Das Besondere an der Urkalkulation bei der Vergabe und Abwicklung öffentlicher Aufträge ist, dass sie in der Angebotsphase bis zur Vergabe der ausgeschriebenen Leistung in der Regel weit weniger Beachtung findet als nach Erteilung des Auftrages, nach Änderung der ausgeschriebenen Leistung und vor allem nach Abrechnung der tatsächlichen Leistung. Dabei sollte doch eigentlich die Urkalkulation die Kosten- und Preisgrundlagen des Auftrages dokumentieren, was allein schon naheliegen würde, der Urkalkulation als Grundlage des Angebotes nicht erst nach, sondern schon vor der Vergabe entsprechende Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
Dennoch ist das eine Praxis, die bis in die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinein Niederschlag gefunden hat, wenn dessen mit Werk- und Bauvertragsrecht befasster VII. Zivilsenat in einer Entscheidung zum im Baugewerbe allgemein üblichen Verständnis von einer Urkalkulation für die Abrechnung von Leistungen ausführt: „Eine Urkalkulation belegt üblicherweise die dem Angebot zugrunde liegende Kalkulation der Preise. Wird sie in einem verschlossenen Umschlag hinterlegt, wird damit regelmäßig die bis zum Bedarfsfall geheim zu haltende Preisermittlung offengelegt.“ Das aber heißt nichts anderes, als dass die geheim zu haltende Preisermittlung regelmäßig erst im Bedarfsfall offengelegt wird. Weiter heißt es in dieser Entscheidung: „Der Bedarfsfall sind Nachträge, Mengenveränderungen oder andere Umstände, die dazu führen, dass der Vertragspreis verändert werden kann.“1BGH, Beschl. v. 20.12.2007 – VII ZR 137/07, BauR 2008, 512; NZBau 2008, 251; IBR 2008, 201 (Stemmer).
In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um ein Auftragnehmerangebot mit Mengenangaben und Nettogesamtpreisen als Grundlage der Auftragserteilung und um die nach Vertragsschluss getroffene Vereinbarung, eine nachträglich verschlossen hinterlegte Urkalkulation mit Massenermittlung der Abrechnung zugrunde zu legen. Gestritten worden ist über die Auslegung dieser nachvertraglichen Vereinbarung. Der Auftragnehmer meinte, auf Grund der Vereinbarung nach in der verschlossenen Urkalkulation hinterlegten Einheitspreisen und gegenüber dem Angebot veränderten Mengen abrechnen zu können. Dagegen meinte der Auftraggeber, dass die Parteien keine Vereinbarung haben treffen wollen, nach der es dem Auftragnehmer überlassen war, neue Einheitspreise zu bestimmen, ohne dass der Auftraggeber von diesen Preisen Kenntnis bekommt. Entschieden hat der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf das gewerbeübliche Verständnis von einer Urkalkulation zu Gunsten des Auftraggebers, dass die verschlossen hinterlegte Urkalkulation regelmäßig zwar erst im Bedarfs- und Nachtragsfall offengelegt wird, diese allgemein übliche Praxis und die hier getroffene Vereinbarung den Auftragnehmer aber nicht dazu berechtigen, die dem Vertrag zugrunde liegende Preisermittlungsgrundlage zu verlassen.2BGH (a.a.O.).
Diese sich am im Baugewerbe allgemein üblichen Verständnis von einer Urkalkulation orientierende Entscheidung hat auch Bedeutung für öffentliche Aufträge. Ist doch vor allem hier die Hinterlegung der Urkalkulation in einem verschlossenen Umschlag die Regel, genauso wie die in der Regel erst nach Geltendmachung von Nachtragsforderungen erfolgende Öffnung der Urkalkulation.
Bemerkenswert an dieser Entscheidung sind weniger der hierin hergestellte Bezug zur bauüblichen Praxis und die dieser Praxis aufgezeigten Schranken (kein einseitiges Verlassen der dem Vertrag zugrunde liegenden Preisermittlungsgrundlagen). Denn dass auch nachträglich offengelegte Urkalkulationen an Vertrags- und Preisermittlungsgrundlagen nichts ändern dürfen, ist vertragsrechtlich ein Selbstverständnis3Schon nach dem alten dem römischen Recht entnommenen Grundsatz „Pacta sunt servanda“ (Verträge müssen eingehalten werden.).. Das Bemerkenswerte an dieser Entscheidung ist eher, dass genau über das, was vertragsrechtliches Allgemeingut sein sollte und was in der Theorie so einfach klingt, in der Praxis am häufigsten dann gestritten wird, wenn die Urkalkulation erst im Nachhinein oder, wie es der Bundesgerichtshof nennt, im „Bedarfsfall“ offengelegt wird.
