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Werk:
Sichere Vergabe unterhalb der Schwellenwerte
Autor:
Christopher Zeiss
Stand:
Dezember 2015
Auflage:
3. Auflage

h) Nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbare Leistungen

Nach § 3 Abs. 5 lit. h VOL/A 2009 ist eine Freihändige Vergabe zulässig, wenn die Leistung nach Art und Umfang vor der Vergabe nicht so eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann, dass hinreichend vergleichbare Angebote erwartet werden können.

Praxistipp

Möglicherweise handelt es sich bei Leistungen, die nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben werden können, auch um freiberufliche Leistungen. In diesem Fall ist es möglich, dass die VOL/A – vorbehaltlich abweichender Regelungen im jeweiligen Haushaltsrecht – gar nicht anwendbar ist (§ 1 Spiegelstrich 2 VOL/A 2009; näher dazu Kap. 4, Seite 75).

Der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 5 lit. h VOL/A 2009 darf erst dann Anwendung finden, wenn der Auftraggeber alles getan hat, um die Anforderungen des § 7 Abs. 1 VOL/A 2009 zu erfüllen:

„Die Leistung ist eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und die Angebote miteinander verglichen werden können.“

Das Erfordernis einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung muss ernst genommen werden. Daher darf für § 3 Abs. 5 lit. h VOL/A 2009 nur ein sehr kleiner Anwendungsraum bleiben. Schließlich ist auch zu beachten, dass die Anforderungen an eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung unmittelbar auf das Gleichbehandlungsgebot und das Transparenzprinzip des Vergaberechts zurückgeführt werden können.

Wenn Angebote – trotz aller Bemühungen des Auftraggebers, den Anforderungen des § 7 Abs. 1 VOL/A 2009 zu genügen – nicht vergleichbar sind, macht eine Öffentliche Ausschreibung freilich wenig Sinn. Genau hier ist der Anwendungsraum des § 3 Abs. 5 lit. h VOL/A 2009 zu suchen. Praktisch bleiben für die Anwendung des § 3 Abs. 5 lit. h VOL/A 2009 folgende Fallgestaltungen:

Schulungsleistungen,

Leistungen, welche besondere schöpferische Fähigkeiten verlangen, insbesondere Kunstwerke, aber auch Werbe- und PR-Maßnahmen.

Schulungsleistungen sind im Bereich der freiberuflichen Leistungen ebenso zu finden wie in allen sonstigen Bereichen. So kann ein Rechtsanwalt etwa eine Schulung zum Vergaberecht durchführen. Es kann aber auch ein Softwarespezialist eine Schulung zu einer Software durchführen.

Auch bei den Schulungen wird über die Frage, ob die Leistung eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann, letztlich dadurch entschieden, was der Öffentliche Auftraggeber im Vergabevermerk schreibt. Zu beachten bleibt aber immer, dass es sich auch bei § 3 Abs. 5 lit. h VOL/A 2009 um einen Ausnahmetatbestand handelt, der den Grundsatz der Öffentlichen Ausschreibung durchbricht. Als Ausnahmetatbestand darf die Norm nicht ausdehnend angewendet werden.

Praxistipp

Nachdem der in § 3 Nr. 4 lit. i VOL/A 2006 ausdrücklich geregelte Ausnahmetatbestand für Leistungen, welche besondere schöpferische Fähigkeiten verlangen, entfallen ist, gibt es einen weiteren Anwendungsfall für § 3 Abs. 5 lit. h VOL/A 2009. Leistungen, welche besondere schöpferische Fähigkeiten verlangen, insbesondere Kunstwerke, unter besonderen Umständen aber auch Werbe- und PR-Maßnahmen, dürfen nach § 3 Abs. 5 lit. h VOL/A 2009 freihändig vergeben werden.

Damit wird insbesondere auf künstlerische Leistungen abgezielt. Dabei können alle Kunstgattungen – außer der Baukunst (für die ist die VOB/A einschlägig) – gemeint sein. Dies bedeutet, die Beschaffung von Werken der Malerei, Bildhauerei, Fotografie, aber auch der Musik und Literatur ist nach § 3 Abs. 5 lit. h VOL/A 2009 ohne Öffentliche Ausschreibung möglich. Im Vergabevermerk muss in diesem Fall aber ausdrücklich aufgeführt werden, warum der entsprechende Künstler tätig werden soll.

Beispiel

Wenn im Rathaus ein Kunstwerk aufgestellt werden soll, darf dieses jedenfalls nach § 3 Abs. 5 lit. h VOL/A 2009 freihändig beschafft werden, wenn es sich nicht ohnehin um eine freiberufliche Leistung handelt (§ 1 Spiegelstrich 2 VOL/A 2009). Wenn ein Stadttheater zum 75. Jubiläum ein besonderes Theaterstück wünscht oder eine Stadtchronik von einem bekannten Literaten verfasst werden soll, so können die Aufträge nach § 3 Abs. 5 lit. h VOL/A 2009 freihändig vergeben werden, wenn es sich nicht ohnehin um eine freiberufliche Leistung handelt (§ 1 Spiegelstrich 2 VOL/A 2009).

Je nach Begründung im Vergabevermerk ist es auch möglich, weitere kreative Leistungen außerhalb des künstlerischen Bereichs unter § 3 Abs. 5 lit. h VOL/A 2009 (§ 3 Nr. 4 lit. i VOL/A) zu fassen. Zu denken ist dabei insbesondere an die Entwicklung von Werbekonzepten, Werbeslogans und Markenzeichen.

Praxistipp

Durch das Gesetz ist dies zwar nicht vorgeschrieben, es wird aber zur Vermeidung des „bösen Scheins der Mauschelei“ empfohlen, sich an dem Verfahren der VOF oberhalb der Schwellenwerte zu orientieren und, gerade vor der Freihändigen Vergabe von schöpferischen Leistungen, eine Auslobung durchzuführen. Wenn sich ein unabhängiges Preisgericht z.B. für ein Werk von Jeff Koons entscheidet, besteht nicht die Gefahr, dass der Vergabestelle vorgeworfen wird, hier persönliche Vorlieben auszuleben.