Fachliteratur  Kommentare und Handbücher  Bauvertragsrecht nach BGB und VOB/B  Teil 2 VOB/B  § 17 VOB/B Sicherheitsleistung  D. § 17 Abs. 4 VOB/B: Sicherheitsleistung durch Bürgschaft 

Werk:
Bauvertragsrecht nach BGB und VOB/B
Herausgeber:
Mark von Wietersheim
Autor:
Ioannis Lazos
Stand:
Januar 2018
Thema:
Bauleistungen (VOB)
Auflage:
4. Auflage

VI. Verjährung

28

Wie unter Rn. 17 bereits dargestellt, ist die Bürgschaftsschuld akzessorisch, d.h. sie hängt vom Inhalt, Umfang und Bestehen der Hauptforderung des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer ab, sodass beispielsweise der Bürge nicht mehr in Anspruch genommen werden kann, wenn der Mangelanspruch des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer bereits verjährt ist.

29

Da die Bürgschaftsschuld aber, wie ebenfalls bereits dargestellt, einen eigenständigen Anspruch des Auftraggebers gegenüber dem Bürgen darstellt, kann diese auch unabhängig von der Hauptschuld, d.h. auch vor der Hauptschuld verjähren. Der Anspruch aus der Bürgschaft verjährt nämlich gemäß § 195 BGB in der sogenannten regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren, beginnend mit der Entstehung des Anspruchs und der Kenntnis bzw. dem Kennenmüssen des Auftraggebers von den anspruchsbegründenden Umständen. Der Bürgschaftsanspruch seinerseits entsteht mit Fälligkeit der gesicherten Forderung, was für den Auftraggeber große Gefahren birgt.

30
Beispiel:

Der Auftraggeber vereinbart mit dem Auftragnehmer eine Verjährungsfrist für Mängelansprüche von fünf Jahren. Sicherheit wird geleistet durch Stellung einer Bürgschaft nach den Vorgaben aus § 17 VOB/B. Im ersten Jahr der Verjährungsfrist stellt der Auftraggeber einen Mangel fest, den er mit Fristsetzung zur Mängelbeseitigung gegenüber dem Auftragnehmer rügt. Es folgt ein längerer Zeitraum, in dem sich die Bauvertragsparteien über die Mangelbeseitigungspflicht des Auftragnehmers auseinandersetzen. Im fünften Jahr und vor Beseitigung der Mängel fällt der Auftragnehmer in die Insolvenz. Der Auftraggeber wendet sich an den Bürgen und verlangt Kostenvorschuss für die Beseitigung der gerügten Mängel. Der Bürge wendet die Verjährung des Bürgschaftsanspruchs ein. Zu recht. Zwar ist die Hauptforderung noch nicht verjährt, da die Verjährungsfrist der Mängelansprüche noch nicht abgelaufen war. Die Verjährungsfrist der dreijährigen Verjährung des Bürgschaftsanspruchs begann jedoch bereits im ersten Jahr nach Abnahme, da mit Ablauf der Fristsetzung zur Mängelbeseitigung bereits der Kostenvorschussanspruch des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer entstanden war, mithin auch der Bürgschaftsanspruch fällig wurde.

31

Um dieses für den Auftraggeber missliche Ergebnis zu vermeiden, sollte in den Bauverträgen vorgesehen werden, dass der Bürgschaftsanspruch nicht vor der gesicherten Hauptforderung verjährt. Von dieser Problematik zu unterscheiden ist der bereits angesprochene Fall der Verjährung der Hauptschuld des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer. Dies führt zum Entfall der Bürgenhaftung. Der Bürge kann sich auf die Verjährung der gesicherten Forderung auch noch dann berufen, wenn diese erst nach Erhebung der Bürgschaftsklage oder erst nach Verurteilung des Bürgen eintritt.

32
Praxistipp:

Es ist häufig zu beobachten, dass sich Auftraggeber nach Auftreten von Mängeln direkt an einen Bürgen wenden und Kostenvorschuss verlangen. Sie „vergessen“ dabei vollständig das Rechtsverhältnis zu ihrem Auftragnehmer. Da Verhandlungen mit dem Bürgen jedoch keine Hemmung der Verjährungsfrist im Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer bewirken, kann es dem Auftraggeber passieren, dass nach langen Verhandlungen mit dem Bürgen die Verjährung des Hauptanspruchs eintritt und der Bürge frei wird.

Es ist daher ratsam, in jedem Fall gegen den Auftragnehmer verjährungshemmende Maßnahmen einzuleiten (Klage, selbstständiges Beweisverfahren) oder aber für die Dauer der Verhandlungen mit dem Bürgen einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung mit dem Auftragnehmer zu vereinbaren.