Fachliteratur  Kommentare und Handbücher  Bauzeit und zeitabhängige Kosten  Teil 1: Vergabe und Bauzeit  B. Urkalkulation  II. Vorlage, Öffnung und Aufklärung der Kalkulation  1. Vorlage der verschlossenen Urkalkulation 

Werk:
Bauzeit und zeitabhängige Kosten
Herausgeber:
Alexander Tomic
Autor:
Alexander Tomic
Stand:
Januar 2014

a) Vorlage wie?

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Wie schon aus der Überschrift (Vorlage der verschlossenen Urkalkulation) hervorgeht: Vorzulegen ist die Urkalkulation in einem verschlossenen Umschlag. Warum?

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Bei Verlangen der Vorlage der Urkalkulation bereits mit Angebotsabgabe ergibt sich aus den einschlägigen Vorschriften der VOB/A zur Form und Öffnung von Angeboten zwar nicht ausdrücklich die Pflicht zur Vorlage speziell der Urkalkulation, aber als Anlage des Gesamtangebots die Vorlage dieser Anlage in einem verschlossenen Umschlag. So regeln die §§ 13 und 14 VOB/A nahezu wortgleich, dass per Post oder direkt übermittelte Angebote und damit auf Verlangen bei Angebotsabgabe auch mit vorzulegende Urkalkulationen vom Bieter in einem verschlossenen Umschlag1§ 13 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 VOB/A und inhaltsgleich § 14 Abs. 1 S. 2 VOB/A (ungeöffneten Umschlag). einzureichen, als solche von der Vergabestelle zu kennzeichnen und bis zum Ablauf der Angebotsfrist2Sobald im Eröffnungstermin der Verhandlungsleiter mit der Öffnung der Angebote beginnt (§ 10 Abs. 2 VOB/A). unter Verschluss zu halten sind. Diese Vergaberegelungen sind Ausdruck der bei Vergaben nach der VOB/A zu gewährleistenden Vertraulichkeit und Geheimhaltung3Vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 VOB/A und § 14 Abs. 8 VOB/A. , die verhindern sollen, dass Bieter nachträglich ihr eigenes Angebot verändern, falls sie Einzelheiten von Angeboten ihrer Konkurrenz erfahren, was im Zusammenwirken mit Mitarbeitern der Vergabestelle bei unverschlossenen Angeboten möglich wäre.4VK Lüneburg, Beschl. v. 20.8.2002 – 203-VgK-12/2002, ibr-online.

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Das Einreichen in einem verschlossenen Umschlag ist übrigens wörtlich zu nehmen. Soll heißen, dass wenn das Angebot mitsamt Anlagen und der auf Verlangen mit vorzulegenden Urkalkulation nicht in einem herkömmlichen Umschlag Platz finden, der Bieter dann durch eine andere Form der verschlossenen Verpackung sicherzustellen hat, die Einsichtnahme vor Angebotseröffnung auch von Seiten der Vergabestelle auszuschließen. Eine verschlossene Verpackung, die in ihrer Wirkung einem verschlossenen Umschlag gleichkommt, ist z.B. ein vollständiges Verpacken in Packpapier und Verkleben mittels Klebeband.5Weyand, Vergaberecht, § 13 VOB/A, Rdn. 79-82. Was nämlich passieren kann, wenn das Angebot und die auf Verlangen vorzulegende Urkalkulation, beide zwar verschlossen, aber nicht in einem verschlossenen Umschlag, sondern in separat verschlossenen Umschlägen eingereicht werden, zeigt eine Entscheidung des OLG Naumburg.6OLG Naumburg, Beschl. v. 31.3.2008 – 1 Verg 1/08, BauR 2009, 296; ZfBR 2008, 725; IBR 2008, 1145 (Rohrmüller). Hier hat die Vergabestelle das eingereichte Angebot dementsprechend als solches gekennzeichnet und die im separat verschlossenen Umschlag übergebene Urkalkulation nicht mit den übrigen Angebotsunterlagen, sondern gesondert versiegelt. Darauf hat das Gericht das Haupt- und das Nebenangebot des Bieters wegen nicht „hinreichend sicher zuordenbarer Vorlage der Urkalkulation“ ausgeschlossen. Mit folgender Begründung: Nach § 22 Nr. 3 b S. 2 VOL/A a.F., der wie die VOB/A auch für Verfahren nach der VOL/A die Angebotskennzeichnung vorsieht, hätten alle wesentlichen Angebotsbestandteile, die zum Zeitpunkt der Angebotseröffnung vorliegen, entweder einheitlich (z.B. durch Lochung) gekennzeichnet oder miteinander (z.B. durch Siegelung) verbunden werden sollen, um einen nachträglichen versehentlichen oder bewussten Austausch einzelner Bestandteile des Angebots bzw. deren Entfernung zu verhindern. Dagegen lasse die Art der Kennzeichnung des lose verschlossenen Umschlags mit der Urkalkulation einen sicheren Ausschluss der Manipulierbarkeit nach Ablauf der Angebotsfrist nicht zu. Vor allem folgender Hinweis des Gerichts aber dürfte die Praxis aufhorchen lassen, wonach es nämlich nicht darauf ankomme, ob die ordnungsgemäße Kennzeichnung der Angebotsunterlagen durch die Vergabestelle in der Einflusssphäre des Bieters liege, weil durch Fehler und Verstöße bei der Angebotskennzeichnung (auch durch die Vergabestelle) ein ordnungsgemäßer Wettbewerb i.S.v. § 97 Abs. 1 GWB objektiv nicht mehr gewährleistet sein würde.7OLG Naumburg (a.a.O.), das laut eigener Begründung nicht verkennt, in seiner Entscheidung auf einen formalen Aspekt des Vergabeverfahrens zurückzugreifen, der bislang in der vergaberechtlichen Literatur und der Vergabepraxis geringe Beachtung gefunden hat.

