus gestellt worden seien. Scheinbar wurde übersehen, dass zwei Möglichkeiten der Einreichung der Anträge bestanden, dies könne nicht zu Lasten der Bieterin gehen.
Ein Ausschluss nach § 16 EU VOB/A scheitere an der Nichtanwendbarkeit dieser Vorschrift auf Teilnahmeanträge. Die §§ 13 und 16 EU VOBIA regeln nur die Form und Inhalt von Angeboten, nicht jedoch von Teilnahmeanträgen. Da in vergaberechtlichen Vorschriften zwischen Angeboten und Anträgen grundsätzlich unterschieden werde, es an einer solchen Unterscheidung in § 13 EU VOBIA jedoch konkret fehle, fehle es nicht an einer Regelungslücke, für die eine analoge Anwendung anderer Vorschriften möglich wäre. Die fehlende Anwendbarkeit auf Anträge, entspreche zudem dem Schutzzweck der Norm. Die Verschlüsselung von Angeboten diene der Datenintegrität und Vertraulichkeit und sichere den Wettbewerb. Ein Wettbewerbsvorteil drohe in einem Teilnahmewettbewerb gerade nicht, da die im Teilnahmeantrag einzureichenden Inhalte in der Regel ohnehin öffentlich zugänglich sind. Zu schützende Grundsätze des Vergaberechts seien vorliegend nicht verletzt.
Die durch die Antragsgegnerin angeführten Regelungen zum Ausschluss gern. § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV umfassen dagegen auch Teilnahmeanträge. § 55 Abs. 1 VgV verlangt jedoch keine zwingende Verschlüsselung, damit stehe die Wahl der geeigneten Vorkehrungen zum Schutz der Unversehrtheit und Vertraulichkeit im Ermessen des Auftraggebers. Man könne z.B. den Kreis der Personen mit Zugang zu den unter Verschluss gehaltenen Teilnahmeanträgen begrenzen. Über Zugriffsrechte habe die Antragsgegnerin bisher nichts ausgeführt. Zudem würde ein Ausschluss dahin gehend eingeschränkt, dass eine Verletzung der Formerfordernisse durch den Bieter zu vertreten sein müsste. Datenintegrität und Vertraulichkeit würden ganz überwiegend dem Schutz der Bewerber dienen, so dass ein Verzicht der Antragsgegnerin hierauf nicht die Folge haben könne, den Antrag der Antragstellerin auszuschließen. Eine Vorgabe zur Verschlüsselung habe nicht bestanden. Da ein Zugriff im Falle einer elektronischen Einreichung überprüfbar wäre, würde davon ausgegangen, dass ein Zugriff auch vor Fristablauf nicht erfolgt sei und daher auch keine Auswirkungen auf den Wettbewerb haben konnte. Ein Ausschluss, als eklatanter Eingriff in die Rechte der Antragsteilerin, sei unverhältnismäßig.
Ferner habe sich die Antragsgegnerin vergaberechtswidrig verhalten und verstoße gegen § 10 Abs. 1 VgV, da durch den nicht näher spezifizierten Weg des Hochladens der Anträge, sie nicht gewährleisten könne, dass ein vorfristiger Zugriff auf die empfangenen Daten möglich sei.
Es läge auch ein Verstoß gegen § 11a EU Abs. 4 VOB/A vor, da auch hiernach kein vorfristiger Zugriff auf die Daten möglich sein dürfe. Durch die nicht eindeutige Anweisung auf weichem Wege die Anträge hochzuladen seien, verletzte die Antragsgegnerin diese Vorgabe.
Zudem verstoße die Antragsgegnerin gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gern. § 97 Abs. 2 GWB. Der Antrag der Antragstellerin hätte den Formerfordernissen genügt, wenn der Antrag verschlüsselt auf der Vergabeplattform hochgeladen worden wäre. Die Antragstellerin gehe davon aus, dass kein Mitbewerber seinen Antrag verschlüsselt hochgeladen habe, vielmehr habe auch die Antragsgegnerin ausreichend technische Vorkehrungen zu treffen, die einen vorzeitigen Zugriff verhindern. Es könne davon ausgegangen werden, dass auch unter der Rubrik „Teilnahmeanträge" keine Verschlüsselung stattgefunden habe. Lediglich das Postfach zur Antragseinstellung würde bis zum Ablauf der jeweiligen Frist für den Zugriff gesperrt. Soweit also andere Teilnahmeanträge unverschlüsselt eingereicht worden seien, könne der Ausschluss der Antragstellerin nicht erfolgen unter Hinweis, dass der Teilnahmeantrag unverschlüsselt gewesen sei.
Auf die Antragserwiderung nimmt die Antragstellerin schriftlich Stellung, indem ergänzend und/oder erläuternd vorgebracht wird:
Eine Rügepflicht fände in vorliegendem Fall keine Anwendung, da allein aus den Vergabeunterlagen ein Verstoß gegen vergaberechtliche Anforderungen nicht erkennbar sei. Zudem sei nicht erkennbar gewesen, wie sichergestellt worden sei, dass kein vorfristiger Zugriff auf die empfangenen Daten möglich sei. Bei Auslegungszweifeln, dürfe der Bieter annehmen, dass eine Ausschreibung den Anforderungen des Vergaberechts entspreche. Auch wenn es offensichtlich zwei Möglichkeiten zur Einstellung eines Antrages auf der Projektplattform gäbe, müsse ein Rechtsverstoß unmittelbar aus der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen erkennbar sein. Der Auftraggeber habe der Antragsgegnerin alle notwendigen Informationen über die verwendeten elektronischen Mittel, die technischen Parameter zur Einreichung von Anträgen und die verwendeten Verschlüsselungs- und Zeiterfassungsverfahren zur Verfügung zu stellen. Auch hier habe der Bieter annehmen dürfen, dass die Ausschreibung den Anforderungen des Vergaberechts entspreche.
Zudem könne eine fehlende Verschlüsselung zur Begründung des Ausschlusses denklogisch nicht vor Ablauf der Antragsfrist gerügt werden. Der Nachprüfungsantrag bliebe zulässig, da der vergaberechtswidrige Ausschluss erst am 25.10.18 zur Kenntnis der Antragstellerin gelangte.
