Vertrag: Nummer 15
AGB: Ziffer 14
Sofern keine andere vertragliche Haftungsvereinbarung vorliegt, gelten für alle gesetzlichen und vertraglichen Schadens-, Freistellungs- und Aufwendungsersatzansprüche des Auftraggebers die Regelungen nach Ziffern 14.1 bis 14.5 der AGB.
Der Auftragnehmer haftet grundsätzlich unbeschränkt. Um das Haftungsrisiko für den Auftragnehmer zu begrenzen, können im Vertrag Haftungsbeschränkungen vereinbart werden. Verlangt ein Auftraggeber die unbeschränkte Haftung, wird er i. d. R. wenige oder keine Angebote erhalten. Unternehmen müssen die Risiken bewerten, die sich aus Haftungsansprüchen aus einem Auftrag ergeben können, auf den sie sich bewerben wollen. Dabei sind Rahmenbedingungen von Versicherungen, Banken – z. B. die im Januar 2014 in Kraft getretene Capital Requirements Directive (CRD) der EU, die das Reformpaket Basel III umsetzt und u. a. Vorgaben zur Verbesserung der Risikodeckung und der Verschuldungsgrenze beinhaltet – und unternehmensinterne Richtlinien zu beachten.
Der Auftragnehmer haftet auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB), unabhängig davon, ob ihn eine Verschulden trifft.
Die EVB-IT Erstellung sehen in Ziffer 14.1 Haftungsbeschränkungen vor, allerdings begrenzt für die Haftung für den Vertrag insgesamt bei leicht fahrlässigen Pflichtverletzungen. Eine leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Auftragnehmer geringfügige Pflichtverletzungen begangen hat.
Die Haftung für Leistungen gemäß Nummer 4 des Vertrages wird bei leicht fahrlässigen Pflichtverletzungen grundsätzlich auf den Auftragswert, d. h. den zum Zeitpunkt der Entstehung des Haftungsanspruches aktivierten Gesamtwert der vertraglich vereinbarten Leistungen beschränkt. Beträgt der Auftragswert weniger als 25.000 €, wird die Haftung auf 50.000 € beschränkt, liegt der Auftragswert zwischen 25.000 € und 100.000 €, wird die Haftung auf 100.000 € beschränkt.
Die Haftungsobergrenze für leicht fahrlässige Pflichtverletzungen bei der Pflege (Nummer 5 des Vertrages) ist die Summe der Vergütungen, die für die Pflege in der vereinbarten Vertragslaufzeit zu zahlen ist. Sie beträgt jedoch mindestens das Doppelte und maximal das Vierfache der Vergütung, die für das erste Vertragsjahr der Pflege zu zahlen ist (weitere Ausführungen hierzu unten, Rn. 4). Bei der Berechnung der Vergütungen bleiben etwaige, unter Nummer 5.4.1, drittes Hauptankreuzfeld und Unterankreuzfeld, vereinbarte Reduktionen wegen Mängelansprüchen unberücksichtigt.
Unter Nummer 15 des Vertrages können in einer Anlage, die im zweiten Hauptankreuzfeld vereinbart wird, von den Ziffern 14.1 bis 14.3 der AGB abweichende Vereinbarungen getroffen werden.
Die Haftungsbeschränkungen in Fällen der leicht fährlässigen Pflichtverletzungen müssen der Komplexität der Gesamtleistung und den damit verbundenen Risiken entsprechend angemessen sein. Die in Ziffer 14.1 der AGB bestimmten Haftungsgrenzen sind nach dem gemeinsamen Verständnis der Arbeitsgruppe EVB-IT und des BITKOM ausgewogen. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass z. B. ein nicht unwesentlicher Softwarefehler die Fallbearbeitung in einem Fachbereich mehrere Tage verhindert oder erheblich behindert, aber derartige Risiken können nicht ausgeschlossen werden. Es ist anerkannt, dass ab einer gewissen Software-Komplexität Abläufe nicht mehr fehlerfrei programmiert werden können. Der Auftraggeber ist grundsätzlich verpflichtet, auch in seinem Verantwortungsbereich angemessene Maßnahmen für solche Störfälle zu planen und ggf. auch zu realisieren.
In den hier einschlägigen Nutzerhinweisen zu den EVB-IT System wird in den Ausführungen zu den Haftungsregeln (Ziffer 15 der EVB-IT System) auf beachtenswerte Grundsätze, die der Auftraggeber bei seinen Überlegungen berücksichtigen sollte, hingewiesen:
„Der Auftragnehmer hat ein wirtschaftliches Bedürfnis, seine Haftung möglichst weitgehend zu begrenzen. Die aus einem Projekt resultierenden Haftungsrisiken sind für den Auftragnehmer naturgemäß ein wesentlicher Punkt in seiner Kalkulation. Hohe oder gänzlich fehlende Haftungsbegrenzungen können also sowohl dazu führen, dass die Angebotspreise steigen, als auch dazu, dass sich bestimmte Auftragnehmer gar nicht mehr an Vergabeverfahren beteiligen. Insbesondere börsennotierten Unternehmen fällt es regelmäßig aufgrund ihrer internen Richtlinien, teilweise aber auch aufgrund externer Vorgaben (z. B. US-amerikanischen Revenue Recognition Rules) sehr schwer, Angebote ohne Haftungsbegrenzung abzugeben. Dagegen können niedrige Haftungssummen durchaus zu niedrigeren Angebotspreisen führen. Ggf. kann man dies in der Ausschreibung durch Bildung von Bewertungsalternativen bezüglich unterschiedlicher Haftungsgrenzen abfragen.
