Archiv  VOB/A - Onlinekommentar  Kommentar zu § 16 EG VOB/A 

Werk:
VERIS-VOB/A-Online-Kommentar
Herausgeber:
von Wietersheim
Autor:
Oting
Stand:
Dezember 2012
Thema:
Bauleistungen (VOB)
§ 16 EG

Prüfung und Wertung der Angebote

Ausschluss

(1)

1.

Auszuschließen sind:

a) 

Angebote, die im Eröffnungstermin dem Verhandlungsleiter bei Öffnung des ersten Angebots nicht vorgelegen haben, ausgenommen Angebote nach § 14 EG Absatz 6,

b) 

Angebote, die den Bestimmungen des § 13 EG Absatz 1 Nummer 1, 2 und 5 nicht entsprechen,

c) 

Angebote die den Bestimmungen des § 13 EG Absatz 1 Nummer 3 nicht entsprechen; ausgenommen solche Angebote, bei denen lediglich in einer einzelnen unwesentlichen Position die Angabe des Preises fehlt und durch die Außerachtlassung dieser Position der Wettbewerb und die Wertungsreihenfolge, auch bei Wertung dieser Position mit dem höchsten Wettbewerbspreis, nicht beeinträchtigt werden,

d) 

Angebote von Bietern, die in Bezug auf die Ausschreibung eine Abrede getroffen haben, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt,

e) 

nicht zugelassene Nebenangebote, sowie Nebenangebote, die den Mindestanforderungen nicht entsprechen,

f) 

Nebenangebote, die dem § 13 EG Absatz 3 Satz 2 nicht entsprechen,

g) 

Angebote von Bietern, die im Vergabeverfahren vorsätzlich unzutreffende Erklärungen in Bezug auf ihre Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit abgegeben haben.

2.

Außerdem können Angebote von Bietern ausgeschlossen werden, wenn

a) 

ein Insolvenzverfahren oder ein vergleichbares gesetzlich geregeltes Verfahren eröffnet oder die Eröffnung beantragt worden ist oder der Antrag mangels Masse abgelehnt wurde oder ein Insolvenzplan rechtskräftig bestätigt wurde,

b) 

sich das Unternehmen in Liquidation befindet,

c) 

nachweislich eine schwere Verfehlung begangen wurde, die die Zuverlässigkeit als Bewerber in Frage stellt,

d) 

die Verpflichtung zur Zahlung von Steuern und Abgaben sowie der Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung nicht ordnungsgemäß erfüllt wurde,

e) 

sich das Unternehmen nicht bei der Berufsgenossenschaft angemeldet hat.

3.

Fehlen geforderte Erklärungen oder Nachweise und wird das Angebot nicht entsprechend den Nummern 1 oder 2 ausgeschlossen, verlangt der Auftraggeber die fehlenden Erklärungen oder Nachweise nach. Diese sind spätestens innerhalb von sechs Kalendertagen nach Aufforderung durch den Auftraggeber vorzulegen. Die Frist beginnt am Tag nach der Absendung der Aufforderung durch den Auftraggeber. Werden die Erklärungen oder Nachweise nicht innerhalb der Frist vorgelegt, ist das Angebot auszuschließen.

Eignung

(2)

1.

Beim offenen Verfahren ist zunächst die Eignung der Bieter zu prüfen. Dabei sind anhand der vorgelegten Nachweise die Angebote der Bieter auszuwählen, deren Eignung die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen notwendigen Sicherheiten bieten; dies bedeutet, dass sie die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen und über ausreichende technische und wirtschaftliche Mittel verfügen.

2.

Beim nicht offenen Verfahren, Verhandlungsverfahren und beim wettbewerblichen Dialog sind nur Umstände zu berücksichtigen, die nach Aufforderung zur Angebotsabgabe Zweifel an der Eignung des Bieters begründen (vgl. § 6 EG Absatz 3 Nummer 6).

Prüfung

(3)

Die übrigen Angebote sind rechnerisch, technisch und wirtschaftlich zu prüfen.

(4)

1.

