Vergabestellen neigen dazu, durch weite Interpretation der nach § 5 Absatz 4 und 5 möglichen Nachweise sowohl Erklärungen in unzulässiger Weise zu fordern als auch eigentlich zutreffende Erklärungen falsch zu werten. Die folgenden Erläuterungen sollen verdeutlichen, dass solche Forderungen oder Beurteilungsfehler vor allem den Vergabestellen schaden, weil die davon betroffenen Bewerber dann mit Erfolg ein Nachprüfungsverfahren durchsetzen können und die Auftraggeber zur Korrektur des Vergabeverfahrens verpflichtet werden.
Öffentliche Auftraggeber formulieren beispielsweise Zulassungsbeschränkungen durch Gebrauch vergaberechtswidriger Eignungskriterien, die selbst den Kreis der ausschließlich freiberuflich tätigen Interessenten unzulässig begrenzen. Hierzu zählen z. B. folgende Forderungen, die immer wieder in Vergabebekanntmachungen zu finden sind (die folgend genannten Ziffern sind dem Standardformular „Bekanntmachung“ entnommen):
in Ziffer III.2.1): Persönliche Lage des Wirtschaftsteilnehmers sowie Auflagen hinsichtlich der Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister
Forderung 1:
»Nachweis derEintragung in ein Berufs- und/oder Handelsregisternach Maßgabe des Mitgliedstaates, in dem der Ingenieur tätig ist«; alternative Formulierung: »Nachweis der Berufszulassung durch Eintragung in ein Berufs-undHandelsregister nach Maßgabe des Mitgliedstaates, in dem der Ingenieur tätig ist – Ausschlusskriterium.«
Begründung für die vergaberechtswidrige Forderung 1:
Freiberuflich tätige Ingenieure sind allenfalls in ein Berufsregister (Ingenieurkammer) eingetragen. Eine Eintragung ins Handelsregister erfolgt nur für Kapitalgesellschaften und vergleichbare Organisationsformen. Mit einer solchen Forderung würden all diejenigen Ingenieure vom Wettbewerb ausgeschlossen, die weder als Mitglied in einer Ingenieurkammer (Berufsregister) noch in einem Handelsregister eingetragen sind. Insbesondere wird damit von vornherein eine angemessene Beteiligung kleinerer Büroorganisationen und Berufsanfänger ausgeschlossen.
Forderung 2:
»Vorlage einerBescheinigungeiner Gerichts- oder Verwaltungsbehörde oder Vorlage einer eidesstattlichen Erklärungüber das Nichtvorliegen eines Ausschlusskriteriumsnach § 4 Abs. 9 VOF.«
Begründung für die zu weitgehende Forderung 2:
Wegen des durch eine solche Forderung entstehenden Verwaltungsaufwandes bei den Bewerbern und den genannten Behörden sollte die Ausstellung einer Bescheinigung auf wenige begründete Ausnahmefälle beschränkt bleiben, zumal auch § 10 Abs. 2 VOF ausdrücklich die Vorlage von Eigenerklärungen vorschreibt. Auch auf die Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung sollte deswegen im Regelfall verzichtet werden, weil diese nach mehrheitlicher Meinung nur gilt, wenn sie notariell beglaubigt ist. Regelmäßig ist eine Eigenerklärung der Bewerber auch mit Blick auf § 4 Abs. 9 lit. e) (Ausschlussmöglichkeit bei falschen Erklärungen oder unberechtigte Zurückhaltung von gewünschten Auskünften) als unverzichtbar, aber auch als ausreichend anzusehen.
in Ziffer III.3.1): Ist die Dienstleistungserbringung einem besonderen Berufsstand vorbehalten?
Forderung:
Im Standardformular ist die Antwort auf die Frage, ob die Planungs- und Überwachungsleistungen für ein Bauvorhaben einem besonderen Berufsstand vorbehalten sind, mit Ja beantwortet. Zur Begründung nennt die Vergabestelle die Richtlinie 85/384/EWG, wonach natürliche Personen, die gem. Rechts- oder Verwaltungsvorschrift ihres Heimatlandes am Tag der Bekanntmachung zur Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur berechtigt sind. Bei juristischen Personen sollte der bevollmächtigte Vertreter genannt werden, der die vorgenannten Anforderungen erfüllt.
