Archiv  VOB/A - Onlinekommentar  Kommentar zu § 7 EG VOB/A  II. Allgemeine Grundvoraussetzungen einer ordnungsgemäßen Leistungsbeschreibung nach § 7 EG Abs. 1 

Werk:
VERIS-VOB/A-Online-Kommentar
Herausgeber:
von Wietersheim
Autor:
Donhauser
Stand:
Februar 2013
Thema:
Bauleistungen (VOB)
§ 7 EG

Leistungsbeschreibung, Technische Anforderungen

Allgemeines

(1)

1.

Die Leistung ist eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können.

2.

Um eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen, sind alle sie beeinflussenden Umstände festzustellen und in den Vergabeunterlagen anzugeben.

3.

Dem Auftragnehmer darf kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann.

4.

Bedarfspositionen sind grundsätzlich nicht in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen. Angehängte Stundenlohnarbeiten dürfen nur in dem unbedingt erforderlichen Umfang in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden.

5.

Erforderlichenfalls sind auch der Zweck und die vorgesehene Beanspruchung der fertigen Leistung anzugeben.

6.

Die für die Ausführung der Leistung wesentlichen Verhältnisse der Baustelle, z. B. Boden und Wasserverhältnisse, sind so zu beschreiben, dass der Bewerber ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend beurteilen kann.

7.

Die „Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung“ in Abschnitt 0 der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen, DIN 18299 ff., sind zu beachten.

(2)

Bei der Beschreibung der Leistung sind die verkehrsüblichen Bezeichnungen zu beachten.

Technische Spezifikationen

(3)

Die technischen Anforderungen (Spezifikationen – siehe Anhang TS Nummer 1) an den Auftragsgegenstand müssen allen Bewerbern gleichermaßen zugänglich sein.

(4)

Die technischen Spezifikationen sind in den Vergabeunterlagen zu formulieren:

1.

entweder unter Bezugnahme auf die in Anhang TS definierten technischen Spezifikationen in der Rangfolge

a) 

nationale Normen, mit denen europäische Normen umgesetzt werden,

b) 

europäische technische Zulassungen,

c) 

gemeinsame technische Spezifikationen,

d) 

internationale Normen und andere technische Bezugssysteme, die von den europäischen Normungsgremien erarbeitet wurden oder,

e) 

falls solche Normen und Spezifikationen fehlen, nationale Normen, nationale technische Zulassungen oder nationale technische Spezifikationen für die Planung, Berechnung und Ausführung von Bauwerken und den Einsatz von Produkten.

Jede Bezugnahme ist mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen;

2.

oder in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen, die so genau zu fassen sind, dass sie den Unternehmen ein klares Bild vom Auftragsgegenstand vermitteln und dem Auftraggeber die Erteilung des Zuschlags ermöglichen;

3.

oder in Kombination von Nummer 1 und Nummer 2, das heißt

a) 

in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen unter Bezugnahme auf die Spezifikationen gemäß Nummer 1 als Mittel zur Vermutung der Konformität mit diesen Leistungsoder Funktionsanforderungen;

b) 

oder mit Bezugnahme auf die Spezifikationen gemäß Nummer 1 hinsichtlich bestimmter Merkmale und mit Bezugnahme auf die Leistungs- oder Funktionsanforderungen gemäß Nummer 2 hinsichtlich anderer Merkmale.

(5)

Verweist der Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung auf die in Absatz 4 Nummer 1 genannten Spezifikationen, so darf er ein Angebot nicht mit der Begründung ablehnen, die angebotene Leistung entspräche nicht den herangezogenen Spezifikationen, sofern der Bieter in seinem Angebot dem Auftraggeber nachweist, dass die von ihm vorgeschlagenen Lösungen den Anforderungen der technischen Spezifikation, auf die Bezug genommen wurde, gleichermaßen entsprechen. Als geeignetes Mittel kann eine technische Beschreibung des Herstellers oder ein Prüfbericht einer anerkannten Stelle gelten.

