Fachliteratur  Kommentare und Handbücher  Vergabe öffentliche Aufträge  4 Die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen unterhalb der Schwellenwerte nach UVgO 

Werk:
Die Vergabe öffentlicher Aufträge
Herausgeber:
Ralf Leinemann/Eva-Dorothee Leinemann/Thomas Kirch
Autor:
Armin Preussler
Stand:
Januar 2021
Auflage:
7. Auflage

4.21 Vergabe freiberuflicher Leistungen

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Bei § 50 UVgO handelt es sich um eine Sonderregelung zur Vergabe von freiberuflichen Leistungen und damit auch für Architekten- und Ingenieurleistungen. Öffentliche Aufträge über Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden, sind hiernach grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben. Der Begriff der „freiberuflichen Leistungen“ in § 50 setzt die Tradition fort, die die zum 18.04.2016 außer Kraft getretene VOF als Unterscheidungsmerkmal zu den der damaligen VOL/A unterfallenden Dienstleistungen nannte und den die heutige VgV nicht mehr aufgegriffen hat. Hierunter fallen die im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) aufgeführten Berufsleistungen, darunter auch die Leistungen von Architekten, Ingenieuren, Rechtsanwälten und Unternehmensberatern.

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Bei der Vergabe freiberuflicher Leistungen im Unterschwellenbereich ist so viel Wettbewerb zu schaffen, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist. Die Regelung des § 50 UVgO ist in sich abschließend. Ein Verweis auf die Vergabearten der UVgO hat in § 50 UVgO explizit nicht stattgefunden. Danach können freiberufliche und geistig-kreative Leistungen, nicht zuletzt wegen ihrer besonderen Natur und des speziellen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Auftraggeber und dem Freiberufler, auch freihändig bzw. im Wege der Verhandlungsvergabe vergeben werden. Die genaue Auslegung dieser Vorschrift ist derzeit noch umstritten. Es wird die Auffassung vertreten, dass es in der Natur nahezu aller Architekten- und Ingenieurleistungen liege, im Vorfeld nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbar zu sein. Daher könne der Rechtsgedanke des § 8 Abs. 4 Nr. 3 UVgO herangezogen werden, wonach Aufträge im Wege der Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden können.1Kulartz/Röwekamp/Portz/Prieß-Geitel-Jansen, UVgO, § 50, Rn. 86, 87. Danach reicht es bei der Vergabe von Planungsleistungen in der Regel aus, drei geeignete Planer zur Abgabe eines Angebotes aufzufordern. Das Rotationsprinzip ist dabei stets zu beachten. Im Einzelfall wird es auch möglich sein, ein Vergabeverfahren mit nur einem einzigen Bieter durchzuführen – beispielsweise dann, wenn ein Urheberrecht besteht, vgl. in sinngemäßer Anwendung § 8 Abs. 4 Nr.10 UVgO. Die Möglichkeit der Auslobung von Planungswettbewerben insbesondere auf den Gebieten der Raumplanung, des Städtebaus und des Bauwesens oder der Datenverarbeitung wird in § 52 UVgO hervorgehoben.

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Die einzelnen Bundesländer haben die UVgO z.T. unterschiedlich umgesetzt; abweichend von § 50 gilt Folgendes:

In Brandenburg gilt § 50 für die Landesbehörden nicht, für die Kommunen aber schon; die Landesbehörden haben Beschaffungen freiberuflicher Leistungen nach den übrigen Vorschriften der UVgO durchzuführen, was bei konzeptionellen oder innovativen Lösungen nach § 8 Abs. 4 Nr. 1 zur Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb führt.

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In Berlin ist bis zum Auftragsvolumen von EUR 5.000 netto für Leistungen von Architekten und Ingenieuren ein formloser Preisvergleich ausreichend und sind bei der Vergabe freiberuflicher Leistungen neben § 50 und der Aufforderung zur Angebotseinreichung an mindestens drei geeignete Unternehmen auch die §§ 2 bis 6 (Grundsätze, Vertraulichkeit, Interessenkonflikte, Mitwirkung am Vergabeverfahren sowie Dokumentation) zwingend und § 7 (Kommunikation) möglichst anzuwenden; außerdem sollen weitergehende Richtlinien und Hinweise zur Vergabe freiberuflicher Leistungen durch gesonderte Rundschreiben veröffentlicht werden.

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In Bremen sind unter grundsätzlicher Geltung der UVgO stets Vergleichsangebote einzuholen, es sei denn, der Auftragswert beträgt nicht mehr als EUR 5.000 netto oder bemisst sich das Honorar nach den Mindestsätzen einer Gebührenordnung oder nach Festbeträgen. Liegt der Auftragswert zwischen EUR 5.001 und EUR 50.000 netto kann auf das Einholen von Vergleichsangeboten nur verzichtet werden, wenn die zu vergebende freiberufliche Leistung nach Art und Umfang, insbesondere ihre technischen Anforderungen, vor der Vergabe nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann, die Einholung von Vergleichsangeboten einen Aufwand für den Auftraggeber oder die Bewerber oder Bieter verursachen würde, der zu dem erreichten Vorteil oder dem Wert der Leistung im Missverhältnis stehen würde (§ 5 Abs. 2 Satz 1 lit. e) TtVG); der Verzicht auf die Einholung von Vergleichsangeboten ist zu begründen.

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In Mecklenburg-Vorpommern gilt das die UVgO in Kraft setzende Vergabegesetz bei der Vergabe von Lieferungen und Leistungen bis zu einem Auftragswert von EUR 10.000 netto nur eingeschränkt. Bis zu einem Auftragswert von EUR 100.000 netto ist die Verhandlungsvergabe nach § 12 UVgO zulässig.