Begründung für die falsche Bedingung:
Die genannte Richtlinie regelt die Anerkennung von Studienabschlüssen und ist zudem auch nicht mehr aktuell. Heute gilt die Richtlinie 2005/36/EG.1Richtlinie 2005/36/EG vom 7.9.2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen – Berufsanerkennungsrichtlinie. Weder die frühere noch die aktuelle Richtlinie regeln ein Berufsausübungsrecht. Daher ist sowohl der Vorbehalt falsch als auch die Begründung hierfür. Kann die zu vergebende Leistung infolge Rechts- und Verwaltungsvorschriften nur durch einen bestimmten Berufsstand durchgeführt werden, ist anzugeben
Ja, bzw. bei Teilen der Gesamtleistung, welche Teile unter dem Leistungsvorbehalt stehen, und
welche landesspezifischen Vorschriften dies begründen.
Beispiele hierfür sind:
Bauvorlageberechtigung für Architekten und Ingenieure bei der Planung von Gebäuden nach den einschlägigen Regeln der Landesbauordnungen.
Durchführung der Starkverschmutzer-Kontrollen und Eigenkontrollverordnungen bei der Abwasserentsorgung durch staatlich zugelassene Umweltlaboratorien.
Bestellung als Prüfingenieur für Baustatik.
Falsch ist auch die häufig anzutreffende Definition des Berufsstandes „Ingenieurbüros“, „Beratende Ingenieure“ oder „Ingenieurgesellschaften“. Diese Einschränkung ist ein Verstoß gegen §§ 1 und 2 VOF (Gleichbehandlungsgebot von freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit). Ebenso falsch ist die häufig zu lesende Begründung für den Vorbehalt, dass anstelle einer Rechts- und Verwaltungsvorschrift die HOAI genannt wird. Die HOAI regelt nur die Preise für Leistungen. Auch das Berufs- und Standesrecht von Architekten und Ingenieuren ist keine Begründung für den Leistungsvorbehalt.
in Ziffer III.2.2): Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit
Forderung:
»Mindestgrößen des Gesamtumsatzesdes Bewerbers pro JahrundseinesUmsatzes für entsprechende Dienstleistungen(im Jahresmittel mindestens Gesamtjahresumsatz von 3.000.000 € und mindestens 300.000 € für die zu vergebende Dienstleistung) in den letzten drei Geschäftsjahren – Ausschlusskriterium.«
Begründung:
Die Forderung von Mindestumsätzen als Ausschlusskriterium schließt Bewerber mit geringeren Umsatzzahlen von vornherein aus. Sie grenzt den Kreis der Bewerber unzulässig ein und verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 2 Abs. 1 VOF. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen § 2 Abs. 4 VOF vor (angemessene Beteiligung kleinerer Büroorganisationen und von Berufsanfängern). Die qualifizierte Bewertung der Umsatzzahlen ist jedoch möglich und auch nötig; diese Zahlen können – zu den Mitarbeiterzahlen der Bewerber ins Verhältnis gesetzt – Aufschluss über ihre fachliche Leistungsfähigkeit und personelle Schlagkraft geben.
in Ziffer II.2.3): Technische Leistungsfähigkeit
Forderung 1:
»Liste der wesentlichen in den letzten drei Jahrenabgeschlossenen vergleichbaren Dienstleistungendes vorgeschlagenen Projektleiters bei einem Klinikneubau – Ausschlusskriterium.«
Begründung 1:
Leistungen für vergleichsweise seltene Bauvorhaben können angesichts der Baukonjunktur in den letzten Jahren stark abgenommen haben. In solch einem Falle wäre der geforderte Abschluss von vergleichbaren Leistungen in den letzten drei Jahren ein unzulässiges, weil wettbewerbsbeschränkendes Ausschlusskriterium; es wird nur vergleichsweise wenige Bewerber geben, die eine nennenswerte Anzahl abgeschlossener vergleichbarer Leistungen in diesem Zeitraum nachweisen können. Daher sollten auch länger zurückliegende Referenzen angenommen werden, da sich früher erbrachte Leistungen arbeitsmethodisch nicht wesentlich von den heutigen Basis-Anforderungen unterscheiden dürften und die früher gesammelten Erfahrungen von Bewerbern bzw. ihren Mitarbeitern auch heute noch zählen.
