Fachliteratur  Kommentare und Handbücher  Bauzeit und zeitabhängige Kosten  Teil 3: Nachtrag und Bauzeit  C. Kosten  II. Kostenfolgen  1. Einzelkosten der Teilleistungen  b) Gerätekosten 

Werk:
Bauzeit und zeitabhängige Kosten
Herausgeber:
Alexander Tomic
Autor:
Alexander Tomic
Stand:
Januar 2014

bb) Gerätekosten bei Schadensersatzansprüchen

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Bei Schadensersatzansprüchen bestimmen tatsächliche und nicht kalkulierte Gerätekosten die Schadensermittlung.

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Werden Fremdgeräte angemietet, sind deshalb die vollen, tatsächlich gezahlten und durch Vorlage von Mietverträgen oder Rechnungen nachzuweisenden Gerätemieten zu ersetzen,1Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 12.2.2004 – 17 U 56/00, BauR 2004, 1304 (1305); NZBau 2004, 439; IBR 2004, 237 (Kieserling). wobei es wegen der zeitabhängigen Mietkosten nicht darauf ankommt, ob das Gerät infolge Störung nur geringer ausgelastet wird oder vollständig stillsteht.2K/S, Bd. 1: Einheitspreisvertrag, Rdn. 1516; W/G/S-Sundermeier, Nachtragsmanagement, Rdn. 2101; R/V/L, Handbuch Bauzeit, Rdn. 913.

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Bei Eigengeräten dagegen lassen sich die tatsächlichen Vorhalte- bzw. Stillstandskosten nicht ohne Weiteres nachweisen, weshalb zwar nicht der (voll zu beweisende) Schadensgrund, z.B. der Gerätestillstand infolge auftraggeberseitiger Störung, aber die (erleichtert darzulegende) Schadenshöhe gemäß § 287 ZPO geschätzt werden kann. Dieser Schadensschätzung wird allgemein die Annahme vorangestellt, dass der Unternehmer seine Maschinen und Geräte infolge verlängerter Vorhalte- und Stillstandszeit nicht unmittelbar nach dem geplanten Abschluss der Baustelle auf der Folgebaustelle einsetzen und damit die seiner Kalkulation üblicherweise zugrunde gelegten Kosten erwirtschaften kann.3OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.4.1987 – 23 U 151/86, BauR 1988, 487 (489); OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.2.2003 – 21 U 80/02, BauR 2003, 892 (894); IBR 2003, 238 (Leitzke).

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Diese Annahme setzt voraus, dass das betreffende Gerät infolge der schadensbedingten Verlängerung des Geräteeinsatzes anderweitig ausgefallen ist, schadensbedingt also nichts „verdienen“ konnte.4I/K/K/L-Döring, § 6 Abs. 6 VOB/B, Rdn. 42. Anderweitig ausfallen kann das Gerät allerdings nur, wenn der Unternehmer das Gerät überhaupt anderweitig eingesetzt hätte. Hier wiederum behilft sich die überwiegende Meinung in Anlehnung an die vom Bundesgerichtshof für den Personaleinsatz bereits anerkannte Rentabilitätsvermutung5BGH, Urt. v. 20.2.1986 – VII ZR 286/84, BauR 1986, 347 (349), wonach ein Arbeitgeber darauf bedacht ist, sein Personal rentabel einzusetzen. auch beim Geräteeinsatz mit der sog. „Beschäftigungsvermutung“, wonach der Unternehmer während der Laufzeit eines Projekts und insbesondere im Anschluss daran anderweitige, gleichartige Aufträge gehabt hätte bzw. hätte haben können.6OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.2.2003 – 21 U 80/02, BauR 2003, 892 (894); IBR 2003, 238 (Leitzke). Es wird also vermutet, dass das Gerät nach Ende der jeweiligen Baustelle nicht auf dem Bauhof steht, sondern wegen des verlängert vorzuhaltenden oder stillstehenden Geräts auf der Folgebaustelle Abhilfemaßnahmen (z.B. Beschaffung von Fremdgerät) getroffen werden.7Kapellmann/Schiffers, BauR 1986, 615 (624); K/S, Bd. 1: Einheitspreisvertrag, Rdn. 1529; K/K, Kompendium des Baurechts, 8. Teil, Rdn. 60; V/J/S/L-Vygen/Joussen, Bauverzögerung, Teil A, Rdn. 663; V/J, Bauvertragsrecht, Rdn. 2063; R/V/L, Handbuch Bauzeit, Rdn. 986.