Könnte man nicht gar so weit gehen zu sagen, dass genau diese Praxis, auf die der Bausenat Bezug nimmt, wesentlichen Anteil daran hat, weshalb so viel Aufwand, Zeit und Geld für das Klären von Nachtragsstreitigkeiten verloren geht? – Warum?
Weil sich Auftraggeber und Auftragnehmer durch Offenlegung der Kalkulation erst im Bedarfsfall nicht etwa Auseinandersetzungen über Inhalt, Umfang und Grundlagen der Vertragsleistung ersparen. Nein, sie erschweren sie, je weiter sie die in der Angebots- und Vergabephase notwendige Verständigung über das vertraglich vereinbarte Bau- und Leistungssoll4Als Äquivalent für die vereinbarte Vergütung; grundlegend zur Trennung von vergütungsrelevantem „Bau- und Leistungssoll“ und haftungs- und gewährleistungsrelevantem „Erfolgssoll“, Motzke, NZBau 2002, 641 ff. in die Abwicklungs- und Abrechnungsphase hinausschieben.
Denn was geschieht normalerweise im „Bedarfsfall“? Der Auftragnehmer begründet die seiner Meinung nach berechtigte Nachtragsforderung, legt die Kosten und, sofern kalkuliert, die einzelnen relevanten Kostenbestandteile der geänderten Position bzw. bei zusätzlichen Leistungen der in Frage kommenden Bezugsposition dar, stellt ihnen die Mehr- und Minderkosten gegenüber und berechnet daraus einen neuen Preis. Und beilegen wird er außerdem seiner Nachtragsbegründung nachtragsrelevante Auszüge zu den nach zu verhandelnden Positionen und Preisen aus der verschlossen hinterlegten Urkalkulation. Worauf sich dann der Auftraggeber je nach Höhe und Bedeutung der Nachtragsforderung die Urkalkulation wird offenlegen lassen, um fürs Erste prüfen zu können, ob die Kosten der nach zu verhandelnden Positionen überhaupt so kalkuliert worden sind.
Spätestens jetzt zeigt sich, dass entweder die Urkalkulation unzureichend ist oder sich nur mit Mühe oder gar nicht in die nachtragsrelevanten Kostenbestandteile zerlegen lässt.5Wanninger, Braunschweiger Baubetriebsseminar 2004, S. 3. Oder es zeigt sich durch Annahmen in der Urkalkulation oder daraus vom Auftragnehmer gezogenen Schlussfolgerungen für die Nachtragsbegründung, dass die Vorstellungen der Auftraggeber- und Auftragnehmerseite über die Auslegung des Ausschreibungstextes nicht übereinstimmen und damit Streitigkeiten und Auslegungsunsicherheiten über den Vertragsinhalt vorprogrammiert sind.6Vgl. OLG München, Beschl. v. 24.5.2006 – Verg 10/06, VergabeR 2006, 933; ZfBR 2006, 611; IBR 2006, 410 u. 411 (Wittchen): Zur „vertretbaren“ Einrechnung von Kran- und Kranführerkosten in die Position „Baustelleneinrichtung“; OLG München, Beschl. v. 10.11.2010 – Verg 19/10, IBR 2011, 43 (Lindner) zur Einrechnung von Bauleiterkosten. Oder es tun sich durch die Offenlegung Widersprüche auf zwischen der Urkalkulation und den, wie sich hinterher herausstellt, bloß „pauschalierten“ Angaben des Auftragnehmers in den Preis-Formblättern7Vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 19.12.2003 – 4 U 4/00, BauR 2005, 712; IBR 2005, 186 (Moufang) mit einem „geschätzten“ Lohnkostenzuschlag von 165 % gemäß EFB und 52,55 % in der nachgereichten detaillierten „Einzelpreiskalkulation“. oder sonstigen Angaben im Angebot.8BGH, Beschl. v. 20.12.2007 – VII ZR 137/07, BauR 2008, 512; NZBau 2008, 251; IBR 2008, 201 (Stemmer): Widerspruch zwischen nachgereichter „Massenermittlung“ und Preisaufgliederung des Angebots; VK Nordbayern, Beschl. v. 24.1.2008 – 21.VK-3194-52/07, IBR 2008, 239 (Lindner): Unklare Lohnkosten und unterschiedliche Lohnsätze; VK Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 