Fachliteratur  Kommentare und Handbücher  Vergabe öffentliche Aufträge  5 Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB/A), Ausgabe 2019  5.9 Das Verfahren bis zur Angebotsöffnung  5.9.4 Die Vergabeunterlagen  5.9.4.1 Das Anschreiben 

Werk:
Die Vergabe öffentlicher Aufträge
Herausgeber:
Ralf Leinemann/Eva-Dorothee Leinemann/Thomas Kirch
Autoren:
Ralf Leinemann/Oliver Homann/Malte Offermann
Stand:
Januar 2021
Auflage:
7. Auflage

5.9.4.1.1 Angaben zu Nachunternehmern

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Öffentliche Auftraggeber können nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/A, § 8 EU Abs. 2 Nr. 2 VOB/A fordern, dass die Bieter in ihrem Angebot diejenigen Leistungen angeben, die sie an Nachunternehmer zu vergeben beabsichtigen. Nachunternehmer sind alle (anderen) Unternehmen, die der Auftragnehmer arbeitsteilig in der Phase der Erfüllung des Auftrags einzusetzen beabsichtigt, gleichgültig welcher Art die Verbindung zum Bieterunternehmen ist.1OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.10.2008 – Verg 41/08, VergabeR 2009, 228. Nicht zu den Nachunternehmern zählen Unternehmen, die bloße Teilleistungen mit reiner Hilfsfunktion erbringen, wie beispielsweise Geräteverleiher oder Lieferanten von Werkstoffen.2OLG München, Beschl. v. 10.9.2009 – Verg 10/09, VergabeR 2010, 266; OLG Naumburg, Beschl. v. 4.9.2008, 1 Verg 4/08, VergabeR 2009, 210.

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Der Einsatz von Nachunternehmern kann grundsätzlich in zwei Arten erfolgen:

Zum einen kann es sich um Leistungen handeln, die der Bieter auch selbst ausführen könnte, und er allein aus Gründen der Kapazität oder der Kostenersparnis auf die Kräfte eines anderen Unternehmens zurückgreift.

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Zum anderen kann der Bieter Nachunternehmer einsetzen, um Leistungen auszuführen, für die er nicht die erforderliche Eignung aufweist. Ein Bieter kann somit eigene Mängel bei der Eignung dadurch ausgleichen, dass er Dritte benennt, die über die ihm fehlende Eignung verfügen3Vgl. VK Bund, Beschl. v. 28.5.2020, VK 2 – 29/20.. Insofern steht die Regelung des § 8 EU Abs. 2 Nr. 2 VOB/A im engen Zusammenhang mit § 6d EU VOB/A. Danach kann sich ein Bieter zum Nachweis seiner Eignung auf andere Unternehmen stützen, und zwar ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen (Eignungsleihe). In diesem Fall muss der Bewerber oder Bieter dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber nachweisen, dass ihm die erforderlichen Kapazitäten zur Verfügung stehen werden, indem er beispielsweise eine diesbezügliche verpflichtende Zusage des jeweiligen Unternehmens vorlegt.

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Dabei ist eine Inanspruchnahme der Kapazitäten anderer Unternehmen für die berufliche Befähigung (§ 6a EU Abs. 1 Nr. 3 lit. e) VOB/A) oder die berufliche Erfahrung (§ 6a EU Nr. 3 lit. a) und b) VOB/A) nur möglich, wenn diese Unternehmen die Arbeiten auch selbst ausführen, für die ihre Kapazitäten benötigt werden.4Vgl. dazu EuGH, Urt. v. 7.4.2016, Rs. C-324/14, VergabeNews 2016, 90; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.08.2016, VII Verg 9/16. Der öffentliche Auftraggeber hat zu überprüfen, ob diese Unternehmen die entsprechenden Anforderungen an die Eignung gemäß § 6a EU VOB/A erfüllen und ob Ausschlussgründe gemäß § 6e EU VOB/A vorliegen. Deshalb muss gemäß § 6d EU Abs. 3 VOB/A die Nachweisführung entsprechend § 6b EU auch für diese Unternehmen erfolgen. Zur Benennung der Nachunternehmer wird regelmäßig auf entsprechende Mustererklärungen des Auftraggebers, die bereits mit den Angebotsunterlagen versandt werden, zurückzugreifen sein. Der jeweilige Nachunternehmer muss sich verpflichten, für den konkret benannten Bieter im Auftragsfall die erforderlichen Mittel für die benannten Leistungen zur Verfügung zu stellen. Fehlende oder unverbindliche Angaben führen nicht unmittelbar zum Ausschluss des Angebots, vielmehr muss der Auftraggeber die fehlenden Erklärungen gemäß § 16a EU VOB/A nachfordern. Reicht der Bieter diese allerdings nicht fristgemäß ein, ist das Angebot auszuschließen (§ 16a EU Abs. 5 AOV/A).

