Zulässige Kriterien: Bei der Konzeptwertung ist darauf zu achten, dass ausschließlich diejenigen Kriterien berücksichtigt werden, die zuvor als Zuschlags- bzw. Unterkriterien bekannt gemacht wurden (§ 19 EG Abs. 8 VOL/A). Umgekehrt müssen alle bekanntgemachten Kriterien und Unterkriterien vollständig in die Bewertung einfließen; es ist unzulässig, zuvor mitgeteilte Unterkriterien bei der Bewertung außen vor zu lassen.1Vgl. z.B. VK Sachsen, Beschluss v. 12.6.2015 – 1/SVK/016-15, wo der Auftraggeber in einem Fragebogen die Zustellquoten E+1 und E+2 abgefragt hatte, bei der Bewertung dann aber ausschließlich die E+1-Quote berücksichtigt hatte.
Offenlegung der Wertungsmodalitäten: Aus Transparenzgründen muss den Bietern im Vorfeld soweit möglich auch mitgeteilt werden, wie die Konzepte im Einzelnen gewertet werden, d.h. auf welche konkreten Aspekte es dem Auftraggeber ankommt und nach welchem Maßstab die Bewertungspunkte vergeben werden.
Dabei ist zu beachten, dass der Zweck der Abfrage von Bieterkonzepten gerade darin liegt, den Bietern die Erarbeitung eigener Ideen zu ermöglichen. Der Auftraggeber kann die Konzeptinhalte daher nicht antizipieren. Es ist darum unpraktikabel und würde die mit der Abforderung von Konzepten verfolgte Öffnung der Ausschreibung für Ideen der Bieter konterkarieren, wenn der Auftraggeber verpflichtet wäre, ein bis in letzte Unterkriterien und Gewichtungen gestaffeltes Wertungssystem aufzustellen.2OLG Düsseldorf, Beschluss v. 30.7.2009 – Verg 10/09; VK Bund, Beschluss v. 4.11.2009 – VK 3-190/09; VK Sachsen, Beschluss v. 12.6.2015 – 1 SVK/016-15; Beschluss v. 13.12.2013 – 1/SVK/038-13.
Andererseits gilt auch für die Konzeptwertung, dass eine diskriminierungsfreie Bewertung nur anhand hinreichend konkreter Wertungsmaßstäbe möglich ist. Die Rechtsprechung löst dieses Dilemma dahingehend, dass der Auftraggeber sich zwar auf der vierten Stufe der Angebotswertung einen Restbereich freier Wertung vorbehalten darf, die aufgestellten Wertungsmaßstäbe jedoch nicht so unbestimmt sein dürfen, dass die Bieter nicht mehr angemessen über die Kriterien und die Modalitäten der Wertung informiert sind und daher auch vor einer willkürlichen und/oder diskriminierenden Angebotswertung nicht mehr effektiv zu schützen sind.3OLG Düsseldorf, Beschluss v. 30.7.2009 – Verg 10/09; VK Sachsen, Beschluss v. 13.12.2013 – 1/SVK/038-13.
Die Grenze zwischen zulässigerweise „offen“ formulierten Kriterien und unbestimmten Wertungsmaßstäben ist fließend und anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Entscheidend ist, welche Bewertungsmaßstäbe ein verständiger Bieter auch unter Berücksichtigung der übrigen Vorgaben der Leistungsbeschreibung anhand der mitgeteilten Kriterien erwarten durfte. Unproblematisch ist es, wenn der Wertung Merkmale zugrunde gelegt werden, die die festgelegten Zuschlagskriterien inhaltsgleich abbilden oder sich unmittelbar daraus ableiten lassen. Werden dagegen Merkmale herangezogen, die die Zuschlagskriterien weiter ausformen und präzisieren, kann darin eine unzulässige Verwendung nicht bekannt gemachter Unterkriterien liegen.4OLG Frankfurt, Beschluss v. 28.5.2013 – 11 Verg 6/13. Soweit in der Rechtsprechung teilweise vertreten wird, dass der Auftraggeber sich nicht durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ vorbehalten dürfe, auch andere als die bekannt gemachten Kriterien bei der Wertung zu berücksichtigen,5VK Lüneburg, Beschluss v. 7.1.2014 – VgK-40/2013. ist dem nur insoweit zuzustimmen, als sich der Auftraggeber damit nicht die Einführung völlig neuer Kriterien vorbehalten darf. Dagegen darf nicht vergessen werden, dass dem Auftraggeber eine vollständige Antizipierung der Konzeptinhalte regelmäßig nicht möglich ist und er dementsprechend gerade nicht verpflichtet ist, ein bis ins letzte untergliedertes Wertungsgerüst aufzustellen. Angesichts dessen kann es einem Auftraggeber, der den Bietern zur Herstellung größtmöglicher Transparenz einzelne im Vorfeld identifizierte Wertungsschwerpunkte vorab offenlegt, nicht verwehrt werden, sich durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ auch die Berücksichtigung weiterer, im Vorfeld gerade nicht antizipierter Einzelaspekte vorzubehalten.
Bewertungsmaßstab und Punktvergabe: Aus Transparenzgründen ist den Bietern ferner vorab mitzuteilen, welcher Wertungsmaßstab angelegt wird und nach welcher Methode die Wertungspunkte vergeben werden.
