Fachliteratur  Kommentare und Handbücher  Praxiskommentar Kartellvergaberecht  Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)  Vierter Teil Vergabe öffentlicher Aufträge  Dritter Abschnitt Sonstige Regelungen  § 126 Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens  C. Weiterreichende Schadensersatzansprüche nach Satz 2 

Werk:
Praxiskommentar Kartellvergaberecht
Autor:
Hattig
Stand:
Januar 2014
Auflage:
2. Auflage
§ 126

Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens

1Hat der Auftraggeber gegen eine den Schutz von Unternehmen bezweckende Vorschrift verstoßen und hätte das Unternehmen ohne diesen Verstoß bei der Wertung der Angebote eine echte Chance gehabt, den Zuschlag zu erhalten, die aber durch den Rechtsverstoß beeinträchtigt wurde, so kann das Unternehmen Schadensersatz für die Kosten der Vorbereitung des Angebots oder der Teilnahme an einem Vergabeverfahren verlangen. 2Weiterreichende Ansprüche auf Schadensersatz bleiben unberührt.

II. Culpa in contrahendo, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB

1. Anspruchsinhalt im Überblick

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Neben Satz 1 kann ein Bieter Vermögensnachteile vor allem aus § 311 Abs. 2 BGB ersetzt verlangen, die letztlich aus dem enttäuschten Vertrauen herrühren, dass das Vergabeverfahren vergaberechtskonform durchgeführt werde. Spätestens mit der Anforderung der Ausschreibungsunterlagen durch die Bieter entsteht zwischen diesen und dem Ausschreiben ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis (vgl. hierzu näher Rn. 69 f.). Dieses Vertrauensverhältnis ist gemäß § 241 Abs. 2 BGB durch eine Reihe von Verhaltens-, Schutz-, Rücksichts- und Vertrauenspflichten geprägt. Der Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe ist dabei durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass der Ablauf der Vertragsverhandlungen und die dem Auftraggeber dabei auferlegten Verhaltenspflichten eingehend geregelt sind. Oberhalb der gemäß § 2 VgV vorgesehenen Schwellenwerte gelten die Bestimmungen des 4. Teils des GWB, der VgV (sowie der SektVO und der VgVSV) sowie der , und der VOF. Unterhalb dieser Werte sind die Vorschriften (des ersten Abschnitts) der VOB/A und der VOL/A einschlägig, sofern der Auftraggeber – was allgemein üblich ist – ankündigt, die Vergabe auf der Grundlage dieser Vorschriften durchzuführen. Zudem haben die Unternehmen gemäß § 97 Abs. 7 GWB Anspruch darauf, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält. An die daraus resultierenden Verhaltenspflichten knüpfen die Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB an (BGH vom 9.6.2011, X ZR 143/10).

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Bei Verletzung dieser Pflichten durch den Ausschreibenden können nach den Grundsätzen einer Haftung für Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) Schadensersatzansprüche des interessierten Bieters nach vertragsrechtlichen Grundsätzen entstehen (vgl. BGH vom 5.6.2012, X ZR 161/11). Sie sind auf den Ersatz des Schadens gerichtet, den ein durch die Vergabevorschriften geschützter Bieter dadurch erlitten hat, dass der Auftraggeber durch Missachtung dieser Vorschriften seine Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Bieter und potenziellen Bieter verletzt hat (BGH vom 9.6.2011, X ZR 143/10). Die Inanspruchnahme besonderen Vertrauens durch den Geschädigten ist damit keine Anspruchsvoraussetzung mehr (Rn. 87 f.).

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Durch die Verrechtlichung des Vergaberechts ist das Verhalten während der Anbahnung eines Vertrages bzw. das Führen der Vertragsverhandlungen durch Bestimmungen mit Normcharakter recht konkret geregelt (so Gröning, GRUR 2009, 266, 268). Über § 97 Abs. 6 GWB und das rechtliche Scharnier der VgV kommt den bieterschützenden Regelungen der Vergabe- und Vertragsordnungen Normcharakter zu. Die bieterschützenden Bestimmungen in GWB, VgV, SektVO, VSVgV und den Vergabe- und Vertragsordnungen begründen konkrete rechtliche Pflichten, an deren Verletzung der Anspruch aus § 311 Abs. 2 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB unmittelbar anknüpfen kann (Gröning, GRUR 2009, 266, 268).

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Mit dem Schadensersatzanspruch aus §§ 311 Abs. 2, 280 BGB korrespondiert ein Unterlassungsanspruch, soweit die Verletzungshandlung oder der pflichtwidrig geschaffene Zustand noch andauert (z.B. OLG Brandenburg vom 29.5.2008, 12 U 235/07 m.w.N.). Hingegen begründet eine solche Pflichtverletzung keinen Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die Verletzung künftiger, noch nicht geschlossener Verträge (BGH vom 5.6.2012, X ZR 161/11). Ein potenzieller Bieter besitzt also keinen aus bürgerlich-rechtlichen Vorschriften herzuleitenden Anspruch darauf, dass die Verwendung bestimmter, als vergaberechtswidrig erachteter Vertragsbedingungen in etwaigen zukünftigen Vergabeverfahren unterlassen wird (BGH vom 5.6.2012, X ZR 161/11).

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Unterhalb der Schwellenwerte kann ein Bieter Schadensersatz wegen der Verletzung der Rücksichtnahmepflichten durch Missachtung der Vergabevorschriften durch den Auftraggeber nur dann geltend machen, wenn sich der Auftraggeber der jeweiligen Vergabe- und Vertragsordnung ausdrücklich unterworfen und ihr damit Außenwirkung verliehen hat (vgl. Rn. 72, 76; s. auch OLG Thüringen vom 8.12.2008, 9 U 421/08 sowie Gröning, GRUR 2009, 266, 268 f.). Rechtsschutzverfahren unterhalb der Schwellenwerte sind jedoch ausdrücklich nicht auf die Überprüfung von Willkürmaßnahmen (vgl. Rn. 112) beschränkt: In einem Ausschreibungsverfahren unterhalb der Schwellenwerte, mit welchem sich der Auftraggeber den Vorgaben einer bestimmten Vergabe- und Vertragsordnung unterwirft, hat der Bieter aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis auch einen im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbaren Anspruch darauf, dass diese Vorgaben beachtet werden (OLG Düsseldorf vom 13.1.2010, 27 U 1/09 und vom 15.10.2008, 27 W 2/08).

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Ein aus der Verletzung der Ausschreibungsregeln und -bedingungen abgeleiteter Anspruch ist im Allgemeinen auf einen Ersatz des sog. negativen Interesses (Rn. 90 ff.) beschränkt, also auf den Ersatz der durch die Beteiligung an der Ausschreibung entstandenen Aufwendungen (z.B. für die Erarbeitung des eigenen Angebots, für die Beschaffung von Nachweisen). In besonderen Fällen kann der Anspruch aber auch den Ersatz des sog. positiven Interesses (Rn. 96 ff.), vor allem den durch die Nichterteilung des Auftrags entgangenen Gewinn, erfassen (BGH vom 25.11.1992, VIII ZR 170/91).