Andererseits sollten die Risiken durch Haftungsregelungen auch nicht unangemessen auf den Auftraggeber verlagert werden, denn jeder Schaden, den der Auftragnehmer wegen einer Haftungsbegrenzung nicht ersetzen muss, ist letztlich durch den Auftraggeber zu tragen. Haftungsbegrenzungen sollten also möglichst so gefasst sein, dass keine inadäquaten Lücken zum Nachteil des Auftraggebers auftreten. Dies ist zu berücksichtigen, wenn die Haftungsregelungen aus Ziffer 15 der AGB im Vertrag verändert werden.“
Unter Nummer 6.1 des Vertrages kann eine Anlage vereinbart werden, in der die Voraussetzungen für die Beauftragung des Auftragnehmers zur Weiterentwicklung, Optimierung und die Anpassung von Leistungen gemäß Nummer 4 des Vertrages, die vertragsgemäß erbracht und abgenommen wurden, geregelt sind. Soweit in der Anlage nichts anderes geregelt ist, erfolgt die Beauftragung entsprechend den Konditionen des Vertrages und der einbezogenen Erstellungs-AGB.
In den Fällen der Beauftragung gemäß Nummer 6.1 des Vertrages entsteht ein eigenes Vertragsverhältnis, dessen rechtlicher Bezug zum Grundvertrag nur insoweit gegeben ist, wie er durch die Vereinbarungen in der Anlage zu Nummer 6.1 des Vertrages zugelassen wurde. Der Begriff des Auftragswertes ist hier nicht mehr relevant, folgt man den Begriffsbestimmungen in der Anlage zu den EVB-IT Erstellungs-AGB.
Empfohlen wird, für die Fälle der Beauftragung die Ziffer 14 mit folgenden Änderungen zu vereinbaren:
Ziffer 14.1: Die Haftung für den Auftrag wird grundsätzlich auf den spezifischen Auftragswert begrenzt.
Ziffer 14.2: Die vertraglichen Vereinbarungen werden Bestandteil der Beauftragung, wenn vereinbart wird, dass die vertraglichen Vereinbarungen zur Pflege auch die erbrachten und abgenommenen Anpassungen usw. erfassen.
Ziffern 14.3 bis 14.5: Die Vereinbarungen im Vertrag werden Bestandteil der Beauftragung.
Der Auftraggeber muss bei Ermittlung der Haftungsobergrenze Folgendes beachten:
Wird bei vereinbarter fester Laufzeit eine vereinbarte Pflegepauschale für die gesamte Laufzeit zu deren Beginn gezahlt (Nummer 5.4.1 des Vertrages, erstes oder zweites Hauptankreuzfeld), ist diese Berechnungsgrundlage für die Haftungsobergrenze minimal das Doppelte und maximal das Vierfache der Vergütung, die für das erste Vertragsjahr der Pflege zu zahlen ist.
Einmalige Pflegepauschale 60.000 €, Laufzeit vier Jahre; anteiliger Jahresbetrag 15.000 €, Berechnungsgrundlage minimal: 15.000 € x 2 = 30.000 €, maximal: 60.000 €.
Ist kein Ende der Laufzeit für die Pflege vereinbart, ist Berechnungsgrundlage für die Haftungsbeschränkung die vereinbarte monatliche Servicepauschale (Nummer 5.4.1 des Vertrages, drittes Hauptankreuzfeld). Dies gilt auch dann, wenn ein Anspruch z. B. auf Schadensersatz bereits vor Ablauf der ersten zwölf Monate entsteht.
Dieses Beispiel gilt analog, wenn bei vereinbarter fester Laufzeit eine jährliche Pauschale zu Beginn des jeweiligen Vertragsjahres zu zahlen ist.
Monatliche Pflegepauschale: 1.500 x 12 = 18.000 €, Berechnungsgrundlage minimal: 18.000 € x 2 = 36.000 €, maximal: 72.000 €.
Werden Pflegeleistungen insgesamt oder teilweise nach Aufwand vergütet (Nummer 5.4.1 des Vertrages, viertes Hauptankreuzfeld), kann die Berechnungsgrundlage i. d. R. erst nach Ablauf des ersten Vertragsjahres ermittelt werden.
Gezahlte Vergütung nach Aufwand im ersten Vertragsjahr 16.000 € x 2 = 32.000 € (Minimalgrundlage).