22.1.2008 – 1 VK LVwA 32/07, IBR 2008, 237 (Fett): Widersprüchliche Angaben zu Nachunternehmerleistungen. Oder aber durch Offenlegung zeigt sich erst, dass in der Urkalkulation ausdrückliche Kalkulationsvorgaben des Auftraggebers in der Ausschreibung nicht eingehalten sind.9Vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 2.1.2006 – 1 Verg 6/05, NZBau 2006, 266; IBR 2006, 159 (Stemmer); OLG Karlsruhe, 16.3.2007 – 17 Verg 4/07, IBR 2007, 637 (Wittchen) zur Einrechnung von Bauleitungskosten in die Baustelleneinrichtung entgegen der Vorgabe: „Kosten für Vorhalten, Unterhalten und Betreiben der Geräte, Anlagen und Einrichtungen einschl. Mieten, Pacht, Gebühren und dgl. werden nicht mit der Pauschale, sondern mit den Einheitspreisen der betreffenden Teilleistungen vergütet.“ Ebenso 2. VK Bund, Beschl. v. 3.5.2007 – VK 2-27/07, IBR 2007, 393 (Franz). Oder – ein besonders heikles Thema – der Auftraggeber erfährt erst nach Einsichtnahme in die Urkalkulation von Vorbehalten, von Annahmen in der Urkalkulation, von irgendwelchen technisch oder wirtschaftlich besonders günstigen „Interpretationen“ des Leistungsverzeichnisses, die der Auftragnehmer ohne konkrete Angaben im Leistungsverzeichnis und ohne vorherige Aufklärung oder entsprechenden Hinweis nach Meinung des Auftraggebers so der Kalkulation gar nicht hätte zugrunde legen dürfen.10Vgl. OLG Köln, Urt. v. 9.7.2008 – 11 U 72/07, IBR 2008, 562 (Malotki): Bei Abbruch- und Entsorgungsarbeiten Ausgehen von besonders günstiger Abbruchklasse; OLG Koblenz, Urt. v. 17.4.2002 – 1 U 829/99, IBR 2003, 181 (Schulze-Hagen): Ausgehen von zu geringer Durchlässigkeit der Bodenschichten im Rahmen der Wasserhaltung; BGH, Urt. v. 22.4.1993 – VII ZR 118/92, BauR 1993, 595; NJW-RR 1993, 1109; ZfBR 1993, 219; IBR 1993, 410 (Vygen): „Farbe nach Wahl des AG“: Vor allem darf der Bieter etwa bestehende Zweifel hinsichtlich der technischen Schwierigkeit oder hinsichtlich des qualitativen Anspruchs nicht i. S. der für ihn wirtschaftlich günstigsten Lösung interpretieren. BGH, Urt. v. 25.6.1987 – VII ZR 107/86, BauR 1987, 683: Besonders günstiger Prozentsatz möglicher Großflächenschalung.
Natürlich: Wenn in gleicher Weise wie nachher in der Nachtragsphase schon in der Angebotsphase Einsicht in die Urkalkulation genommen worden wäre, wären die Parteien mit der Klärung der durch die Urkalkulation dann eben entsprechend früher offengelegten Unstimmigkeiten im Bau- und Leistungssoll genauso konfrontiert. Der Unterschied zwischen der frühen Angebotsphase und der späteren Nachtragsphase ist nur, dass die Interessenlage in beiden Phasen eine grundlegend andere ist. In der Angebotsphase ergänzen sich die Interessen zumindest in dieser einen, aber doch entscheidenden Hinsicht: Der Bieter will den Auftrag. Und der Auftraggeber will ihn vergeben.11Zur unterschiedlichen Interessenlage in der Phase der Angebotsbearbeitung und Vertragsanbahnung vgl. auch Wanninger, Braunschweiger Baubetriebsseminar 2004, S. 3. In der Nachtragsphase dagegen gehen die Interessen auseinander: Der Auftragnehmer will den Nachtrag und will mehr Vergütung. Der Auftraggeber will das nicht. So gesehen liegt es auf der Hand, dass bei gleichen Interessen in der frühen unbelasteten Angebotsphase die Bereitschaft zur Kooperation, Verständigung verschiedenartiger Interpretation und Beseitigung von Meinungsverschiedenheiten über das Leistungssoll größer ist als nachher bei ungleichen Interessen in der Nachtragsphase.