(6)

Legt der Auftraggeber die technischen Spezifikationen in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen fest, so darf er ein Angebot, das einer nationalen Norm entspricht, mit der eine europäische Norm umgesetzt wird, oder einer europäischen technischen Zulassung, einer gemeinsamen technischen Spezifikation, einer internationalen Norm oder einem technischen Bezugssystem, das von den europäischen Normungsgremien erarbeitet wurde, entspricht, nicht zurückweisen, wenn diese Spezifikationen die geforderten Leistungs- oder Funktionsanforderungen betreffen. Der Bieter muss in seinem Angebot mit geeigneten Mitteln dem Auftraggeber nachweisen, dass die der Norm entsprechende jeweilige Leistung den Leistungs- oder Funktionsanforderungen des Auftraggebers entspricht. Als geeignetes Mittel kann eine technische Beschreibung des Herstellers oder ein Prüfbericht einer anerkannten Stelle gelten.

(7)

Schreibt der Auftraggeber Umwelteigenschaften in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen vor, so kann er die Spezifikationen verwenden, die in europäischen, multinationalen oder anderen Umweltzeichen definiert sind, wenn

1.

sie sich zur Definition der Merkmale des Auftragsgegenstands eignen,

2.

die Anforderungen des Umweltzeichens auf Grundlage von wissenschaftlich abgesicherten Informationen ausgearbeitet werden,

3.

die Umweltzeichen im Rahmen eines Verfahrens erlassen werden, an dem interessierte Kreise – wie z. B. staatliche Stellen, Verbraucher, Hersteller, Händler und Umweltorganisationen – teilnehmen können, und

4.

das Umweltzeichen für alle Betroffenen zugänglich und verfügbar ist.

Der Auftraggeber kann in den Vergabeunterlagen angeben, dass bei Leistungen, die mit einem Umweltzeichen ausgestattet sind, vermutet wird, dass sie den in der Leistungsbeschreibung festgelegten technischen Spezifikationen genügen. Der Auftraggeber muss jedoch auch jedes andere geeignete Beweismittel, wie technische Unterlagen des Herstellers oder Prüfberichte anerkannter Stellen, akzeptieren. Anerkannte Stellen sind die Prüf- und Eichlaboratorien sowie die Inspektionsund Zertifizierungsstellen, die mit den anwendbaren europäischen Normen übereinstimmen. Der Auftraggeber erkennt Bescheinigungen von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen anerkannten Stellen an.

(8)

Soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, darf in technischen Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren oder auf Marken, Patente, Typen eines bestimmten Ursprungs oder einer bestimmten Produktion verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden. Solche Verweise sind jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann; solche Verweise sind mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen.

Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis

(9)

Die Leistung ist in der Regel durch eine allgemeine Darstellung der Bauaufgabe

(Baubeschreibung) und ein in Teilleistungen gegliedertes Leistungsverzeichnis zu beschreiben.

(10)

Erforderlichenfalls ist die Leistung auch zeichnerisch oder durch Probestücke darzustellen oder anders zu erklären, z. B. durch Hinweise auf ähnliche Leistungen, durch Mengen- oder statische Berechnungen. Zeichnungen und Proben, die für die Ausführung maßgebend sein sollen, sind eindeutig zu bezeichnen.

(11)

Leistungen, die nach den Vertragsbedingungen, den Technischen Vertragsbedingungen oder der gewerblichen Verkehrssitte zu der geforderten Leistung gehören (§ 2 Absatz 1 VOB/B), brauchen nicht besonders aufgeführt zu werden.

(12)

Im Leistungsverzeichnis ist die Leistung derart aufzugliedern, dass unter einer Ordnungszahl (Position) nur solche Leistungen aufgenommen werden, die nach ihrer technischen Beschaffenheit und für die Preisbildung als in sich gleichartig anzusehen sind. Ungleichartige Leistungen sollen unter einer Ordnungszahl (Sammelposition) nur zusammengefasst werden, wenn eine Teilleistung gegenüber einer anderen für die Bildung eines Durchschnittspreises ohne nennenswerten Einfluss ist.

Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm

(13)

Wenn es nach Abwägen aller Umstände zweckmäßig ist, abweichend von Absatz 9 zusammen mit der Bauausführung auch den Entwurf für die Leistung dem Wettbewerb zu unterstellen, um die technisch, wirtschaftlich und gestalterisch beste sowie funktionsgerechteste Lösung der Bauaufgabe zu ermitteln, kann die Leistung durch ein Leistungsprogramm dargestellt werden.

