Eine stillschweigende Abnahme, der beim VOB/B-Vertrag insbesondere im Hinblick auf die Vereinbarung oder Forderung einer förmlichen oder ausdrücklichen Abnahme eine allenfalls sehr geringe Bedeutung zukommt, liegt vor, wenn der Auftraggeber durch schlüssiges bzw. konkludentes Handeln „erklärt“, die erbrachte Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäß anzunehmen1BGH, BauR 1994, S. 242.. Anders als bei der fiktiven Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B ist es für die stillschweigende Abnahme erforderlich, dass der Auftraggeber einen Abnahmewillen hat, auf den aus dem Verhalten des Auftraggebers geschlossen werden muss, sodass eine stillschweigende Abnahme ausgeschlossen ist, wenn das Verhalten des Auftraggebers darauf hindeutet, dass er die Leistung nicht als vertragsgemäß anerkennt2Palandt-Sprau, BGB, § 640, Rn. 6..
Der Auftraggeber zieht in ein Gebäude ein und nutzt es, hat aber vor dem Einzug Mängel gerügt und die Abnahme berechtigterweise verweigert. In diesem Fall kann aus dem Verhalten des Auftraggebers nicht der Schluss gezogen werden, dass er das Werk billigt. Eine stillschweigende Abnahme liegt nicht vor3BGH, BauR 1999, S. 1186..
Der Auftraggeber zieht in ein – im Wesentlichen noch nicht fertig gestelltes – Wohnhaus, weil er seine bisherige Wohnung räumen muss. In diesem Fall ist nicht von einer stillschweigenden Abnahme auszugehen4BGH, BauR 1975, S. 344..
Eine stillschweigende Abnahme kann dagegen vorliegen, wenn
der Auftraggeber ohne Einwände das Bauwerk in Benutzung nimmt und nutzt, in einem solchen Verhalten wird allerdings beim VOB/B-Vertrag eine fiktive Abnahme (§ 12 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B) vorliegen,
der Auftraggeber vorbehaltlos die vereinbarte bzw. die geforderte Vergütung bezahlt5OLG Hamm, BauR 2003, S. 106. oder den Sicherheitseinbehalt ausbezahlt,
der Auftraggeber das Werk veräußert6BGH, NJW-RR 1996, S. 883.,
der Auftraggeber Ansprüche nach § 13 VOB/B geltend macht.
Bei einer bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme ist der Zeitpunkt der Benutzung nicht mit dem Zeitpunkt der stillschweigenden Abnahme identisch. Dem Auftraggeber wird vielmehr vom Zeitpunkt der Inbenutzungnahme eine angemessene Prüfungsfrist (Nutzungsfrist) eingeräumt, die von den Umständen des Einzelfalls abhängt7BGH, BauR 1985, S. 220.. Die mit der Bestimmung eines solchen Zeitpunktes verbundenen Unwägbarkeiten machen deutlich, dass der Auftraggeber den Eintritt einer stillschweigenden Abnahme – etwa auch durch das Verlangen einer förmlichen Abnahme – vermeiden sollte.
Haben die Vertragspartner eine förmliche Abnahme vereinbart oder wird die Durchführung einer förmlichen Abnahme verlangt (§ 12 Abs. 4 VOB/B), so schließt dies eine stillschweigende Abnahme aus. Trotz Vereinbarung einer förmlichen Abnahme liegt eine stillschweigende Abnahme allerdings dann vor, wenn eine förmliche Abnahme nach Abschluss der Baumaßnahme unterbleibt, sie „vergessen“ wird und ein längerer Zeitraum verstrichen ist (vgl. dazu unten Rn. 84 ff.).