Ferner beziehe sich der angeführte Beschluss des OLG Karlsruhe auf ein Angebot und könne daher nicht auf Teilnahmeanträge abgeleitet werden. Letztlich seien auch die Ausführungen zur Einhaltung des Gleichbehandlungsgebotes nicht überzeugend. Ob die übrigen Anträge verschlüsselt eingegangen seien, würde nicht klargestellt.
Die Antragstellerin beantragt,
1. geeignete Maßnahmen anzuordnen, um die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens herzustellen,
2. der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakte zu gewähren,
3. der Antraggegnerin die Kosten des Vergabenachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Nachprüfungsantrag sowie die Nebenanträge zurückzuweisen.
Der Nachprüfungsantrag sei weder zulässig noch begründet.
Ein Antrag auf Nachprüfung sei unzulässig, soweit Verstöße, die in den Vergabeunterlagen erkennbar seien, nicht bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe oder Bewerbung gerügt worden seien. Die Vergabeunterlagen seien auf Vergabeverstöße und/oder Widersprüche zu prüfen und bis zum Fristablauf zu rügen. Auf eine positive Kenntnis komme es nicht an, vielmehr sei Maßstab die Erkennbarkeit für den Bieter bei Anwendung üblicher Sorgfalt. Sollte eine Beschreibung fehlen, in welcher Form der Teilnahmeantrag abzugeben seien, hätte die Antragstellerin die Antragsgegnerin auf einen vergaberechtlichen Verstoß aufmerksam machen müssen.
Der Antrag sei weiterhin unbegründet. Der Teilnahmeantrag war auszuschließen, da er nicht formgerecht eingegangen sei. Die Datensicherheit bei elektronischen Angeboten und Teilnahmeanträgen sei durch Verschlüsselung bis zur Öffnung sicherzustellen. Vertraulichkeit und Datensicherheit seien nicht gewährleistet gewesen, da der Antrag über den Bereich „Kommunikation" und nicht über ,,Teilnahmeanträge" hochgeladen wurde und somit vor Ablauf der Frist einsehbar gewesen sei. Der Ausschluss sei zwingend bei Verletzung der erforderlichen Datensicherheit.
Die verwendete elektronische Vergabeportallösung erfülle die Anforderungen an die elektronischen Mittel und gewährleiste, dass kein vorfristiger Zugriff auf die empfangenen Daten möglich sei. Unter der Rubrik „Teilnahmeanträge" könnten die Anträge signiert und verschlüsselt eingereicht werden. Erst nach Ablauf der Frist sei ein Zugriff im 4-Augen-Prinzip möglich. Der Bereich „Kommunikation" diene erkennbar der elektronischen Kommunikation, die auch während der Teilnahmefrist über das Vergabeportal stattfand.
Entgegen der Ausführungen der Antragstellerin gelte ein Ausschluss auch für Teilnahmeanträge. Ferner würden die durch die Antragstellerin genannten Paragrafen der VgV keine Anwendung finden. Es sei zudem nicht relevant, wann die Antragsgegnerin Kenntnis vom Teilnahmeantrag erlangt habe, da bereits ein Verstoß gegen die Formvorschriften vorläge.
Zudem läge kein Verstoß gegen § 11a EU Abs. 4 VOB/A vor, da das genutzte Vergabeportal DTVP die Voraussetzungen zur verschlüsselten Einreichung über die entsprechende Rubrik erfülle. Dass eine Einreichung über die Rubrik „Kommunikation" unverschlüsselt erfolge, sei der Antragstellerin bekannt, da sie hier selbst Bieternachrichten geöffnet habe. Dass Angebote und Teilnahmeanträge entweder verschlüsselt oder in einem verschlossenen Briefumschlag bis zum Fristablauf zu verwahren seien, hätte der Antragstellerin als „ureigene Vorschrift des Vergaberechts" bekannt sein müssen. Sollten die Vergabeunterlagen hierzu nicht eindeutig erscheinen, hätte die Antragsgegnerin vor Fristablauf darauf hinweisen müssen.
Das Gleichbehandlungsgebot würde nicht verletzt. Alle weiteren Bewerber hätten ihre Anträge formgerecht eingereicht. Bei Verletzung der Datensicherheit nach § 16 EU Abs. 1 VOB/A sei der Ausschluss eines Teilnahmeantrages zwingend, wenn die Vorgaben zur Verschlüsselung nicht eingehalten würden.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 07.12.2018 verwiesen.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Ausgestaltung der Vergabeunterlagen und die Vorgaben zur Abgabe von Teilnahmeanträgen nicht in ihren Bieterrechten gemäß § 97 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 6 GWB verletzt. Die Vergabekammer nimmt beschränkt auf die Einführungsphase der elektronischen Vergabe zugunsten der Antragstellerin an, dass es für sie trotz der Möglichkeit längeren Aufenthalts im Projektraum mit den für die Kommunikation und die Abgabe von Teilnahmeanträge vorgegebenen Eingabemasken für sie nicht erkennbar war, dass das von der Antragsgegnerin verwendete System für die Kommunikation und die Abgabe von Teilnahmeanträge verschiedene Eingabefelder verwendete (vgl. nachfolgend zu 1).
Die Vergabekammer wendet im vorliegenden Fall für die Bewertung eines Teilnahmeantrags § 16 EU VOB/A analog an, weil sie hier eine planwidrige Regelungslücke sieht. Eine objektive Regelungslücke besteht durch die fehlenden Vorschriften zur Wertung von Teilnahmeanträgen. Die Regelungslücke ist planwidrig, weil die EU VOB/A materiell nicht von den Regelungen der VgV abweichen, diese vielmehr nachzeichnen wollte. Selbst wenn im Teilnahrneantrag keine schützenswerten Daten enthalten sein sollten, erfordert der Grundsatz des Geheimwettbewerbs, dass die Teilnahmeanträge bis zu deren Öffnung vor dem Zugriff durch Verschlüsselung geschützt sind. Eine Vergabesoftware, die für die Kommunikation und die Abgabe eines Teilnahmeantrags jeweils unterschiedliche Eingabefelder vorsieht, leitet den Bewerber ausreichend deutlich auf das von ihm auszuwählende Eingabefeld für Teilnahmeanträge hin. Weder der öffentliche Auftraggeber, noch der Anbieter eines E-Vergabesystems Vergabe muss in den Vergabeunterlagen mehr erklären, als in § 13 EU-Abs. 1 Nr. 2 VOB/A beschrieben ist (vgl. nachfolgend zu 2).