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Die Voraussetzungen, die § 311 Abs. 2 BGB für ein derartiges vorvertragliches Vertrauensverhältnis aufstellt, entsprechen denen, die zuvor in ständiger Rechtsprechung unter dem Begriff „culpa in contrahendo“ entwickelt worden waren. Schadensersatzansprüche, die in der Vergangenheit aus dem gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtsinstitut der culpa in contrahendo hergeleitet wurden, sind jetzt auf § 311 Abs. 2 BGB zu stützen, der seit dem 1.1.2002 die normative Grundlage der Haftung aus culpa in contrahendo darstellt (zuletzt etwa BGH vom 5.6.2012, X ZR 161/11; BGH vom 9.6.2011, X ZR 143/10). An der bisherigen Rechtsprechung zur Haftung aus culpa in contrahendo ist festzuhalten, weil § 311 Abs. 2 BGB an dem bisher angewandten Recht inhaltlich nichts ändern wollte (BGH vom 26.1.2010, X ZR 86/08; BGH vom 10.9.2009, VII ZR 82/08; BGH vom 27.6.2007, X ZR 34/04).

2. Anspruchsvoraussetzungen

a) Anspruchsteller

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Anders als bei der Haftung nach Satz 1 kann Anspruchsteller jeder sein, der an dem ausgeschriebenen Auftrag interessiert ist oder war, ferner jedoch auch der Ausschreibende oder spätere Auftraggeber (vgl. OLG Frankfurt vom 7.11.2006, 11 U 53/03 (Kart) für den Fall einer Submissionsabsprache; OLG Stuttgart vom 23.8.2006, 3 U 103/05 für den Fall eines Kalkulationsirrtums des Auftragnehmers).

b) Anspruchsgegner

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Dementsprechend kann der Anspruch nicht nur gegen einen öffentlichen Auftraggeber gerichtet werden, der einen öffentlichen Auftrag zu vergeben hat. Jeder Ausschreibende oder Auftraggeber, auch ein Privater (vgl. BGH vom 15.4.2008, X ZR 129/06; BGH vom 21.2.2006, X ZR 39/03), kann Anspruchsgegner sein. Bei der Anwendung von §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB kann daher die bisweilen schwierige Prüfung entfallen, ob eine und ggf. welche Alternative des § 98 GWB zu bejahen ist. Werden in den Vergabeunterlagen einer öffentlichen Ausschreibung verschiedene, von § 98 GWB erfasste juristische Personen als Auftraggeber bezeichnet und enthält die Leistungsbeschreibung für alle Auftraggeber zusammengefasste Leistungsteile, sind alle Ausschreibenden gemeinschaftlich Auftraggeber. Sie haften deshalb im Falle von schuldhaften Vergaberechtsverstößen nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo als Gesamtschuldner (OLG Frankfurt vom 14.4.2000, 10 U 145/99). Um diese Rechtsfolge zu vermeiden, können die gemeinschaftlichen Auftraggeber indes einen Hinweis in den Vergabeunterlagen aufnehmen, dass eine gesamtschuldnerische Haftung ausgeschlossen ist. Als Anspruchsgegner kommt überdies auch jeder Bieter oder sonstige Interessent an dem ausgeschriebenen Auftrag in Betracht.

c) Vorvertragliches Schuldverhältnis

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Der Anspruch aus § 311 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner ein vorvertragliches Schuldverhältnis besteht. Ein solches Schuldverhältnis entsteht auch durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB); und darum handelt es sich – in je nach Verfahrensart mehr oder minder stark formalisierter Form – bei der Durchführung eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge (so ausdrücklich BGH vom 9.6.2011, X ZR 143/10). Dementsprechend wird die von § 311 Abs. 2 BGB geforderte Sonderrechtsbeziehung spätestens mit der Anforderung der Ausschreibungsunterlagen durch die Bieter zwischen diesen und dem Ausschreibenden begründet (st. Rspr., vgl. BGH vom 7.6.2005, X ZR 19/02). Bei einem nicht offenen Verfahren und einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung entsteht das Schuldverhältnis bereits mit Einreichung von Teilnahmeanträgen durch die Bewerber. Bei einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Vergabebekanntmachung entsteht das Schuldverhältnis demgegenüber erst mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen auf Einladung des öffentlichen Auftraggebers. Ob schon die bloße Bekanntmachung einer Ausschreibung ausreicht, um ein vorvertragliches Schuldverhältnis zu begründen, ist dagegen bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt (dafür: OLG Dresden vom 9.3.2004, 20 U 1544/03).

70

Im Falle einer sog. De-facto-Vergabe (vgl. § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB) lässt sich ein Anspruch auf Schadensersatz mangels vorvertraglichen Schuldverhältnisses allerdings nicht auf §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB stützen; in Betracht kommt ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 97 Abs. 5, 7 GWB.

d) Verhaltenspflichten des Auftraggebers und der Bewerber

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Das zwischen Ausschreibenden und Bewerbern begründete Vertrauensverhältnis ist für beide Seiten durch zahlreiche Sorgfaltspflichten gekennzeichnet. Dazu gehören insbesondere Aufklärungs-, Rücksichtnahme- und Mitteilungspflichten sowie die Pflicht zur Abwehr von Schäden. Welche konkrete Verhaltenspflichten die Vertragsparteien jeweils beachten müssen, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses.

72

Im Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts werden die in Betracht kommenden Pflichten in erster Linie durch die Bestimmungen konkretisiert, die der Auftraggeber kraft Gesetzes bei der Durchführung des Vergabeverfahrens zu beachten hat, also die Regeln im 4. Teil des GWB und die Vorgaben der VgV, der SektVO und der VSVgV. Entsprechende Verhaltenspflichten ergeben sich auch aus den Regeln der jeweils einschlägigen Vergabe- und Vertragsordnungen(VOB/A, , VOF), soweit der öffentliche Auftraggeber nach §§ 4 bis 6 VgV zur Anwendung dieses Regelwerks verpflichtet ist (§§ 97 Abs. 6, 100 Abs. 1 GWB). Unterhalb der Schwellenwerte sind die Vorschriften der VOB/A und der VOL/A einschlägig, sofern der Auftraggeber – was allgemein üblich ist – ankündigt, die Vergabe auf der Grundlage dieser Vorschriften durchzuführen (BGH vom 9.6.2011, X ZR 143/10).