Entspricht der Gesamtbetrag einer Ordnungszahl (Position) nicht dem Ergebnis der Multiplikation von Mengenansatz und Einheitspreis, so ist der Einheitspreis maßgebend.

2.

Bei Vergabe für eine Pauschalsumme gilt diese ohne Rücksicht auf etwa angegebene Einzelpreise.

(5)

Die aufgrund der Prüfung festgestellten Angebotsendsummen sind in der Niederschrift über den Eröffnungstermin zu vermerken.

Wertung

(6)

1.

Auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis darf der Zuschlag nicht erteilt werden.

2.

Erscheint ein Angebotspreis unangemessen niedrig und ist anhand vorliegender Unterlagen über die Preisermittlung die Angemessenheit nicht zu beurteilen, ist vor Ablehnung des Angebots vom Bieter in Textform Aufklärung über die Ermittlung der Preise für die Gesamtleistung oder für Teilleistungen zu verlangen, gegebenenfalls unter Festlegung einer zumutbaren Antwortfrist. Bei der Beurteilung der Angemessenheit prüft der Auftraggeber – in Rücksprache mit dem Bieter – die betreffende Zusammensetzung und berücksichtigt dabei die gelieferten Nachweise.

3.

In die engere Wahl kommen nur solche Angebote, die unter Berücksichtigung rationellen Baubetriebs und sparsamer Wirtschaftsführung eine einwandfreie Ausführung einschließlich Haftung für Mängelansprüche erwarten lassen.

(7)

Bei der Wertung der Angebote dürfen nur Kriterien und deren Gewichtung berücksichtigt werden, die in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen genannt sind. Die Kriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängen und können beispielsweise sein: Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebs- und Folgekosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe oder Ausführungsfrist.

(8)

Sind Angebote auf Grund einer staatlichen Beihilfe ungewöhnlich niedrig, ist dies nur dann ein Grund sie zurückzuweisen, wenn der Bieter nicht nachweisen kann, dass die betreffende Beihilfe rechtmäßig gewährt wurde. Für diesen Nachweis hat der Auftraggeber dem Bieter eine ausreichende Frist zu gewähren. Auftraggeber, die trotz entsprechender Nachweise des Bieters ein Angebot zurückweisen, müssen die Kommission der Europäischen Union darüber unterrichten.

(9)

Ein Angebot nach § 13 EG Absatz 2 ist wie ein Hauptangebot zu werten.

(10)

Preisnachlässe ohne Bedingung sind nicht zu werten, wenn sie nicht an der vom Auftraggeber nach § 13 EG Absatz 4 bezeichneten Stelle aufgeführt sind. Unaufgefordert angebotene Preisnachlässe mit Bedingungen für die Zahlungsfrist (Skonti) werden bei der Wertung der Angebote nicht berücksichtigt.

(11)

Die Bestimmungen der Absätze 2, 4, 6 bis 8 gelten auch bei Verhandlungsverfahren und wettbewerblichem Dialog. Absatz 1 Nummer 1 und 2 und die Absätze 3, 9 und 10 sind entsprechend auch bei Verhandlungsverfahren und wettbewerblichem Dialog anzuwenden.

II. Formell fehlerhafte Angebote

4

§ 16 EG Abs. 1 Nr. 1 enthält einen Katalog derjenigen formellen Gründe, aus denen Angebote zwingend auszuschließen sind. In Nr. 2 des Absatzes 1 folgt dann ein Katalog fakultativer Ausschlussgründe. Die Vorschrift ist nicht immer leicht zu lesen, da sie nur im Zusammenhang mit anderen Vorschriften der VOB/A über Form und Inhalt der Angebote (§ 13 EG Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 und 5 VOB/A) verständlich wird.