Forderung 2:
»Bewerber haben eine Beschreibung derMaßnahmendes Bewerberszur Gewährleistung derQualitätvorzulegen.«
Begründung für die unklare Forderung 2:
Diese unspezifische Nennung der gewünschten Information lässt die Bewerber im Unklaren, was die Vergabestelle bewerten will. Herrschende Meinung ist, dass allein ein zertifiziertes QM-System eines Bewerbers nur wenig über die eigentlich nachzuweisende Leistungsqualität aussagt, sondern lediglich ein Hilfsmittel zur Organisation bewerberinterner Arbeits- und Dokumentationsmethoden darstellt. Auch hier werden Berufsanfänger, kleinere Büroeinheiten und die Büros, die die Zertifizierung aus Kostengründen oder auch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht besitzen oder anstreben, wegen der unklaren Beschreibung der Forderung benachteiligt, wenn beabsichtigt wäre, ein zertifiziertes System besser zu bewerten als bewerbereigene Qualitätssicherungs-Systeme. So ist bei einer solchen Formulierung auch unklar, ob z. B. eine Konformitätserklärung (s. § 5 Rn. 20) genauso bewertet würde wie ein zertifiziertes System.
In Ziffer III.1.4): Sonstige besondere Bedingungen an die Auftragsausführung
Forderung:
»Erklärung, dass der Auftragnehmer gem. § 26 VOF dieAuftragsleistungselbstständig mit seinem Büroohne Unterauftragnehmererbringt –Ausschlusskriterium.«
Begründung für die vergaberechtswidrige Forderung:
Diese Forderung grenzt Bewerber aus, welche die gesamte Leistung deswegen in einer Arbeitsgemeinschaft oder mit Subunternehmern erbringen wollen (z. B. Leistungen bei der Digitalisierung von Karten), weil einige Spezialleistungen zu erbringen sind, für die diese Bewerber keine eigenen ausreichenden Referenzen vorweisen können. Die Forderung ist ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot und gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen (§ 4 VOF).
In Ziffer IV.1.2): Beschränkung der Zahl der Wirtschaftsteilnehmer, die zur Angebotsabgabe beziehungsweise Teilnahme aufgefordert werden
Mitteilung der Vergabestelle:
»DieZahl der Unternehmen, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollen:mindestens drei.«
Folge:
Diese in Vergabebekanntmachungen häufig zu findende Formulierung hat zur Folge, dass alle Bewerber, welche die Mindestanforderungen erfüllen, zu Vergabegesprächen eingeladen werden müssen. Auftraggeber, welche im Auswahlverfahren dennoch eine Höchstzahl von Einzuladenden willkürlich festlegen, verstoßen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 4 Abs. 2 VOF. Nicht zu Vergabeverhandlungen eingeladene Bewerber können mit hohen Erfolgsaussichten ein Vergabenachprüfungsverfahren nach § 107 GWB beantragen.
Auch die aus Vergabebekanntmachungen entnommenen nachfolgenden Auswahlkriterien samt ihrer Bewertung sind kritisch zu werten und teilweise vergaberechtswidrig.
Auswahlkriterien |
Punkte | |
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Nr.