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
Die Antragsgegnerin ist als Gebietskörperschaft öffentliche Auftraggeberin gern. § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gern. § 106 Abs. 1 GWB. Der 4. Teil des GWB gilt nur für Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Die Antragsgegnerin vergibt hier einen Bauauftrag i. S. d. § 103 Abs. 3 GWB, weil Auftragsgegenstand die Errichtung des Neubaus eines Schulzentrums ist, es also in der Sache um die Ausführung von Bauleistungen geht. Das gewählte „Totalunternehmermodell" also die Verknüpfung der Bauleistung mit den Architekten- und Finanzierungsdienstleistungen beeinträchtigt den Gesamtcharakter der Vergabe als Bauleistung nicht. Für diesen Auftrag gilt daher gern. § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der seit 01.01.2018 geltenden Fassung ein Schwellenwert von 5.548.000 €. Dieser Wert wird laut Ziffer 1 der Vergabedokumentation deutlich überschritten.
Die Antragstellerin ist gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Sie hat ausweislich des abgegebenen Teilnahmeantrags ein Interesse am Auftrag und beschreibt die Verletzung ihrer Rechte aus § 10 Abs. 1 Nr. 2 VgV, § 16 EU Nr. 2 VOBIA sowie § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV, weil die unter I. dargestellten Mängel des elektronisch durchgeführten Teilnahmewettbewerbs sie daran hinderten, ihren Teilnahmeantrag ordnungsgemäß abzugeben. Die Vergabeunterlagen seien insoweit unklar. Auf der Ebene der Zulässigkeitsprüfung geht es nur darum, ob die Rüge dem öffentlichen Auftraggeber ermöglicht, einen konkreten Sachverhalt aus der Vergabeentscheidung auf einen möglichen Vergabeverstoß prüfen zu können. Es genügt daher für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können. Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit.
Die Antragstellerin hat den von ihr gesehenen Vergabeverstoß vor Erhebung des Nachprüfungsantrags gegenüber der Auftraggeberin gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB gerügt. Danach ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller einen geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichung des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von 10 Kalendertagen gerügt hat. Die Antragstellerin beruft sich darauf, sie habe erst mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 25.10.2018, in dem sie über ihren Ausschluss informiert wurde, den Mangel der Vergabeunterlagen erkannt. Ihre Rügen vom 26.10.2018 gegen den Ausschluss vom Vergabeverfahren sowie vom 01.11.2018 gegen den von der Antragsgegnerin angeblich nicht vergaberechtskonform gewährleisteten Eingang von Teilnahmeanträgen erhob sie binnen 10 Tagen nach Erhalt dieser Bieterinformation, erst recht nach Erhalt der Zwischeninformation vom 30.10.2018 und 02.11.2018.
Die Antragstellerin ist mit ihrem Vortrag nicht nach § 160 Abs. 3 Nr. 2, 3 GWB präkludiert. Nach dieser Vorschrift des § 160 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung (Nr. 2) oder erst in den Vergabeunterlagen (Nr. 3) erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt hat. Die Rügepflicht ist vom Gesetzgeber als Ausdruck des Grundsatzes von Treu und Glauben konzipiert worden. Der Anbieter soll sein Wissen über Mängel der Vergabe, die er erkannt hat, nicht aus taktischen Erwägungen zurückhalten bis klar ist, ob er den Zuschlag erhalten wird oder nicht. Er soll vielmehr die von ihm erkannten Mängel frühzeitig dem Auftraggeber mitteilen, damit dieser die Mängel korrigieren kann. Die Antragsgegnerin beruft sich durchaus nachvollziehbar darauf, dass der von der Antragstellerin geltend gemachte Mangel, es sei unklar in welcher Rubrik der Teilnahmeantrag einzureichen gewesen sei, bereits vorher erkennbar gewesen sei. Die Vergabekammer teilt diese Auffassung zumindest jetzt zu Beginn der verbindlichen und nicht nur freiwilligen Einführung der elektronischen Vergabe noch nicht.
Ein Bieter, der sich routinemäßig bereits seit längerer Zelt an elektronischen Vergabeverfahren der verschiedenen angebotenen Systeme beteiligt, wird wissen und bei Unklarheit frühzeitig prüfen, wie die Abgabe des Teilnahmeantrags oder Angebotes zu erfolgen hat. Allerdings ist die verbindliche Vorgabe zur Durchführung der Vergabeverfahren in elektronischer Form erst seit dem 18.10.2018 wirksam. Bis dahin bestand noch eine Übergangsfrist, in der es durchaus vorkommen kann, dass einem Bieter die Art und Weise der Einreichung von Teilnahmeanträgen aufgrund mangelnder Erfahrung nicht hinreichend präsent ist. Dabei nimmt die Vergabekammer zugunsten der nach eigener Darstellung mit öffentlichen Auftragsvergaben nicht erfahrenen Antragstellerin an, dass sie keine Verpflichtung erkennen konnte, sich durch Fortbildung frühzeitig auf die Besonderheiten der elektronischen Vergabe einzustellen.
Die Literatur (Dicks in: Ziekow-Völlink, § 160; Rn. 49) verweist berechtigt darauf, der Begriff der objektiven Erkennbarkeit sei nicht mit der Annahme gleichzusetzen, dass alles Geschriebene objektiv erkennbar sei. Gerade Vergabeunterlagen im Baubereich seien weder lese- noch verständnisfreundlich, noch vom Umfang her in Kürze überschaubar. Dies gilt zwar nicht für die vorliegende Bauvergabe in der Teilnahmephase, ist aber beschränkt auf die Einführungsphase der elektronischen Vergabe einem Bewerber auch für das Verständnis der Gestaltung elektronischer Eingabefelder zugute zu halten. Zwar konnte sich die Antragstellerin von der Bekanntmachung am XXX.2018 bis zur Abgabe des Teilnahmeantrag am XXX.2018 frei in den Eingabemasken bewegen, hatte also die Möglichkeit, sich vorausschauend mit den Eingabemasken vertraut zu machen, allerdings entspricht dies nicht der tatsächlich angewandten Praxis. Die Vergabekammer nimmt daher zugunsten der Antragstellerin an, dass der von der Antragstellerin dargestellten Mangel der Anweisung zu Einreichung des Teilnahmeantrags für sie objektiv nicht vor der beabsichtigten Abgabe des Teilnahmeantrags erkennbar war, eine Rügeverpflichtung nach § 160 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 3 GWB nicht gegeben war.