5

Auszuschließen sind zunächst Angebote, die im Eröffnungstermin dem Verhandlungsleiter bei Öffnen des ersten Angebots nicht vorgelegen haben (§ 16 EG Abs. 1 Nr. 1 lit. a VOB/A). Ausgenommen sind Angebote i.S.d. § 14 EG Abs. 6 VOB/A. Dabei handelt es sich um Angebote, die nachweislich vor Ablauf der Angebotsfrist beim Auftraggeber eingegangen, aber bei Beginn der Submission aus vom Bieter nicht zu vertretenden Gründen dem Verhandlungsleiter nicht vorgelegen haben. Diese Angebote werden wie ein rechtzeitig vorliegendes Angebot behandelt und dürfen nicht ausgeschlossen werden.

6

Die VOB/A sieht keine Möglichkeit vor, dem Bieter die Exkulpation für den Fall zu eröffnen, dass aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen sein Angebot nicht rechtzeitig in den Risikobereich des Auftraggebers gelangt ist. Solche Angebote dürfen im Bereich der VOB/A nicht berücksichtigt werden. Die Berücksichtigung nach Fristablauf eingegangener Angebote kommt im Interesse der Gleichbehandlung aller Bieter und der Gewährleistung eines fairen Verfahrens nicht in Betracht (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 29.04.2008 – 1 W 14/08; OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.01.2009 – Verg W 2/09). Der Bieter trägt also ohne jede Einschränkung das Übermittlungsrisiko.

7

Zwingend auszuschließen sind nach § 16 EG Abs. 1 Nr. 1 lit. b ferner Angebote, die den Bestimmungen des § 13 EG Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 5 nicht entsprochen haben. Dabei handelt es sich um die formellen Anforderungen an die Unterzeichnung bzw. elektronische Signatur der Angebote (§ 13 EG Abs. 1 Nr. 1), über die Integrität der Angebote (§ 13 EG Abs. 1 Nr. 2 VOB/A) und über den Ausschluss von Änderungen an den Vergabeunterlagen (§ 13 EG Abs. 1 Nr. 5 VOB/A).

8

Angebote müssen eindeutig unterzeichnet werden. Die VOB kennt zwar das Erfordernis einer „rechtsverbindlichen“ Unterschrift nicht mehr. Das bedeutet, dass die Vertretungsberechtigung des Unterzeichnenden nicht bereits mit Angebotsabgabe nachgewiesen werden muss. Selbstverständlich muss aber die Unterschrift von einer Person herrühren, die den Bieter vertreten darf. Angebote, die den Vertragspartner nicht eindeutig erkennen lassen oder bei denen sich herausstellt, dass der Unterzeichnende das Bieterunternehmen nicht rechtswirksam vertreten hat, sind ebenso auszuschließen wie nicht unterzeichnete Angebote.

Entsprechendes gilt bei elektronisch übermittelten Angeboten, wenn die erforderliche digitale Signatur fehlt.

Hat der Auftraggeber eine "rechtsverbindliche" Unterschrift gefordert, ist bereits bei Angebotsabgabe von dem Vertretungsberechtigten zu unterschreiben oder die Vollmacht nachzuweisen, bei Angeboten einer Bietergemeinschaft von allen ihren Mitgliedern. Fehlt dies, liegt rechtlich kein Angebot vor, auch eine Nachforderung nach Abs. 1 Nr. 3 ist dann ausgeschlossen (VK Hessen, Beschluss vom 13.03.2012 – 69 d VK 06 / 2012).

9

Auszuschließen sind Angebote, die nicht gem. § 13 EG Abs. 1 Nr. 2 VOB/A in einem verschlossenen Umschlag eingereicht wurden. Im Interesse der Transparenz und der Integrität des Verfahrens darf vor der Submission kein Dritter die Möglichkeit haben, das Angebot zur Kenntnis zu nehmen. Bei elektronischer Übermittlung wird dies durch Verschlüsselung sichergestellt.

10

Änderungen an den Vergabeunterlagen führen immer zum Ausschluss (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.10.2009 – VII-Verg 9/09). Der Begriff der Vergabeunterlagen ist definiert in § 8 EG Abs. 1 VOB/A. Ein Angebot, das Änderungen an den Vergabeunterlagen aufweist, entspricht nicht den Anforderungen der Ausschreibung; der Bieter bietet etwas anderes an als der Auftraggeber ausgeschrieben hat. Die Angebote sind daher nicht vergleichbar. Auf ein solches Angebot kann kein Zuschlag erteilt werden, auch dann nicht, wenn der Auftraggeber die Änderungen als akzeptabel oder sogar vorteilhaft erachtet. Denn der Auftraggeber darf nach Ablauf der Angebotsfrist die Anforderungen, die er aufgestellt hat, nicht nachträglich ändern oder partiell auf sie verzichten (vgl. 3. VK Bund, Beschluss vom 11.03.2010 – VK 3-18/10).

