Fachliteratur  Weitere Fachbücher  Praxisratgeber  Sichere Vergabe unterhalb der Schwellenwerte (3. Aufl.)  Kapitel 11 Formalien: Bekanntmachung, Anforderungen an die Angebote, Eingang der Angebote und Eröffnungstermin  II. Anforderungen an die Angebote 

Werk:
Sichere Vergabe unterhalb der Schwellenwerte
Autor:
Christopher Zeiss
Stand:
Dezember 2015
Auflage:
3. Auflage

1. Allgemeine Regelungen für jedes Angebot

Angebote können in schriftlicher oder elektronischer Form eingereicht werden. Dabei ist zwischen VOB/A und VOL/A zu unterscheiden:

Im Bereich der Bauleistungen sind in Schriftform (per Post oder direkt eingereichte) Angebote – jedenfalls derzeit noch – immer zulässig (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A 2012).

Bei Liefer- und Dienstleistungen darf der Auftraggeber auch exklusiv in elektronischer Form eingereichte Angebote zulassen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 VOL/A 2009). Insbesondere beim mit der VOL/A 2009 neu eingefügten dynamischen elektronischen Verfahren (§ 5 VOL/A 2009) sind ausschließlich in elektronischer Form eingereichte Angebote zulässig.

Oberhalb der EU-Schwellenwerte wird die E-Vergabe verpflichtend.1Zeiss, eVergabe: neue Pflichten für Auftraggeber und Bieter!, VPR 2014, S. 53. Dies wird auch unterhalb der Schwellenwerte zu einer weiteren Verbreitung der E-Vergabe – und damit zur ausschließlichen Zulassung elektronischer Angebote – führen.

Angebote müssen die Preise sowie die geforderten Angaben und Erklärungen enthalten (§ 13 Abs. 3 VOL/A 2009; § 13 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 VOB/A 2012). Fehlende Preisangaben führen regelmäßig zum Ausschluss des Angebots (siehe Kapitel 13 Ausschluss, Seite 248 ff.).

In schriftlicher Form eingereichte Angebote müssen durch Personen mit entsprechender Vertretungsbefugnis eigenhändig unterschrieben sein (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 VOL/A 2009; § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 VOB/A 2012). Daher sind etwa ein Faksimilestempel oder die Unterschrift der Chefsekretärin mit dem Zusatz: „i.A.“ nicht zulässig. In elektronischer Form eingereichte Angebote müssen – entsprechend den Anforderungen des Signaturgesetzes – digital signiert sein (§ 13 Abs. 1 Satz 2 VOL/A 2009; § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 VOB/A 2012).

Allerdings trifft den Auftraggeber keine besondere Pflicht zur Überprüfung der Zeichnungsberechtigung. Es ist vielmehr grundsätzlich zumindest nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht von der Vertretungsbefugnis der unterzeichnenden Person auszugehen.

Eine qualifizierte elektronische Signatur ist nur gültig, wenn sie auf einem wirksamen Zertifikat beruht. Daher ist ein Angebot, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur eingereicht wurde, zwingend auszuschließen, wenn das qualifizierte Zertifikat vom Anbieter gesperrt wurde.2VK Südbayern, Beschl. v. 21.5.2015 – Z3-3-3194-1-08-02/15 – Brückenbauarbeiten/Sperrung eines Zertifikats für elektronische Signatur: bei einem Angebot, welches über Weihnachten/Jahreswechsel erstellt und im neuen Jahr abgegeben wurde, verwendete der Bieter die inzwischen abgelaufene Signaturkarte. Dazu Ortner, Vergabeblog.de vom 02/08/2015, Nr. 23051.

Brisant ist in diesem Zusammenhang, dass öffentlichen Auftraggeber auch fortgeschrittene elektronische Signaturen und qualifizierte Zertifikate anderer Staaten akzeptieren müssen.

Diese Problematik soll im neuen Vergaberecht dadurch entschärft werden, dass im Regelfall die Textform gemäß § 126b BGB für die Angebote ausreicht (§ 53 Abs. 1 VgV-E):

„Bieter und Bewerber übermitteln ihre Angebote, Teilnahmeanträge und Interessenbekundungen in Textform nach §126b BGB mithilfe elektronischer Mittel.“

Die Vertraulichkeit der Angebote ist sicherzustellen. Daher müssen schriftliche Angebote in einem blickdichten Umschlag verschlossen und als Angebot deutlich gekennzeichnet eingereicht werden (§ 13 Abs. 2 Satz 2 VOL/A 2009; § 13 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 VOB/A 2012).

Formulierungsbeispiel

„Angebot – nicht öffnen vor dem Eröffnungstermin!“

In elektronischer Form eingereichte Angebote müssen mindestens bis zum Ablauf der Angebotsfrist verschlüsselt sein (§ 13 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 VOL/A 2009; § 13 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 und Satz 4 VOB/A 2012).

