Archiv  VOB/A - Onlinekommentar  Kommentar zu § 10 VOB/A  VIII. Wirkung der Zuschlagsfrist und Bindefrist (Abs. 7) 

Werk:
VERIS-VOB/A-Online-Kommentar
Herausgeber:
von Wietersheim
Autor:
el-Barudi
Stand:
Mai 2013
Thema:
Bauleistungen (VOB)
§ 10

Fristen

(1)

Für die Bearbeitung und Einreichung der Angebote ist eine ausreichende Angebotsfrist vorzusehen, auch bei Dringlichkeit nicht unter 10 Kalendertagen. Dabei ist insbesondere der zusätzliche Aufwand für die Besichtigung von Baustellen oder die Beschaffung von Unterlagen für die Angebotsbearbeitung zu berücksichtigen.

(2)

Die Angebotsfrist läuft ab, sobald im Eröffnungstermin der Verhandlungsleiter mit der Öffnung der Angebote beginnt.

(3)

Bis zum Ablauf der Angebotsfrist können Angebote in Textform zurückgezogen werden.

(4)

Für die Einreichung von Teilnahmeanträgen bei Beschränkter Ausschreibung nach Öffentlichem Teilnahmewettbewerb ist eine ausreichende Bewerbungsfrist vorzusehen.

(5)

Die Zuschlagsfrist beginnt mit dem Eröffnungstermin.

(6)

Die Zuschlagsfrist soll so kurz wie möglich und nicht länger bemessen werden, als der Auftraggeber für eine zügige Prüfung und Wertung der Angebote (§ 16) benötigt. Eine längere Zuschlagsfrist als 30 Kalendertage soll nur in begründeten Fällen festgelegt werden. Das Ende der Zuschlagsfrist ist durch Angabe des Kalendertages zu bezeichnen.

(7)

Es ist vorzusehen, dass der Bieter bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist an sein Angebot gebunden ist.

(8)

Die Absätze 5 bis 7 gelten bei Freihändiger Vergabe entsprechend.

3. Verlängerung von Zuschlags- und Bindefrist

25

Um ein Angebot wirksam bezuschlagen zu können, muss der Auftraggeber im Fall von unvorhergesehenen Verzögerungen die Zuschlagsfrist verlängern und alle für die Erteilung des Zuschlags noch in Betracht kommenden Bieter um eine entsprechende Verlängerung der Bindefrist entsprechend der Verlängerung der Zuschlagsfrist nachsuchen (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 30.10.2006 – 9 Verg 4/06; OLG Naumburg, Beschluss vom 13.05.2003 – 1 Verg 2/03; siehe auch Rechten in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, 1. Aufl. 2010, § 10 VOB/A Rn. 66; v. Wietersheim in: Ingenstau/Korbion, 17. Aufl. 2010, § 10 VOB/A Rn. 33). Denn die Bindefrist verlängert sich nicht automatisch mit der Verlängerung der Zuschlagsfrist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.12.2001 – Verg 22/01; Planker in: Kapellmann/Messerschmidt, 3. Aufl. 2010, § 10 VOB/A Rn. 33; siehe auch VK Bund, Beschluss vom 16.07.2002 – VK 2-50/02, in dem allerdings nicht sauber zwischen der Zuschlags- und der Bindefrist differenziert wird. Missverständlich auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.04.2003 – VII-Verg 66/02, nach dem aber auch die Verlängerung der Zuschlagsfrist nur einvernehmlich mit den Bietern möglich sein soll).

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Eine Verlängerung kann beispielsweise erforderlich werden, wenn infolge von unvorhergesehenen Umständen wie der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens der ursprünglich vorgesehene Zeitplan nicht eingehalten werden kann (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.04.2003 – VII-Verg 66/02). Die Zuschlagsfrist kann dann verlängert werden, soweit dies durch die geänderten Umstände gerechtfertigt ist. Die Verlängerung ist dabei auf das erforderliche Maß zu beschränken. Die Gründe für die Verlängerung sind ordnungsgemäß zu dokumentieren. Auch kann erforderlichenfalls eine mehrfache Verlängerung erfolgen. Die Verlängerung ist jeweils allen noch im Wettbewerb befindlichen Bietern mitzuteilen.