Änderungen sind nicht nur Streichungen oder Korrekturen des Bieters, sondern auch Einschränkungen in einem Begleitschreiben, mit denen der Inhalt des Angebots abweichend von den Vorgaben des Auftraggebers modifiziert wird (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.08.2008 – VII-Verg 42/07). Eine Änderung kann auch darin liegen, dass der Bieter abweichend von den Vorgaben der Ausschreibung eigene Allgemeine Geschäftsbedingungen beifügt (OLG München, Beschluss vom 21.02.2008 – Verg 01/08). Führt der Vergleich des Angebotsinhalts mit dem Inhalt der Vergabeunterlagen in ihrer Gesamtheit zur Feststellung einer Abweichung, ist das Angebot auszuschließen.

11

Änderungen des Bietes an seinen Eintragungen müssen zweifelsfrei sein. Auf inhaltlich nicht eindeutige oder widersprüchliche Angebote darf ein Zuschlag nicht erteilt werden.

12

Es kommt dabei aber nur auf Änderungen oder Abweichungen an, die mit dem Angebot selbst vorgelegt werden. Nachträgliche Korrekturen oder Abweichungen, die der Bieter nach Ablauf der Angebotsfrist – etwa in einem Aufklärungsgespräch – anbringt, sind grundsätzlich unbeachtlich. Er kann das Angebot nach Fristablauf weder zu seinem Vor- noch zu seinem Nachteil ändern. Das Angebot ist so zu werten, wie es mit Ablauf der Angebotsfrist vorgelegt wurde.

13

Auszuschließen sind auch Angebote, die nicht die erforderlichen Preisangaben enthalten (§ 13 EG Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 16 EG Abs. 1 lit. c VOB/A). Hier enthält die VOB/A eine Öffnungsklausel, die in ihrer Reichweite jedoch beschränkt ist. In ihr liegt gleichwohl eine der wichtigsten Änderungen der VOB/A 2009 gegenüber der Vorgängerfassung 2006. Der Grundsatz, dass Angebote mit fehlenden Preisangaben auszuschließen sind, gilt aber weiterhin, es wird lediglich eine Heilungsmöglichkeit für bestimmte eng umgrenzte Sachverhalte eröffnet.

Nach der früheren Rechtsprechung zu § 25 VOB/A 2006 musste ein Angebot stets ausgeschlossen werden, wenn in einer noch so marginalen Position eine Preisangabe fehlte. Der BGH sprach dem Auftraggeber das „Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabe“ ab (BGH, Beschluss vom 24.05.2005 – X ZR 243/02; Beschluss vom 20.01.2009 – X ZR 113/07). Nur so seien in jeder Hinsicht vergleichbare Angebote zu erwarten. Auf die Wesentlichkeit oder Unwesentlichkeit der fehlenden Preisangabe sollte es nicht ankommen.

14

Wie eine fehlende Preisangabe qualifiziert die Rechtsprechung eine „unwahre“ Preisangabe in den Fällen der sog. Mischkalkulation (BGH, Beschluss vom 18.05.2004 – X ZB 7/04). Der Auftraggeber erwarte zu jeder Position des Leistungsverzeichnisses die zutreffende Angabe der mit der Erbringung dieser Leistung verbundenen und vom Bieter kalkulierten Kosten. Eine Vermischung verschiedener Positionen führe zu fehlerhaften und damit letztlich zu fehlenden Preisangaben. Unzulässig ist danach sowohl die „Einpreisung“ von Kosten, die für an anderer Stelle des Leistungsverzeichnisses angegebene Positionen anfallen, als auch die Zusammenfassung mehrerer Einzelpositionen zu einem Gesamtpreis.

