Ein fehlender Vertragsstrafenvorbehalt führt zum Verlust der Vertragsstrafe (§ 11 Abs. 4 VOB/B bzw. § 341 Abs. 2 BGB). Die Vorbehaltserklärung muss bei der Abnahme erfolgen bzw. zum Ausdruck kommen. Vorbehaltserklärungen zu einem zeitlich früheren oder späteren Zeitpunkt sind unbeachtlich1BGH, BauR 1973, S. 192., es sei denn, der Vertragsstrafenanspruch ist bereits vor der Abnahme im Wege einer Klage geltend gemacht worden und wird zum Zeitpunkt der Abnahme weiterverfolgt2BGH, BauR 1983, S. 80..
Nach Ansicht des OLG Düsseldorf3OLG Düsseldorf, BauR 2000, S. 112. soll allerdings ein ausdrücklich und schriftlich erklärter Vertragsstrafenvorbehalt ein oder zwei Tage vor der Abnahme ausreichen, da der Auftragnehmer in diesem Falle nicht davon ausgehen dürfe, der Auftraggeber habe auf die kurz zuvor geltend gemachte Vertragsstrafe verzichtet. Der Auftraggeber sollte eine solche Situation aber gar nicht erst entstehen lassen, sondern den Vorbehalt bei der Abnahme erklären.
Der Auftragnehmer hat die vereinbarte Vertragsfrist schuldhaft überschritten. Die vereinbarte Vertragsstrafe ist verwirkt. Der Auftraggeber teilt dem Auftragnehmer einige Wochen vor der Abnahme mit, dass er die Vertragsstrafe beanspruchen werde. Bei der Abnahme unterlässt der Auftraggeber den Vorbehalt der Vertragsstrafe. Gleichwohl zieht er die Vertragsstrafe von der Schlussrechnung ab. Zu Unrecht: Aufgrund des fehlenden Vorbehalts ist der Vertragsstrafenanspruch entfallen.
Abbildung 5: Rechtsfolgen bei unterlassener Vorbehaltserklärung
Eine Ausnahme vom Vorbehaltserfordernis bei der Abnahme besteht dann, wenn im Vertrag – auch in Besonderen oder Zusätzlichen Vertragsbedingungen – vereinbart ist, dass sich der Auftraggeber die Vertragsstrafe nicht schon bei der Abnahme vorbehalten muss, sondern er sie vielmehr noch bis zur Schlussrechnung geltend machen darf4BGH, BauR 1979, S. 56.; das bedeutet, dass der Vorbehalt spätestens bis zur Fälligkeit der Schlusszahlung erklärt werden muss; hierin liegen allerdings erhebliche Unsicherheiten, sodass auch insoweit die Geltendmachung des Vorbehalts bei der Abnahme dringend zu empfehlen ist.
Schließlich ist das Unterlassen der Vorbehaltserklärung bei der Abnahme unbeachtlich, wenn der Auftraggeber mit seinem Vertragsstrafenanspruch bereits vor der Abnahme aufgerechnet hat5BGHZ 85, S. 240 und BauR 1993, S. 77..
Auch der Vertragsstrafenvorbehalt ist vom Auftraggeber oder seinem Bevollmächtigten gegenüber dem Auftragnehmer oder dessen Bevollmächtigten zu erklären. Eine durch einen nicht bevollmächtigten Dritten abgegebene bzw. eine gegenüber einem nicht bevollmächtigten Dritten abgegebene Vorbehaltserklärung ist nicht wirksam, kann aber gemäß § 184 BGB nachträglich genehmigt werden (vgl. dazu oben Rn. 12).
Im Falle der Vertragskündigung gemäß § 8 VOB/B kann die bei der Abnahme vorzubehaltene Vertragsstrafe nur bis zum Zeitpunkt der Kündigung gefordert werden (§ 8 Abs. 6 und 7 VOB/B).