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Bezeichnung
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1
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Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung in Höhe von [...] € für Sachschäden
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0 oder 10
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2
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Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung in Höhe von [...] € für Personenschäden
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0 oder 10
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3
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Vorlage von Bilanzen bzw. Bilanzauszügen, falls deren Veröffentlichung vorgeschrieben ist
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0 oder 10
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4
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Erklärung über den Gesamtumsatz und den Umsatz für Dienstleistungen bei der Altlastenerhebung in den letzten drei Geschäftsjahren, je getrennt nach Jahren
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0 oder 10
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6
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Erklärung über die technische Ausstattung, über die der Bewerber für die Erfüllung der Dienstleistung verfügen wird
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0 bis 10
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7
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Beschreibung der Maßnahmen des Bewerbers zur Gewährleistung der Qualität
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0 bis 20
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8
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Darstellung der internen Projektorganisation
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0 oder 10
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9
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Erklärung der Unabhängigkeit nach § 4 Abs. 2 erster Spiegelstrich VOF
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0 oder 10
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10
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Bescheinigung oder eidesstattliche Erklärung zum Nichtzutreffen der Ausschlusskriterien nach § 4 Abs. 9 VOF
|
0 oder 10
|
Zu den aufgeführten Kriterien ist Folgendes zu sagen:
Die Kriterien Nr. 1, 2, 8, 9 und 10 hätten als Ausschlusskriterien mit „erfüllt/nicht erfüllt“ bewertet werden müssen: Fehlt eine ausdrücklich von der Vergabestelle verlangte Information eines Bewerbers, muss dieser ggf. ausgeschlossen werden. Eine Bewertung mit 0 (= nicht erfüllt) und 10 (= erfüllt) darf nicht vorgenommen werden.
Kriterium Nr. 3 hätte gar nicht verwandt werden dürfen, da es all diejenigen Bewerber mit 0 Punkten bewertet, die z. B. mangels gesetzlicher Erfordernis keine Bilanz oder Bilanzauszüge erstellen.
Kriterium Nr. 4 enthält zwei wichtige Leistungskriterien, welche getrennt bewertet werden sollten. Keinesfalls können unterschiedliche Umsätze – insbesondere nicht bei den zu vergebenden Dienstleistungen – gleich, nämlich mit 10 Punkten, bewertet werden. Die Bewertung mit 0 ist falsch, da beim Fehlen von Angaben die Bewerbung ausgeschlossen werden muss.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Umsätze in Verbindung mit den ebenfalls anzugebenden Mitarbeiterzahlen dazu dienen können, die Bedeutung der zu vergebenden Dienstleistungen im Tätigkeitsspektrum der Bewerber zu ermitteln. Allerdings sollte die Vergabestelle für den Fall, dass es sich wie im Falle der Erfassung bzw. Fortschreibung der Altlastenerhebungen um Leistungen handelt, für die in den zu bewertenden Jahren eine relativ geringe Zahl von Aufträgen erteilt wurde, die Gewichtung dieses Auswahlkriteriums niedrig ansetzen.
Kriterium Nr. 6 sollte überhaupt nicht oder allenfalls mit „erfüllt/nicht erfüllt“ bewertet werden. Die Durchführung der Leistungen erfordert eine Mindestausstattung, die vom Bewerber nachzuweisen wäre.
Die Beschreibung der Maßnahmen des Bewerbers zur Gewährleistung der Qualität (Kriterium Nr. 7) ist deutlich höher bewertet als die anderen Kriterien. Daher wäre es Aufgabe der Vergabestelle gewesen, in der Vergabebekanntmachung zu definieren, welcher Art diese Maßnahmen sein sollten. Zertifizierte Maßnahmen, durch Konformitätserklärung oder durch bürospezifische Maßnahmen zur Gewährleistung der Leistungsqualität abgesicherte Maßnahmen wären dabei gleichermaßen anforderungserfüllend zu werten gewesen.
