Selbstkostenpreise sind nach der Grundregel in § 5 Abs. 1 PreisVO grundsätzlich nur „ausnahmsweise“ zulässig, namentlich dann, wenn Marktpreise nach § 4 im Einzelfall nicht festgestellt werden können (1. Alt.) oder der Markt aufgrund einer Mangellage bzw. eines Anbieteroligopols verzerrt ist (2. Alt.). Diese Preisart kommt damit im vergaberechtlichen Kontext insbesondere dann zum Tragen, wenn es sich nicht um „marktgängige“ Standardleistungen handelt und ein Vergabeverfahren (das zur Ermittlung eines „Marktpreises“ führen würde) gerade nicht durchgeführt wird1Fickelscher, in: Gabriel/Krohn/Neun, Vergaberecht, § 21 Öffentliches Preisrecht, Rn. 41., etwa weil es sich um ein Inhouse-Geschäft2Diese fallen jedenfalls nach herrschender Meinung in den Anwendungsbereich der PreisVO (siehe oben unter I. 2.). handelt. Für die Kalkulation des Selbstkostenpreises sind nach § 8 PreisVO die Leitsätze der Anlage PreisLS anzuwenden.
Ist ein Selbstkostenpreis ausnahmsweise zulässig, kann dieser gemäß § 5 Abs. 6 PreisVO in drei Varianten vereinbart werden:
Vorrangig ist der Selbstkostenfestpreis (§ 6 Abs. 1 PreisVO), d.h. die Vereinbarung eines festen Preises auf Basis einer Vorkalkulation (§ 6 Abs. 2) mit dem, spätestens aber unmittelbar nach dem Vertragsschluss. Ist die Vereinbarung eines Festpreises nicht möglich, etwa weil die Kalkulationsgrundlagen bei Vertragsschluss noch nicht abschließend feststehen, kann alternativ im Vertrag zunächst – auf Basis einer überschlägigen Kalkulation – ein vorläufiger Preis als Selbstkostenrichtpreis (§ 6 Abs. 3 PreisVO) vereinbart werden. Sobald die Kalkulation möglich wird, etwa weil im Laufe der Leistungserbringung die Kostenfaktoren deutlich werden, ist dieser Richtpreis in einen Festpreis umzuwandeln. Nur wenn selbst dies nicht möglich ist, darf als „ultima ratio“ ein Selbstkostenerstattungspreis gemäß § 7 PreisVO vereinbart werden, bei dem der Preis erst nachträglich, d.h. nach Leistungserbringung durch den Auftragnehmer, anhand dessen tatsächlich entstandener Kosten festgelegt wird. In diesem Fall gibt es also, anders als bei den anderen beiden Varianten, keine Vorkalkulation des Preises durch den Auftragnehmer vor Vertragsschluss. Die aus der erst nachträglichen Preisfestlegung resultierende große Unsicherheit für die Vertragsparteien will die Regelung dadurch begrenzen, dass einerseits nach § 7 Abs. 1 Satz 2 PreisVO die Vereinbarung einer Obergrenze möglich gemacht wird, andererseits nach Maßgabe von § 7 Abs. 2 PreisVO für die einzelnen Kalkulationselemente möglichst feste Sätze vereinbart werden sollen.
Unabhängig davon, in welcher Variante ein Selbstkostenpreis vereinbart werden soll, richtet sich die Kalkulation gemäß § 8 PreisVO nach den PreisLS. Die wesentlichen Bestandteile einer Selbstkostenpreiskalkulation sind danach:
Stoffe: Nach den Nummern 11 bis 21 PreisLS können u.a. die Kosten von Fertigungsstoffen, Hilfsstoffen, Brennstoffen und Energie in die Kalkulation einfließen. Erfasst sind damit letztlich alle Arten von Ausgangsmaterialien, die bei der Herstellung von Produkten zur Lieferung an den öffentlichen Auftraggeber benötigt werden.
Löhne, Gehälter und andere Personalkosten: Die im Rahmen von Dienstleistungsverträgen für den Preis oftmals prägenden Lohn-, Gehalts- und weiteren Personal(neben-)kosten können nach Nr. 23 PreisLS angesetzt werden, soweit sie den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung entsprechen. Dies betrifft nach Nr. 24 Abs. 1 die tariflichen, oder – soweit sie angemessen sind – die mit den Arbeitnehmern individuell vereinbarten Löhne und Gehälter.
Instandhaltung: Die Kosten für die Instandhaltung von Gebäuden, Betriebseinrichtungen, Maschinen usw. sind nach Nr. 26 PreisLS ansatzfähig, natürlich nur soweit, wie die jeweiligen Gegenstände bei dem konkret in Rede stehenden Auftrag eingesetzt werden.
Abschreibungen: Die Wertminderung der für die Auftragsausführung eingesetzten Anlagegüter kann nach Nr. 37 Abs. 1 PreisLS Eingang in die Kalkulation finden. Dabei sind allerdings gemäß Nr. 38 nicht die steuerlichen oder handelsrechtlichen Wertansätze maßgeblich, sondern ein durch schlichte Teilung der Anschaffungs- bzw. Herstellkosten einer Anlage durch die tatsächlich zu erwartende Lebensdauer (gemäß Nr. 39 Abs. 1) ermittelter Wert.