73

Werden auf diese Weise formalisierte Vertragsverhandlungen auf der Grundlage der vom Auftraggeber ausgearbeiteten und den Bietern zur Teilnahme überlassenen Vergabeunterlagen geführt, trifft den öffentlichen Auftraggeber aus § 241 Abs. 2 BGB regelmäßig die Verpflichtung zu einer vergaberechtskonformen Ausarbeitung dieser Unterlagen. Dies hat beispielsweise zur Folge, dass keine Wirtschaftlichkeitskriterien aufgestellt werden dürfen, die eine ordnungsgemäße Wertung der Angebote nicht zulassen und deshalb bei der Beanstandung eine Aufhebung des Vergabeverfahrens unausweichlich machen (BGH vom 9.6.2011, X ZR 13/10). Zugleich haben Bieter und Bewerber ein von § 241 Abs. 2 BGB geschütztes Interesse daran, dass der öffentliche Auftraggeber das Vergabeverfahren so anlegt und durchführt, dass der ihnen entstehende teilweise beträchtliche Ausschreibungsaufwand entsprechend tatsächlich verwendet werden kann und nicht durch die Aufhebung zunichte gemacht wird, ohne dass er seinem eigentlichen Zweck entsprechend für den Wettbewerb um den ausgeschriebenen Auftrag eingesetzt werden kann (BGH vom 9.6.2011, X ZR 13/10). Mit den für den öffentlichen Auftraggeber bestehenden Rücksichtnahmepflichten ist es ebenso unvereinbar, in die Wirtschaftlichkeitsprüfung Eignungskriterien einfließen zu lassen (BGH vom 9.6.2011, X ZR 143/10 mit Verweis auf BGH vom 8.9.1998, X ZR 99/96, BGHZ 139, 280, 283; BGH vom15.4.2008, X ZR 129/06, VergabeR 2008, 641).

74

Auch die Regeln der maßgeblichen EU-Vergaberichtlinien prägen das vorvertragliche Schuldverhältnis zwischen Auftraggeber und Unternehmen. Sie binden den öffentlichen Auftraggeber, wenn die fragliche Beschaffungsmaßnahme zu einem Zeitpunkt stattfindet, zu dem die maßgeblichen Richtlinien noch nicht in deutsches Recht umgesetzt sind. Unter der Voraussetzung, dass die einschlägige Vorschrift der Richtlinie in einer für die Anwendung durch nationale Gerichte hinreichend bestimmten Weise formuliert ist, muss der öffentliche Auftraggeber sich in seinem Verhalten nämlich so weit wie möglich an Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten, so dass das mit der Richtlinie verfolgte Ziel in größtmöglichem Umfang erreicht wird (BGH vom 12.6.2001, X ZR 150/99). Entsprechendes kann gelten, wenn die betreffende Vorschrift der Richtlinie nur fehlerhaft oder unvollständig in deutsches Recht umgesetzt worden ist.

75

Schließlich verlangt der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) von den Mitgliedstaaten die Beachtung bestimmter Grundfreiheiten, insbesondere das Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV), die Warenverkehrs-, Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit (Art. 34 ff. AEUV, Art. 49 ff. AEUV und Art. 56 ff. AEUV). Sie bilden die Grundlagen des europäischen Vergaberechts, das in den Gründungsverträgen zur Europäischen Gemeinschaft, einschließlich der Protokolle und der allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gemeinschaft (dem sog. Primärrecht), an sich keine besondere Erwähnung findet. Aus ihnen ergibt sich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, echten Wettbewerb um öffentliche Aufträge zuzulassen, unmittelbare oder mittelbare Diskriminierungen bei der Auftragsvergabe zu vermeiden und alle Regelungen oder Praktiken zu beseitigen, die den grenzüberschreitenden EU-weiten Verkehr beschränken. Die Mitgliedstaaten sind damit zugleich gehalten, die Vergabe öffentlicher Aufträge in transparenten Verfahren zu organisieren, die gleiche Zugangschancen für alle interessierten Unternehmen eröffnen und ihre Gleichbehandlung in allen Phasen des Vergabeverfahrens garantieren. Bei Beschaffungen, für die weder GWB noch Vergaberichtlinienvorschriften existieren, also für den praktisch bedeutsamsten Bereich der Auftragsvergaben unterhalb der Schwellenwerte, können sich hieraus entsprechende Verhaltenspflichten für die Vergabestellen ergeben (Rn. 113).

76

Verhaltenspflichten des Auftraggebers im Rahmen des vorvertraglichen Schuldverhältnisses können sich aus durch die in der Bekanntmachung oder den Ausschreibungsunterlagen selbst aufgestellten Bedingungen des Auftraggebers ergeben. Formuliert der Auftraggeber entsprechende Bedingungen z.B. in der Bekanntmachung, in der Aufforderung zur Angebotsabgabe, in den Vergabeunterlagen oder in der Leistungsbeschreibung, so bindet er sich hierdurch selbst bzw. dürfen die Bieter und andere Unternehmen auf die Einhaltung dieser Bedingungen vertrauen. Auf diese Weise kann der Auftraggeber auch eine bestimmte Vergabe- und Vertragsordnung als rechtlichen Rahmen für das Vergabeverfahren festlegen. Das kann beispielsweise durch die ausdrückliche Erklärung in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen geschehen, wonach die Beschaffung nach der einschlägigen Vergabe- und Vertragsordnung erfolge. Unerheblich ist dabei, ob es sich um einen öffentlichen oder privaten Auftraggeber handelt. Erklärt ein privater Auftraggeber ohne Einschränkung, dass er eine Ausschreibung nach den Regeln der Vergabe- und Vertragsordnung führen werde, begründet er in gleicher Weise wie ein öffentlicher Auftraggeber einen Vertrauenstatbestand bei den Teilnehmern der Ausschreibung (BGH vom 21.2.2006, X ZR 39/03).

77

Im Übrigen kann sich die Geltung der betreffenden Vergabe- und Vertragsordnung auch aus tatsächlichem Handeln (durch sog. konkludentes oder schlüssiges Verhalten) des Auftraggebers ergeben, wenn dieses dahingehend verstanden werden muss, dass die einschlägige Vergabe- und Vertragsordnung für die entsprechende Beschaffungsmaßnahme gelten soll. Eine Beschaffungsmaßnahme kann sogar dann dem Willen der einschlägigen Vergabe- und Vertragsordnung unterfallen, wenn der Auftraggeber einen ausdrücklichen Hinweis unterlässt, dass diese Regeln nicht gelten sollen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Auftraggeber nach öffentlichem Recht, insbesondere Haushaltsrecht, verpflichtet ist, die Beschaffungsmaßnahme nach den Regeln der einschlägigen Vergabe- und Vertragsordnung durchzuführen, und dies dem Anspruchsteller bekannt ist (vgl. BGH vom 12.6.2001, X ZR 150/99; ferner auch OLG Düsseldorf vom 12.4.2006, VII-Verg 4/06).