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Halten wir also fest: Die bereits innerhalb der Angebotsfrist abgeforderte Urkalkulation muss der Bieter zur Vermeidung des Angebotsausschlusses immer und in jedem Fall in einem verschlossenen Umschlag – heißt konkret: in einem mit den übrigen Angebotsunterlagen fest verbundenen, versiegelten und zugeklebten Umschlag oder einer anderen Art der einheitlich verschlossenen Verpackung (z.B. mit Klebeband verschlossenen Karton) – vorlegen.

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Kommen wir zur Vorlage der Urkalkulation nach dem Eröffnungstermin, also zur nicht schon bei Angebotsabgabe, sondern auf Verlangen der Vergabestelle in der Zeit zwischen Öffnung der Angebote und Zuschlagserteilung nachgeforderten Urkalkulation.

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Für die Zeit nach der Angebotseröffnung schreiben die VOB/A und das Vergabehandbuch8Vgl. VHB Bund 2008, 212 (Bewerbungsbedingungen) Nr. 4 lediglich mit Regelung darüber, dass auf Verlangen der Vergabestelle die Urkalkulation (zu dem von der Vergabestelle bestimmten Zeitpunkt) vorzulegen ist, nicht aber, wie die Urkalkulation vorzulegen ist. zwar nicht vor, wie geforderte Aufklärungen und Angaben zur Preisermittlung einzureichen sind. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A sind aber alle im Wege der Aufklärung erlangten Erkenntnisse, namentlich auch solche über die Preisgestaltung, und die Ergebnisse solcher Aufklärungen geheim zu halten.9Wie bei Angeboten und ihren Anlagen nach § 14 Abs. 8 VOB/A ebenso § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 VOB/A: Die Ergebnisse solcher Aufklärungen sind geheim zu halten. D.h. im Klartext, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, wozu Kalkulationsgrundlagen, angebotene Preise und hierzu angebotene Leistungen zählen10VK Schleswig-Holstein, Beschl. v. 14.5.2008 – VK-SH 6/08, ZfBR 2008, 706; IBR 2008, 594 (Rohrmüller)., vor dem Zugriff anderer Bieter und unbefugter Dritter unter Verschluss zu halten sind.11I/K/K/L-Kratzenberg, § 15 VOB/A, Rdn. 17; H/R/R-Bauer, § 15 VOB/A, Rdn. 18. Ebenso übrigens, wie Vergabekammern in Vergabenachprüfungsverfahren nach § 111 Abs. 2 GWB12Der wortwörtlich regelt: Die Vergabekammer hat die Einsicht in die Unterlagen zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen geboten ist. und, wie das Bundesverfassungsgericht zum verfassungsrechtlichen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen entschieden hat13BVerfG, Beschl. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087/03 u. 1 BvR 2111/03, NZBau 2006, 523; IBR 2006, 407 (Frankenstein) zum verfassungsrechtlichen Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG (vor ungeschwärzter Offenlegung von betriebsinternen, der Regulierungsbehörde im Genehmigungsverfahren vorgelegten Unterlagen der Telekom); 1. VK Bund, Beschl. v. 21.7.2010 – VK 1-64/10, dejure.org., Verwaltungsbehörden verpflichtet sind, unbeteiligten Dritten die Einsicht in betriebsinterne Unterlagen zu versagen.

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Daher ist es üblich, nach allgemeiner Praxis auch nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung nachgereichte Urkalkulationen im verschlossenen, versiegelten und mit Aussteller, Empfänger, Ort, Datum und Uhrzeit gekennzeichneten Umschlag zu hinterlegen.

Und was gilt für angeforderte Urkalkulationen erst nach Erteilung des Auftrags?

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Die Allgemeinen Vertragsbedingungen der VOB/B enthalten hierzu, auch soweit sie in den Vergütungsregeln14Siehe § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B (Mehrvergütung bei Leistungsänderungen und zusätzlichen Leistungen). auf die Grundlagen des Preises oder der Preisermittlung Bezug nehmen, keine Vorgaben. Die in einheitlicher Fassung des Vergabehandbuchs geltenden Zusätzlichen Vertragsbedingungen, die gemäß Angebotsschreiben15VHB Bund 2008, Formblatt 213 (Angebotsschreiben) Nr. 5, 2. Spiegelstrich unter Bezugnahme auf Formblatt 211, Anlage B: 215 Zusätzliche Vertragsbedingungen (Stand März 2012). Vertragsbestandteil sind, bestimmen dagegen, dass der Auftragnehmer auf Verlangen die Preisermittlung für die vertragliche Leistung (Urkalkulation) dem Auftraggeber verschlossen zur Aufbewahrung zu übergeben hat.16VHB Bund 2008, 215 (Zusätzliche Vertragsbedingungen) Nr. 1.1. Damit gilt die Einreichung der Urkalkulation in einem verschlossenen Umschlag kraft ausdrücklicher Regelung auch im Vertragsrecht nach Auftragserteilung.