Was die Klärung unterschiedlich verstandenen Leistungssolls in der Nachtragsphase außerdem erschwert, sind nicht nur die zu diesem späten Zeitpunkt unterschiedlichen Interessenlagen, sondern die durch regelmäßig erst jetzt erfolgende Einsichtnahme bedingte Verzögerung bei der Bearbeitung von Nachtragsangelegenheiten, was das Klima zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zusätzlich belastet.
Hinzu kommt das Zeitmoment: In der frühen Phase der Vergabe und Vertragsanbahnung sind Bieter durch die Angebotsabgabe und Auftraggeber durch Prüfung und Wertung der Angebote bei Zweifeln zur Aufklärung des Angebotsinhalts (§ 15 VOB/A) und, da jede Art von Änderung an den Vergabeunterlagen unzulässig ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 5), zugleich zur Aufklärung des künftigen Vertragsinhalts aufgerufen, um Klarheit zu schaffen über das Leistungssoll, die vertragliche Leistung und die vereinbarten Preise. In der Nachtragsphase dagegen kommt noch die tatsächliche Ausführung hinzu, die zum Zeitpunkt der Nachtragsverhandlungen entweder noch läuft oder meist schon abgeschlossen ist. Das verleitet Auftraggeber wie Auftragnehmer dazu, das ursprüngliche Leistungssoll zusätzlich auch mit nachträglich hinzutretenden Umständen aus der Ist-Ausführung bestimmen zu wollen und somit nicht zusammenhängende Merkmale von Soll und Ist miteinander zu vermengen. Das erleichtert nicht, das erschwert die Klärung des Leistungssolls.
Nun kommt allerdings noch der stetig wachsende Kreis der an Vertrags- und Nachtragsangelegenheiten unmittelbar Beteiligten und vor allem am Bau nicht beteiligten Dritten hinzu. In der Angebotsphase sind es auf Seiten des Auftraggebers in der Regel die Vergabestelle und das mit Teilen der Vorbereitung und Vergabe beauftragte Ingenieur- und Planungsbüro. Und auf Seiten der Bieter sind es die Vertreter des künftigen Auftragnehmers. In der Nachtragsphase dagegen befassen sich mit Vertrags- und Nachtragsangelegenheiten zusätzlich technische und juristische Sachbearbeiter, die den Sachverhalt allenfalls als unbeteiligte Dritte beurteilen können. Das macht die Klärung von Interpretationsunterschieden im Leistungssoll in der Regel nicht einfacher.
Wenn die Parteien Meinungsverschiedenheiten über das Leistungssoll, die durch Vorbehalte und Annahmen in der Urkalkulation entstehen, durch Offenlegung nicht erst im Bedarfsfall, sondern schon vor Auftragserteilung erkennen und klären, würde damit ein wesentlicher Grund für spätere Nachtragsstreitigkeiten, nämlich darüber, was nach den Vertragsgrundlagen und den vereinbarten Preisen zur vertraglichen Leistung gehört (§ 2 Abs. 1 VOB/B) und was vor allem nicht dazu gehört, entfallen. Vor allem wäre mit Offenlegung der Urkalkulation vor Auftragserteilung viel gewonnen in Sachen „Beschleunigung von Nachtragsangelegenheiten“.
Zudem bräuchten sich die Parteien in der Hauptsache nicht mehr darüber auseinanderzusetzen, was ehemals zur vertraglichen Leistung gehört, sondern sie könnten sich intensiver damit befassen, ob und wie sich die Vertragsleistung nachträglich geändert hat. Das würde spätere Nachtragsstreitigkeiten und Auslegungsschwierigkeiten erheblich vereinfachen, verkürzen und den Aufwand und die Kosten vermindern.
Nutzen die Parteien dagegen die Möglichkeit zur frühzeitigen Offenlegung nicht, wird der Bedarf nach Klärung unerkannt offener Vertragsfragen nachher nur umso größer. Das erklärt, warum ein Großteil späterer Nachtragsstreitigkeiten, wie jeder Baupraktiker bestätigen wird, auf die Klärung und Auslegung des Leistungssolls entfällt, die Nachtragsstreitigkeit in Wahrheit also oft nur eine durch unterlassene oder unzureichende Aufklärung in der Angebotsphase hinausgeschobene „Vertragsstreitigkeit“ ist.