Kalkulatorische Verzinsung: Der stark betriebswirtschaftlich geprägte Charakter des Preisrechts zeigt sich insbesondere an der Ansatzfähigkeit von kalkulatorischen Zinsen für die Bereitstellung des betriebsnotwendigen Kapitals (Nr. 43 Abs. 1 PreisLS). Dabei kommt es nach Nr. 43 Abs. 3 ausdrücklich nicht auf die tatsächlich für Fremdkapital anfallenden Zinsen an, sondern auf einen kalkulatorischen, also fiktiven Zinssatz auf diejenigen Teile des Anlage- und Umlaufvermögens, die dem Betriebszweck – konkret: dem der Kalkulation zugrunde liegenden Auftrag – dienen.3Waldmann/Müller, in: Ebisch/Gottschalk, Preise und Preisprüfungen, Nr. 44 LSP, Rn. 2. Von der Ermächtigung in Nr. 43 Abs. 2, einen Höchstsatz bzgl. der kalkulatorischen Verzinsung festzulegen, hat der Verordnungsgeber mit der ZinsSatzV Gebrauch gemacht.4Verordnung PR Nr. 4/72 über die Bemessung des kalkulatorischen Zinssatzes vom 17.4.1972 (BAnz. 1972 Nr. 78). Nach deren § 1 beträgt der Höchstzinssatz 6,5 % p.a., was weit vom aktuellen Realzinsniveau entfernt ist.
Steuern: Nach Maßgabe von Nr. 30 PreisLS sind die sogenannten „kalkulierbaren Steuern“ als Kosten zu berücksichtigen. Ausdrücklich genannt sind insoweit die Gewerbesteuer, die (derzeit nicht erhobene) Vermögensteuer, die Grundsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und die Umsatzsteuer für den Eigenverbrauch. Ebenfalls ansatzfähig, allerdings als „Sonderkosten“, ist die auf den Lieferungen und Leistungen des Auftragnehmers lastende Umsatzsteuer, nach dem Wortlaut der Vorschrift ausdrücklich ohne Abzug der abziehbaren Vorsteuer. „Nicht kalkulierbare Steuern“, insbesondere die Einkommen- und Körperschaftsteuern, sind hingegen keine ansatzfähigen Kosten im Sinne der PreisLS und daher vom Auftragnehmer aus seinem allgemeinen Gewinn zu decken.5Waldmann/Müller, in: Ebisch/Gottschalk, Preise und Preisprüfungen, Nr. 30 LSP, Rn. 3.
Kalkulatorischer Gewinn: Schließlich können nach Nr. 51 LSP auch das „allgemeine Unternehmerwagnis“ sowie ein „Leistungsgewinn“ der unternehmerischen Mehrleistung mit einem kalkulatorischen Gewinnansatz in die Preiskalkulation einfließen. Unter dem allgemeinen Unternehmerwagnis versteht man letztlich eine Risikoprämie zur Abgeltung der im jeweiligen Einzelfall zu realisierenden Risiken (z.B. allgemeine Marktlage, betriebliche Situation des Unternehmens, Dringlichkeit des Bedarfs usw.).6Waldmann/Müller, in: Ebisch/Gottschalk, Preise und Preisprüfungen, Nr. 51 LSP, Rn. 5. Der Ansatz des Leistungsgewinns bietet hingegen die Möglichkeit, eine echte unternehmerische Mehrleistung gegenüber dem wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen „Normalmaß“ zu honorieren.7Waldmann/Müller, in: Ebisch/Gottschalk, Preise und Preisprüfungen, Nr. 51 LSP, Rn. 8 ff. Berechnet wird der kalkulatorische Gewinn gemäß Nr. 52 Abs. 1 als Prozentsatz vom betriebsnotwendigen Vermögen, als Prozentsatz vom Umsatz, als Kombination aus beiden Werten, oder als fester Betrag. Von der in Satz 2 der Vorschrift vorgesehenen Möglichkeit zur Festlegung von Richt- oder Höchstsätzen hat der Verordnungsgeber keinen Gebrauch gemacht. Dies führt in der Praxis nicht selten zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Bestimmung eines angemessenen Gewinnaufschlags. Insbesondere im Bereich der gebührenfinanzierten öffentlichen Leistungen stellt sich dann häufig die Frage, ob der im Entgelt des privaten Dienstleisters berücksichtigte Gewinnzuschlag 1:1 in die Gebührenkalkulation des öffentlichen Auftraggebers übernommen werden durfte. Nach der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte dürfte davon auszugehen sein, dass das Kommunalabgabenrecht in dieser Hinsicht engere Grenzen zieht als das Preisrecht, so dass ein Gewinnzuschlag des privaten Dienstleisters ggf. zwar preisrechtlich zulässig, in der Gebührenkalkulation aber gleichwohl nicht ansatzfähig sein kein.8Vgl. Nachweise der Rechtsprechung in BVerwG, Beschl. v. 14.9.2006 – 9 B 2/06, Rn. 10 a.E.
Über die Aufzählung der einzelnen Kalkulationsfaktoren hinaus enthalten die PreisLS zahlreiche weitere Detailregelungen zur Methodik der Kostenkalkulation. Dies zeigt, dass im Bereich des Preisrechts wirtschaftliches Verständnis in noch deutlich größerem Maße vonnöten ist, als dies im Rahmen der vergaberechtlichen Beratung ohnehin der Fall ist. Für eine sachgerechte Beratung insbesondere der öffentlichen Auftraggeber sind betriebswirtschaftliche Kenntnisse unerlässlich.