2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet.
Die Antragsgegnerin hat das von ihr gewählte Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb verwenden dürfen. Anders als in den Verfahren nach VgV ist das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb in Bauvergaben nach § 3a EU Abs. 2 VOB/A nur unter einschränkenden Voraussetzungen zulässig. Die Vergabedokumentation des Antragsgegners äußert sich auf Blatt 2 zur Verfahrenswahl und begründet die Verfahrenswahl mit dem komplexen Leistungsbild, mit der Einbeziehung städtebaulicher Lösungen, der Ergebnisse für funktionale Raumbezüge und der Aufrechterhaltung des Schulbetriebs während der Bauphase. Dies entspricht inhaltlich dem Kriterien nach § 3a EU Abs. 2 Nr. 1 a VOBIA, wonach das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb zulässig ist, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist, nämlich u.a. „die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers können nicht ohne die Anpassung bereits verfügbaren Lösungen erfüllt werden". Die Antragsgegnerin wollte hier nicht nur die reine Bauleistung nach einem vorher bereits erarbeiteten Plan erbringen lassen, sondern den Plan und die Finanzierung mit der Bauleistung gemeinsam vergeben. Insofern erscheint die von den Verfahrensbeteiligten nicht weiter angegriffene Vorgehensweise der Antragsgegnerin tragfähig begründet.
Die Antragstellerin bezweifelt mit guten Gründen das Vorliegen einer gesetzlichen Ermächtigungsnorm, um ihr Angebot ausschließen zu können.
Die Antragsgegnerin verwendete in ihrem Informationsschreiben vom 24.10.2018 eine unzutreffende Rechtsgrundlage. Anzuwenden ist nicht § 57 VgV, sondern als nationale Umsetzungsnorm der Vergaberichtlinie 2014/24/EU das GWB, sowie die VgV. Allerdings greift für Bauaufträge gemäß § 2 VgV eine Sperre, weil danach nur einzelne Abschnitte der VgV, nämlich deren Abschnitt 1 (die § 1 - 13) sowie Abschnitt 2, Unterabschnitt 2 der VgV (§ 21 - 27) anwendbar sind, im Übrigen die Regeln der VOB/A-EU. Die Antragsgegnerin durfte sich also in der Information über den Ausschluss nicht auf § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV berufen, weil der Verordnungsgeber diese Vorschrift für Bauaufträge gesperrt hat.
Obgleich die EU VOB/A den Verfahrensablauf auch des Teilnahmewettbewerbs in § 3b EU Abs. 3 VOB/A beschreibt, und obwohl § 11 EU Abs. 4 VOB/A u.a. die Übersendung der Teilnaheanträge mithilfe elektronischer Mittel vorgibt, fehlen Regelungen zur Wertung der Teilnahmeanträge, insbesondere eine dem § 56 VgV gleichstehende Regelung zur Prüfung des Teilnahmeantrags durch den Auftraggeber und eine Regelung zur Rechtsfolge eines fehlerhaften Teilnahmeantrags entsprechend § 57 VgV in der EU VOB/A. Wie die Antragstellerin zutreffend hervorhebt, bezieht sich § 16 EU VOB/A vorn Wortlaut fast ausschließlich auf Angebote, nicht jedoch auf Teilnahmeanträge.
Urheber der VOB/A-EU (Schreibweise gemäß der Überschrift des 2. Abschnitts der VOB/A) ist nicht das Parlament als Gesetzgeber, nicht der Verordnungsgeber aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung, sondern der deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA). Bedingt durch die Dokumentation des Urhebers der VOB/A-EU gibt es keine normbezogenen begründenden Materialien, aus denen sich die Gründe für das Fehlen bestimmter Vorschriften oder die Formulierung der Vorschriften entnehmen lässt. Die einleitenden Hinweise für die VOB/A 2016 erläutern, dass der DVA den Abschnitt 2 (VOB/A—EU) zuerst erstellte, und die neue Struktur auf die Abschnitte 1 und 3 übertrug, um den bewährten Gleichlauf innerhalb der VOB/A zu bewahren. Grundsätzlich habe der Vergabeausschuss auf einen Gleichlauf mit den in der VgV geregelten Vorschriften zur Beschaffung von Dienstleistungen hingearbeitet. So würden zum Beispiel die Vorschriften zur elektronischen Vergabe einheitlich ausgestaltet. Es war also nicht Absicht des DVA, hinsichtlich der Regelungen in der VOB/A-EU von den Regelungen der VgV abzuweichen. Diese Absicht findet sich im Text der VOB/A-EU leider nur unvollständig wieder. Unmittelbar und ausdrücklich lässt sich nur aufgrund des § 6 EU VOB/A entnehmen, dass diese Vorschrift sowohl auf Angebote als auch auf Teilnahmeanträge anzuwenden ist. Die Kommentierung (Werner in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, § 6 VOB/A EU, Rn. 1) hebt hervor, dass die VOB/A-EU den inhaltlichen Text der VgV nahezu identisch wiedergibt. Leider geschieht dies erkennbar nicht vollständig.
Der ausweislich der Regelung des § 2 VgV nicht anwendbare § 57 VgV beschreibt die Rechtsfolge eines dort dargestellten Verstoßes, insbesondere des nicht formgerecht eingegangenen Teilnahmeantrags. Eine vergleichbare Regelung fehlt in der VOB/A-EU.