Folgende weitere Beispiele für unzulässige Formulierungen waren in den genannten Bekanntmachungen zu finden und sind immer wieder anzutreffen:
EU-Ausschreibung 2007/S 36-044276
Zu Ziffer III.1.4)
Forderung:
»Es wird erwartet, dass der Projektleiter bei Bedarfinnerhalb von 2 Stunden am Leistungsortsein kann.«
Begründung der Unzulässigkeit:
Damit wird in unzulässiger Weise der Wettbewerb eingeschränkt, indem nur Bewerber zugelassen werden, deren Sitz in einem Umkreis von rd. 200 km um den Leistungsort liegt. Ein sachlicher Grund wird weder aufgeführt noch dürfte es diesen grundsätzlich geben. Wenn sichergestellt werden soll, dass die örtliche Bauüberwachung bei der Ausführung verfügbar ist, dann kann gefordert werden, dass der Bewerber darlegen soll, wie er die kurzfristige Verfügbarkeit während der Bauausführung sicherstellt. Während der Planungsphase ist eine Forderung, wie vorliegend, unzulässig, da ohne sachlichen Grund wettbewerbsbeschränkend.
EU-Ausschreibung 2006/S 123-131570
Zu Ziffer III.1.4)
Forderung:
»DerAusschreibungsgewinnerhat dieKosten für die Durchführung der vorliegenden Ausschreibungzu tragen.«
Begründung der Unzulässigkeit:
Eine solche Forderung ist eigentlich nicht zu kommentieren. Der Formulierung ist nicht zu entnehmen, ob die Kosten des Bewerbers gemeint sind, die dieser nach § 13 Abs. 2 VOF sowieso selbst zu tragen hat, oder sämtliche Kosten des Vergabeverfahrens. Nach dem Wortlaut ist das Zweite zu vermuten. Abgesehen davon, dass der Auftraggeber seine Kosten des Vergabeverfahrens selbst tragen muss, war die Forderung auch deswegen unzumutbar, weil gem. Bekanntmachung die Beauftragung von der Gewährung von Fördermitteln des Landes abhängig gemacht wurde. Somit hätte es passieren können, dass der Ausschreibungsgewinner keine Beauftragung erhält und dennoch die Kosten des Verfahrens tragen soll.
Diese Forderung dürfte auch nach § 13 Abs. 1 VOF in Zukunft ausgeschlossen sein.
EU-Ausschreibung 2006/S 220-236447
Zu Ziffer III.2.1)
Forderung an sich bewerbende Ingenieure:
»Nachweis der Berufszulassung des Bewerbers durchEintragung in ein Berufs- und Handelsregisternach Maßgabe des Mitgliedstaates, in dem der Ingenieur tätig ist – Ausschlussgrund.«
Begründung der Unzulässigkeit:
Wie bereits zuvor erläutert, können sich freiberuflich tätige Ingenieure allenfalls freiwillig in ein Berufsregister (Ingenieurkammer) eintragen lassen. Eine Eintragung ins Handelsregister erfolgt nur für Kapitalgesellschaften und vergleichbare Organisationen. Die Forderung, dass ein Eintrag in beide Registerarten erforderlich ist, ist deswegen widersprüchlich, weil Geschäftsführer oder Eigentümer von Kapitalgesellschaften nur im Ausnahmefall im Berufsregister eintragungsfähig sind (s. § 19 Rn. 2). Selbst wenn hier nur ein Schreibfehler vorläge (der aber dennoch der Korrektur bedürfte!), würde die Forderung eines Eintrags in ein Berufs- oder Handelsregister all diejenigen Bewerber vom Wettbewerb ausschließen, die weder freiwilliges Mitglied einer Ingenieurkammer (Berufsregister) noch in einem Handelsregister eingetragen sind. Die Forderung verstößt gegen das Diskriminierungsverbot.
EU-Ausschreibung 2006/S 104-111617
Zu Ziffer III.2.2)
Forderung:
»Bietergemeinschaftensind nur zugelassen, wenn sie für vergleichbare Leistungen bereitsfrühere Zusammenarbeit nachweisen.«
Begründung der Unzulässigkeit:
Damit werden mögliche neue Bewerbergemeinschaften von vornherein ausgeschlossen, die sich speziell für die Bewerbung um Teilnahme am Verhandlungsverfahren des bekanntgemachten Vorhabens zusammenfinden wollen. Dies ist eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung. Zudem wird mit dieser Einschränkung gegen § 2 Abs. 4 VOF verstoßen, weil gerade kleinere Büroorganisationen und Berufsanfänger von vornherein ausgeschlossen werden, die oft nur über die Beteiligung bei Bewerbergemeinschaften den Einstieg in Projekte schaffen können.
