Archiv  VOB/A - Onlinekommentar  Kommentar zu § 19 VOB/A  III. Mitteilung von Gründen der Nichtberücksichtigung (§ 19 Abs. 2) 

Werk:
VERIS-VOB/A-Online-Kommentar
Herausgeber:
von Wietersheim
Autor:
Portz
Stand:
Mai 2014
Thema:
Bauleistungen (VOB)
§ 19

Nicht berücksichtigte Bewerbungen und Angebote

(1)

Bieter, deren Angebote ausgeschlossen worden sind (§ 16 Absatz 1) und solche, deren Angebote nicht in die engere Wahl kommen, sollen unverzüglich unterrichtet werden. Die übrigen Bieter sind zu unterrichten, sobald der Zuschlag erteilt worden ist.

(2)

Auf Verlangen sind den nicht berücksichtigten Bewerbern oder Bietern innerhalb einer Frist von 15 Kalendertagen nach Eingang ihres in Textform gestellten Antrags die Gründe für die Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung oder ihres Angebots in Textform mitzuteilen, den Bietern auch die Merkmale und Vorteile des Angebots des erfolgreichen Bieters sowie dessen Name.

(3)

Nicht berücksichtigte Angebote und Ausarbeitungen der Bieter dürfen nicht für eine neue Vergabe oder für andere Zwecke benutzt werden.

(4)

Entwürfe, Ausarbeitungen, Muster und Proben zu nicht berücksichtigten Angeboten sind zurückzugeben, wenn dies im Angebot oder innerhalb von 30 Kalendertagen nach Ablehnung des Angebots verlangt wird.

(5)

Auftraggeber informieren fortlaufend Unternehmen auf Internetportalen oder in ihren Beschafferprofilen über beabsichtigte Beschränkte Ausschreibungen nach § 3 Absatz 3 Nummer 1 ab einem voraussichtlichen Auftragswert von 25.000 € ohne Umsatzsteuer.

Diese Informationen müssen folgende Angaben enthalten:

1.

Name, Anschrift, Telefon-, Faxnummer und Emailadresse des Auftraggebers,

2.

Auftragsgegenstand,

3.

Ort der Ausführung,

4.

Art und voraussichtlicher Umfang der Leistung,

5.

voraussichtlicher Zeitraum der Ausführung.

2. Grenzen der Informationspflicht

a. Vertraulichkeitsgrundsatz

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Eine wesentliche Grenze für die Information durch den Auftraggeber sind aber die Grenzen der Geheimhaltungspflicht, die sich aus § 14 Abs. 8 VOB/A ergeben. Danach ist der Auftraggeber zur Geheimhaltung der Angebote und ihrer Anlagen verpflichtet. Es kommt hinzu, dass alle Mitbewerber Anspruch auf den Schutz des Vertrauens, nicht zuletzt auch aus Gründen des Datenschutzes, haben. Daher dürfen sich die vom Auftraggeber einem Unternehmen mitgeteilten Begründungen nur auf das Angebot bzw. den Teilnahmeantrag dieses Unternehmens beziehen und dürfen keine Informationen über Angebote bzw. Teilnahmeanträge anderer Unternehmen enthalten (Heiermann/Riedl/Rusam § 19 VOB/A Rn. 11).

b. Benachrichtigung von Bewerbern

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§ 19 Abs. 2 benennt als Auskunftsberechtigte anders als § 19 Abs. 1 nicht nur Bieter, sondern auch Bewerber. Diese sind über die Gründe der Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung zu informieren. Derartige nicht berücksichtigte Bewerbungen ohne Angebot können bei einem der Beschränkten Ausschreibung vorangehenden Öffentlichen Teilnahmewettbewerb nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Abs. 4 VOB/A vorliegen, wenn z.B. ein Unternehmen, etwa wegen mangelnder Eignung, nicht zur Angebotsabgabe aufgefordert wurde. Zu berücksichtigen ist, dass ein Bewerber auch nach erfolgreicher Teilnahme am Teilnahmewettbewerb wegen der Begrenzung der Teilnehmerzahl bei Beschränkten Ausschreibungen (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 2 VOB/A) keinen Rechtsanspruch darauf hat, am nachfolgenden Vergabeverfahren beteiligt zu werden. Welche Bewerber der Auftraggeber bei der hierfür erforderlichen Reduzierung der Teilnehmer beteiligt, obliegt seinem Beurteilungsspielraum. Diesen Beurteilungsspielraum muss er allerdings auf Grund sachgerechter Kriterien ausüben. Nur ausnahmsweise kann sich der Beurteilungsspielraum – etwa bei eklatanter Ungeeignetheit eines Bieters – auf Null reduzieren.

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Als Ausschlussgründe kommen insbesondere mangelnde Fachkunde, Leistungsfähigkeit sowie Zuverlässigkeit gem. § 2 Abs. 1 VOB/A in Betracht. Dementsprechend muss der Auftraggeber in seiner Mitteilung insbesondere Angaben über die – im Vergleich zu den anderen Bewerbern nicht gegebene– Eignung machen. Auf keinen Fall ist dem anfragenden Bewerber auch der Name des – späteren – Auftragnehmers mitzuteilen, diese Information ist nach dem letzten Halbsatz des § 19 Abs. 2 eindeutig der Information der Bieter vorbehalten.

