Es ist im Baubereich weit verbreitet, dass die Parteien für den Fall von Terminüberschreitungen Vertragsstrafen vereinbaren. Insbesondere für den Auftraggeber hat dies den Vorteil, dass er seinen Verzugsschaden nicht im Einzelnen nachweisen muss, sondern mindestens die vereinbarte Vertragsstrafe geltend machen kann.
Anfall der Vertragsstrafe setzt voraus:
Vereinbarung einer Vertragsstrafe,
Eintritt der vertraglich festgelegten Situation (regelmäßig schuldhafte Überschreitung der vereinbarten Ausführungstermine, dieser Fall wird nachfolgend zugrunde gelegt),
Vorbehalt bei Abnahme der Leistung.
Eine Vertragsstrafe kann sowohl individuell als auch in AGB vereinbart werden. Bei Vereinbarung einer Vertragsstrafe in AGB ist zu beachten, dass
die Vertragsstrafe der Höhe nach doppelt begrenzt sein muss, und zwar einmal hinsichtlich des in festgelegten Zeiträumen anfallenden Betrages (es werden regelmäßig als Obergrenze 0,2 bis 0,3% der Auftragssumme pro Tag als zulässig angesehen) und zum zweiten der Gesamthöhe nach (wobei 5% die Obergrenze bilden);
der Anfall der Vertragsstrafe nicht unabhängig vom Verschulden des Auftragnehmers vereinbart werden kann;
bei vertragsstrafenbewehrten Zwischenfristen zum einen nur die betroffenen Teilleistungen für die Höhe maßgeblich sind und zum anderen eine Anrechnung der einmal angefallenen Vertragsstrafe auf die nachfolgend anfallenden erfolgt.
Eine Vertragsstrafe kann auch für den Fall vereinbart werden, dass die Interessen des Auftraggebers durch die Vertragsverletzung des Auftragnehmers nicht beeinträchtigt oder ernsthaft gefährdet werden.
Die Vertragsstrafenklausel muss außerdem hinreichend deutlich sein. So muss klar aus ihr hervorgehen, in welchen Fällen sie anfallen soll. Die vertragsstrafenbewehrten Termine müssen genau benannt sein, bei Vereinbarung der VOB/B sollte man sich dabei des Begriffes der „Vertragsfristen“ aus § 5 Abs. 1 VOB/B bedienen. Bei tageweisem Anfall sollte genau festgelegt sein, ob es um Kalendertage oder Werktage geht.
§ Vertragsstrafe
Bei schuldhafter Überschreitung der Vertragstermine für Beginn, den Zwischentermin „Fertigstellung der 1. Baustufe“ und Fertigstellung hat der Auftragnehmer Vertragsstrafe zu zahlen. Die Vertragsstrafe beträgt für jeden Kalendertag der schuldhaften Überschreitung
bei dem Zwischentermin 0,1% der Auftragssumme für die betroffene Teilleistung netto
beim Beginn und Endtermin 0,1% der Auftragssumme.
Die vorstehenden Vertragsstrafen sind auf insgesamt 5% der Auftragssumme netto begrenzt.
Die Geltendmachung weiterer Ansprüche durch den Auftraggeber bleibt unberührt. Auf einen weitergehenden Schadensersatzanspruch wird die verwirkte Vertragsstrafe angerechnet.
Bereits verwirkte Vertragsstrafen entfallen nicht durch die Vereinbarung neuer Termine. Im Falle der Vereinbarung neuer Termine oder der einvernehmlichen Fortschreibung von Vertragsterminen bei Bauzeitverschiebungen gilt das Vertragsstrafeversprechen entsprechend für neue Termine.
Eine einmal verwirkte Vertragsstrafe für den Beginn- oder den Zwischentermin wird auf die nachfolgend verwirkte Vertragsstrafe für weitere Zwischen- oder den Fertigstellungstermin angerechnet.
Dem Auftraggeber bleibt vorbehalten, den Vorbehalt der Vertragsstrafe bis zur Schlusszahlung geltend zu machen.
Wenn die Vertragsstrafe wirksam vereinbart ist, fällt sie bei Eintreten der vereinbarten Situation an.