Praxistipp

Mit der VOL/A 2009 wurde auch die Einreichung von Angeboten per Telekopie (Fax) zulässig (§ 13 Abs. 1 Satz 2 Hs. 3 VOL/A 2009). Auch für die per Fax eingereichten Angebote gilt der Schutz der Vertraulichkeit der Angebote (§ 13 Abs. 2 Satz 1 VOL/A 2009). Da in den meisten Büros Telefaxgeräte frei zugänglich sind, sollte mit der Möglichkeit, Angebote per Fax einzureichen, zurückhaltend umgegangen werden. Zu leicht besteht die Gefahr, dass der Grundsatz der Vertraulichkeit der Angebote verletzt wird. Will der Auftraggeber aber auf die Variante, Angebote per Fax einreichen zu lassen, nicht verzichten, so empfiehlt es sich, die Faxe ausschließlich elektronisch zu empfangen (z.B. mittels sog. Computerfax).

Änderungen und Ergänzungen an den Vergabeunterlagen sind nicht zulässig (§ 13 Abs. 4 Satz 1 VOL/A 2009; § 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A 2012). Wenn ein Bieter der Ansicht ist, dass eine Leistung überflüssig oder eine andere Leistung sinnvoller ist, so mag er einen Änderungsvorschlag bzw. ein Nebenangebot unterbreiten – soweit dies zugelassen ist. Streichungen im Leistungsverzeichnis oder Anmerkungen wie „überflüssig“ oder „unsinnig“ sind jedoch untersagt und führen zum Ausschluss des Angebots.

Praxistipp

Auch die Verwendung eines Briefpapiers mit den Firmen-AGB, einer Eigentumsvorbehaltsklausel oder einem beigelegten Firmenprospekt mit abgedruckten AGB kann als eine Änderung und Ergänzung der Vergabeunterlagen zu qualifizieren sein und daher zu einem Ausschluss des Angebots führen (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b VOB/A 2012 i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A 2012; siehe Kapitel 13 Ausschluss, Seite 251 ff.).

Zwar kann es bei Bauaufträgen zulässig sein, mit selbstverfassten Kurzfassungen des Leistungsverzeichnisses zu arbeiten (§ 13 Abs. 1 Nr. 6 VOB/A 2012). Dies ist jedoch fehlerträchtig und kann auch in der Vertragserfüllung zu Missverständnissen führen. Im Idealfall sollten Angebote daher nur auf den im Original überlassenen Unterlagen eingereicht werden.

Grundsätzlich sind alle Vergabeunterlagen, die mit dem Angebot wieder zurückgesendet werden sollen, auch zurückzusenden. Anders kann die Lage zu beurteilen sein, wenn es sich um Unterlagen ohne Erklärungswert handelt.3OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.6.2008 – Verg 22/08.

Beispiel

Der Auftraggeber bestimmte, dass die Bieter mit dem Angebot ausdrücklich die Geltung der ergänzenden Vertragsbedingungen anerkennen müssen. Zusätzlich sollten die ergänzenden Vertragsbedingungen wieder zurückgesendet werden. Ein Bieter hatte zwar ausdrücklich erklärt, die Geltung der zusätzlichen Vertragsbedingungen anzuerkennen, er hat es jedoch unterlassen, die ergänzenden Vertragsbedingungen wieder zurückzusenden. Der Auftraggeber hat den Bieter ausgeschlossen. Das OLG Düsseldorf hat den Ausschluss rückgängig gemacht: Der Bieter habe ausdrücklich die Geltung der ergänzenden Vertragsbestimmungen anerkannt. Ein Ausschluss wegen der unterlassenen Rücksendung sei eine ungerechtfertigte Förmelei.4OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.6.2008 – Verg 22/08.

Eintragungen müssen eindeutig lesbar und erkennbar sein. Schließlich kann z.B. eine unleserliche Ziffer, die mal als 4, mal als 9 interpretiert werden kann, gravierende Auswirkungen auf die Angebotswertung haben. So macht es einen Unterschied, ob etwas 400.000,– € oder 900.000,– € kostet. Insbesondere auch Änderungen des Bieters an seinen Eintragungen müssen zweifelsfrei sein (§ 13 Abs. 4 Satz 2 VOL/A 2009, § 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/A 2009). Daher darf heute zwar durchaus mit Durchstreichungen oder Korrekturroller gearbeitet werden – jedoch nur in den Eintragungen des Bieters. Und das Ergebnis, also Korrekturmaßnahme und neue Eintragung, müssen zweifelsfrei sein (siehe Kapitel 13 Ausschluss, Seite 254 f.).