Die Parteien haben es durch Bestimmung des Zeitpunkts der Offenlegung der Kalkulation selbst in der Hand, ob sie das Streitpotenzial im Bedarfsfall sachlich, zeitlich und personell gering halten oder durch Verschieben von ungelösten Vertragsfragen in die Nachtragsphase vervielfachen wollen. Das zu entscheiden, gilt für private wie öffentliche Aufträge gleichermaßen.
Öffentlichen Aufträgen beschert die Offenlegung der Kalkulation im Bedarfsfall zudem eine ganze Reihe zusätzlicher Probleme, die das Streitpotenzial wegen Vertrags- und Nachtragsangelegenheiten gegenüber privaten Aufträgen noch um einiges mehr verschärfen.
Die Art ihres Zustandekommens. Der private Auftraggeber, dem es bei der Vergabe naturgemäß um ureigene private Interessen geht, vergibt den Auftrag an den günstigsten Bieter. Das ist in der Regel der mit dem niedrigsten Preis, bei dem sich der Auftraggeber sicher ist, dass der Preis bei der Abrechnung nicht teurer wird.12Wanninger, Braunschweiger Baubetriebsseminar 2004, S. 4. Wie und an wen er den Auftrag vergibt, darin ist der private Auftraggeber im vorvertraglichen Verhältnis von der Einholung von Angeboten bis zum Vertragsschluss weitestgehend frei. D.h.: Er hat hier uneingeschränkte Verhandlungs- und Entscheidungsfreiheit.
Öffentliche Auftraggeber dagegen haben Bauleistungen, wie es in den, dem Vergabeteil der VOB vorangestellten Grundsätzen in § 2 Abs. 1 S. 1 VOB/A heißt, an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu vergeben. Als öffentliche Auftraggeber sind sie übergeordneten öffentlichen Interessen verpflichtet, so als tragendem Grundsatz der öffentlichen Bedarfsdeckung der Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Wege fairen Wettbewerbs, der allen in Betracht kommenden Bewerbern den Zutritt zum Markt unter gleichen Bedingungen eröffnen soll.13Der Wettbewerb soll die Regel sein (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 VOB/A als Konkretisierung des § 97 Abs. 1 GWB). Das beinhaltet die Förderung und, was die VOB/A durch eigenständige Regelung eigens hervorhebt14Bekämpfung wettbewerbsbeschränkender und unlauterer Verhaltensweisen (§ 2 Abs 1 Nr. 2 S. 2 VOB/A, gleichfalls als Konkretisierung des § 97 Abs. 1 GWB)., den Schutz des Wettbewerbs vor jeder Art von Wettbewerbsbeschränkung, Gewährleistung von Chancengleichheit (Gleichbehandlungsgebot und Verbot der Diskriminierung von Unternehmern)15§ 2 Abs. 2 VOB/A u. § 97 Abs. 2 GWB., strikte Einhaltung des Transparenzgebots bei allen vergaberelevanten Entscheidungen16§ 97 Abs. 1 GWB und neu umgesetzt in § 2 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A („in transparenten Vergabeverfahren“). und nach nicht einmal vollständig aufgezähltem Grundsatzkatalog öffentlicher Verpflichtungen17Vgl. § 97 GWB (Allgemeine Grundsätze): Mittelstandsschutz (§ 97 Abs. 3 GWB), Förderung ganzjähriger Bautätigkeit (§ 2 Abs. 3 VOB/A) usw. die Zuschlagserteilung auf das wirtschaftlichste Angebot, das nicht notwendig das Angebot mit dem niedrigsten Preis sein muss.18§ 16 Abs. 3 Nr. 3 S. 2 VOB/A u. § 97 Abs. 5 GWB.
Bei der Vielzahl dieser übergeordneten öffentlichen Interessen, Grundsätze und Verpflichtungen, von der Bekanntmachung der Ausschreibung über die Angebotseröffnung bis hin zur Zuschlags- und Auftragserteilung, bleibt wenig bis gar kein Raum für Entscheidungsfreiheit, geschweige denn Verhandlungsfreiheit. Im Gegenteil: Verhandlungen mit Bietern sind öffentlichen Auftraggebern wegen des mit der Angebotseröffnung formell abgeschlossenen Wettbewerbs bis auf die engen Ausnahmen unumgänglicher und geringfügiger technischer Änderungen19Bei Nebenangeboten oder Angeboten aufgrund eines Leistungsprogramms (§ 15 Abs. 3 VOB/A). und die freihändige Vergabe20Vgl. § 3 Abs. 5 Nr. 1 bis 6 VOB/A. sogar ausdrücklich verboten.