Die Vorschrift über die Anforderung an die verwendeten elektronischen Mittel, § 10 VgV ist gemäß § 2 VgV auf die Vergabe von Bauaufträge anwendbar. Allerdings beschreibt § 10 VgV nicht die vom Wettbewerbsteilnehmer zu erfüllenden Anforderungen, sondern richtet sich an den öffentlichen Auftraggeber und die von ihm vorzuhaltenden Sicherheitseinrichtungen. Der Auftraggeber muss unter anderem gewährleisten, dass kein vorfristiger Zugriff auf die empfangenen Daten beim Empfang von Angeboten oder Teilnahmeanträgen möglich ist. § 10 VgV ist daher nicht geeignet, einen Rechtsverstoß des Wettbewerbsteilnehmers zu begründen, weil Normadressat der Auftraggeber ist.
Allerdings hat sich der von der Antragstellerin erhobene Einwand, die Antragsgegnerin habe gegen die Verpflichtung aus § 10 Abs. 1 VgV verstoßen, nicht bestätigen lassen. Vielmehr ergibt sich aus der Dokumentation des Projektraumes, dass die in § 10 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 VgV geforderten Inhalte durch das von der Antragsgegnerin verwendete System eingehalten werden. Die anderen Bewerber haben ihre Teilnahmeanträge fristgerecht im Projektraum als Teilnahmeantrag hochgeladen. Das umfasst auch den behaupteten Verstoß gegen die Regelung des § 11a EU Abs. 4 VOB/A gleichen Inhalts. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass die von der Antragsgegnerin vorgelegten Dokumentation nicht nur das DTVP-Protokoll, also eine Kurzfassung aller Eingänge enthielt, sondern mit der „Übersicht Kommunikationstool DTVP Teilnahmephase" auch einen Auszug der vollständigen Vergabedokumentation der elektronischen Plattform abbildete. Daraus wurde deutlich, welchen Inhalt die von der Antragstellerin am 12.10.2018 um 11.43 Uhr übermittelte Nachricht hatte, der Dateiname des angefügten Anhangs, dessen Größe, wann dieser Anhang der Nachricht beigefügt worden war und wer wann auf der Seite der Antragsgegnerin diese Nachricht zum ersten Mal geöffnet hatte. Systembedingt lässt sich der wiederholte Zugriff desselben Mitarbeiters nicht verfolgen. Es ist erkennbar, dass ein weiterer Mitarbeiter der Antragsgegnerin erst am 30.10.2018 10:06 Uhr auf die Nachricht Zugriff. Es gibt daher keinen konkreten Hinweis auf einen Verstoß gegen den Geheimwettbewerb.
Allerdings enthält das Vergaberecht, insbesondere die §§ 57, 53, 10 VgV, aber auch § 13 EU VOB/A die Anforderung, dass elektronisch eingereichte Angebote und im Geltungsbereich der VgV auch Teilnahmeanträge so einzureichen sind, dass kein vorfristiger Zugriff auf die empfangenen Daten möglich ist. Das erfordert eine Verschlüsselung. Da es sich um einen verfahrensübergreifenden Grundsatz handelt ist zunächst zu prüfen, ob der Urheber der VOB/A-EU bewusst auf den Geheimschutz bei Teilnahmeanträgen verzichten wollte.
Eine analoge Anwendung etwa des § 16 EU VOB/A ist unter zwei Voraussetzungen möglich, nämlich zum einen muss eine Regelungslücke vorliegen, zum anderen muss diese Regelungslücke planwidrig entstanden sein. Die Voraussetzung einer Regelungslücke liegt möglicherweise vor, da die VOBIA-EU keine Regelungen zum Umgang mit Teilnahmeanträgen enthält, sie auch nicht von Formerfordernissen und Verschlüsselung freizeichnet.
Die Planwidrigkeit der Regelungslücke ist angesichts des Umstandes, dass die VOB/A-EU in etwa zeitgleich mit der VgV entstanden ist, zugleich die Autoren der VOB/A-EU erkennbar die Gelegenheit nutzten, auf die Vorentwürfe zur VgV häufig zurückzugreifen (vgl. die Kommentierung oben zu § 6 EU VOBJA), schwer zu begründen.
Laut Herrmann (Hermann in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, Rn. 1) entspricht die Regelung des § 16 EU VOB/A zum Teil wörtlich, zum Teil der Sache nach der Bestimmung über den zwingenden Ausschluss von Beiträgen in § 57 VgV.
§ 57 VgV enthält sprachlich eine Wechselwirkung von Titel und Fließtext. Im Fließtext stellt die Vorschrift sprachlich einfach und leicht lesbar nur auf Angebote ab. Der weitere Bezug der Vorschrift auch auf Interessenbekundungen und Teilnahmeanträge wird ausschließlich durch den weit gefassten Titel der Vorschrift des § 57 VgV (Ausschluss von Interessenbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträgen und Angeboten) deutlich.
§ 16 EU VOB/A gibt den Fließtext weitgehend identisch zu § 57 VgV wieder, enthält aber nicht die für die erweiterte Anwendung für Teilnahmeanträge wichtige Erweiterung des Titels. Betrachtet man den gesamten Inhalt der VOB/A-EU, so ist zu erkennen, dass man zu Anfang zwar Vorschriften über den Teilnahmewettbewerb aufnahm, diese aber in der weiteren Entwicklung des Textes etwa ab §12 VOB/A-EU möglicherweise zur einfacheren sprachlichen Darstellung nicht mehr gesondert hervorhob, möglicherweise auch den Inhalt der Überschriften vernachlässigte.
Solche Übertragungsfehler im 2. Abschnitt der VOB/A sind der Vergabekammer aus der Vergangenheit bekannt. So gab es formal zur Geltung der VOB/A 2009 keine Rahmenverträge im Baurecht, weil in der damals geltenden EG-VOB/A die in § 4 EG-VOL/A enthaltene Übertragungsregelung aus Art. 9 der VKR 2004/18/EG fehlte (vgl. Ingenstau/Korbion, 18. Aufl. 2013, § 4 Rn. 49; zur älteren Rechtslage vgl. VK Arnsberg (bis 2014), Beschluss vom 21.02.2006, VK 29/05, zit. nach VERIS). Die Praxis überging die fehlende Rechtsgrundlage für Rahmenverträge einfach und nahm wie schon zur Geltung der Vorgängerregelung die Zulässigkeit von Rahmenverträgen im Bauvertrag an. Inzwischen gilt § 4a EU-VOB/A, wonach Rahmenverträge auch im Baubereich zulässig sind.