Bei der Konzeptwertung ist der Auftraggeber allerdings nicht verpflichtet, seinen Beurteilungsspielraum durch die Festlegung eines detaillierten Wertungssystems derart einzuschränken, dass die besondere Qualität bzw. Kreativität der Konzepte nicht mehr hinreichend gewürdigt werden kann. Die Vergabekammer des Bundes hat es daher bei der Vergabe eines IT-Wartungsauftrags für zulässig erachtet, die bei den einzelnen Kriterien zu erreichenden Zielerfüllungsgrade mit „hoch“, „durchschnittlich“ und „gering“ nur sehr allgemein anzugeben.6VK Bund, Beschluss v. 6.12.2013 – VK 1-103/13. Allerdings ist das eine Abwägungsfrage im Einzelfall. Je allgemeiner die Vorgaben, desto höher das verbleibende Risiko, dass das Wertungssystem im Nachprüfungsfall als intransparent verworfen wird.
In der Praxis hat sich die Verwendung einer Punkteskala bewährt, die einem umgekehrten Schulnotensystem oder ähnlichen Bewertungskonzepten folgt. Den jeweiligen Notenstufen bzw. Punktwerten sollten dabei möglichst greifbare, gleichzeitig aber hinreichend offen formulierte Zielerreichungsgrade zugeordnet werden, die eine Bewertung nach einem nachvollziehbaren, einheitlichen Maßstab ermöglichen. Eine detaillierte Vorgabe der konkreten Einzelaspekte, die der Auftraggeber als positiv oder negativ werten wird, ist aus den o.g. Gründen nicht notwendig. Der Bewertungsmaßstab kann daher so gefasst sein, dass für den Auftraggeber ein angemessenes Maß an Flexibilität verbleibt, um die Konzepte gerade auch in ihrer Unterschiedlichkeit umfassend würdigen zu können.
Bei der Bewertung muss der Auftraggeber nicht zwingend auf einen (oftmals gar nicht verfügbaren) absoluten Qualitätsmaßstab abstellen; vielmehr ist es auch zulässig, die Konzepte jeweils im Quervergleich, d.h. relativ zueinander zu bewerten.7VK Bund, Beschluss v. 6.12.2013 – VK 1/103/13 (unter II 2 d aa); ebenso Beschlüsse v. 25.10.2013 – VK 2-90/13 und v. 23.10.2013 – VK 2-88/13 (jeweils unter II 2 d). Allerdings bedarf es auch in diesem Fall eines greifbaren Bewertungsmaßstabs; eine lediglich vergleichende Bewertung unabhängig von jedweden fixierten Wertungsmaßstäben ist unzulässig; VK Sachsen, Beschluss v. 8.1.2010 – 1/SVK/059-09. Soweit eine Wertung im Quervergleich beabsichtigt ist, sollte das aus Transparenzgründen aber vorab mitgeteilt werden.
Aus den Unterlagen sollte ferner hervorgehen, wenn bei der Konzeptbewertung auch Aspekte der Darstellung (wie etwa Vollständigkeit, Anschaulichkeit und Detaillierungsgrad der Ausführungen) berücksichtigt werden sollen. Anschaulich und detailliert beschriebene Konzepte vermitteln oftmals ein besseres und damit meist auch positiveres Bild der vorgestellten Inhalte. In der Praxis kommt es aber immer wieder zu Diskussionen, ob reine Darstellungsaspekte tatsächlich auch inhaltliche Qualität widerspiegeln und daher berücksichtigt werden dürfen. Eine Klarstellung in den Unterlagen kann nachträglichen Streit darüber vermeiden.
Eine Wertungsskala kann beispielsweise so aussehen:
10 Punkte: Anschauliche, detaillierte und gut nachvollziehbare Beschreibung. Konzept weist sehr gute fachliche Qualität auf und lässt erwarten, dass die Leistungsziele vollständig und problemlos erreicht oder punktuell sogar übertroffen werden. |
8 Punkte: Anschauliche und gut nachvollziehbare Beschreibung. Konzept weist gute fachliche Qualität auf und lässt erwarten, dass die Leistungsziele vollständig und problemlos erreicht werden. |
6 Punkte: Mit geringen Einschränkungen detaillierte, aber insgesamt gut nachvollziehbare Beschreibung. Konzept weist zufriedenstellende Qualität auf und lässt erwarten, dass die Leistungsziele weitgehend vollständig und problemlos erreicht werden können. |
4 Punkte: Wenig detaillierte, aber im Kern nachvollziehbare Beschreibung; Konzept weist ausreichende Qualität auf und lässt erwarten, dass die Leistungsziele überwiegend erreicht werden können. |
2 Punkte: Skizzenhafte und nur mit Einschränkungen nachvollziehbare Beschreibung; Konzept weist nicht unerhebliche Mängel auf und lässt nicht erwarten, dass die Leistungsziele überwiegend erreicht werden können. |
0 Punkte: Fehlende oder weitgehend unvollständige Beschreibung. Konzept weist zahlreiche gravierende Mängel auf oder ist fachlich ungenügend und lässt erwarten, dass Leistungsziele nicht erreicht werden können. |