(14)

1.

Das Leistungsprogramm umfasst eine Beschreibung der Bauaufgabe, aus der die Bewerber alle für die Entwurfsbearbeitung und ihr Angebot maßgebenden Bedingungen und Umstände erkennen können und in der sowohl der Zweck der fertigen Leistung als auch die an sie gestellten technischen, wirtschaftlichen, gestalterischen und funktionsbedingten Anforderungen angegeben sind, sowie gegebenenfalls ein Musterleistungsverzeichnis, in dem die Mengenangaben ganz oder teilweise offen gelassen sind.

2.

Die Absätze 10 bis 12 gelten sinngemäß.

(15)

Von dem Bieter ist ein Angebot zu verlangen, das außer der Ausführung der Leistung den Entwurf nebst eingehender Erläuterung und eine Darstellung der Bauausführung sowie eine eingehende und zweckmäßig gegliederte Beschreibung der Leistung – gegebenenfalls mit Mengen- und Preisangaben für Teile der Leistung – umfasst. Bei Beschreibung der Leistung mit Mengen- und Preisangaben ist vom Bieter zu verlangen, dass er 1. die Vollständigkeit seiner Angaben, insbesondere die von ihm selbst ermittelten Mengen, entweder ohne Einschränkung oder im Rahmen einer in den Vergabeunterlagen anzugebenden Mengentoleranz vertritt, und 2. etwaige Annahmen, zu denen er in besonderen Fällen gezwungen ist, weil zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe einzelne Teilleistungen nach Art und Menge noch nicht bestimmt werden können (z. B. Aushub-, Abbruch- oder Wasserhaltungsarbeiten) – erforderlichenfalls anhand von Plänen und Mengenermittlungen – begründet.

1. Eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung (Abs. 1 Nr. 1)

10

Nach § 7 EG Abs. 1 Nr. 1 hat die Beschreibung der Leistung eindeutig und erschöpfend zu erfolgen, damit sie von allen Bewerbern gleich verstanden werden kann und eine Preiskalkulation ohne weiteres möglich ist.

11

Das im Erfordernis der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung niedergelegte Bestimmtheitsgebot stellt eine Konkretisierung der in § 97 GWB festgeschriebenen vergaberechtlichen Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz, Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung dar (Prieß, NZBau 2004, 20, 22). Bei der Erstellung und Interpretation der Leistungsbeschreibung sind diese Grundsätze zur Präzisierung des Bestimmtheitsgrundsatzes anzuwenden. Ganz konkret ist das Bestimmtheitsgebot ein wesentlicher Bestandteil der so genannten Ex-ante-Transparenz und damit der Möglichkeit des Bieters, die Erfolgsaussichten einer möglichen Bewerbung abschätzen zu können und ein konkurrenzfähiges Angebot unterbreiten zu können (vgl. Noch, Vergaberecht kompakt, Rn. 307).

Bei der Frage, ob und inwieweit eine Leistung eindeutig und erschöpfend beschreibbar ist, hat der Auftraggeber keinen Beurteilungs- oder Entscheidungsspielraum. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der objektiv zu bestimmen ist. Dabei ist auf den Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens abzustellen. In diesem Zeitpunkt vorhandene subjektive tatsächliche oder fachliche Schwierigkeiten des Auftraggebers, die Aufgabenlösung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, rechtfertigen nicht, die Lösung in der Leistungsbeschreibung offen zu lassen oder in ein Verhandlungsverfahren auszuweichen. Kognitions- oder Erfahrungsdefizite hat der Auftraggeber durch Aufklärung, gegebenenfalls durch Zuziehen externer sachverständiger Hilfe, zu beseitigen. Er darf aber diese Probleme nicht auf das anschließende Vergabeverfahren verlagern, sofern die fehlende Eindeutigkeit und Erschöpfbarkeit nicht als Aufgabe im Verhandlungsverfahren geklärt werden soll (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.8.2011 – Verg 36/11).

