§ 12 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B setzt voraus, dass der Auftragnehmer den Auftraggeber schriftlich über die Fertigstellung seiner Leistung informiert; eine mündliche Information reicht für die Abnahmefiktion nicht aus. Die Mitteilung muss gegenüber dem Auftraggeber oder einem insoweit ausdrücklich Bevollmächtigten erfolgen.
Maurerbetrieb
Egon Lotrecht
98765 Wandhausen
[Datum]
Behörde für städtisches Bauen
Herrn Oberbaurat Meyer
Mauerstraße 4711
12345 Hochbaustadt
Bauvorhaben Stadtmauer
Sehr geehrter Herr Meyer,
hiermit teile ich Ihnen mit, dass ich die o. a. Bauleistung fertig gestellt habe.
Mit freundlichen Grüßen
Lotrecht
Die Fertigstellungsmitteilung ist in der Praxis aber keinesfalls immer so eindeutig, sondern kann auch „versteckt“ erfolgen. Erforderlich ist nämlich nur, dass für den Auftraggeber zweifelsfrei erkennbar ist, dass der Auftragnehmer von der Fertigstellung seiner Leistung ausgeht1Franke, Kemper, Zanner, Grünhagen-Zanner, § 12 VOB/B Rn. 133..
So kann eine Fertigstellungsanzeige
in der Übersendung der Schlussrechnung, mit der der Auftragnehmer die Leistung erkennbar abschließend abrechnen will2BGH, BauR 1989, S. 602. (insoweit kann auch eine als „Abschlagsrechnung“ bezeichnete, aber offenkundig abschließende Rechnung ausreichend sein3OLG Düsseldorf, BauR 1997, S. 843.),
in der Mitteilung des Auftragnehmers, er habe die Baustelle wegen der Fertigstellung der Arbeiten geräumt (Baustellenräumung),
liegen.
Maurerbetrieb
Egon Lotrecht
98765 Wandhausen
[Datum]
Behörde für städtisches Bauen
Herrn Oberbaurat Meyer
Mauerstraße 4711
12345 Hochbaustadt
Bauvorhaben Stadtmauer
Sehr geehrter Herr Meyer,
in der obigen Angelegenheit teile ich Ihnen mit, dass ich die Baustelle am … [Datum] nach Beendigung meiner Arbeiten geräumt habe.
oder
in der obigen Angelegenheit übersende ich Ihnen mit der Bitte um Prüfung und Ausgleich – erforderlichenfalls des unbestrittenen Guthabens – gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B – gemäß meiner Forderung meine Schlussrechnung vom heutigen Tag.
Mit freundlichen Grüßen
Lotrecht
Will der Auftraggeber die Rechtsfolgen einer fiktiven Abnahme vermeiden, muss er seinerseits reagieren und innerhalb der Fristen des § 12 Abs. 5 Nr. 1 und 2 VOB/B z.B. eine förmliche Abnahme verlangen oder die Abnahme wegen wesentlicher Mängel verweigern.
Behörde für städtisches Bauen
Mauerstraße 4711
12345 Hochbaustadt
[Datum]
Maurerbetrieb
Egon Lotrecht
Ziegelgasse 12
98765 Wandhausen
Bauvorhaben Stadtmauer
Sehr geehrter Herr Lotrecht,
mit Datum vom … haben Sie uns die Fertigstellung der obigen Bauleistung mitgeteilt.
oder
mit Datum vom … haben Sie uns für die obige Bauleistung Ihre Schlussrechnung übersandt.
Wir verlangen die Durchführung einer förmlichen Abnahme und setzen als Abnahmetermin den … [Datum], 10.00 Uhr, fest.
oder
Die Bauleistung weist folgende wesentliche Mängel auf [ausführliche Beschreibung der Mängel]. Aus diesem Grunde wird die Abnahme von uns bis zur Beseitigung der vorstehend benannten Mängel verweigert.
Wir fordern Sie auf, die Mängel zu beseitigen und uns über die durchgeführte Beseitigung zu informieren. Nach erfolgter Beseitigung der Mängel werden wir die Leistung im Wege einer förmlichen Abnahme abnehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Meyer
Oberbaurat
Die Leistung gilt als abgenommen mit Ablauf von 12 Werktagen ab Zugang der schriftlichen Mitteilung über die Fertigstellung. Für die Berechnung des Zeitraumes gelten die §§ 187 ff. BGB.
Übersendet der Auftragnehmer in der Hoffnung, eine fiktive Abnahme bewirken zu können, eine Fertigstellungsmitteilung oder eine Schlussrechnung, muss der Auftraggeber innerhalb von 12 Werktagen reagieren und seinerseits entweder schriftlich eine förmliche Abnahme verlangen oder die Abnahme wegen wesentlicher Mängel verweigern. Die schriftliche Erklärung des Auftraggebers muss dem Auftragnehmer innerhalb der Frist zugehen.