78

Auch die ständigeVerwaltungspraxis des Auftraggebers in der Vergangenheit, seine Beschaffungen stets nach den Regeln der einschlägigen Vergabe- und Vertragsordnung durchzuführen, kann eine entsprechende Selbstbindung bewirken. Aufgrund dieser Selbstbindung kann den Vergabe- und Vertragsordnungen und den verwaltungsinternen Regelungen über Verfahren und Kriterien der Vergabe eine mittelbare Außenwirkung zukommen. Verstöße gegen diese Regelungen können generell Ansprüche der Bieter nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss gemäß § 311 Abs. 2 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB sowie Ansprüche aus unerlaubter Handlung begründen (OLG Brandenburg vom 17.12.2007, 13 W 79/02). Der Auftraggeber – will er von der bislang geübten Verwaltungspraxis abweichen – ist daher gehalten, in den Ausschreibungsunterlagen einen entsprechenden Hinweis aufzunehmen.

79

Erlasse, dienstliche Anweisungen, Zuwendungsbescheide, Vergabehandbücher usw. und die darin enthaltenen Vorgaben können für das vorvertragliche Schuldverhältnis zwischen Auftraggeber und Unternehmen dann gelten, wenn der Auftraggeber ausdrücklich auf sie hingewiesen oder durch schlüssiges Verhalten kundgetan hat, hiernach verfahren zu wollen. Ein Bieter hat jedoch auch dann Anlass, in die richtige Vergabe durch einen Auftraggeber zu vertrauen, wenn die Aufsichtsbehörde des Auftraggebers diesem bei einem formlosen Beschwerdeverfahren aufgegeben hatte, eine Neubewertung aller nicht ausgeschlossenen Angebote unter Berücksichtigung der Beschwerdebelange vorzunehmen (LG Leipzig vom 30.4.2008, 7 O 915/07).

e) Verletzungshandlung

80

Die Schadensersatzpflicht wird dann ausgelöst, wenn der Anspruchsgegner gegen eine Verhaltenspflicht i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis verstößt, also eine Handlung vornimmt, die er nach den über das Schuldverhältnis maßgeblichen Regeln unterlassen müsste, oder ein Handeln unterlässt, das er nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses vornehmen müsste.

81

Das Gleiche gilt für ein Handeln oder Unterlassen von Personen, für deren Verhalten der Anspruchsgegner rechtlich einstehen muss. Bei Gebietskörperschaften oder juristischen Personen als öffentlicher Auftraggeber sind das die Organe (§§ 31, 89 BGB; vgl. auch Rn. 30 f.). Für das Handeln von Mitarbeitern (Vergabestellen), hinzugezogenen externen Personen (Architekten o.Ä.) oder sonstigen vertretungsberechtigten Dritten hat der Anspruchsgegner nach § 278 Satz 1 BGB einzustehen, wenn er sich der/den betreffenden Person/en bei der Durchführung und Abwicklung der fraglichen Beschaffung bedient hat. Überlassen mehrere gemeinschaftliche Auftraggeber im Innenverhältnis die Durchführung des Vergabeverfahrens, insbesondere die Vergabeentscheidung, einem Mitauftraggeber, so müssen sie sich im Rahmen der Haftung nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo dessen Verschulden und das Verschulden von dessen Beratern gemäß § 278 BGB wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (OLG Frankfurt vom 14.4.2000, 10 U 145/99). Der Hinweis des Auftraggebers, er habe die für ihn tätigen Personen sorgfältig ausgewählt (vgl. § 831 Satz 2 BGB), entlastet ihn nicht. Denn dieser Entlastungsnachweis greift nur ein bei Schadensersatzansprüchen, welche die Folgen einer unerlaubten Handlung ausgleichen wollen. Der Anspruch aus den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB gleicht aber nicht die Folgen einer unerlaubten Handlung aus, sondern zielt darauf ab, die Folgen einer Pflichtverletzung innerhalb eines vertragsähnlichen Schuldverhältnisses zu kompensieren. Besteht die Verletzungshandlung in einer Willenserklärung einer vertretungsberechtigten Person, ergibt sich die Haftung des Anspruchsgegners aus § 164 Abs. 1 BGB.

f) Verschulden

82

Während der Anspruch nach § 126 Satz 1 BGB verschuldensunabhängig ausgestaltet ist (Rn. 32 f.), erfordert der Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB im Allgemeinen ein Verschulden des Auftraggebers. Gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB tritt die Schadensersatzhaftung nur bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzungshandlung ein. Die Zurechnung derjenigen Dritten oder interner Vergabestellen, die der Auftraggeber in die Durchführung des Vergabeverfahrens eingebunden oder hiermit beauftragt hat, erfolgt nach § 278 BGB (OLG Naumburg vom 26.10.2004, 1 U 30/04; vgl. auch Rn. 81). Der Anspruchsgegner kann sich aber auf § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB berufen und geltend machen, dass ihm die Verletzungshandlung nicht vorgeworfen werden kann, weil sie für ihn bzw. für den für ihn Handelnden bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht voraussehbar und nicht vermeidbar war.

83

Ob an dem Verschuldenserfordernis für den Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe oberhalb der Schwellenwerte auch nach der neueren Rechtsprechung des EuGH festzuhalten ist, wonach die Richtlinie 89/665/EWG (Rechtsmittelrichtlinie) einer nationalen Regelung entgegensteht, die den Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes eines öffentlichen Auftraggebers gegen Vergaberecht von der Schuldhaftigkeit des Verstoßes abhängig macht (vgl. EuGH vom 30.9.2010, Rs. C-314/09), bleibt abzuwarten. Der BGH jedenfalls hat die Problematik erkannt, musste sich hierzu jedoch bisher nicht äußern (BGH vom 9.6.2011, X ZR 143/10).

g) Pflichtverletzung/Kausalität

84

Die Verletzungshandlung muss schließlich ursächlich für einen Schaden im Sinne eines Vermögensnachteils bei dem Anspruchsteller gewesen sein (Kausalität), der als adäquate Folge der Pflichtverletzung angesehen werden kann und dessen Vermeidung die verletzte Pflicht dient. Da die Schadensersatzpflicht nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo allgemein ihren Grund in der Gewährung von in Anspruch genommenem Vertrauen („Haftung für enttäuschtes Vertrauen“) findet (vgl. Palandt/Heinrichs, 61. Aufl. 2002, § 276 a.F. Rn. 65 f.), ging die Rechtsprechung bisher davon aus, dass ein vergaberechtliches Fehlverhalten des öffentlichen Auftraggebers vor Vertragsschluss dessen Haftung nur dann begründen konnte, wenn ein zusätzliches Vertrauenselement aufseiten des Schadensersatz verlangenden Bieters vorlag (vgl. etwa BGH vom 8.9.1998, X ZR 99/96). Schadensersatz nach Aufhebung eines Vergabeverfahrens, für die kein vergaberechtlich anerkannter Grund (§ 17 VOL/A, § 20 EG VOL/A, § 17 VOB/A, § 17 EG VOB/A) vorlag, konnte ein Bieter nur dann verlangen, wenn er sich ohne Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens daran entweder gar nicht oder nicht so wie geschehen beteiligt hätte (vgl. BGH vom 27.11.2007, X ZR 18/07).

