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Werk:
Sichere Vergabe unterhalb der Schwellenwerte
Autor:
Christopher Zeiss
Stand:
Dezember 2015
Auflage:
3. Auflage

5. In-House-Geschäfte

Nicht an das Vergaberecht gebunden sind In-House-Geschäfte.1EuGH, Urt. v. 18.11.1999 – C-107/98; EuGH, Urt. v. 7.12.2000 – C-94/99 – ARGE Gewässerschutz. Dabei handelt es sich um einen Sonderfall der Eigengeschäfte (dazu oben 3.). Im Gegensatz zum Eigengeschäft liegt ein In-House-Geschäft vor, wenn eine Mutterinstitution einen Auftrag an eine Tochterinstitution mit eigenständiger Rechtspersönlichkeit vergibt.2Zeiss, in: Heiermann/Zeiss, jurisPK-VergR, 4. Aufl. 2013, § 99 GWB Rn. 175.

Beispiel

Die Stadt beauftragt die Stadtwerke GmbH mit dem Einbau von Energiesparlampen in die kommunalen Straßenlaternen.

Abb. 2: Tatbestandsmerkmale des In-House-Geschäfts

Ein In-House-Geschäft liegt vor, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

Voraussetzung 1: Die Mutterinstitution muss über die Tochterinstitution eine Kontrolle ausüben, wie über eine eigene Dienststelle (vgl. § 108 Abs. 1 Nr. 1 GWB-E). Dies bedeutet insbesondere, dass an der Tochter kein privates Unternehmen beteiligt sein darf (vgl. § 108 Abs. 1 Nr. 3 GWB-E).3EuGH, Urt. v. 11.1.2005 – C-26/03 – Stadt Halle.

Voraussetzung 2: Die Tochterinstitution muss „im Wesentlichen“ intern tätig werden. Hierzu wurde zwar bereits entschieden, dass bei 7,5 % Drittgeschäft kein In-House-Geschäft mehr vorliegt.4OLG Celle, Beschl. v. 14.9.2006 – 13 Verg 2/06. Das neue Vergaberecht legt jedoch jedenfalls oberhalb der Schwellenwerte weniger strenge Maßstäbe an. Danach darf das Drittgeschäft keine 20% des Gesamtumsatzes der Tochter erreichen (§ 108 Abs. 1 Nr. 2 GWB-E).

Mehrere öffentliche Stellen (z.B. Gemeinden) dürfen auch gemeinschaftlich über eine Tochterinstitution (z.B. Genossenschaft, Zweckverband) eine Kontrolle ausüben wie über eine eigene Dienststelle (vgl. § 108 Abs. 4 GWB-E).5EuGH, Urt. v. 13.11.2008 – C-324/07 – Coditel./.Uccle.

Die vorstehend in Bezug genommenen Regelungen gelten oberhalb der Schwellenwerte. Im Unterschwellenbereich fehlen ausdrückliche Regelungen zu den In-House-Geschäften. Diese Regelungslücke kann jedoch zumindest gemäß § 55 Abs. 1 BHO/LHO bzw. der jeweils geltenden GemHVO geschlossen werden. Wegen der „Natur des Geschäfts“ sind In-House-Geschäfte auch unterhalb der Schwellenwerte vom Vergaberecht freigestellt.

Im Bereich oberhalb der Schwellenwerte gibt es nunmehr auch ausdrückliche Regelungen zu horizontalen In-House-Geschäften und umgekehrten (Bottom-Up) In-House Geschäften (§ 108 Abs. 3 GWB-E). Unterhalb der Schwellenwerte fehlen (noch) entsprechende Regelungen. Auch diese Freistellungen können entsprechend grundsätzlich über § 55 Abs. 1 BHO/LHO bzw. die jeweils geltenden GemHVO auch im Unterschwellenbereich angewendet werden.

Praxistipp

Merkregel: Der Auftraggeber muss sich entscheiden. Will er mit seiner Tochter im freien Wettbewerb bestehen, dann muss er auch bei internen Geschäften den Wettbewerb zulassen und darf nicht auf die Rechtsfigur des In-House-Geschäfts zurückgreifen. Will er die Möglichkeit nutzen, bei internen Geschäften auf eine Ausschreibung verzichten zu können, muss er im Gegenzug auf das Drittgeschäft verzichten.