Von der Frage, ob die VOB/B formell wirksam in einen Bauvertrag einbezogen wurde, ist zu unterscheiden, ob sie auch wirksam Vertragsbestandteil geworden ist und der Verwender sich auf VOB/B-Klauseln berufen kann. Denn selbst wenn die formellen Anforderungen zur Einbeziehung der VOB/B in einen Bauvertrag beachtet worden sind, bedeutet dies nicht, dass die VOB/B auch materiell wirksam Bestandteil des Vertrags wurde.
Der Grund dafür ist, dass die VOB/B der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterliegt. Danach sind Klauseln unwirksam, wenn sie von bestimmten gesetzlichen Regelungen zum Nachteil des Vertragspartners abweichen. Eine solche, verglichen mit Verbraucherverträgen allerdings eingeschränkte Prüfung erfolgt auch bei Verträgen mit Unternehmern gemäß § 307 BGB. Zwar findet keine Inhaltskontrolle entsprechend den Katalogen der §§ 308 f. BGB statt. Jedoch nutzen viele Gerichte eben diese Kataloge als Maßstab für die nach § 307 BGB erforderliche Inhaltskontrolle.
Eine wirksame Vereinbarung der VOB/B liegt jedenfalls dann vor, wenn die VOB/B insgesamt in den Vertrag einbezogen wurde. Dies setzt voraus, dass in den übrigen, vorrangigen Vertragsbestandteilen1Vgl. zur Rangfolge der Vertragsbestandteile: Warnecke in § 1 VOB/B Rn. 27. keine zu Lasten des Vertragspartners von der VOB/B abweichenden Vereinbarungen getroffen wurden. Seit dem Urteil des BGH vom 22. Januar 20042BGH, ZfBR 2004, 362. führt jede vertragliche Abweichung von der VOB/B dazu, dass diese nicht „als Ganzes“ vereinbart wurde. Dies wiederum bedeutet, dass die Privilegierung der VOB/B entfällt und jede ihrer Klauseln einzeln einer Inhaltskontrolle unterzogen wird. Da die VOB/B in einer Vielzahl von Klauseln von den gesetzlichen Vorgaben des Werkvertragsrechts abweicht und nur insgesamt einen ausgewogenen Ausgleich der Rechte und Pflichten zwischen den Vertragsparteien herstellt, führt eine isolierte Prüfung einzelner VOB/B-Klauseln häufig zu deren Unwirksamkeit.
Als unwirksam bei isolierter Betrachtung wurden von der BGH-Rechtsprechung z.B. folgende Klauseln der VOB/B angesehen:
§ 13 Abs. 4 VOB/B3BGH, BauR 1986, 89.,
§ 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B4BGH, BauR 2004, 668.,
§ 16 Abs. 6 S. 1 VOB/B5BGH, NJW 1990, 2384..
Als bei isolierter Betrachtung wirksam wurden von der BGH-Rechtsprechung folgende Klauseln der VOB/B erachtet:
§ 1 Abs. 4 S. 1 VOB/B6BGH, NJW 1996, 1346.,
§ 2 Abs. 5 S. 1 VOB/B7BGH, NJW 1996, 1346.,
§ 18 Abs. 4 VOB/B8BGH, NJW 1996, 1346..
Zur Prüfung, ob die eine Klausel der VOB/B wirksam ist, kann folgendes Schema verwendet werden:
Abbildung: Materiell wirksame Einbeziehung der VOB/B
Die Regelungen der VOB/B gelten nur für Bauleistungen. Dies sind gemäß § 1 VOB/A Arbeiten jeder Art, durch die eine bauliche Anlage hergestellt, instandgehalten, geändert oder beseitigt wird.
Arbeiten in diesem Sinne sind bauhandwerkliche und bauindustrielle Maßnahmen, mit denen ein Bauwerk unmittelbar geschaffen, erhalten oder geändert wird9BGH, NJW 1973, 368.. Entscheidend ist, dass die Leistungen auf einen unmittelbaren Erfolg am Bauwerk gerichtet sind10BGH, NJW 1973, 368.. Unter einem Bauwerk versteht man eine unbewegliche, durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit der Erdoberfläche hergestellte Sache11BGH, NJW 1971, 2219.. Da Architekten- und Ingenieurleistungen keine unmittelbaren Auswirkungen auf Bauwerke haben, sind dies keine Bauleistungen12BGH, BGHZ 101, 369, 376.. Zu den Bauleistungen zählt auch die Einrichtung und Versorgung einer Baustelle. Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten gelten nur insoweit als Bauleistungen, als sie für das Bauwerk von wesentlicher Bedeutung sind und die eingebauten Materialien dauerhaft mit dem Gebäude verbunden werden13BGH NZBau 2002, 388.. Ob dies der Fall ist, wird letztlich immer eine Frage des Einzelfalles sein: So hat die Rechtsprechung umfangreiche Malerleistungen schon als Bauleistungen anerkannt, dies andererseits aber für den Austausch einer Elektroleitung abgelehnt14Vgl. BGH BauR 1994, 101..
Soweit die VOB/B in Bauverträge einbezogen werden soll, die andere Nebenleistungen beinhalten, ist dies grundsätzlich möglich. Eine pauschale Einbeziehung in den gesamten Vertrag ohne Differenzierung der Leistungen ist dabei unschädlich. Die VOB/B findet dann lediglich auf die Bauleistungen Anwendung15Vgl. BGH, BGHZ 101, 369, 376.. Zu beachten ist in diesen Fällen, dass für unterschiedliche Leistungen unterschiedliches Recht gilt.
Etwas anderes gilt für Verträge, die keine Bauverträge sind. In diese ist eine Einbeziehung der VOB/B nicht wirksam möglich. Für folgende Verträge kann bzw. kann die VOB/B nicht wirksam vereinbart werden:
Kann vereinbart werden |
Kann nicht vereinbart werden |
Bauvertrag mit andersartigen Neben- leistungen |
Architektenvertrag |
Generalübernehmervertrag16Vgl. Warnecke, Die Unternehmereinsatzform Generalübernehmer, S. 185. |
Baubetreuungsvertrag |
Generalunternehmervertrag |
Bauträgervertrag |
Fertighausvertrag | |
Ingenieurvertrag | |
Statikervertrag |