85

Nach dieser Rechtsprechung war das Vertrauen auf die vergaberechtskonforme Abwicklung des Vergabeverfahrens rechtlich dann nicht mehr schutzwürdig, wenn der Bieter bei der ihm im jeweiligen Fall zumutbaren Prüfung erkannt hatte oder hätte erkennen müssen, dass der Auftraggeber von den für ihn geltenden Regeln abweicht (vgl. BGH vom 12.6.2001, X ZR 150/99). War dem Bieter bekannt, dass die Ausschreibung fehlerhaft war, fehlte es nach der damaligen Rechtsprechung jedenfalls an dem notwendigen Vertrauenstatbestand (BGH vom 27.6.2007, X ZR 34/04). Bei einer solchen Kenntnis konnte der Bieter nicht mehr berechtigterweise darauf vertrauen, dass der mit der Erstellung des Angebots und der Teilnahme am Verfahren verbundene Aufwand nicht nutzlos war (BGH vom 1.8.2006, X ZR 146/03; OLG Naumburg vom 28.10.2010, 1 U 52/10). Darüber hinaus verdiente das Vertrauen eines Bieters aber auch dann keinen Schutz, wenn sich ihm die ernsthafte Gefahr eines Regelverstoßes des Auftraggebers aufdrängen muss, ohne dass die Abweichung schon sicher erschien (BGH vom 27.6.2007, X ZR 34/04; BGH vom 1.8.2006, X ZR 146/03; BGH vom 3.6.2004, X ZR 30/03; OLG Stuttgart vom 30.4.2007, 5 U 4/06). Diese rigorose Rechtsprechung höhlte den Schadensersatzanspruch nach Satz 1 zu weitgehend zu Lasten der Bieter aus (zu Recht krit. daher Braun, in: Müller-Wrede, GWB-Vergaberecht, § 126 Rn. 31; Leinemann, Das neue Vergaberecht, Rn. 672).

86

Ein Anspruch auf Schadensersatz sollte demnach schließlich auch ausscheiden, wenn bestimmte Vorgaben in den Vergabeunterlagen oder ein Verhalten der Vergabestelle unklar war, z.B. ob sich die Vergabestelle eine Gesamtvergabe der in Lose aufgeteilten Leistung vorbehalten hatte oder nicht. In einer solchen Konstellation durfte ein Bieter nicht einfach eine von mehreren möglichen Auslegungsvarianten unterstellen, sondern musste sich um Aufklärung durch Einsichtnahme von Unterlagen, Nachfragen, Ortsbesichtigungen etc. bemühen (OLG Naumburg vom 2.7.2009, 1 U 5/09). Unterließ er die gebotenen Aufklärungshandlungen, dann musste er in Kauf nehmen, mit der Vergabeentscheidung in seiner subjektiven Erwartung (nicht in seinem berechtigten Vertrauen) enttäuscht zu werden (OLG Naumburg vom 2.7.2009, 1 U 5/09; vgl. auch OLG Brandenburg vom 20.4.2004, 6 U 116/03). Ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 1, 311 Abs. 2, 3 BGB stand ihm nach der früheren Linie der Rechtsprechung dann nicht zu.

87

Von dieser weitgehend auf dem tatbestandlichen Erfordernis eines Vertrauenselements beruhenden Rechtsprechung hat der BGH nunmehr für den Bereich des Vergaberechts ausdrücklich Abstand genommen. An einem zusätzlichen Vertrauenselement hält der BGH für Schadensersatzansprüche, die auf ein vergaberechtliches Fehlverhalten des öffentlichen Auftraggebers vor Vertragsschluss gestützt sind, nicht fest. Zur Begründung verweist der BGH darauf, dass der aus § 280 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 und § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB hergeleitete Schadensersatzanspruch nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung an die Verletzung einer aus dem Schuldverhältnis herrührenden Rücksichtnahmepflicht der Beteiligten anknüpft. Dafür, dass dem Gläubiger nur dann Schadensersatz zustehen solle, wenn er bei Verletzung einer solchen Rücksichtnahmepflicht zusätzlich gewährtes Vertrauen in Anspruch genommen hat, sei der gesetzlichen Regelung nichts zu entnehmen. Für das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe bestehe auch kein Bedürfnis dafür, das Vertrauen des Bieters etwa als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal weiter zu fordern. Denn dieses Gebiet sei durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass der Ablauf der Vertragsverhandlungen und die dem Auftraggeber dabei auferlegten Verhaltenspflichten eingehend geregelt seien (s. Rn. 60 ff.). An die daraus resultierenden Verhaltenspflichten knüpften die Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB an. Der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens als eines Tatbestands, an dessen Erfüllung die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsanbahnung überhaupt erst festgemacht werden könnte, bedürfe es deshalb nicht (vgl. BGH vom 9.6.2011, X ZR 143/10; vgl. auch BGH vom 5.6.2012, X ZR 161/11 sowie Gröning, GRUR 2009, 266, 268).

88

Maßgeblich ist demnach allein, ob der Auftraggeber durch Missachtung von Vergabevorschriften seine Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der potenziellen Bieter verletzt und einem durch diese Vorschriften geschützten Unternehmen hierdurch Schaden zugefügt hat. Der vom Bieter geltend gemachte Schadensersatzanspruch kann diesem daher nicht mehr mit dem Argument verweigert werden, er habe die Mangelhaftigkeit der Ausschreibung erkannt oder erkennen müssen, so dass er bei Angebotsabgabe nicht im Vertrauen darauf gehandelt hätte, dass das Vergabeverfahren insoweit nach den einschlägigen Vorschriften des Vergaberechts abgewickelt werden würde (BGH vom 5.6.2012, X ZR 161/11). Hierin liegt eine erhebliche Erleichterung der betroffenen Bieter im Schadensersatzprozess (vgl. Rn. 95 und Gröning, GRUR 2009, 266, 269).

3. Rechtsfolge

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Der Schadensersatzanspruch kann alternativ (nicht kumulativ, OLG Thüringen vom 27.2.2002, 6 U 360/01) auf das sog. negative Interesse, je nach Sachverhalt aber auch auf das sog. positive Interesse gerichtet sein.

a) Ersatz des negativen Interesses

90

Mit dem Begriff „negatives Interesse“ werden die Nachteile bezeichnet, die der Anspruchsteller infolge der Pflichtverletzung erlitten hat, weil er darauf vertraut hat, dass der Anspruchsgegner sich an die aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis ergebenden Regeln hält. Bei vergaberechtlichen Sachverhalten geht es daher um die Schäden, die aus dem Vertrauen herrühren, dass die Beschaffung nach den Vorschriften des GWB, der VgV, des EU-Vergaberechts, der einschlägigen Vergabe- und Vertragsordnung oder nach den eigenen Vergabebedingungen des Auftraggebers abgewickelt wird. Nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB kann ein Bieter daher auch die Nachteile ausgeglichen verlangen, die ihm durch die Teilnahme an einer Ausschreibung entstanden sind. Das sind in erster Linie die bereits in Rn. 47 beispielhaft benannten Kosten. Ist dem Bieter wegen seiner Teilnahme am Vergabeverfahren ein anderes Geschäft entgangen, schließt das negative Interesse auch den insoweit entgangenen Gewinn ein.