Da Vertragsstrafen regelmäßig nur für den Fall des Verzuges vereinbart werden (können), kann sich der Auftragnehmer möglicherweise entlasten, indem er nachweist, dass er die Terminüberschreitung nicht zu vertreten hat.
Es ist daher grundsätzlich zu empfehlen, dem Auftragnehmer nach Überschreiten der ursprünglich vereinbarten Fristen weitere Fristen zu setzen, frei nach dem Gedanken, dass ihm irgendwann „die Entlastungsmöglichkeiten ausgehen“.
[Absender]
[Anschrift]
[Datum]
Bauvorhaben …
Vertragsnummer …
Mängelanzeige …
Sehr geehrte Damen und Herren,
für Ihre Bauleistungen war als Endtermin der 30.6.2018 vereinbart. Diesen Termin haben Sie eigenmächtig überschritten.
Wir fordern Sie auf, die Leistungen nunmehr vollständig und ordnungsgemäß zu erbringen. Spätester Termin ist der 31.7.2018.
Dies ist keine Anordnung von Beschleunigungsmaßnahmen.
Mit freundlichen Grüßen
Die wiederholte Mahnung des Auftragnehmers empfiehlt sich auch, wenn es während der Bauausführung Behinderungen gegeben hat. Solche Behinderungen haben nur ganz ausnahmsweise zur Folge, dass die Vertragsstrafe insgesamt hinfällig wird. Dieser Ausnahmefall tritt ein, wenn der gesamte Zeitplan der Bauausführung völlig umgeworfen wird, ohne dass der Auftragnehmer dies zu vertreten hat. Ob eine solche Ausnahme vorliegt, ist im Einzelfall zu entscheiden. In allen anderen Fällen verlängert sich die Ausführungsfrist – und damit auch die für den Anfall der Vertragsstrafe maßgebliche Frist – um die Behinderungszeit und etwaig erforderliche Zeit zur Wiederaufnahme der Arbeiten. Da diese Fristen regelmäßig nicht mit letzter Sicherheit zu berechnen sind, sollte der Auftraggeber seine Erwartungen durch die Fristsetzungen verdeutlichen. Der Auftraggeber sollte jedoch stets vorsorglich darauf hinweisen, dass die Fristsetzung nicht als Anordnung von Beschleunigungsmaßnahmen zu verstehen ist.
Auch bei einvernehmlichen Verlängerungen der vertragsstrafenbewehrten Fristen ist Vorsicht geboten, da es immer vom Einzelfall abhängt, ob die ursprünglich vereinbarte Vertragsstrafe auch für die neu festgelegten Fristen gelten soll. Im Zweifel sollten die Partner in der Verlängerungsvereinbarung klarstellen, welche Folgen die Verlängerung für die vereinbarte Vertragsstrafe haben soll.
Der Auftraggeber muss sich die Vertragsstrafe bei Abnahme vorbehalten, bei der Abnahme von Teilleistungen bei jeder Teilabnahme. Tut er dies nicht, verliert er den Anspruch auf die Vertragsstrafe, § 341 Abs. 3 BGB. Es reicht nicht aus, diesen Vorbehalt früher zu erklären, erst recht natürlich nicht nach Abnahme. Nur ganz ausnahmsweise ist ein Vorbehalt entbehrlich, wenn der Vertragsstrafenanspruch bereits rechtshängig ist. Allein die Erklärung der Aufrechnung oder eine Streitverkündung ersetzen den Vorbehalt nicht. Bei Abnahmen nach § 12 Abs. 5 VOB/B und Abnahmen nach § 640 Abs. 2 BGB muss der Vorbehalt innerhalb der dort festgelegten Frist erklärt werden.
Der Vorbehalt kann auch formularmäßig erfolgen und sollte in jedem Muster- Formular für Abnahmen vorgesehen werden.
Es ist (auch in AGB) möglich, die Pflicht zum Vorbehalt der Vertragsstrafe bis zur Schlusszahlung hinauszuschieben. Ein völliger Verzicht auf den Vorbehalt ist jedoch nur in Individualvereinbarungen möglich.