15

Das bedeutet aber nicht, dass jede optisch niedrige Position den Vorwurf der Mischkalkulation auslöst. Es mag spezifische und nachvollziehbare Gründe geben, die es dem Bieter ermöglichen, einen solchen niedrigen Preis zu kalkulieren. In diesem Fall ist eine Aufklärung der Bieterkalkulation indiziert. Eine schematische Ausschlussentscheidung nur wegen der ungewöhnlichen Niedrigkeit einzelner Preispositionen darf der Auftraggeber nicht treffen. Mischkalkulation liegt nur vor, wenn der Bieter an einer Stelle des Leistungsverzeichnis mehr fordert als er intern kalkuliert hat, an anderer Stelle dagegen einen höheren Preis als intern kakuliert verlangt, und beides in einem kausalen Zusammenhang steht; dies ist anhand der Kalkulation des Bieters zu überprüfen (KG, Beschluss vom 14.08.2012 – Verg 8/12).

Umstritten ist, ob bei nicht aufklärbarer Kalkulation die Beweislast für das Vorliegen eins Ausschlussgrundes den Bieter oder den Auftraggeber trifft. Nach einer Auffassung hat der Auftraggeber das Vorliegen einer Mischkalkulation zu beweisen (OLG Naumburg, Beschluss vom 22.09.2005 – 1 Verg 7/05). Nach anderer Ansicht ist es Sache des Bieters, die aufgrund eines im Vergleich zu anderen Angeboten niedrigen Einheitspreises naheliegende Vermutung der Mischkalkulation zu entkräften (OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.10.2005 – 11 Verg 8/05). Auffällig niedrige bepreiste Positionen im Leistungsverzeichnis begründen jedenfalls ein Indiz dafür, dass der Bieter nicht die tatsächlich geforderten und kalkulierten Kosten eingepreist hat. Kann der Bieter nicht plausibel erklären, wie seine Preisbildung zustande kommt, oder verweigert er die Aufklärung, liegt der Verdacht einer Mischkalkulation nahe. Stets ist aber zu berücksichtigen, dass der Bieter in seiner Kalkulation frei ist und daher für eine bestimmte Leistung auch einen niedrigen Preis fordern darf, solange er nicht an anderer Stelle dafür eine nicht gerechtfertigte Kompensation verlangt.

16

Angebote, die in einer einzelnen unwesentlichen Position die Angabe des Preises vermissen lassen, können in die Wertung einbezogen werden. Wann eine Position „unwesentlich“ ist, kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern hängt von Umfang und Gegenstand der Ausschreibung ab. Voraussetzung für die Wertbarkeit ist, dass durch die Außerachtlassung dieser Position der Wettbewerb und die Wertungsreihenfolge, auch bei Wertung dieser Position mit dem höchsten Wettbewerbspreis nicht beeinträchtigt wird. Es wird also die fehlende Preisangabe fiktiv durch den höchsten Positionspreis aus dem Kreis der übrigen Angebote ergänzt.

17

Fehlen zwei unwesentliche Positionen, darf das Angebot nicht gewertet werden. Anders als im Bereich der VOL/A führt mehr als eine fehlende Preisangabe immer zum zwingenden Angebotsausschluss. Die Wertung der Position mit dem höchsten Wettbewerbspreis ist eine reine Wertungsvorschrift. Vertragsrechtlich ist die Lücke durch einen Nachtrag auf der Basis der Urkalkulation entsprechend § 2 Abs. 5 VOB/B zu füllen.

18

Auszuschließen sind auch Angebote von Bietern, die eine wettbewerbsbeschränkende Abrede getroffen haben (§ 16 EG Abs. 1 Nr. 1 lit. d). Das können Kartellabsprachen, aber auch jedwede weitere Handlungen sein, die nach dem GWB oder dem UWG unzulässig sind. Eine unzulässige wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweise ist es insbesondere auch, wenn ein Bieter gegen das vergaberechtliche Gebot des Geheimwettbewerbs verstößt, indem er sich rechtswidrig Kenntnis von Angebotsinhalten seines Konkurrenten verschafft. Der Ausschluss trifft alle an solchen Absprachen beteiligten Bieter. Allerdings müssen diese nachgewiesen werden, bloße Vermutungen reichen nicht.