Gegen diese Annahme eines untergegangenen Sachzusammenhangs spricht allerdings der singuläre Hinweis in § 16 EU Nr. 4 S. 2 VOB/A, dass Satz 1 auch für Teilnahmeanträge gelte. Daraus ließe sich im Umkehrschluss ableiten, dass die anden Inhalte des § 16 EU VOB/A nicht für Teilnahmeanträge gelten sollten, mit der möglichen Folge, es sei kein Ausschluss von Teilnahmeanträgen nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A möglich.
Die Vergabekammer hat die Literatur zu § 16 EU Nr. 4 S. 2 VOB/A geprüft (von Wietersheim in: Ingenstau/Korbion, verweist auf § 16 VOB/A, Rn. 16; Hermann in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 16 EU; Frister in: Kapellmann/Messerschmidt VOB, Teile A und B, § 16 VOB/A, Rn. 33; Frister spricht wegen einer inhaltlichen Abweichung von § 6b Abs. 3 VOB/A von einer verunglückten Vorschrift, die anderen sprechen die Anwendbarkeit des § 16 EU VOB/A auf Teilnahmeanträge nicht an. Es ist daher der Vergabekammer nicht möglich, die Ursache der singulären Regelung in § 16 EU Nr. 4 S. 2 VOB/A aufzuklären. Gleichwohl besteht ein umfassendes Regelungsbedürfnis für Teilnahmeanträge, die nicht gemäß den Anforderungen des auf Fälle der VOB/A-EU anwendbaren § 10 VgV abgegeben worden sind, etwa entsprechend der Regelung in § 57 VgV.
Die Vergabekammer neigt daher der Einschätzung zu, dass die gesonderte und umfassende Prüfung von Teilnahmeanträgen dem Urheber der VOB/A-EU im Rahmen der fortschreitenden Ausarbeitung der VOB/A-EU trotz großer Sorgfalt wieder aus dem Blick geraten ist. Dafür spricht auch die in den Hinweisen für die VOB/A 2016 dokumentierte Absicht, bei den Vorschriften zur elektronischen Vergabe einen Gleichlauf mit der VgV erzielen zu wollen. Der DVA wollte nicht von der VgV abweichen. sondern nur eine eigene Regelung gleichen Inhalts daneben setzen. Das ist misslungen. Damit besteht eine planwidrige Regelungslücke.
Wegen der eindeutigen Regelung des § 2 VgV schließt die Vergabekammer sie nicht durch analoge Anwendung des § 57 VgV, sondern durch analoge Anwendung des § 16 EU VOB/A. Nach § 16 Nr. 2 EU VOB/A sind Angebote (in diesem Sinne also auch Teilnahmeanträge) auszuschließen, die den Bestimmungen des § 13 EU Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 nicht entsprechen. Gemäß § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A legt der öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung von § 11 EU VOB/A fest, in welcher Form die Angebote einzureichen sind.
Hier erfolgte die Festlegung durch die Vorgabe der Antragsgegnerin, Teilnahmeanträge im Projektraum abzulegen. Der Projektraum enthält mehrere Eingabemasken, die vom Teilnehmer anzusteuern sind. Die Eingabemasken sehen für die Kommunikation, also den E-Mail-Austausch ein anderes Eingabefeld vor, als für die Abgabe von Teilnahmeanträgen, so wie die Antragstellerin dies in ihrer Anlage Ast 2 gezeigt hat. Da sich das von der Antragsgegnerin verwendete System nicht an Endverbraucher wendet, sondern an professionelle Anwender, hält die Vergabekammer einen ergänzenden Hinweis, dass Teilnahmeanträge ausschließlich unter dem Button „Teilnahmeantrag" eingereicht werden dürfen nicht für erforderlich, die Bezeichnung des Projektraumes in den Vergabeunterlagen für inhaltlich ausreichend genau.
Gemäß § 13 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A hat der öffentliche Auftraggeber die Datenintegrität und die Vertraulichkeit der Angebote zu gewährleisten. Per Post oder direkt übermittelte Angebote sind in einem verschlossenen Umschlag einzureichen, als solche zu kennzeichnen bis zum Ablauf der für die Einreichung vorgesehenen Frist unter Verschluss zu halten. Bei elektronisch übermittelten Angeboten ist dies durch entsprechende technische Lösungen nach den Antworten des öffentlichen Auftraggebers und durch Verschlüsselung sicherzustellen. Die Verschlüsselung muss bis zur Öffnung des ersten Angebots aufrechterhalten bleiben.
Diese Regelung ist hinsichtlich des konventionellen Eingangs von Teilnahmeanträgen per Post recht detailliert aufgebaut. Hinsichtlich der elektronischen Übersendung legt die Vorschrift zwar einerseits fest, dass der Auftraggeber - nicht der Bewerber - die Verschlüsselung bis zur Öffnung des 1. Angebotes aufrechterhalten muss, der Weg wird jedoch ausschließlich durch die inhaltlich offene Floskel „durch entsprechende technische Lösungen nach den Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers" umschrieben.
Diese unterschiedliche Regelungstiefe hat zwei sachliche Gründe. Der konventionell per Post eingereichte Teilnahmeantrag erreicht zunächst die Poststelle des Auftraggebers. Die dort eingesetzten Bediensteten bearbeiten regelmäßig sehr viele Posteingänge, verfügen über keinen Bezug zum Vergaberecht, sind daher wegen ihrer fachfremden Tätigkeit im Zweifel angewiesen, alle eingehende Post sofort zu öffnen. Sie benötigen einen klaren Hinweis auf dem Poststück, um davon abzuweichen. Die klaren Vorgaben zum analogen Posteingang in der VOB/A-EU dienen daher der Vermeidung all der Missverständnisse, die im Laufe der Anwendungszeit der Norm tatsächlich entstanden sein dürften. An solchen umsetzungsfähigen Erfahrungen fehlt es noch bei der elektronischen Vergabe. Für die wohl weniger fehlergefährdete vertrauliche Aufbewahrung der Angebote lässt es die VOB/A bei der allgemeinen Regelung „unter Verschluss zu halten" genügen.