EU-Ausschreibung 2006/S 123-131570
Zu Ziffer III.2.2)
Forderungen:
Praxisnahe Kenntnisse und Erfahrungen in der sachsen-anhaltinischen Bauordnung.
Der Bewerber muss mindestens eine Niederlassung im Raum Magdeburg nachweisen.«
Begründung der Unzulässigkeit:
Es gibt keine sachlichen Gründe, die rechtfertigen, dass ein Bewerber zu bevorzugen sei, der in Sachsen-Anhalt bereits tätig war. Sämtliche Landesbauordnungen weisen Besonderheiten auf, die der Bieter nach Auftragserteilung kennenlernen und einhalten muss. Damit würden insbesondere auch ausländische Bewerber benachteiligt.
Ebenso unzulässig ist die Forderung nach einer Niederlassung im Raum Magdeburg. Der Auftraggeber kann zwar Informationen zur Verfügbarkeit abfragen, darf diese aber nicht als Eignungskriterium oder wie hier als Ausschlusskriterium nutzen.
EU-Ausschreibung 2006/S 220-236447
Zu Ziffer III.2.3)
Forderung 1:
Von Bewerbern wird hinsichtlich der Übernahme von Leistungen bei der Sanierung einer Gesamtschule zusätzlich zu den Referenzen gefordert:
»Umbau-/Sanierungsprojekte im jeweiligen Bereich.«
Begründung der Unzulässigkeit 1:
Damit werden keine Referenzen bei Neubauten zugelassen, die ggf. dennoch vergleichbar sein könnten. Ferner werden grundsätzlich nur Referenzen im „jeweiligen“ Bereich zugelassen, ohne dass erläutert würde, was darunter zu verstehen ist. Genügt hätte die Forderung nach Referenzen in „vergleichbaren“ Bereichen.
Forderung 2:
»Mindestens selbst erbrachte Leistungsphasen 2 bis 8 nach HOAI.«
Begründung der Unzulässigkeit 2:
Die Forderung ist wettbewerbsbeschränkend, weil sich ein Einzelbewerber nur dann erfolgreich bewerben könnte, wenn er das vollständige Leistungsbild allein erbringen würde. Damit sind die Referenzen ausgeschlossen, die er in Arbeitsgemeinschaft oder als Subunternehmer ausführte; außerdem scheint die Forderung darauf hinzudeuten, dass Arbeitsgemeinschaften nicht erwünscht sind.
Forderung 3:
»Anrechenbare Kosten gem. HOAI a. F. § 69 > 2,0 Mio. €.«
Begründung der Unzulässigkeit 3:
Mit einer solchen Formulierung werden Bewerber ausgeschlossen, die Erfahrung in vergleichbaren Projekten haben, deren anrechenbare Kosten aber geringfügig unter dem genannten Betrag lagen. Mit der Schwelle ist eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung formuliert. Außerdem werden kleinere Büroorganisationen und Berufsanfänger ausgeschlossen, was nach § 2 Abs. 4 VOF unzulässig ist.
Bei der Ausschreibung von Projektsteuerungsleistungen wird Folgendes gefordert:
Zu Ziffer III.2.3)
»Zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit werden folgendeMindestanforderungengestellt:
Projekte mit mindestens 25 Mio. € Baukostenvolumen, 10 projektbeteiligten Büros sowie baulogistisch-betriebliche Leistungen bei Projekten mit einer Größenordnung von 20 Mio. € Baukostenvolumen und mindestens 50 beteiligten Baufirmen.«
Begründung der Unzulässigkeit:
Mit dieser Formulierung werden Bewerber diskriminiert, die vergleichbare Leistungen in annähernd gleicher, also auch geringerer Größenordnung erbracht haben. Durch die Formulierung der Schwellenwerte werden Eignungskriterien zu Ausschlusskriterien. Hätte der Auftraggeber die Leistungsanforderungen lediglich qualitativ in der Aufgabenbeschreibung angegeben und dann die vom Bewerber angegebenen Referenzen unter Berücksichtigung seiner quantitativen Anforderungen gewertet, wäre dagegen nichts einzuwenden.