91

Hat der sich übergangen fühlende Bieter wegen der behaupteten Pflichtverletzung einen Rechtsanwalt eingeschaltet, können auch dessen Gebühren ersetzt verlangt werden (LG Leipzig vom 19.8.2005, 01 HK O 7069/04). Zur Frage der Angemessenheit der Rechtsanwaltsgebühr vgl. neuerdings BGH vom 9.6.2011 (X ZR 143/10), wonach bei vergaberechtlichen Streitigkeiten nicht in jedem Fall pauschal von einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit für die anwaltliche Tätigkeit ausgegangen werden könne. Auch vergaberechtliche Streitigkeiten seien hinsichtlich ihres Umfangs und Schwierigkeitsgrads unterschiedlich gelagert. Es erscheine daher nicht angemessen, diesen Fällen pauschal einen Schwierigkeitsgrad beizumessen, dem regelmäßig eine Gebühr im oberen oder obersten Bereich der einschlägigen Rahmengebühr zu entsprechen habe. Das gelte umso mehr mit Blick auf die anwaltliche Spezialisierung. Zweifelhaft könne ferner sein, den Aufwand bei der Vertretung im Vergabeverfahren generell auch daran zu messen, welche Probleme sich im anschließenden Nachprüfungsverfahren ergeben haben, weil die Auseinandersetzung hinsichtlich des Umfangs und Schwierigkeitsgrads dynamisch verlaufen sein kann.

92

Das „negative Interesse“, also die Kosten der Teilnahme an dem Vergabeverfahren, kann regelmäßig jedoch nur der Bieter verlangen, der ohne den behaupteten Verstoß den Zuschlag erhalten hätte (BGH vom 27.11.2007, X ZR 18/07 sowie BGH vom 9.6.2011, X ZR 143/10; vgl. auch OLG Celle vom 4.3.2010, 13 Verg 1/10). So hat beispielsweise die VK Schleswig-Holstein (vom 25.1.2012, VK-SH 24/11) entschieden, dass der Anspruch nur demjenigen Bieter zusteht, der als Sieger aus dem Vergabeverfahren hervorgegangen wäre (vgl. auch Gröning, GRUR 2009, 266, 268). Das ergibt sich daraus, dass mit der Ausschreibung ein Wettbewerbsverfahren eröffnet wird, bei dem sich die unter Umständen beträchtlichen Aufwendungen der Bieter für die Erstellung der Angebote nur bei dem Gewinner des Verfahrens amortisieren, während die übrigen Teilnehmern in aller Regel auch für beträchtliche Ausgaben zur Vorbereitung ihres Angebots keinen Ersatz erhalten. Ein Verstoß gegen bieterschützende Bestimmungen zum Nachteil eines nachrangigen Bewerbers wird deshalb regelmäßig nicht kausal für den bei ihm durch die Angebotsaufwendungen zu verzeichnenden Vermögensverlust sein (BGH vom 27.6.2007, X ZR 34/04).

93

Das gilt aber nicht ausnahmslos (vgl. etwa BGH vom 9.6.2011, X ZR 143/10 sowie die Nachweise bei Gröning, GRUR 2009, 266, 267 Fn 14 sowie S. 269). Einem Bieter, der den Zuschlag nicht erhalten hat, kann gleichwohl ein Anspruch auf Ersatz solcher Aufwendungen zustehen, die er nicht getätigt hätte, wenn er gewusst hätte, dass sich die Vergabestelle über die sie aus dem vorvertraglichen Vertrauensverhältnis treffenden (Aufklärungs-)Pflichten hinwegsetzt, sie es z.B. unterlässt, rechtzeitig bestimmte Informationen zu erteilen (BGH vom 27.11.2007, X ZR 18/07; OLG Koblenz vom 15.1.2007, 12 U 1016/05; OLG Celle vom 4.3.2010, 13 Verg 1/10). Neben den Fällen unterlassener Aufklärung kommt eine Schadensersatzverpflichtung des Auftraggebers daher gegenüber diesem Bieter z.B. bei einer rechtswidrigen Aufhebung des Verfahrens (vgl. hierzu BGH vom 9.6.2011, X ZR 143/10) oder auch bei einem Verfahrensfehler, der die Einleitung des Vergabeverfahrens als solche betrifft (etwa eine fehlerhafte Kostenschätzung), in Betracht. Ein Anspruch aus culpa in contrahendo auf Erstattung der Kosten für die Teilnahme am Vergabeverfahren kann einem Bieter also auch dann zustehen, wenn er sich ohne Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens nicht oder nicht so, wie geschehen, daran beteiligt hätte (BGH vom 27.11.2007, X ZR 18/07). Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn der Bieter sich in Kenntnis des tatsächlichen Ausschreibungsinhalts mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht am Vergabeverfahren beteiligt und kein Angebot abgegeben hätte (VK Schleswig-Holstein vom 25.1.2012, VK-SH 24/11; OLG Celle vom 4.3.2010, 13 Verg 1/10). Entsprechende Umstände hat der Anspruchsteller (Kläger) in dem Schadensersatzprozess gesondert darzulegen. Es versteht sich nämlich nicht immer von selbst, dass ein Bieter gänzlich von der Bewerbung um einen Auftrag Abstand nimmt, bloß weil er erkennt, dass dieser z.B. fälschlicherweise nur national ausgeschrieben worden ist anstatt europaweit (vgl. BGH vom 27.11.2007, X ZR 18/07). Zu Fällen, in denen das Ausschreibungsverfahren von Anfang an fehlerbehaftet war und deshalb keine echte Amortisationschance für getätigte Aufwendungen bestand, vgl. OLG Schleswig vom 18.1.2001, 11 U 139/99 sowie OLG Dresden vom 10.2.2004, 20 U 1697/03. Nach der bisherigen Sichtweise mussten die betroffenen Bieter also stets darlegen, dass sie auf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens vertraut haben. Daran fehlt es ersichtlich, wenn die den Verstoß gemäß § 107 Abs. 3 GWB gerügt haben (Gröning, GRUR 2009, 266, 269).

94

Im Schadensersatzprozess musste der betroffene Bieter (Kläger) früher in aller Regel nachweisen, dass er sich in Kenntnis einer bestimmten Information, nämlich des vergaberechtswidrigen Verhaltens des Auftraggebers, nicht am Vergabeverfahren beteiligt bzw. wegen des Verstoßes ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet hätte (vgl. BGH vom 27.11.2007, X ZR 18/07). Der Kläger war also u.U. gehalten vorzutragen, dass er sich nicht am Vergabeverfahren solcher Auftraggeber beteilige, die das Vergaberecht nicht beachteten, da er bei solchen Auftraggebern immer damit rechnen müsse, zu Unrecht nicht den Zuschlag zu erhalten, und er keinen konkreten Anlass gesehen habe, an dem rechtmäßigen Verhalten des betreffenden Auftraggebers zu zweifeln (vgl. Weyand, IBR 2008, 174).