Bei der elektronischen Angebotseinreichung greift jedoch weder der Bewerber, noch der öffentliche Auftraggeber auf fachfremdes Personal zurück. Vielmehr erfolgt die elektronische Versendung des Angebotes auf der Bewerberseite im Zweifel durch das Personal, welches das Angebot zuvor elektronisch erstellt hat und auf der Seite des öffentlichen Auftraggebers erfolgt die Öffnung unmittelbar durch die regelmäßig mit der Submission vertrauten Bediensteten durch Zugriff auf einen Governikus-Server o.ä. Der Verordnungsgeber hat es bisher nicht für erforderlich angesehen, eine für fachfremde Bedienstete deutlich erkennbare Kennzeichnung vorzunehmen. § 13 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A verzichtet daher mangels Zugriffsmöglichkeit vergabefremder Personen wohl meist berechtigt darauf, dem Auftraggeber vorzugeben, dass er die Bewerber verpflichtet, ihre Teilnahmeanträge und Angebote besonders aus dem allgemeinen Posteingang hervorzuheben.
Darüber hinaus gibt es keine eindeutige Vorgabe, weil die am Markt angebotenen Lösungen für die E-Vergabe unterschiedliche Varianten der Übermittlungskanäle enthalten. Die Folge dieser nur allgemeinen Beschreibung sind Anwendungsfehler, die nicht nur Bewerbern oder Bietern unterlaufen. Der Vergabekammer lag bereits ein Fall vor, in dem ein Auftraggeber ein formal richtig eingegangenes Angebot nicht berücksichtigt hatte, weil er sich nicht zur Submission auf seiner Vergabeplattform einloggte, und das von ihm verwendete System ihn nicht zusätzlich automatisch über eingegangene Angebote informierte (VgK-04/2018, ohne förmliche Entscheidung beendet). Die Auswertung der Anwenderfehler wird möglicherweise künftig zu detaillierteren Regelungen führen. Dem kann die Vergabekammer aber nicht vorgreifen.
Die Vergabekammer ist der Auffassung, dass die vom antragsgegnerseitig verwendeten System vorgenommene Trennung innerhalb des Projektraums durch die 4 Kategorien Verfahrensangaben, Teilnahmeunterlagen, Kommunikation und Teilnahmeanträge ausreichend deutlich ist, um den Bewerber dazu anzuhalten, dass er Teilnahmeanträge unter dem zugehörigen Reiter „Teilnahmeanträge" abgibt.
Dabei hat die Vergabekammer Verständnis dafür, dass eine Viertelstunde vor Ende der Abgabefrist für den Teilnahmeantrag Hektik herrschen und eine Verwirrung verursachen kann, die zu einer Fehlbedienung führen kann. Auch die Abgabe des Teilnahmeantrags ist in einem weiteren Sinne Kommunikation. In dieser Situation kann es auch schwer möglich sein, bei der Vergabestelle telefonisch abzuklären, unter welchem Reiter der Teilnahmeantrag abzugeben sei.
Die Antragsgegnerin hat dokumentiert, dass die um 11.43 Uhr empfangenen Nachricht erst um 12:54 Uhr geöffnet wurde. Daher erhielt die Antragsgegnerin keinen elektronischen Hinweis darauf, dass die Antragstellerin einen Teilnahmeantrag hochgeladen hat. Daher fand der Teilnahmeantrag keinen Eingang in das Submissionsprotokoll. Die Antragstellerin bewegte sich erkennbar abseits des festgelegten Weges zur Abgabe des Teilnahmeantrags.
Man mag die abstrakte Gefahr einer Änderung des Inhalts des Teilnahmeantrags oder die Gefahr des Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb wegen der geringen Zeitdifferenz von etwa 1 Stunde zunächst als gering einschätzen. Weicht man deshalb von den Vorgaben des elektronischen Vergabeverfahrens ab, so verliert das Verfahren, welches sich maßgeblich auf die Vorhersehbarkeit der einzuhalten Verfahrensschritte und die Verlässlichkeit der Formenstrenge stützt, die zur Korruptionsabwehr erforderliche Verlässlichkeit.
Die Vergabekammer kann mangels Sachkenntnis nicht völlig ausschließen, dass auf eine im Ordner „Kommunikation" eingegangenen Nachricht im Unterschied zu einer im Ordner „Teilnahmeantrag" eingegangenen und daher zwangsläufig asymmetrisch verschlüsselten Nachricht nicht seitlich zugegriffen und deren Inhalt ausgelesen werden kann. Die Erörterung in der mündlichen Verhandlung hat die Wahrscheinlichkeit eines solchen Zugriffs weiter reduziert. weil die Antragsgegnerin glaubhaft darstellte, dass nach ihrer Kenntnis ein Zugriff Dritter auch auf Informationen, die unter dem Eingabefeld „Kommunikation" eingegangen sind, sofort protokolliert würde, ein Zugriff ohne Protokollierung unmöglich sei. Die Vergabekammer geht daher davon aus, dass keine konkrete tatsächliche Gefährdung des Geheimwettbewerbs vorgelegen hat.
Es handelt sich um einen Fehler, der mit dem neu eingeführten System der E-Vergabe erklärlich ist, die die Vergabekammer bei der Gestaltung der E-Vergabe aber trotz Verständnisses für die Schwierigkeiten der Bewerber mit diesem neuen System objektiv nicht dem Auftraggeber anzulasten vermag. Der öffentliche Auftraggeber ist ohne eigenes Ermessen verpflichtet, Angebote die nicht ordnungsgemäß verschlüsselt übermittelt worden sind auszuschließen (Frister in: Kapellmann/Messerschmidt VOB, Teile A und B, § 16 VOB/A, Rn. 12; Hermann in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 16 EU, Rn. 6; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.03.2017 - 15 Verg 2/17). Eine konkrete Gefahrenabschätzung sei nicht zulässig (so auch: VK Südbayern, Beschluss vorn 19.03.2018 - Z3-3-3194-1-54-11/17). Insbesondere muss weder der Auftraggeber, noch der Anbieter eines E-Vergabesystems mehr erklären, als in der VgV (vgl. § 53 Abs. 5, § 54 VgV) oder § 13 EU-Abs. 1 Nr. 2 VOB/A enthalten ist. So hat auch die Vergabekammer Niedersachsen jüngst entschieden, als ein Anbieter neben dem auf analogen Wege ordnungsgemäß verschlossenen Angebot eine unverschlüsselte Datei auf die Projekt Cloud „Kommunikation" hochlud (VK Niedersachsen, Beschluss vom 30.11.2018, VgK-46/2018, noch nicht bestandskräftig).