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Eine solche Verlängerung ist vergaberechtlich ohne Weiteres möglich, sofern die Bindefrist noch läuft (Mertens in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, 4. Aufl. 2011, § 10 VOB/A Rn. 67). Allerdings fragt sich, ob eine solche Verlängerung der Bindefrist auch noch möglich ist, wenn die Bindefrist zwischenzeitlich bereits abgelaufen war. Für die Zulässigkeit der Verlängerung der Bindefrist nach deren Ablauf spricht entscheidend, dass mit einer solchen Erklärung keine Änderung des Angebotsinhalts verbunden ist, so dass auch keine Beeinträchtigung des vergaberechtlich vorgeschriebenen Wettbewerbs droht (vgl. auch Mertens in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, 4. Aufl. 2011, § 10 VOB/A Rn. 70). Es spricht daher im Hinblick auf den Zweck des Vergaberechts nichts dagegen, auch eine nachträgliche Verlängerung der Bindefrist zuzulassen (so auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.12.2001 – Verg 22/01; VK Bund, Beschluss vom 16.07.2002 – VK 2-50/02).

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Eine rein formalistische Betrachtungsweise vermag in diesem Zusammenhang nicht zu überzeugen. Danach soll das ursprüngliche Angebot gemäß § 146 BGB erloschen sein. Die nachträgliche Erklärung der Verlängerung der Bindefrist soll dementsprechend als neues Angebot auszulegen sein, welches im Hinblick auf die ursprünglich bekannt gemachte Angebotsfrist verspätet ist (OLG Jena, Beschluss vom 30.10.2006 – 9 Verg 4/06; BayObLG, Beschluss vom 15.07.2002 – Verg 15/02; Planker in: Kapellmann/Messerschmidt, 3. Aufl. 2010, § 10 VOB/A Rn. 34). Selbst wenn man zu dem zivilrechtsdogmatisch richtigen Schluss käme, dass das Ausgangsangebot zunächst erloschen war, spricht nichts dagegen, die folgerichtig als neues Angebot einzuordnende nachträgliche Erklärung der Bindefristverlängerung vergaberechtlich zuzulassen. Andernfalls wäre der Auftraggeber gezwungen, den Zuschlag auf ein weniger wirtschaftliches Angebot zu erteilen, obwohl das wirtschaftlichste Angebot in einem ordnungsgemäßen Wettbewerb ermittelt wurde. Dies würde das Ziel des Vergaberechts konterkarieren, eine wirtschaftliche und sparsame Verwendung von Haushaltsmitteln zu gewährleisten.

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Erklärt der Bieter die geforderte oder eine darüber hinaus gehende Verlängerung der Bindefrist, so kann der Zuschlag ohne weiteres erfolgen. Verweigert der Bieter die Verlängerung der Bindefrist oder erklärt er nur eine kürzere Verlängerung der Bindefrist, als vom Auftraggeber gefordert, so kann der Zuschlag auf das betreffende Angebot nicht mehr erteilt werden (vgl. auch VK Bund, Beschluss vom 16.07.2002  – VK 2-50/02; v. Wietersheim in: Ingenstau/Korbion, 17. Aufl. 2010, § 10 VOB/A Rn. 34). Denn dieses ist nicht mehr wirksam (BayObLG, Beschluss vom 15.07.2002 – Verg 15/02). In Betracht kommt stattdessen die Erteilung des Zuschlags auf das nächst günstigere Angebot oder ggf. die Aufhebung des Verfahrens, wenn ein Aufhebungsgrund gegeben ist (näher hierzu siehe die Kommentierung zu § 17 VOB/A; vgl. auch VK Bund, Beschluss vom 16.07.2002 – VK 2-50/02).