Die Ausschreibung kann aufgehoben werden, wenn:
kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht,
die Vergabeunterlagen grundlegend geändert werden müssen,
andere schwer wiegende Gründe bestehen.
Die Bewerber und Bieter sind von der Aufhebung der Ausschreibung unter Angabe der Gründe, gegebenenfalls über die Absicht, ein neues Vergabeverfahren einzuleiten, unverzüglich in Textform zu unterrichten.
Nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 kann die Ausschreibung aufgehoben werden, wenn andere schwerwiegende Gründe bestehen. Hierbei handelt es sich um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift, bei deren Anwendung ein strenger Maßstab anzulegen ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2006 – Verg 54/06; BGH, Urteil vom 08.09.1998 – X ZR 99/96; BGH, Urteil vom 05.11.2002 – X ZR 232/00).
Auch hier setzt der Grundsatz gem. § 2 EG Abs. 5 VOB/A voraus, dass zum Zeitpunkt des Beginns des Vergabeverfahrens vom Auftraggeber die Kenntnis des Vorhandenseins oder des nachträglichen Eintritts des maßgeblichen Umstands nicht erwartet werden konnte (so bereits zur Vorgängerregel Sharon, NZBau 2003, 586). Gründe, die dem Auftraggeber vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt waren oder mit deren Vorliegen oder Eintritt während des Vergabeverfahrens er rechnen musste, scheiden als Rechtfertigung zur Aufhebung eines Verfahrens aus (OLG Naumburg, Beschluss vom 13.10.2006 – 1 Verg 7/06).
Nicht ausreichende Finanzierungsmittel stellen nur dann einen Aufhebungsgrund im vorgenannten Sinne dar, wenn dies auf nicht voraussehbaren Umständen beruht. Nach der Rechtsprechung des BGH dürfen die Teilnehmer von einem Vergabeverfahren erwarten, dass der Auftraggeber vor der Ausschreibung mit der gebotenen und ihm möglichen Sorgfalt prüft, ob die Finanzierung auch unter Berücksichtigung der erkennbaren Eventualitäten für das in Ausschicht genommene Vorhaben ausreicht (BGH, Urteil vom 05.11.2002 – X ZR 232/00; BGH, Urteil vom 08.09.1998 – X ZR 99/96). Er muss eine ordnungsgemäße Kostenschätzung aufstellen. Will der Auftraggeber aus einem der in § 17 Abs. 1 genannten Gründe des Vergabeverfahrens aufheben, so trifft ihn für das Vorliegen dieser Gründe die Darlegungs- und Beweislast (VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.08.2009 – VK 1-39/09). Kommt er dem nicht, oder nicht mit der gebotenen Sorgfalt nach, kann das Auftreten einer Finanzierungslücke nicht als Grund für die rechtmäßige Aufhebung einer Ausschreibung herangezogen werden.
Schwerwiegende Gründe im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 3 können solche sein, die in der Person des Ausschreibenden liegen, z.B.: Wegfall der geschäftlichen oder rechtlichen Selbstständigkeit (z.B. Insolvenz oder Liquidation), Tod, Krankheit, Sitzverlegung, grundlegende Änderung der Strukturverhältnisse, Wohnsitz oder Berufsveränderung, soweit dies schwerwiegenden Einfluss auf das Vorhaben des Auftraggebers hat (Portz, in: Ingenstau/Korbion, § 17 VOB/A Rn. 33).
Änderungen der politischen, militärischen und wirtschaftlichen Verhältnisse können schwerwiegende Gründe darstellen (VK Sachsen, Beschluss vom 05.09.2002 – 1/SVK/073-02; OLG Zweibrücken, Urteil vom 01.02.1994 – 8 U 96/93; VK Lüneburg, Beschluss vom 27.01.2005 – 203-VgK-57/04; VK Bremen, Beschluss vom 25.07.2002 – VgK FB 1/02).
In der Rechtsprechung wurde auch vertreten, dass das Versäumnis einer europaweiten Ausschreibung infolge Übersehens der Schwellenwertregelung eine Aufhebung der Ausschreibung nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 rechtfertigen kann, jedenfalls dann, wenn die Bieter schon bei der ersten Angebotskalkulation hätten erkennen können und müssen, dass der Schwellenwert deutlich überschritten wird, wenn der Aufhebung unverzüglich eine Neuausschreibung folgt (OLG Koblenz, Beschluss vom 10.04.2003 – 1 Verg 1/03 zur VOL/A).
Im Einzelnen ist eine Vielzahl anderer sog. schwerwiegender Gründe, die den Auftraggeber zur Aufhebung der Ausschreibung veranlassen können, denkbar. In Betracht kommen etwa auch:
eine zur Unwirtschaftlichkeit der Vergabe führende und erforderlich gewordene Mehrvergütung wegen Verzögerung des Vergabeverfahrens (BGH, Urteil vom 11.05.2009 – VII ZR 11/08; OLG Naumburg, Beschluss vom 13.10.2006 – 1 Verg 6/06),
objektiv unerfüllbare Forderungen in der Leistungsbeschreibung (BGH, Urteil vom 01.08.2006 – X ZR 115/04; OLG München, Beschluss vom 28.07.2008 – Verg 12/08),
Wegfall der Beschaffungsabsicht (OLG Naumburg, Beschluss vom 13.10.2006 – 1 Verg 7/06).
Die rechtliche Einordnung der vorgenannten Fälle in solche, die von § 17 Abs. 1 Nr. 3 gedeckt sind und in nicht gedeckte Fälle, ist im Einzelfall umstritten. Ob und inwieweit die Aufhebung in diesen Fällen dann tatsächlich von § 17 Abs. 1 gedeckt ist, bedarf der sorgfältigen Prüfung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände. Da es sich um einen Ausnahmetatbestand handelt, ist stets die enge Auslegung gefordert. Denn die Bieter haben im Hinblick auf die ihnen durch die Verfahrensteilnahme entstehenden Kosten grundsätzlich ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, dass ein Verfahren nicht leichtfertig in Gang gesetzt wird (OLG Celle, Beschluss vom 10.06.2010 – 13 Verg 18/09).