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Unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle jedoch nicht die vereinzelt hiervon abweichende Rechtsprechung, die die Beschäftigungsvermutung entweder generell8OLG Braunschweig, Urt. v. 18.3.1994 – 4 U 51/93, IBR 1994, 413 (Vygen). oder zumindest in Sonderfällen (Insolvenz des Auftragnehmers oder Einsatz von Spezialmaschinen)9OLG Hamm, Urt. v. 12.2.2004 – 17 U 56/00, BauR 2004, 1304 (1305); NZBau 2004, 439; IBR 2004, 237 (Kieserling). verneint und vom auf Schadensersatz klagenden Auftragnehmer verlangt, im Einzelnen darzulegen, bis zu welchem Zeitpunkt bei störungsfreiem Ablauf jedes Gerät gebraucht worden wäre, ob und wo es anschließend eingesetzt werden musste und welche Folgen dies für den nachfolgend geplanten Geräteeinsatz hatte.10Gegen (generelle) Beschäftigungsvermutung beim Geräteeinsatz ebenso W/P, Bauprozess, Rdn. 2344; A/H-Althaus, Der öffentliche Bauauftrag, Teil 5, Rdn. 232 u. einschränkend auch W/G/S-Sundermeier, Nachtragsmanagement, Rdn. 2223.

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Nach überwiegender Meinung soll dem Auftragnehmer jedoch die Beschäftigungsvermutung zugutekommen, wonach vermutet wird, dass dem Auftragnehmer infolge verlängerter Gerätevorhaltung oder Stillstands ein Geräteausfallschaden entsteht und deshalb der Auftragnehmer den störungsfreien, geplanten und den weiteren Geräteeinsatz auf Folgebaustellen nicht im Einzelnen darlegen und beweisen muss. Allerdings gehen die Meinungen darüber auseinander, auf Grund welcher weiteren Schätzungs- und Berechnungsgrundlagen die Gerätekosten während der verlängerten Gerätevorhaltung und Stillstandszeiten schadensersatzrechtlich zu bewerten sind.

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Einerseits wird in der Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass der Schaden des Unternehmers durch verlängerte Vorhaltezeiten für Maschinen und Geräte den der Kalkulation zugrunde gelegten Kosten entspricht.11OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.4.1987 – 23 U 151/86, BauR 1988, 487 (489). Primäre Schätzungsgrundlage sei daher die Kalkulation, wobei die Literatur die „Kalkulation“ allerdings unterschiedlich auslegt, zum Teil als Angebotskalkulation,12K/S, Bd. 1: Einheitspreisvertrag, Rdn. 1538 ff., weil der Bieter hierin ausweist, welche „Gerätemehrkosten“ er der Baustelle berechnen will. zum Teil als Arbeitskalkulation13R/V/L, Handbuch Bauzeit, Rdn. 987. und zum Teil als Kalkulation nicht des konkreten Auftrags, sondern als marktgerechte Kalkulation von Bauleistungen im Zeitpunkt der behinderungsbedingten Bauzeitverlängerung.14V/J/S/L-Vygen/Joussen, Bauverzögerung, Teil A, Rdn. 666; V/J, Bauvertragsrecht, Rdn. 2071. Ferner wird empfohlen, bei Leistungsgeräten wegen der verminderten Geräteabnutzung während der verlängerten Vorhaltezeit nur die Hälfte der Kalkulationssätze für Vorhaltung und Reparatur und in Stillstandszeiten 50 % der Vorhaltekosten und 20 % der kalkulierten Reparatursätze anzusetzen.15K/S, Bd. 1: Einheitspreisvertrag, Rdn. 1549.