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Der öffentliche Auftraggeber schreibt gemäß § 6d EU Abs. 1 S. 4 f. VOB/A vor, dass der Bieter ein Unternehmen, das eine einschlägige Eignungsanforderung nicht erfüllt oder bei dem ein zwingender Ausschlussgrund gemäß § 6e EU Abs. 1 bis 5 VOB/A vorliegt, zu ersetzen hat. Liegt einer der fakultativen Ausschlussgründe gemäß § 6e EU Abs. 6 VOB/A vor, kann der öffentliche Auftraggeber verlangen, dass der Eignungsleihende ersetzt wird.

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Nimmt ein Bewerber oder Bieter im Hinblick auf die Kriterien für die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch, so kann der öffentliche Auftraggeber gemäß § 6d EU Abs. 2 VOB/A vorschreiben, dass Bewerber oder Bieter und diese Unternehmen gemeinsam für die Auftragsausführung haften. So kann aus einem Nachunternehmer in haftungsrechtlicher Hinsicht ein Mitglied einer Bietergemeinschaft werden. Ein Unternehmen sollte hier vor einer Eignungsleihe sorgfältig prüfen, ob er tatsächlich die Haftung für das Gesamtprojekt interessengerecht ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn nur ein vergleichsweise kleiner Teil der Gesamtleistung erbracht werden soll.

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Für einzelne Leistungsteile kann der öffentliche Auftraggeber nach § 6d EU Abs. 4 VOB/A jedwede Nachunternehmerleistung ausschließen. Für „bestimmte kritische Aufgaben“ kann er vorgeben, dass diese Leistung direkt vom Bieter selbst oder – im Falle einer Bietergemeinschaft – von einem Mitglied der Bietergemeinschaft ausgeführt wird.

Die Regelungen zum Nachunternehmereinsatz und die Möglichkeit den Bieter zur Eigenleistung zu verpflichten, wurden im deutschen Vergaberecht in den letzten Jahren immer wieder geändert. So war es zunächst tradiert, dass der Auftraggeber eine zumindest anteilige Selbstausführung durch den Bieter fordern durfte. Dies wurde im Bereich der Bauleistungen auch mit der Selbstausführungspflicht in § 4 Abs. 8 VOB/B begründet. Gestritten wurde allein darum, wie hoch der geforderte Anteil der Eigenleistung im Verhältnis zur Gesamtleistung sein durfte. Mit der Umsetzung der Richtlinie 2004/18/EG im Jahre 2006 wurde dann ohne jede Einschränkung bestimmt, dass sich der Bieter „zur Erfüllung eines Auftrages der Fähigkeiten anderer Unternehmen bedienen kann“. Diese Vorschrift wurde dahingehend interpretiert, dass der Bieter selbst entscheiden dürfe, welche Leistungen er selbst erbringen und welche er als Nachunternehmerleistungen anbieten wolle. Die Anforderung, dass der Auftragnehmer einen bestimmten prozentualen Leistungsanteil selbst zu erbringen habe, wurde damit unzulässig.5Vgl. VK Bund, Beschl. v. 14.10.2013, VK 2-84/13. Selbst ein „Kern“ an eigener Leistungsfähigkeit durfte vom Bieter nicht gefordert werden.6OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.6.2006, VII Verg 18/06. Die uneingeschränkte Möglichkeit der Eignungsleihe führte dazu, dass nun auch sog. Generalübernehmer, also Bieter die sämtliche Leistungserbringung durch Dritte abdecken, an Vergabeverfahren erfolgreich teilnehmen konnten.