c. Benachrichtigung von Bietern

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Bieter sollen durch die beantragte Information die Gründe erfahren, wegen denen ihr abgegebenes Angebot nicht zum Auftrag geführt hat. Daher entsprechen ihr Informationsinteresse und die ihnen mitzuteilenden Gründe denjenigen nach § 19 Abs. 1. Dementsprechend kommen als im Einzelfall möglicherweise relevante und mitzuteilende Gründe ein etwaiger zwingender oder ein fakultativer Ausschluss der Bieter nach § 16 Abs. 1 VOB/A (erste Wertungsstufe), eine Nichtberücksichtigung wegen fehlender Fachkunde, Leistungsfähigkeit oder Zuverlässigkeit nach § 16 Abs. 2 VOB/A (zweite Wertungsstufe) oder unangemessen hohe oder niedrige Preise nach § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A sowie eine unzulängliche Auskunft des Bieters auf der Grundlage von § 16 Abs. 6 Nr. 2 VOB/A (dritte Wertungsstufe) in Frage. Bei Angeboten, die zwar in die engere Wahl gem. § 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A, aber nicht zum Zuschlag gekommen sind (vierte Wertungsstufe), ist dem anfragenden Bieter mitzuteilen, warum sein Angebot nicht als das wirtschaftlichste ausgewählt wurde. Dies ist anhand der jeweiligen Wertungskriterien zu begründen.

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§ 19 Abs. 2 verlangt ausdrücklich, dem antragstellenden, mit einem Angebot nicht erfolgreichem Bieter auch die Merkmale und Vorteile des Angebots des erfolgreichen Bieters sowie dessen Name mitzuteilen. Darüber hinaus dürfen keine anderen Informationen mitgeteilt werden, vor allem keine Preise oder sonstigen Angaben, die in Angeboten anderer Bieter enthalten sind. Die Kosten für Erstellung und Versendung der Mitteilung trägt grundsätzlich der Auftraggeber.

d. Frist zur Mitteilung

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Innerhalb von 15 Kalendertagen nach Eingang des Antrages ist ein Auftraggeber nach § 19 Abs. 2 verpflichtet, den nicht berücksichtigten Unternehmen die Auskunft in Textform zu erteilen. Die Frist beginnt am Tage nach dem Eingang der schriftlichen Anfrage (§ 187 Abs. 1 BGB) und endet mit Ablauf des 15 Kalendertages nach dem Eingang des Antrags. Fällt das so errechnete Fristende auf einen staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag, einen Samstag oder einen Sontag, so endet die Frist nach § 193 BGB erst am nächsten Werktag.

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Die Verpflichtung des Auftraggebers ist darauf gerichtet, den Bietern die Auskunft "mitzuteilen", woraus sich ergibt, dass die innerhalb der Frist vorzunehmende Handlung das Versenden der Information ist, so dass es für die Einhaltung der Frist nicht auf den Zugang beim Unternehmen ankommt, sondern auf die Absendung.

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Kann der Auftraggeber die beantragte Auskunft aus objektiv nachvollziehbaren Gründen nicht innerhalb der Frist erteilen, muss die Mitteilung des Auftragnehmers gegenüber dem Bieter unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, nachgeholt werden, sobald deren Inhalt feststeht.

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Es fehlt in der VOB/A eine korrespondierende Ausschlussfrist, bis zu deren Ablauf Unternehmer die Auskunft beantragen müssten. Daher können Unternehmer noch längere Zeit nach erfolgter Zuschlagserteilung sowie erfolgter Mitteilung nach § 19 Abs. 1 eine Auskunft nach § 19 Abs. 2 verlangen. Dem Auftraggeber ist daher zu raten, die Vergabeunterlagen entsprechend lange aufzubewahren. Allerdings ist das Antragsrecht an ein rechtlich schutzwürdiges Interesse der Unternehmer an der hier maßgebenden Information geknüpft. Dieses Interesse kann nur einige Zeit über die erfolgte Vergabe hinaus gegeben sein (zustimmend Stickler in: Kapellmann/Messerschmidt, § 19 VOB/A Rn. 20.

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In Anlehnung an § 101b Abs. 2 GWB und nach Treu und Glauben müssen Auftraggeber mit dem Auskunftsantrag auch bei einer nicht vorgenommenen Unterrichtung nach § 19 Abs. 1 und bei Unkenntnis der Unternehmen vom erteilten Zuschlag längstens sechs Monate nach dem erfolgten Zuschlag sowie bei erfolgter Unterrichtung der Unternehmen über ihre Nichtberücksichtigung spätestens nach einem Monat (30 Kalendertage) rechnen.

e. Form der Mitteilung

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§ 19 Abs. 2 sieht für die Mitteilung des Auftraggebers an die nicht berücksichtigten Bewerber oder Bieter über die Gründe ihrer Nichtberücksichtigung zwingend die Textform vor. Textform ist nach § 126b BGB die Erklärung in einer zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise, in der die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärungen durch Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden muss. Der Grund für die Vorgabe der Textform ist die dadurch geschaffene Beweismöglichkeit.

35

Im VHB finden sich entsprechende Formblätter als Formblätter 335 und 336. Diese enthalten formularmäßig vorgegeben die jeweils im Einzelfall zu konkretisierenden Gründe.

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Bei Übermittlung in elektronischer Form richten sich die Anforderungen an die Textform nach § 126 Abs. 3 i.V.m. § 126a BGB. Der Auftraggeber muss in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen nach § 11 Abs. 1 VOB/A angeben, für welche konkrete Form der Übermittlung er sich entscheidet.

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Die Darlegungs- und Beweislast für die rechtzeitige Benachrichtigung trägt der Auftraggeber.