Die ordnungsgemäße Datensicherung obliegt dem Auftraggeber, soweit sie nicht Bestandteil der vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen ist (Ziffer 10.6 der AGB). Bei Verlust von Daten haftet der Auftragnehmer nur für denjenigen Aufwand, der bei ordnungsgemäßer und regelmäßiger Datensicherung durch den Auftraggeber für die Wiederherstellung der Daten erforderlich gewesen wäre. Diese Beschränkung gilt nicht, wenn die Datensicherung Bestandteil der vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen ist (Ziffer 14.3 der AGB).
Die Haftungsbeschränkung ist unabhängig davon, ob der Datenverlust im Wirksystem oder einem Testsystem erfolgt. Zur Vermeidung von Risiken sollte der Auftraggeber den Auftragnehmer über sein Datensicherungskonzept informieren und ihn veranlassen, ihm darüber hinaus erforderliche Sicherungsmaßnahmen allgemein oder im Einzelfall mitzuteilen.
Die Haftungsbeschränkungen gelten nicht für Ansprüche wegen Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, bei der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, bei Arglist, soweit das Produkthaftungsgesetz zur Anwendung kommt, sowie bei einem Garantieversprechen, soweit bzgl. Letzterem nichts anderes geregelt ist (Ziffer 14.4 der AGB).
Grob fahrlässig ist eine Pflichtverletzung, welche nicht nur besonders schwerwiegend, sondern auch subjektiv unentschuldbar ist. Dies ist der Fall, wenn der Auftragnehmer die grundsätzlichen Sorgfaltspflichten außer Acht gelassen hat, z. B. die Durchführung von schwierigen Arbeiten zur Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft im Wirksystem, ohne dass der Auftraggeber vorher Gelegenheit hatte, eine dem Auftragnehmer mitgeteilte Vollsicherung der Systemumgebung durchzuführen.
In den Fällen der Ziffer 14.4 der AGB greift die gesetzliche Haftpflicht. Die gesetzliche Haftpflicht ist nicht ausschließbar. Liegt eine grobe Fahrlässigkeit vor, so haftet der Auftragnehmer grundsätzlich vollumfänglich. Dies ist auch bei vorsätzlichen Pflichtverletzungen der Fall.
Die AGB regeln nur die Haftung bei leichter und grober Fahrlässigkeit sowie Vorsatz. Eine Haftung bei mittlerer Fahrlässigkeit ist im vertraglichen Kontext nicht vereinbar. Auf evtl. Vorhaltungen des Auftragnehmers im Schadensfall, es liege ein Fall der mittleren Fahrlässigkeit vor, muss sich der Auftraggeber mangels einer vertraglichen und gesetzlichen Regelung nicht einlassen.
§ 1 des Produkthaftungsgesetzes (ProdHaftG) bestimmt, dass der Hersteller eines Produktes verpflichtet ist, einen Personen- oder Sachschaden zu ersetzen, wenn durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Im Falle der Sachbeschädigung gilt dies nur, wenn eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wird und diese andere Sache ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu von dem Geschädigten hauptsächlich verwendet worden ist. Die Ersatzpflicht des Herstellers ist ausgeschlossen, wenn sich dieser auf eine oder mehrere der in § 1 Abs. 2 des ProdHaftG genannten Ausschlussgründe berufen kann.
Produkt im Sinne des ProdHaftG ist jede bewegliche Sache, auch wenn sie Teil einer anderen Sache ist, sowie Elektrizität. Wird z. B. ein Beschäftigter des Auftragnehmers dadurch verletzt, dass eine gelieferte Hardware nach ordnungsgemäßem Anschluss an die Stromversorgung unter Beachtung der Installationsanweisung des Herstellers einen Stromschlag erhält, der auf einen Produktionsfehler zurückgeführt werden kann, liegt ein Fall der Produkthaftung vor.
Die Regeln des ProdHaftG treten neben die Haftung aus dem BGB. Produkthaftungsansprüche sind zu unterscheiden von Mängelgewährleistungsansprüchen, die sich entweder aus dem dem Kaufrecht unterworfenen Projektteil des Systemlieferungsvertrages oder einer Garantie ergeben können. Die Herstellerhaftung ist nicht darauf gerichtet, dem Auftraggeber eine mängelfreie Sache zur Verfügung zu stellen. Im Produkthaftungsrecht geht es um den Schutz absoluter Rechtsgüter. Ein Hersteller muss daher auch nicht die Kosten für Nachrüstungen tragen.
Ansprüche aus entgangenem Gewinn sind nach Ziffer 14.5 der AGB ausgeschlossen, soweit in Nummer 15 des Vertrages, erstes Hauptankreuzfeld, nichts anderes vereinbart ist. Öffentliche Auftraggeber, deren Geschäftstätigkeit auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist, wie dies z. B. bei bestimmten Rechtsformen von Sektorenauftraggebern der Fall ist, können unter Nummer 15 des Vertrages regeln, dass der Auftragnehmer auch für entgangenen Gewinn haftet; die Haftungsbegrenzungen gemäß Ziffer 14.1 der AGB oder hiervon abweichende, unter Nummer 15 in einer Anlage zum zweiten Hauptankreuzfeld enthaltene Regelungen finden entsprechende Anwendung.