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Dieser Entwicklung wird durch die Vergaberechtsreform 2016 entgegengewirkt. In Umsetzung des Artikel 63 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU kann der öffentliche Auftraggeber nunmehr nach § 6d EU Abs. 4 VOB/A vorschreiben, dass bestimmte kritische Aufgaben direkt vom Bieter selbst oder im Fall einer Bietergemeinschaft von einem Teilnehmer der Bietergemeinschaft ausgeführt werden müssen. „Kritisch“ in diesem Sinne sind Leistungen, die entweder besonders fehleranfällig oder für den Leistungserfolg von besonderer Bedeutung sind7VK Lüneburg, Beschl. v. 19.9.2019 – VgK-33/2019.. Ob eine kritische Aufgabe im Sinne der Vorschrift vorliegt, ist im Hinblick auf die Erwägungsgründe der Richtlinie 2014/24/EU und das festgelegte Regel-Ausnahme-Verhältnis, ist eng auszulegen. Wenn der öffentliche Auftraggeber schon nicht vorschreiben darf, dass der künftige Auftragnehmer einen bestimmten Prozentsatz der Arbeiten selbst ausführen muss8EuGH, Urt. v. 27.11.2019 – Rs. C-402/18 (30 %); EuGH, Urt. vom 14.7.2016 – Rs. C-406/14 (25 %)., dann darf er die Selbstausführung selbstverständlich auch nicht pauschal für wesentliche Teile vorschreiben9OLG Rostock, Beschl. v. 23.4.2018 – 17 Verg 1/18..

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Jenseits des Falls der „Eignungsleihe“ bleibt es im Hinblick auf sonstige Nachunternehmer bei der Rechtsprechung des BGH. Dieser hat festgestellt, dass es die Bieter in der Regel unzumutbar belastet, wenn er in den Vergabeunterlagen aufgefordert wird, die vorgesehenen Nachunternehmer bereits im Angebot konkret zu benennen.10BGH, Urt. v. 10.6.2008, X ZR 78/07, NZBau 2008, 592; Hödl, IBR 2010, 10. Erst recht ist eine unzumutbare Belastung der Bieter anzunehmen, wenn sie zusätzlich bereits mit ihrem Angebot die entsprechenden Nachunternehmerverpflichtungserklärungen beibringen müssen.11OLG München, Beschl. v. 22.1.2009, Verg 26/09, VergabeR 2009, 478; Hödl, IBR 2010, 10. § 8 EU Abs. 2 Nr. 2 VOB/A, wonach der öffentliche Auftraggeber den Bieter in den Vergabeunterlagen auffordern kann, in seinem Angebot die Leistungen, die er im Wege von Unteraufträgen an Dritte zu vergeben gedenkt, sowie die gegebenenfalls vorgeschlagenen Unterauftragnehmer mit Namen, gesetzlichen Vertretern und Kontaktdaten anzugeben, steht dem nicht entgegen. Die Vorschrift besagt insoweit nur, dass dann, wenn der Bieter Nachunternehmer vorschlägt, er es nicht nur bei der firmenmäßigen Bezeichnung belassen darf, sondern auch die weiteren Informationen anzugeben hat.

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Ein späterer nach Zuschlagserteilung erfolgender Austausch eines Nachunternehmers ist nur mit Zustimmung des Auftraggebers möglich. Der Auftraggeber darf diese Zustimmung nach § 4 Abs. 8 Nr. 1 Satz 2 VOB/B jedoch nicht unbillig verweigern. Wird vom Auftragnehmer ein anderer Nachunternehmer benannt, als im Angebot aufgeführt war, kann die Zustimmung des Auftraggebers verlangt werden, wenn der neue Nachunternehmer als gleichermaßen geeignet anzusehen ist. Wenn es sich um die Untervergabe von Leistungen handelt, auf deren Erbringung der Betrieb des Auftragnehmers nicht eingerichtet ist, ist der Nachunternehmereinsatz nach § 4 Abs. 8 Nr. 1 Satz 3 VOB/B nicht zustimmungspflichtig.