Werden Angebote in elektronischer Form eingereicht, so muss durch Dateiformat, elektronische Signatur, Verschlüsselung und Zeitstempel ausgeschlossen sein, dass Inhalte manipuliert werden können, vgl. § 11 Abs. 2 VgV-E:

„Die öffentlichen Auftraggeber verwenden für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren ausschließlich solche elektronischen Mittel, die die Unversehrtheit und die Vertraulichkeit der Daten gewährleisten.“

Im neuen Vergaberecht oberhalb der Schwellenwerte werden die notwendigen technischen und organisatorischen Maßnahmen weiter ausgeführt (§ 10 Abs. 1 VgV):

„Elektronische Mittel, die von den öffentlichen Auftraggebern für den Empfang von Angeboten, Teilnahmeanträgen und Interessensbestätigungen sowie von Plänen und Entwürfen für Planungswettbewerbe verwendet werden, müssen gewährleisten, dass

1.

die Uhrzeit und der Tag des Datenempfanges genau zu bestimmen sind,

2.

kein vorfristiger Zugriff auf die empfangenen Datenmöglich ist,

3.

der Termin für den erstmaligen Zugriff auf die empfangenen Daten nur von den Berechtigten festgelegt oder geändert werden kann,

4.

nur die Berechtigten Zugriff auf die empfangenen Daten oder auf einen Teil derselben haben,

5.

nur die Berechtigten nach dem festgesetzten Zeitpunkt Dritten Zugriff auf die empfangenen Daten oder auf einen Teil derselben einräumen dürfen, (…)“

Somit sind Verschlüsselung und elektronische Zeitstempel ausdrücklich im Vergaberecht verankert.

Wenn Preisnachlässe gewährt werden, so müssen diese deutlich eingetragen werden (§ 13 Abs. 4 VOB/A 2012). Dazu sollten bereits im Angebotsvordruck entsprechende Felder vorgesehen sein.

Den Angeboten müssen die geforderten Erklärungen und Nachweise beigefügt werden. Andernfalls droht der Ausschluss vom Vergabeverfahren (§ 13 Abs. 3 VOL/A 2009 i.V.m. § 16 Abs. 3 lit. a VOL/A 2009; § 13 Abs. 1 Nr. 4 VOB/A 2012 i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2012). Entsprechende Verpflichtungen folgen häufig auch aus dem jeweiligen Landesvergaberecht (z.B. zu ILO-Normen oder Frauenförderung; siehe dazu auch unten Kapitel 20, Seite 431 ff.).5Eingehend dazu Zeiss, Landesvergaberecht NRW – der richtige Umgang mit TVgG NRW & Co. in der Praxis, 1. Aufl. 2015, S. 121 ff.

Mit den Neufassungen von VOL/A und VOB/A 2009 ist es hier zu einer grundlegenden Änderung im Vergleich zur bisherigen Rechtslage gekommen (siehe Kapitel 13 Ausschluss, Seite 256 ff.). Unter bestimmten Bedingungen können fehlende Erklärungen und Nachweise nachgereicht werden (§ 16 Abs. 2 VOL/A 2009; § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2012). Dazu bestimmt § 16 Abs. 2 VOL/A 2009:

„Fehlende Erklärungen und Nachweise, die auf Aufforderung des Auftraggebers bis zum Ablauf der Angebotsfrist nicht vorgelegt wurden, können bis zum Ablauf (…) einer Nachfrist nachgefordert werden.“

Es soll unzulässig sein, veraltete Unterlagen nachzufordern, weil veraltete Unterlagen nicht fehlen.6VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 29.6.2015 – 1 VK 17/15 – der Handelsregisterauszug sollte nicht älter als drei Monate sein.

Das Angebot darf nicht als Sammlung von losen Blättern und Stücken eingereicht werden. Zusammengehöriges muss auch zusammengeheftet sein. Wie soll sonst die Vollständigkeit des Angebots garantiert werden? Wie soll zugeordnet werden, was unterschrieben ist? Insbesondere sollte auch nicht jedes Blatt einzeln in eine Klarsichthülle gepackt werden. Muster und Proben müssen als zum Angebot gehörig gekennzeichnet sein (§ 13 Abs. 1 Nr. 7 VOB/A 2012).

Das „Zusammenheften“ muss bei Angeboten in elektronischer Form nachgebildet werden, z.B. durch Speicherung in Container-Datei, einem Zip-Ordner etc.

Speziell im Bereich der Liefer- und Dienstleistungen gilt: Wenn auch nur für Teile des Angebots gewerbliche Schutzrechte (Patent-, Gebrauchsmuster- oder Urheberschutz) bestehen oder solche Rechte angemeldet werden sollen, muss der Auftraggeber darüber informiert werden (§ 13 Abs. 5 VOL/A 2009).