EU-Ausschreibung 2006/S 157-169786
Zu Ziffer III.2.3)
Forderung:
»Bei einem Projekt zur Kanalsanierung wird gefordert, dass BewerberZertifizierte Kanalsanierungsberatersind.«
Begründung der Unzulässigkeit:
Die Forderung schließt Ingenieure vom Wettbewerb aus, die sich ohne Zertifikat im Bereich der Kanalsanierungsplanung qualifiziert haben. Außerdem existieren allein in Deutschland zwei unterschiedliche „Zertifikate“ mit verschiedenen Standards2Vgl. Zertifikate bei der DWA Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. Theodor-Heuss-Allee 17 und beim VSB – Verband Zertifizierter Sanierungs-Berater für Entwässerungssysteme (e. V.).. Mit dieser Forderung sind ferner ausländische Bewerber ausgeschlossen. Auch hier wäre vergaberechtskonform gewesen, wenn die Vergabestelle diese Forderung als erforderliche Eigenerklärung der Bewerber über Maßnahmen zur Sicherstellung der Qualität bei der Planung von Kanalsanierungsmaßnahmen formuliert und bei der Eignungsprüfung bewertet hätte.
EU-Ausschreibung 2005/S 200-197364
Zu Ziffer IV.2) Zuschlagskriterien
Forderung:
»Der Bewerber hat Erläuterungen zuErfahrungen mitden betroffenen Behördenzu geben.«
Begründung der Unzulässigkeit:
Man kann zwar für die Forderung des Auftraggebers Verständnis aufbringen, weil Erfahrungen mit den genannten Behörden dem Fortgang des Projekts helfen, dennoch sind solche Erwägungen unzulässig.3Vgl. VK Sachsen-Anhalt, 20.8.2007 – VK 2 LVwA LSA-15/07, wonach es dem Auftraggeber bei der erneuten Durchführung verwehrt ist, die Ortsansässigkeit und die Kenntnis von Behörden als Auftragskriterien zu verwenden; VK Sachsen, 19.11.2001 – 1/SVK/119-01, welche die Forderung nach örtlicher Präsenz sowie die Erfahrungen mit der landeseigenen Katasterordnung für unzulässig hält; VK Sachsen, 31.1.2007 – 1/SVK/124-06, welche die Eignungskriterien der Erfahrungen mit der Förderpraxis im Freistaat Sachsen für unzulässig erklärt.
Das genannte Kriterium ist kein Zuschlagskriterium, sondern allenfalls ein Eignungskriterium. Selbst dieses ist aber nach der zitierten Entscheidung unzulässig.
EU-Ausschreibung 2006/S 123-131570
Zu Ziffer IV.3.3)
Forderung:
»Für die Übersendung von Unterlagenan interessierte Bewerber verlangt die Vergabestelle bei neun Losenpro Los 50 €. Laut Bekanntmachung wird dafür ein Formblatt geliefert, welches dem Bewerber vorschreibt, wie er seine Bewerbungsunterlagen zu strukturieren hat. Das Formblatt sollte per Mail abgefragt werden.«
Begründung der Unzulässigkeit:
Bei einem Verhandlungsverfahren, welches der freihändigen Vergabe nach VOB/A bzw. VOL/A entspricht, sind gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 die Unterlagen unentgeltlich abzugeben. Die VOF lässt nur bei Wettbewerben nach Kapitel 2 VOF eine Berechnung von Kopierkosten bei postalischer oder direkter Versendung zu. Die Entgeltforderung war daher nach hiesiger Auffassung schon nach VOF 2006 unzulässig;4Vgl. VK Lüneburg, 17.10.2006 – VgK-25/2006 genau zu diesem Fall; a. A. Schwenker in IBR 2007, 48, zum gleichen Fall, dem nicht zuzustimmen ist. sie ist es erst recht nach VOF 2009.