a. Erschöpfende Leistungsbeschreibung

12

Unter erschöpfender Leistungsbeschreibung versteht man, dass keine Restbereiche der Leistung verbleiben sollen, welche die Vergabestelle nicht zuvor bereits klar umrissen hat. Es muss für den Bieter in vollem Umfang vorausschaubar sein, welche Leistung in welchem Umfang gefordert wird. Dazu müssen alle notwendigen Parameter der Bauleistung, wie Art und Zweck der Leistung, Menge und Qualität sowie technischer Anforderungen und Bedingungen bekannt gemacht werden (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29.09.2004 – 1 Verg 6/04; VK Bund, Beschluss vom 30.01.2001 – VK A 1/99; Noch in: Müller-Wrede, VOL/A, 3. Auflage 2010, § 8 Rn. 34).

b. Eindeutigkeit

13

Eindeutigkeit bedeutet, dass keine unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten der Leistungsbeschreibung in Betracht kommen, die den Bieter im Unklaren lassen, welche Leistung von ihm in welcher Form und unter welchen Bedingungen angeboten werden soll. Dies beinhaltet, dass die Vergabeunterlagen so eindeutig und klar sein müssen, wie sie in Anbetracht des konkreten Vergabegegenstandes, dem mit ihm naturgemäß verbundenen Grad der Bestimmbarkeit und der Art sowie dem Ort dessen Einsatzes nur sein können (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 09.11.2005 – 1 Verg 4/05). Die einzelnen Leistungspositionen müssen so beschrieben sein, dass für den Bieter klar ist, welche Preise beziehungsweise Kosten er jeweils dafür zu kalkulieren hat. Bei fehlender Eindeutigkeit des Leistungsverzeichnisses darf daher kein Ausschluss eines Angebots wegen unzulässiger Mischkalkulationen erfolgen (OLG München, Beschluss vom 24.05.2006 – Verg 10/06). Es dürfen keine inneren Widersprüche und zu anderen Teilen der Vergabeunterlagen enthalten sein. Unter das Eindeutigkeitsgebot fällt auch die Pflicht des Auftraggebers, wesentliche Änderungen der Leistungsbeschreibung allen Bietern gleichermaßen mitzuteilen, um allem Bewerbern/Bietern gleiche Ausgangsbedingungen bei ihrem Angebot zu verschaffen (BGH, Urteil vom 26.10. 1999 – X ZR 30/98, dazu auch Prieß, NZBau 2004, 20, 21).

Das VHB Bund 2008 (Stand: August 2012) führt hierzu unter Ziff. 4.2.1.1 und Ziffer 4.2.1.2 aus:

Eine Leistungsbeschreibung ist eindeutig, wenn sie

  • Art und Umfang der geforderten Leistungen mit allen dafür maßgebenden Bedingungen, z.B. hinsichtlich Qualität, Beanspruchungsgrad, technische und bauphysikalische Bedingungen, zu erwartende Erschwernisse, besondere Bedingungen der Ausführung und etwa notwendige Regelungen zur Ermittlung des Leistungsumfanges zweifelsfrei erkennen lässt,

  • keine Widersprüche in sich, zu den Plänen oder zu anderen technischen Vorgaben und vertragsrechtlichen Regelungen enthält.

Eine Leistungsbeschreibung ist vollständig, wenn sie

  • Art und Zweck des Bauwerks bzw. der Leistung,

  • Art und Umfang aller zur Herstellung des Werks erforderlichen Teilleistungen,

  • alle für die Herstellung des Werks spezifische Bedingungen und Anforderungen darstellt.

c. Grenzen

14

Der Grundsatz der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Er findet seine Grenze im Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Die Pflicht des Auftraggebers, alle kalkulationsrelevanten Parameter zu ermitteln und zusammenzustellen und damit über den genauen Leistungsgegenstand und -umfang vor Erstellung der Leistungsbeschreibung aufzuklären, unterliegt der Grenze des Mach- und Zumutbaren. Er ist zwar verpflichtet, zumutbaren finanziellen Aufwand zu betreiben, um die kalkulationsrelevanten Grundlagen der Leistungsbeschreibung zu ermitteln. Diese Pflicht des Auftraggeber endet aber dort, wo eine in allen Punkten eindeutige Leistungsbeschreibung nur mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand möglich wäre (VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 07.03.2010 – VgK-73/2010).

