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Werk:
VgV-Kommentar
Herausgeber:
Malte Müller-Wrede
Autor:
Verena Poschmann
Stand:
Oktober 2017
Thema:
Leistungen (VgV)
Auflage:
5. Auflage

E. Laufzeit von Rahmenvereinbarungen (Abs. 4)

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Nach § 15 Abs. 4 UVgO darf die Laufzeit einer Rahmenvereinbarung höchstens sechs Jahre betragen, es sei denn, es liegt ein im Gegenstand der Rahmenvereinbarung begründeter Sonderfall vor.

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Es handelt sich um eine Regelfrist. Laufzeiten innerhalb dieser Regelfrist sind ohne weitere Begründung zulässig.1Vgl. VK Bund, Beschluss v. 29.1.2009 – VK 3-200/08. Fallen der Zeitpunkt der Zuschlagserteilung und der Vertragsbeginn der Rahmenvereinbarung auseinander, ist der vertraglich festgelegte Beginn maßgeblich. Denn Sinn und Zweck der Laufzeitregelung ist die zeitliche Begrenzung der Leistungsabrufe aus der Rahmenvereinbarung.

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Eine Überschreitung der Regelfrist ist nur aufgrund eines im Gegenstand der Rahmenvereinbarung begründeten Sonderfalles möglich. So können beispielsweise die Amortisierung von ungewöhnlich hohen Entwicklungs- und Anschaffungskosten, die durch den Gegenstand der Leistung begründet wurden, oder technische Besonderheiten eine längere Vertragslaufzeit rechtfertigen.2Vgl. Erwägungsgrund 62 RL 2014/24/EU; Europäische Kommission, Erläuterungen zu Rahmenvereinbarungen, Dok. CC/2005/03, S. 6. Für die Frage, ob die Anfangsinvestition erheblich ist, kommt es auf das Verhältnis zur Bruttoauftragssumme an. Bloße vernachlässigenswerte Kosten aufgrund eines Übergabemanagements bei Auftragnehmerwechsel genügen nicht.3Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 11.4.2012 – VII-Verg 95/11. Ebenso wenig reicht der pauschale Verweis auf Finanzierungsvorteile, da es im Falle eines pauschalen Verweises an einer ordnungsgemäßen Begründung mangelt.4Vgl. VK Arnsberg, Beschluss v. 21.2.2006 – VK 29/05. Können aber Finanzierungsvorteile derart belegt werden, dass die Wirtschaftlichkeit der Beschaffung erst über die gewählte Laufzeit erreicht wird, so genügt auch dies als Rechtfertigung einer längeren Laufzeit. Andererseits reicht aber die bloße Wirtschaftlichkeitsbetrachtung mit dem Ergebnis, dass eine längere Vertragslaufzeit die Fixkosten des Auftragnehmers reduziert und diesem ein wirtschaftlicheres Angebot ermöglicht, nicht aus. Denn dieser Umstand dürfte bei jeder Vergabe festzustellen sein.5Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 11.4.2012 – VII-Verg 95/11. Insoweit muss die Überschreitung der sechsjährigen Regelfrist vor dem Hintergrund des Wettbewerbsgebots und der unzulässigen Umgehung der vergaberechtlichen Vorschriften gesehen werden.6Vgl. VK Arnsberg, Beschluss v. 21.2.2006 – VK 29/05: Der pauschale Verweis auf Branchenüblichkeit und Finanzierungsvorteile genügt nicht zur Begründung einer 30-jährigen Laufzeit. Auch längere Gewährleistungsfristen beispielsweise bei Rahmenverträgen, die die Lieferung und Wartung technischer Geräte beinhalten, können einen Sonderfall einer längeren Vertragslaufzeit darstellen.

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Die gewählte Laufzeit ist als wesentliche Bedingung für die Einzelaufträge bereits bei der Ausschreibung der Rahmenvereinbarung festzulegen. Ein nachträgliches Überschreiten der dort festgelegten Laufzeit ist vergaberechtswidrig. Wird die Vertragslaufzeit unangemessen lang gewählt, so kann mit dem Ziel der Anpassung an eine angemessene Laufzeit geklagt werden.7Vgl. BayObLG, Beschluss v. 17.2.2005 – Verg 27/04.

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Die Begrenzung der Regellaufzeit auf sechs Jahre gilt auch für die auf den Rahmenvereinbarungen basierenden Einzelaufträge.8Vgl. Europäische Kommission, Erläuterungen zu Rahmenvereinbarungen, Dok. CC/2005/03, S. 5. Die Vorgabe der Laufzeit für die Rahmenvereinbarung soll nicht durch die Einzelauftragsvergabe umgangen werden. Jedoch können aus der Rahmenvereinbarung bis zum Ende der Laufzeit Einzelaufträge abgerufen werden, auch wenn der Ausführungszeitraum des Einzelauftrags die Laufzeit der Rahmenvereinbarung sodann übersteigt. Maßgeblich ist insoweit, dass der Abruf noch innerhalb der Laufzeit der Rahmenvereinbarung erfolgte.9Vgl. Europäische Kommission, Erläuterungen zu Rahmenvereinbarungen, Dok. CC/2005/03, S. 5 Fn. 16. Einzelaufträge, deren Laufzeit mehr als sechs Jahre beträgt, müssen dem Begründungserfordernis nach § 15 Abs. 4 UVgO genügen.

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Die Beweislast für das Vorliegen eines Sonderfalles trägt aufgrund der Regel-Ausnahme-Konstellation der Auftraggeber. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an die Begründungstiefe. Pauschale Verweise genügen nicht.10Vgl. VK Arnsberg, Beschluss v. 21.2.2006 – VK 29/05. Auch eine „schmale Begründung“ oder eine reine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung reichen nicht aus.11Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 11.4.2012 – VII-Verg 95/11.

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Die gewählte Vertragslaufzeit unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit. Den Auftraggebern wurde – trotz prognostischer Elemente – kein nur begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die Gründe für die Wahl einer die Regellaufzeit überschreitenden Vertragsdauer sind daher in vollem Umfang justiziabel.