Wie oben dargestellt kann die Vergabekammer weder dem Verordnungsgeber vorgreifen, noch das formenstrenge System teilweise aufheben. Das entbindet die Anbieter von E-Vergabesystemen aber nicht von einer fortlaufenden Verbesserung der technischen Abläufe und der grafischen Darstellung in den E-Vergabesystemen etwa durch farbige Hervorhebung der Eingabefelder (rot und groß: Nur für Teilnahmeanträge, Teilnahmeanträge hier!! o.a.).
Die Vergabekammer folgt nicht der Einschätzung der Antragstellerin, es gebe in der Frühphase der Vergabe des Teilnahmewettbewerbs keine schutzbedürftigen Inhalte, die Einsehbarkeit des Teilnahmeantrags sei daher unschädlich. Zum einen kommt es darauf nicht an, weil der Inhalt der VOB/A EU eine solche konkrete Gefährdungsabschätzung, nicht vorsieht. Der Wettbewerb wird am stärksten von der Kartellgefahr bedrängt.
Der Geheimwettbewerb also die Unkenntnis des einzelnen Bewerbers oder Anbieters von der Identität und der Anzahl der Konkurrenten ist daher ein tragender Grundsatz des Wettbewerbsrechts, von dem die Vergabekammer nicht abzuweichen vermag. Schon durch die Information wie viele oder wie wenige andere Bewerber einen Teilnahmeantrag abgegeben haben, kann jeder Bewerber Rückschlüsse darauf ziehen, wie knapp er sein Angebot kalkulieren muss (vgl. VK Lüneburg, Beschluss vom 20.04.2017 - VgK-04/2017, m.w.N). Das OLG Düsseldorf spricht zutreffend von einem das gesamte Vergaberecht beherrschenden Vertraulichkeitsgrundsatz. Nur wenn jeder Bieter die ausgeschriebene Leistung in Unkenntnis der Angebote, Angebotsgrundlagen und Angebotskalkulation seiner Mitbewerber um den Zuschlag anbietet, sei ein echter Bieterwettbewerb möglich. Dies gelte für alle Vergabeverfahren, auch für Verhandlungsverfahren (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.02.2013, VII—Verg 31/12).
Es besteht somit keine rechtliche Grundlage für die Verhängung einer Maßnahme gemäß § 168 Abs. 1 GWB.
III. Kosten
Die Kastenentscheidung folgt aus § 182 GWB.
Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens nach § 182 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 E, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 (§ 128 Abs. 2 GWB} eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.
Den zu Grunde zu legenden Auftragswert konnte die Vergabekammer nicht anhand eines Angebotes der Antragstellerin beziffern, weil der Nachprüfungsantrag bereits in der Phase des Teilnahmewettbewerbs erhoben wurde. Die Vergabekammer greift hier ausnahmsweise nicht auf den von der Antragsgegnerin geschätzten Auftragswert zurück. Dieser Auftragswert ist hier nicht zu veröffentlichen, weil sich die Antragsgegnerin noch in der Angebotsphase befindet, die frühzeitige Offenlegung daher Einfluss auf die Angebotskalkulation der Anbieter haben kann. Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlungen dargelegt, wie sie diesen Betrag ermittelt hat. Das ist zunächst nachvollziehbar. Dennoch erscheint der Betrag der Vergabekammer als eher hoch, es ist zu erwarten, dass er durch die tatsächlich eingehenden Angebote unterboten werden kann. Die Vergabekammer nimmt daher zugunsten der Antragstellerin einen aus eigenen Berechnungen abgeleiteten und mit Kostensteigerungselementen versehenen fiktiven geringeren Bruttowert von XXX € brutto an. Dieser Betrag soll gebührenrechtlich dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag entsprechen.
Bei einer Ausschreibungssumme von XXX € brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von XXX €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostenlast folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Der Begriff der Kosten umfasst die Gebühren und die Auslagen der der Vergabekammer. Für die Ermittlung des Unterliegens ist nicht auf einen etwaigen Antrag abzustellen. Gemäß § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB ist die Vergabekammer an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Da die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die Kosten zu tragen.
Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin der Auftraggeberin als Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Die Antragsgegnerin hat zur Reduzierung der Kostenlast beigetragen, indem sie keinen Rechtsanwalt beauftragte.
Die Vergabekammer hat auf eine Beiladung verzichtet, unter anderem weil zu diesem frühen Verfahrenszeitpunkt der Kreis der Beizuladenden entweder nicht genau bestimmbar war, oder zur Rechtswahrung besonders weit hätte gezogen werden müssen.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von XXX € unter Angabe des Kassenzeichens XXX auf folgendes Konto zu überweisen:
IV. Rechtsbehelf
Gemäß § 171 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden. Diese ist beim Oberlandesgericht Celle, Schloßplatz 2, in 29221 Celle, schriftlich einzulegen. Die Beschwerde ist gern. § 172 GWB binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung einzulegen.
Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
Die sofortige Beschwerde ist gern. § 172 Abs. 2 GWB mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss enthalten:
1. die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Kammer angefochten wird und eine abweichende Entscheidung beantragt wird,
2. die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt.
Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten. Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer.
Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist.
Gaus
Tiede
Magill
Auf das vorliegende Vergabenachprüfungsverfahren findet nach der Übergangsvorschrift des Art. 1 § 186 Abs. 2 VergRModG nicht altes Vergaberecht, sondern die am 18. April 2016 in Kraft getretene Neuregelung Anwendung.