Open-House-Verträge sind Rabattverträge mit pU, die ohne offenes Verfahren abgeschlossen wurden. Gekennzeichnet sind sie dadurch, dass sie keine Exklusivität gewähren, sondern im Wege eines Beitrittsrechts allen interessierten Bietern offen stehen.1Zu den Vorteilen dieses Verfahrens für KK und pU vgl. Hansen/Heilig, NZS 2017, 290 (292). Die Vertragskonditionen werden dabei vorher von der KK für alle Bieter verbindlich festgelegt. Diese Form des Abschlusses von Rabattverträgen war lange Zeit umstritten. Im Kern ging es um die Frage, ob ein öffentlicher Auftrag eine Auswahlentscheidung des Auftraggebers voraussetzt2LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.10.2008 – L 11 KR 4810/08 ER-B; LSG NRW, Beschl. v. 14.4.2010 – L 21 KR 69/09 SFB; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.1.2012 – Verg 57/11; Verg 59/11; Verg 67/11 („Bahn-BKK“). oder ob jeder öffentliche Auftraggeber verpflichtet ist, Waren im Wettbewerb zu beschaffen und die notwendige Auswahlentscheidung Folge und nicht (ungeschriebenes) Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Auftrags ist.3VK Bund, Beschl. v. 20.2.2014 – VK 1-4/14 (DAK); Beschl. v. 17.12.2010 – VK 1-121/10; Beschl. v. 14.6.2011 – VK 3-62/11; Beschl. v. 10.6.2011 – VK 3-59/11. Auf Vorlage des OLG Düsseldorf4OLG Düsseldorf, Beschl. 13.8.2014 – Verg 13/14. hat der EuGH5EuGH, Urt. v. 2.6.2016 – C-410/14, EuZW 2016, 705 m. Anm. Schabel. das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags mangels einer staatlichen Auswahlentscheidung verneint. Nach seiner Auffassung unterfallen bloße Zulassungen nicht dem Vergaberecht; eine Bevorzugung inländischer Unternehmen drohe nicht, da jedes interessierte Unternehmen jederzeit zu gleichen Konditionen beitreten könne. In Rn. 40 hält der EuGH fest, dass es nach der Definition des Begriffs der Auftragsvergabe in der Richtlinie 2014/24/EU zu deren Merkmalen gehört, dass der öffentliche Auftraggeber den Wirtschaftsteilnehmer auswählt. Allerdings erfordere ein solches Zulassungsverfahren Transparenz in Form einer Bekanntmachung, die es allen potenziell interessierten Unternehmen ermöglicht, vom Ablauf und den wesentlichen Merkmalen Kenntnis zu nehmen.6Vgl. dazu vertiefend: Neun, NZBau 2016, 681; zur möglich Anwendung der EuGH-Entscheidung über den Sozial- und Gesundheitsbereich hinaus: Gaßner, NZS 2016, 767.
In der vergaberechtlichen Entscheidungspraxis werden Nachprüfungsanträge nunmehr auch als unzulässig abgewiesen, sofern das Open-House-Modell entsprechend der Vorgaben des EuGH umgesetzt wurde,7VK Bund, Beschl. v. 12.8.2016 – VK 1-42/15; vgl. auch zur Nichtstatthaftigkeit eines Nachprüfungsverfahrens, wenn im Open-House-Verfahren bereits Zuschläge erteilt wurden: VK Bund, Beschl. v. 21.1.2015 – VK 2-113/14. anders allerdings dann, wenn die Ausnahmevoraussetzungen des vergabefreien Zulassungsverfahrens mangels gleicher Zugangsmöglichkeiten für alle Marktteilnehmer nicht vorliegen. So etwa, wenn die KK bezogen auf die patentfreien Indikationen, Rabattverträge für einen Wirkstoff abschließen will, der einem Second-Medical-Use-Patent unterliegt und dabei die Teilnahmemöglichkeit so beschränkt, dass ausschließlich Arzneimittel mit einer Zulassung nur für die patentfreien Indikationen nachgefragt werden. Damit war der Patentinhaberin, deren Arzneimittel für alle Indikationen zugelassen sind, eine Teilnahme verwehrt. Die VK sah darin eine vergaberechtswidrige De-Facto-Vergabe.8VK Bund, Beschl. v. 14.2.2017 – VK 2-4/17 (zum Wirkstoff Imatinib). Auch die Kopplung von Rabattverträgen – patentfreie Indikationen mit patentgeschützten Indikationen – erfülle nicht die Voraussetzungen eines Open-House-Verfahrens, weil dies – so die VK Bund9VK Bund, Beschl. v. 6.2.2017 – VK 2-6/17 (zum Wirkstoff Imatinib). – eine Bedingung darstelle, die nicht für alle Marktteilnehmer gelte. Der Umstand, wonach die Rabatte für beide Indikationsbereiche unauflösbar in einem Paket miteinander verknüpft seien, wirke sich für den pU, dessen Arzneimittel eine Zulassung über alle Indikationen aufweist, wie eine Bedingung aus, die für andere Marktteilnehmer, deren Arzneimittel nur für den patentfreien Indikationsbereich zugelassen sind, nicht gelte.
Als Fazit lässt sich feststellen, dass Open-House-Modelle vergaberechtlich zulässig sind, sofern bestimmte Bedingungen10Vgl. Vorlagebeschluss des OLG Düsseldorf v. 13.8.2014 – Verg 13/14; Rundschreiben des BVA v. 17.9.2014, Az.: 114-1140.1-4731/2013 zur Durchführung von sog. Open-House-Verfahren. eingehalten wurden:
Die Durchführung eines Zulassungsverfahrens wird europaweit publiziert.
Es werden eindeutige Regeln über den Vertragsschluss und den Vertragsbeitritt festgelegt:
Die Vertragsbedingungen werden im Vorhinein in der Weise festgelegt, dass kein Wirtschaftsteilnehmer auf den Inhalt des Vertrages Einfluss nehmen kann.
Wirtschaftsteilnehmern wird ein jederzeitiges Beitrittsrecht gewährt.
Vertragsschlüsse werden europaweit bekannt gegeben.