Die Pflicht zur eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung geht auch nicht soweit, dass die Vergabestelle auch die Pflicht hätte, bestehende Wettbewerbsvorteile oder -nachteile potentieller Bieter durch die Gestaltung der Leistungsbeschreibung auszugleichen. Das Gleichbehandlungsgebot und das Diskriminierungsverbot stellen Anforderungen an das Verhalten des Auftraggebers bei der Vorbereitung und Durchführung der Ausschreibung. Davon unberührt bleiben jedoch Umstände, die nicht auf die Ausschreibung zurückzuführen sind, sondern insbesondere aus der regelmäßig unterschiedlichen Marktstellung der teilnehmenden Unternehmen resultieren. Dies betrifft insbesondere den Umstand, dass ein Unternehmen wegen seiner Präsenz vor Ort und wegen seiner bisherigen Geschäftstätigkeit gegebenenfalls größere Chancen für die Abgabe eines wirtschaftlichen Angebotes hat. Würde der öffentliche Auftraggeber durch die Gestaltung der Leistungsbeschreibung nivellierend eingreifen, um derartige Unterschiede in der Wettbewerbsstellung auszugleichen, wäre dies regelmäßig diskriminierend für das betroffene Unternehmen.

15

Ein Informationsvorsprung ist nicht per se wettbewerbswidrig (BayObLG, Beschluss vom 05.11.2002 – Verg 22/02). Dass die Bieter in einem Vergabeverfahren unterschiedliche Wettbewerbsvoraussetzungen mitbringen, ist eine Tatsache, die nicht über die Gestaltung der Leistungsbeschreibung auszugleichen ist. Der allgemeine vergaberechtliche Wettbewerbsgedanke bringt es mit sich, dass vorhandene Wettbewerbsvorteile bei der Angebotserstellung – auch zum Vorteil des Auftraggebers – nutzbar gemacht werden. Die Verpflichtung der Vergabestelle, den Auftrag in einem fairen Wettbewerb zu vergeben, beinhaltet nicht die Schaffung identischer Ausgangsbedingungen (OLG Koblenz, Beschluss vom 28.10.2009 – 1 Verg 8/09). Die Ausnutzung derartiger Wettbewerbsvorteile durch das Vergaberecht zu bestrafen, indem der Vergabestelle verboten wird, ein darauf basierendes Angebot zu werten und gegebenenfalls den Zuschlag hierauf zu erteilen, wäre daher selbst vergaberechtswidrig, solange sich die Vergabestelle nicht ihrerseits den Wettbewerbsvorteil in diskriminierender Weise verschafft hat (OLG Naumburg, Beschluss vom 05.12.2008 – 1 Verg 9/08).

16

Auch die Auslegungsfähigkeit des Inhalts der Leistungsbeschreibung bildet für sich betrachtet noch kein Verstoß gegen das Eindeutigkeitsgebot. Da jeder Begriff der Sprache auslegungsfähig ist und das genaue Verständnis stets vom Empfängerhorizont abhängt, würde man bei Aufbürdung des Risikos auf den Auftraggeber für jede noch so geringe Unklarheit dem Bieter die Möglichkeit eröffnen, nachträglich Unklarheiten zu „erfinden“, um damit Aufhebungsgründe zu konstruieren (OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.09.2004 – Verg W 5/04).