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Darüber hinaus soll in den Fällen, in denen keine Kalkulation der Gerätekosten existiert, als Schätzungsgrundlage die Baugeräteliste herangezogen werden können, da diese die im Baugewerbe übliche Kalkulationsgrundlage sei.16OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.4.1987 – 23 U 151/86, BauR 1988, 487 (489). Einig ist man sich hier zwar, dass wegen der verminderten Geräteabnutzung bei geringerer Geräteauslastung und erst recht bei Gerätestillstand nicht die vollen BGL-Sätze übernommen werden können. Fallen doch beispielsweise während der Stillstandszeit keine Betriebsstoffkosten und während eingeschränkter Geräteleistung nur geringere Reparaturkosten an. Umstritten ist aber, mit welchen Abzügen die Bewertungsfaktoren der BGL in die Schadensberechnung einfließen sollen. Allgemein heißt es zwar, dass nur der Prozentsatz der BGL-Sätze der Schadensschätzung zugrunde gelegt werden darf, der auf den tatsächlichen Wertverzehr während der verlängerten Gerätevorhaltung entfällt. Nur welche Prozentsätze als allgemeine Orientierungshilfen der Berechnung zugrunde gelegt werden dürfen, darüber gibt es in der Literatur und Rechtsprechung höchst unterschiedliche Angaben. Diese werden teilweise unter Zugrundelegung der Annahme, dass der Wertverzehr generell überwiegend auf Gebrauch und Abnutzung entfällt, bei gebrauchsfreiem Stillstand mit 30 % der Abschreibungssätze bzw. 35 bis 40 % bei verminderter Abnutzung,17Dähne, BauR 1978, 429 (435). teilweise mit 70 % der Regelsätze18Hager, BauR 1991, 284 (290: Hoher Anteil für Gebrauch und Nutzung nur bei neuem Gerät, während sich das Verhältnis bei altem Gerät umkehrt) u. ihm folgend OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.2.2003 – 21 U 80/02, BauR 2003, 892 (895); IBR 2003, 238 (Leitzke); I/K/K/L-Döring, § 6 Abs. 6 VOB/B, Rdn. 42; Leinemann-Leinemann, § 6 VOB/B, Rdn. 157. oder 83 % bei Gerätestillstand19W/G/S-Sundermeier, Nachtragsmanagement, Rdn. 2219. veranschlagt.

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Der Verrechnungssatz für Verzinsung dagegen soll bei der Schadensbemessung keine Berücksichtigung finden. Denn der Verzinsung liegt die Überlegung zugrunde, dass dem Unternehmer durch Kapitalbindung des noch nicht abgeschriebenen Geräterestwerts andere Anlagemöglichkeiten auf dem Kapitalmarkt entgehen.20W/G/S-Sundermeier, Nachtragsmanagement, Rdn. 666. Dieser ist als entgangener Gewinn bei Schadensersatzansprüchen gemäß § 6 Abs. 6 S. 1 VOB/B aber nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit zu ersetzen.21I/K/K/L-Döring, § 6 Abs. 6 VOB/B, Rdn. 42, während Dähne, BauR 1978, 429 (436), bei auf Kredit gekauften Baumaschinen zumindest die Kreditzinsen als Schaden anerkennen will.

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Soweit demgegenüber das Vergabehandbuch für öffentliche Bauaufträge vorsieht, dass die „Abschreibungssätze aus Baugerätelisten oder ähnlichen der Kalkulation dienenden Hilfsmitteln als Nachweis nicht anerkannt werden“,22VHB Bund 2008, Richtlinien 400 (Allgemeine Richtlinien zur Baudurchführung), Nr. 5.1.4. handelt es sich um bloß innerbehördliche Verwaltungsrichtlinien, die im Streitfall für Gerichte rechtlich nicht bindend sind.23A/H-Althaus, Der öffentliche Bauauftrag, Teil 5, Rdn. 233.

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Möglich bleiben soll als Kontrolle der entweder kalkulierten oder standardmäßig heranzuziehenden BGL-Sätze darüber hinaus ein Vergleich mit den Kosten für die Anmietung von Fremdgeräten.24OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.4.1987 – 23 U 151/86, BauR 1988, 487 (489); V/J/S/L-Vygen/Joussen, Bauverzögerung, Teil A, Rdn. 666; V/J, Bauvertragsrecht, Rdn. 2071. Der im Mietzins enthaltene Gewinn sowie zusätzliche Einsatz- und Ausfallrisiken des Fremdvermieters seien hierbei allerdings aus der Vergleichsrechnung herauszurechnen.25Kapellmann/Schiffers, BauR 1986, 615 (624); K/S, Bd. 1: Einheitspreisvertrag, Rdn. 1549; V/J/S/L-Vygen/Joussen, Bauverzögerung, Teil A, Rdn. 666; V/J, Bauvertragsrecht, Rdn. 2071; R/V/L, Handbuch Bauzeit, Rdn. 988.