19

Nebenangebote dürfen nur berücksichtigt werden, wenn diese in den Vergabeunterlagen ausdrücklich zugelassen worden sind, § 16 EG Abs. 1 Nr. 1 lit. e. Gegenüber der VOB/A 2009 wurde diese Regelung inhaltlich geändert. Nach der VOB/A 2009 waren Nebenangebote grundsätzlich zu werten, es sei denn der Auftraggeber hatte sie ausdrücklich nicht zugelassen. Die Neuregelung entspricht nun Art. 24 Abs. 2 RL 2004/18/EG (vgl. OLG München, zur Europarechtswidrigkeit der Regelung der VOB/A 2009, Beschluss vom 12.11.2010 – Verg 21/10).

20

Nebenangebote, die dem § 13 EG Abs. 3 Satz 2 VOB/A nicht entsprechen, müssen nach § 16 EG Abs. 1 Nr. 1 lit. f ebenfalls ausgeschlossen werden. Anders als nach der früheren Rechtslage (§ 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A 2006) ist es also kein fakultativer Ausschlussgrund, wenn Nebenangebote nicht auf besonderer Anlage kenntlich gemacht und als solche bezeichnet wurden, sondern führt zwingend zum Angebotsausschluss.

21

Angebote von Bietern, die unzutreffende Erklärungen abgegeben haben, müssen ebenfalls zwingend ausgeschlossen werden, § 16 EG Abs. 1 Nr. 1 lit. g.

22

§ 16 EG Abs. 1 Nr. 2 enthält dann einen Katalog fakultativer Ausschlussgründe. Ausgeschlossen werden können demnach Unternehmen, die sich in Insolvenz oder Liquidation befinden. Die Bieterinsolvenz während des Vergabeverfahrens führt also nicht zwingend zum Ausschluss, sondern zu einer Ermessensentscheidung des Auftraggebers. Bei der Ausübung dieses Ermessens muss der Auftraggeber aber die Risiken angemessen berücksichtigen, die mit der Bezuschlagung des Angebotes eines insolventen Unternehmens verbunden sind (VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.06.2012 – 2 VK LSA 08 / 12).

Nur ein fakultativer Ausschlussgrund ist es ferner, wenn ein Bieter eine schwere Verfehlung begangen hat, die seine Zuverlässigkeit in Frage stellt, oder er seine Verpflichtung zur Zahlung von Steuern und Abgaben nicht erfüllt hat oder sich nicht bei der Berufsgenossenschaft angemeldet hat.

Ob der Auftraggeber bei Vorliegen eines der genannten Tatbestände das Angebot ausschließt, steht in seinem Ermessen. Gerade bei dem Tatbestand der „schweren Verfehlung“ wird zu berücksichtigen sein, ob das Unternehmen Konsequenzen gezogen und eine „Selbstreinigung“ eingeleitet hat. Dabei ist aktuell umstritten, ob der Auftraggeber zum Nachweis der Selbstreinigung den Ausgleich des durch die Verfehlung – z.B. eine Kartellabsprache – entstandenen Schadens verlangen darf.

23

Das Fehlen geforderter Nachweise und Erklärungen führt anders als nach früherer Rechtslage jetzt nicht in jedem Fall zwingend zum Angebotsausschluss. Der Auftraggeber hat nach § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 die Möglichkeit, fehlende Erklärungen oder Nachweise nachzufordern. Innerhalb von sechs Kalendertagen sind diese vorzulegen. Die Frist beginnt am Tag nach der Absendung. Das Angebot ist auszuschließen, wenn innerhalb der Frist die Nachweise nicht vorgelegt werden. Die kurze Frist erklärt sich dadurch, dass dem Bieter nicht die Möglichkeit zur nachträglichen Fabrikation von Nachweisen überlassen werden soll, sondern lediglich Versehen oder Flüchtigkeitsfehler korrigiert werden sollen. Die Frist ist streng zu verstehen, sie ist nicht verlängerbar. Die entsprechende Anwendung des § 193 BGB erscheint jedoch geboten.