d. Auslegung der Leistungsbeschreibung

17

Mit dem Abstellen auf die Bewerbersicht in § 7 EG Abs. 1 Nr. 1 ist festgeschrieben, dass die Auslegung der Leistungsbeschreibung nach dem objektiven Empfängerhorizont aus Sicht eines Bieters, der mit der geforderten Leistung in technischer Hinsicht vertraut ist, zu erfolgen hat (OLG Celle, Beschluss vom 13.12.2007 – 13 Verg 10/07; OLG München, Beschluss vom 29.03.2007 – Verg 02/07; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.07.2008 – VII-Verg 22/08; VK Bund, Beschluss vom 10.05.2010 – VK 1-37/10). Abzustellen ist somit nicht auf die Sicht des Einzelnen, sondern darauf, wie alle potenziellen Bieter, also der einschlägige Fachkreis in der konkreten Wettbewerbssituation die verwendete Terminologie üblicherweise einheitlich in dem speziellen, fachlichen Sinne verstehen konnte (BGH Urteil vom 17.06.2004 – VII ZR 75/03; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.3.2005 – Verg 2/05). Die Auslegung hat anhand der anerkannten Auslegungsgrundsätze zu erfolgen. Maßgeblich ist dabei, da es sich bei der den Adressaten der Leistungsbeschreibung um einen abstrakten Empfängerkreis handelt, zunächst der Wortlaut. Diesem kommt bei der Auslegung große Bedeutung zu. Neben dem Wortlaut sind auch die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die konkreten Verhältnisse des Bauwerks, wie dessen technischer und qualitativer Zuschnitt, der daran gerichtete architektonische Anspruch, die Zweckbestimmung des Vorhabens, die Verkehrssitte sowie der Grundsatz von Treu und Glauben (st. Rtspr. BGH, Urteil vom 22.04.1993 – VII ZR 118/92; Urteil vom 18.04.2002 – VII ZR 38/01). Bei der Auslegung der Leistungsbeschreibung ist zunächst von der auf die konkrete Leistung bezogenen Positionen auszugehen. Die dort enthaltenen Angaben sind jedoch in Verbindung mit den sonstigen Angaben des Leistungsverzeichnisses und anderen vertraglichen Unterlagen als sinnvolles Ganzes auszulegen (OLG Koblenz, Urteil vom 19.05.2006 – 8 U 69/05). Die Auslegung hat – zumindest in einem formalisierten Vergabeverfahren nach VOB/A – bei Mehrdeutigkeit so zu erfolgen, dass der Inhalt in vergaberechtskonformer Weise den Anforderungen des § 7 EG entspricht (so genannter Grundsatz der VOB-konformen Auslegung, BGH, Urteil vom 11.05.2009 – VII ZR 11/08; BGH, Urteil vom 11.11.1993 – VII ZR 47/93, BGHZ 124, 64; Kaiser in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, 4. Auflage 2011, § 7 VOB/A Rn. 12).

Bei objektiver Mehrdeutigkeit der Leistungsbeschreibung darf ein Bieter, der eine nachvollziehbare Auslegung vornimmt, nicht mit seinem auf dieser Auslegung fußendem Angebot ausgeschlossen werden (OLG Celle, Beschluss vom 3.6.2010 - 13 Verg 6/10). Selbst dann, wenn die Auslegung nicht den Vorstellungen der Vergabestelle entsprechen sollte, darf grundsätzlich nur das objektiv nach außen Erklärte und nicht das hiervon abweichende subjektiv Gewollte berücksichtigt werden (OLG München, Beschluss vom 03.11.2011 – Verg 14/11).

e. Keine umfangreichen Vorarbeiten

18

Der Auftraggeber hat grundsätzlich selbst die notwendigen Vorarbeiten zu leisten, die ihn in die Lage versetzen, die von ihm gewünschte Leistung zu definieren. Er hat alle dazu notwendigen Informationen vorab selbst zu beschaffen. So darf der Auftraggeber nicht dem Bieter aufgeben, erforderliche Baugrundgutachten selbst einzuholen. Dies ergibt sich nicht zuletzt schon aus § 7 EG Abs. 1 Nr. 6. Die notwendige Sachaufklärung hat der Auftraggeber auch unter Inkaufnahme finanzieller Aufwendungen selbst durchzuführen. Der Auftraggeber kann derartige Gutachten und Planungsleistungen nur dann auf den Bieter überwälzen, wenn er eine ausreichende finanzielle Kompensation dafür bereit hält (vgl. § 8 Abs. 8 Nr. 1 VOB/A). Umgekehrt bedeutet dies jedoch auch, dass der Auftraggeber die Bewerber/Bieter über alle ihm zugänglichen und für die Angebotserstellung erforderlichen Informationen und Erkenntnisse in Kenntnis setzen muss. Verschweigt er dennoch solches Wissen, so verstößt er damit gegen das Transparenzgebot. Dies kann gleichzeitig auch einen Verstoß gegen § 7 EG Abs. 1 Nr. 3 (Überbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses) begründen und im Auftragsfall Mehrvergütungsansprüche auslösen (OLG Naumburg, Urteil vom 15.12.2005 – 1 U 5/05).