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Schon die in der Literatur und Rechtsprechung empfohlenen bzw. verwendeten, der Höhe nach zwischen 30 % und 83 % stark streuenden Abzüge von den Kalkulations- und üblichen BGL-Sätzen machen der Praxis eine einfache Berechnung der Gerätekosten infolge verlängerter Gerätevorhaltung nicht möglich. Die Bezugnahme auf leerlaufende Abschreibungs- und Vorhaltekosten tut ihr Übriges. Denn der Verrechnungssatz für Abschreibung bemisst sich nach dem Betrag, den ein Gerät über seine gesamte Vorhaltedauer erwirtschaften muss, um beim Abschluss der Nutzungsdauer die Anschaffung eines technisch und leistungsmäßig gleichwertigen Gerätes zu ermöglichen.26Plümecke, Preisermittlung für Bauarbeiten, S. 70; W/G/S, Nachtragsmanagement, Rdn. 616. Bei Vermögensschäden hängt die Frage danach, ob Vermögensgüter in Geld mess- und bewertbar sind, aber nicht grundlegend vom Anschaffungsaufwand des Geschädigten ab, welcher dem (Abschreibungs-)Wert im Zeitpunkt des Schadensereignisses zudem nicht notwendig entsprechen muss. Maßgebend für den Nutzungswert bei ungestörter Gerätevorhaltung ist nicht, ob und inwieweit die Nutzbarkeit durch entsprechende Vermögensdispositionen „erkauft“ worden ist. Maßgebend ist vielmehr, ob und inwieweit die Möglichkeit einer Nutzung im Schadenszeitpunkt hätte „verkauft“ werden können. D.h.: Wenn die bloße Nutzungsmöglichkeit hätte zu Geld gemacht werden können, dann muss ihr, wie das der Große Senat für Zivilsachen des BGH schon für Wirtschaftsgüter von allgemeiner, zentraler Bedeutung für die eigene Lebenshaltung27BGH, Beschl. v. 9.7.1986 – GSZ 1/86, BGHZ 98, 212; NJW 1987, 50; BauR 1987, 312. anerkannt und der V. Zivilsenat für die Kommerzialisierung von Arbeitskraft28BGH, Urt. v. 24.11.1995 – V ZR 88/95, NJW 1996, 921. ausgedehnt hat, erst recht bei (völligem oder teilweisem) Nutzungsausfall von gewerblich genutztem Baugerät ein vom Substanzwert abspaltbarer Vermögenswert zuerkannt werden (Kommerzialisierung von Geräteeinsatz).29Kapellmann/Schiffers, BauR 1986, 615 (624); K/K, Kompendium des Baurechts, 8. Teil, Rdn. 60; V/J/S/L-Vygen/Joussen, Bauverzögerung, Teil A, Rdn. 663; V/J, Bauvertragsrecht, Rdn. 2065. Wenn dem aber so ist, dann ist es wenig überzeugend, einerseits die Frage eines selbstständigen Vermögenswerts davon abhängig zu machen, ob die Nutzungsmöglichkeit im Schadenszeitpunkt hätte „verkauft“ werden können, andererseits im Rahmen der Schadensberechnung an leerlaufende Vorhaltekosten anzuknüpfen.

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Statt sich innerhalb der Schadensschätzung mit irgendwelchen, der Höhe nach ganz und gar unklaren Abzügen von kalkulierten oder üblichen BGL-Abschreibungssätzen zu behelfen, dürfte die Orientierung an Mietsätze entsprechender Fremdgeräte der Praxis wesentlich verlässlichere Berechnungsgrundlagen an die Hand geben, zumal hierfür die Sacherwägung spricht, dass der sparsame Unternehmer, der auf die Anmietung von Fremdgerät verzichtet, nicht schlechter gestellt werden darf wie derjenige, der Fremdgerät mietet. Einfließen können die gewerbeüblichen Mietsätze von Fremdvermietern in die Schadensschätzung allerdings nur bereinigt um den rein vermieterspezifischen Gewinnanteil und sonstige Risikozuschläge. Diese haben innerhalb der Schadensberechnung wegen der hier greifenden Haftungsbeschränkung nach § 6 Abs. 6 VOB/B keinen Platz.