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Die Rechtsposition des betroffenen Bieters im Schadensersatzprozess dürfte mit der neuen Rechtsprechung des BGH jedoch deutlich komfortabler geworden sein (Gröning, GRUR 2009, 266, 269):

Da es nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH auf die Inanspruchnahme von Vertrauen nicht länger ankommt (Rn. 87), haben die betroffenen Bieter mit dem Nachweis etwa der Fehlerhaftigkeit der Vergabeunterlagen und in Anbetracht des Umstands, dass das Vergabeverfahren deswegen aufgehoben wurde, ihrer Darlegungslast für den Anspruch auf das negative Interesse genügt. Infolge dieser Pflichtverletzung ist die Aufwendung der Kosten für die Erstellung des Angebots fehlgeschlagen. Eine Anspruchskürzung könnte lediglich unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens (§ 254 BGB) in Betracht kommen. Dabei müsste aber wiederum zu Gunsten des Bieters stets nach der Zumutbarkeit alternativen Verhaltens gefragt werden (zu der gesamten Problematik s. Gröning, GRUR 2009, 266, 269).

b) Ersatz des positiven Interesses

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Der Schadensersatzanspruch kann auch auf das „positive Interesse“ oder „Erfüllungsinteresse“ gerichtet sein. Mit diesen Begriffen werden diejenigen Vermögensnachteile benannt, die ein Anspruchsteller erleidet, weil er den Zuschlag nicht erhält oder erhalten hat. Der Anspruch zielt dann in erster Linie auf den entgangenen Gewinn eines nichtberücksichtigten Bieters, aber auch auf andere Teilaspekte des Entgelts, soweit sie der Anspruchsteller nicht realisieren konnte. Unabhängig davon, ob sich ein Überschuss des Angebotspreises über die aufzuwendenden Kosten feststellen lässt, kann daher ggf. ein Deckungsbeitrag zu den allgemeinen Betriebskosten des Anspruchstellers eingeklagt werden (OLG Schleswig vom 12.10.2004, 6 U 81/01; OLG Stuttgart vom 6.4.2004, 2 Verg 2/04; vgl. auch OLG Dresden vom 27.1.2006, 20 U 1873/05; BGH vom 2.10.2003, III ZR 114/02), der bei Auftragserteilung erzielt worden wäre. Wenn die auftragsbezogenen Verluste höher als die mit dem eingeklagten Betrag abzudeckenden Fixkosten sind, dürfte es jedoch an einem Schaden fehlen (OLG Schleswig vom 12.10.2004, 6 U 81/01).

97

Der Anspruch des bei der Zuschlagserteilung übergangenen Bieters auf das positive Interesse setzt zunächst unter Kausalitätsgesichtspunkten voraus, dass ihm bei ordnungsgemäßen Verlauf des Vergabeverfahrens der Auftrag hätte erteilt werden müssen (vgl. BGH vom 5.6.2012, X ZR 161/11; BGH vom 26.1.2010, X ZR 86/08). Er kann dann Ersatz des Gewinnausfalls (s. Rn. 90) und der Rechtsanwaltskosten (s. Rn. 91) verlangen (st. Rspr., vgl. BGH vom 18.9.2007, X ZR 89/04). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Auftraggeber sich gegenüber dem übergangenen Bieter darauf berufen könnte, ihm hätte wegen der vergaberechtswidrigen Ausgestaltung der Vergabeunterlagen der Zuschlag in einem ordnungsgemäßen Vergabeverfahren überhaupt nicht erteilt werden können. Ansonsten wäre der öffentliche Auftraggeber von jeglicher Haftung für die Verwendung vergaberechtswidriger Unterlagen freigestellt (BGH vom 5.6.2012, X ZR 161/11). Vielmehr soll nach der Rechtsprechung des BGH mit dem Vorbehalt der potenziell möglichen Zuschlagserteilung in erster Linie verhindert werden, dass ein Bieter, dessen Angebot selbst nicht ausschreibungskonform ist und dem deshalb der Auftrag nicht hätte erteilt werden dürfen, Schadensersatz erhält (BGH vom 1.8.2006, X ZR 115/04).

98

Für den Ersatz des positiven Interesses ist weiter erforderlich, dass der betreffende Auftrag tatsächlich an einen Konkurrenten des Anspruchstellers vergeben worden ist. Denn auch derjenige Bieter, der bei einer Ausschreibung das annehmbarste Angebot abgegeben hat, hat deshalb nicht von vornherein Anlass, darauf zu vertrauen, dass ihm der ausgeschriebene Auftrag erteilt wird und er sein positives Interesse hieraus realisieren kann. Ein sachlich gerechtfertigter Vertrauenstatbestand, der zu einem Ersatz des entgangenen Gewinns führt, kann vielmehr erst dann gegeben sein, wenn der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich – wenn auch unter Verstoß gegen die einschlägigen Vergaberegeln – erteilt wurde. Erst dann erweist es sich als berechtigt, dass der betroffene Bieter auf die tatsächliche Durchführung des Auftrags und dem hierdurch zu erlösenden Gewinn vertraut hat. Unterbleibt die Vergabe des Auftrags, kommt hingegen regelmäßig nur eine Entschädigung im Hinblick auf das Vertrauen in Betracht, um im Ergebnis nutzlose Aufwendungen für die Erstellung des Angebots und die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren tätigen zu müssen (BGH vom 5.11.2002, X ZR 232/00; OLG Naumburg vom 26.10.2004, 1 U 30/04; OLG Dresden vom 10.7.2003, WVerg 15/02).

99

Die demnach erforderliche tatsächliche Vergabe des Auftrags an einen Bieter liegt vor, wenn der Auftraggeber mit einem oder mehreren Unternehmen einen Vertrag oder mehrere Verträge abgeschlossen hat und dieser Vertrag bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise das gleiche Vorhaben und den gleichen Auftragsgegenstand betrifft (BGH vom 5.11.2002, X ZR 232/00). Daran fehlt es, wenn der vergebene Auftrag im Vergleich zu dem ausgeschriebenen Beschaffungsvorhaben wesentliche Änderungen aufweist, was nach wirtschaftlichen und technischen Kriterien und nicht nach formalen Aspekten zu beurteilen ist (OLG Dresden vom 9.3.2004, 20 U 1544/03). Ein Anspruch des übergangenen Bieters kann jedoch auch dann bestehen, wenn sich der ausgeschriebene und der tatsächlich erteilte Auftrag nicht decken, der übergangene Bieter aber auf Besonderheiten verweisen kann, die den Auftraggeber hätten veranlassen müssen, ihm – auch – den geänderten Auftrag zu erteilen (BGH vom 5.11.2002, X ZR 232/00).