Werden die geforderten Nachweise auch innerhalb der gesetzten kurzen Nachfrist nicht vorgelegt, ist der Ausschluss freilich zwingend. Die weitreichende Sanktion des Ausschlusses setzt allerdings voraus, dass der Auftraggeber klar und unmissverständlich angibt, welche Nachweise und Erklärungen er verlangt. Liegt eine vom Empfängerhorizont der Bieter aus unmissverständliche Anforderung nicht vor, muss der Ausschluss unterbleiben (OLG München, Beschluss vom 12.10.2012 – Verg 16/12).

24

Voraussetzung der Nachforderung ist, dass das Angebot nicht bereits nach Absatz 1 des § 16 EG ausgeschlossen werden musste. Ist das nicht der Fall, spricht der Wortlaut der Vorschrift dafür, dass eine Nachforderung erfolgen muss, es also nicht in das Ermessen des Auftraggebers gestellt ist, ob er wegen einer fehlenden Erklärung ausschließt oder nachfordert. Kein Raum für eine Nachforderung nach Nr. 3 bleibt indessen, wenn das Angebot inhaltlich unvollständig oder abweichend von den Vergabeunterlagen angeboten wurden. In diesen Fällen fehlt keine Erklärung, sondern der Bieter hat etwas anderes abgegeben als verlangt wurde; ein solches Angebot ist zwingend auszuschließen, ohne dass eine Nachbesserungsmöglichkeit eröffnet werden darf (OLG Dresden, Beschluss vom 21.02.2012 – Verg 0001 / 12).

25

Nachweise und Erklärungen sind alle Dokumente, die der Auftraggeber mit dem Angebot abgefordert hat. Er muss die Anforderung allerdings eindeutig erklärt haben. Das können Angaben zum Leistungsinhalt sein – etwa geforderte Fabrikatsangaben – oder Angaben zur Eignung. Nicht zu den Erklärungen i.S.d. Absatzes 3 gehören die Preisangaben, für die die Sonderregelung des Absatzes 1 Nr. 1 lit. c gilt.

26

Angebote, denen geforderte Eignungsnachweise fehlen, sind unvollständig; sie sind bereits auf der ersten Wertungsstufe auszuschließen. Nach der Neufassung der VOB/A ist diese früher umstrittene Frage geklärt. Häufiges praktisches Beispiel ist die Forderung, Nachunternehmer anzugeben oder jedenfalls die Gewerke zu benennen, die an Nachunternehmer vergeben werden sollen. Die namentliche Benennung von Nachunternehmern schon mit dem Angebot soll nach der Rechtsprechung des BGH in der Regel dem Bieter nicht zumutbar sein. Hat sich der Bieter rügelos hierauf eingelassen, wird er sich aber an dieser Anforderung festhalten lassen müssen. Fehlende Nachunternehmererklärungen können nach dieser Vorschrift nachgefordert werden.

Analog anzuwenden ist Abs. 1 Nr. 3 auf Eignungsnachweise, die nicht bereits mit dem Angebot abzugeben waren, sondern vom Auftraggeber später angefordert werden (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.02.2012 – 11 Verg 11 / 11).

27

Eine besondere Regelung trifft § 6 EG Abs. 8VOB/A zur Vorlage einer sog. Verpflichtungserklärung zum Nachweis der Verfügbarkeit von Unternehmen, auf deren Kapazitäten sich der Bieter zum Nachweis seiner Eignung berufen möchte. Der Auftraggeber kann diese Erklärungen erst von den Bietern der engeren Wahl fordern. Auch hier gilt aber: Hat der Auftraggeber deren Vorlage bereits mit dem Angebot verlangt, handelt es sich um eine „geforderte Erklärung“.

28

Der Bieter hat grundsätzlich die Beweislast für die Vollständigkeit seines Angebots.