c) Rechtmäßiges Alternativverhalten

100

Nach allgemeinem Schadensersatzrecht ist einem Schädiger in der Regel ein Schaden dann nicht zuzurechnen, wenn dieser auch bei rechtmäßigem Verhalten entstanden wäre (BGH vom 5.3.2002, VI ZR 398/00; BGH vom 25.11.1992, VIII ZR 170/91; BGH vom 26.10.1999, X ZR 30/98). Eine Schadensersatzpflicht aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB besteht daher in der Regel dann nicht, wenn der Anspruchsgegner darlegen und beweisen kann, dass der Anspruchsteller die pflichtwidrig verursachten Aufwendungen auch dann gehabt oder einen Gewinn nicht gemacht hätte, wenn sich der Anspruchsgegner rechtmäßig verhalten hätte (sog. Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens). Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in Rn. 41 ff. verwiesen.

d) Mitverschulden, § 254 BGB

101

Eigenes Mitverschulden kann den Schadensersatzanspruch des Anspruchstellers nach § 254 BGB mindern oder auch ganz entfallen lassen. Grundsätzlich kann der Vorwurf des Mitverschuldens auch darauf gestützt werden, dass es der Anspruchsteller unterlassen hat, eine Rüge gegen den fraglichen Verstoß zu erheben oder insoweit ein Nachprüfungsverfahren anzustrengen (Rn. 49), um so seine Chance auf den Zuschlag zu wahren. Praktisch dürfte eine Anspruchsminderung wegen Mitverschuldens des Anspruchstellers in vergaberechtlichen Konstellationen jedoch nur selten vorkommen. Denn nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH fehlt es regelmäßig bereits an einer anspruchsbegründenden Voraussetzung, wenn der Anspruchsteller zu dem Zeitpunkt, zu dem er Aufwendungen für die Erarbeitung des eigenen Angebots getätigt und hierdurch sein Vermögen belastet hat, das Fehlverhalten des Anspruchsgegners erkannt oder zumindest hätte erkennen müssen bzw. sich ihm jedenfalls die ernsthafte Gefahr eines Regelverstoßes des Auftraggebers hätte aufdrängen müssen. Eben in diesen Fällen entsteht aber die Rügeobliegenheit des § 107 Abs. 3 GWB (vgl. auch Leinemann, IBR 2011, 534). Ohnehin ist in aller Regel der Schadensersatzanspruch nur dann begründet, wenn dem Anspruchsteller bei rechtmäßigem Vorgehen des Anspruchsgegners der Auftrag hätte erteilt werden müssen (Rn. 98), so dass auch unter diesem Aspekt das Unterbleiben einer Rüge oder eines Nachprüfungsantrags kaum Bedeutung haben kann.

102

Praktisch relevant kann aber § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB sein, wonach der Gläubiger eines Schadensersatzanspruchs gehalten ist, den zu ersetzenden Schaden gering zu halten. Die Bieter sollten sich daher auf notwendige Aufwendungen beschränken. Unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht kann es außerdem geboten sein, die durch den entfallenden Auftrag freigewordenen personellen oder maschinellen Produktionskapazitäten anderweitig einzusetzen (Übernahme von sog. Füllaufträgen) oder aber Kosten durch Kündigungen zu vermeiden (OLG Schleswig vom 19.12.2003, 4 U 4/2000).

e) Verjährung

103

Der Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Zu den Einzelheiten s. § 125 Rn. 30 ff.

f) Zuständigkeit

104

Eine auf §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB gestützte Schadensersatzklage ist vor den Zivilgerichten zu erheben. Soweit es um die Verletzung einer Pflicht geht, die aufgrund des GWB besteht, weil für die konkrete Beschaffungsmaßnahme der Anwendungsbereich des Vergaberechts der §§ 97 ff. GWB eröffnet ist, ist erstinstanzlich ausschließlich das Landgericht sachlich zuständig (§ 87 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 GWB). Bei den sonstigen Beschaffungsmaßnahmen ist entweder das Amtsgericht oder das Landgericht erstinstanzlich zuständig; dies richtet sich nach dem jeweiligen Streitwert. Eine Zuständigkeit der Vergabekammern besteht nicht.

105

Die Klage ist im Allgemeinen am Gerichtsstand des Anspruchsgegners, also in der Regel vor dem Gericht, in dessen Bezirk er wohnt bzw. seinen Sitz hat (vgl. §§ 11 ff. ZPO), zu erheben.

g) Darlegungs- und Beweislast

106

Für die Darlegungs- und Beweislast gilt zunächst das insoweit zu Satz 1 Ausgeführte entsprechend (Rn. 55 ff.). Der Anspruchsteller muss hier diejenigen Tatsachen vortragen und beweisen, die das Zustandekommen eines Schuldverhältnisses, eine Verletzung einer dem Schutz des Anspruchstellers dienenden Pflicht, einen Vertrauenstatbestand, einen Schaden und die Kausalität belegen und aus denen sich insbesondere auch ergibt, dass ohne die Pflichtverletzung der Auftrag an den Anspruchsteller hätte erteilt werden müssen (OLG Saarbrücken vom 2.7.2003, 1 U 113/03). § 124 Abs. 1 GWB ist zu beachten (OLG Naumburg vom 26.10.2004, 1 U 30/04). An eine Entscheidung einer Vergabeprüfstelle, eines Vergabeüberwachungsausschusses oder der Aufsichtsbehörde des öffentlichen Auftraggebers ist das Zivilgericht jedoch nicht gebunden (OLG Naumburg vom 26.10.2004, 1 U 30/04).

107

Bei einer Klage auf Ersatz des positiven Interesses kann der Anspruchsteller seiner Darlegungs- und Beweislast auf zweierlei Weise nachkommen: Er kann den behaupteten Schaden konkret gemäß §§ 249 Abs. 1, 251 Abs. 1 BGB berechnen. In diesem Fall muss er alle Einzelheiten darlegen und beweisen, die z.B. den behaupteten Gewinn ergeben (vgl. OLG Naumburg vom 26.10.2004, 1 U 30/04). Nach § 252 Satz 2 BGB gilt aber bereits derjenige Gewinn als entgangen, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (vgl. hierzu OLG Dresden vom 2.2.2010, 16 U 1373/09). Der Anspruchsteller braucht daher nur die Umstände darzulegen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit eines entgangenen Gewinns ergibt, wobei an dieser Darlegung keine zu strengen Anforderungen gestellt werden dürfen. Bei der Beweisführung kommt ihm zudem die Erleichterung des § 287 ZPO zugute, die dem Gericht eine Schadensschätzung erlaubt und sie sogar gebietet, wenn feststeht, dass überhaupt ein Schaden entstanden ist, sich der Vollbeweis für die Höhe des Schadens jedoch nicht erbringen lässt. In diesem Zusammenhang darf das Gericht die Schätzung eines Mindestschadens nur dann ablehnen, wenn es hierzu an jeglichen greifbaren Anknüpfungstatsachen fehlt.