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Werk:
VgV-Kommentar
Herausgeber:
Malte Müller-Wrede
Autor:
Thomas Ferber
Stand:
Oktober 2017
Thema:
Leistungen (VgV)
Auflage:
5. Auflage

3. Erweiterte Richtwertmethode

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Die erweiterte Richtwertmethode basiert auf der einfachen Richtwertmethode. Das Angebot mit der größten Kennzahl dient hier allerdings als Ausgangswert (führendes Angebot), um innerhalb eines vom öffentlichen Auftraggeber definierten Schwankungsbereichs nach dem wirtschaftlichsten Angebot zu suchen. Neben dem Schwankungsbereich in Prozent muss auch ein Entscheidungskriterium (z.B. bester Preis, größte Leistungsstärke) zur Auswahl des optimalen Angebots vom öffentlichen Auftraggeber vorgegeben werden.

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Die erweiterte Richtwertmethode kann damit von der 50%/50%-Gewichtung für Leistung und Preis abweichen. Dies ist allerdings nicht deterministisch. Eine Aussage, dass, wenn die einfache Richtwertmethode immer gleich 50 % Leistung und 50 % Preis gewichtet, die erweiterte Richtwertmethode mit einem Schwankungsbereich von 10 % und der Leistungspunktzahl als Entscheidungskriterium einer Gewichtung von 60 % Leistung und 40 % Preis entspricht, ist falsch, da der Prozentsatz des Schwankungsbereichs nicht so einfach auf die Gewichtung einwirkt.1Siehe zur Veranschaulichung die grafischen Darstellungen in Ferber, Bewertungskriterien, S. 202 ff.

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Bei der erweiterten Richtwertmethode werden für die Zuschlagsentscheidung alle Angebote betrachtet, die innerhalb des Schwankungsbereichs liegen. Durch das Entscheidungskriterium (z.B. bester Preis, größte Leistungsstärke) wird entschieden, welches Angebot den Zuschlag erhält.

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Ein zu klein gewählter Schwankungsbereich führt zu einer Bewertung nach der einfachen Richtwertmethode und bleibt damit bei der Gewichtung von 50 %/50 %. Ein zu groß gewählter Schwankungsbereich führt je nach gewähltem Entscheidungskriterium zu einer 100 %-Preis-Entscheidung oder zu einer 100 %-Leistungsentscheidung. Die Wahl eines geeigneten Schwankungsbereichs ist für jede Ausschreibung deshalb mit Bedacht zu wählen. Als Richtgröße empfiehlt die UfAB für den Schwankungsbereich einen Wert von 6 % und gibt einen maximalen Wert von 10 % an.2UfAB VI, Fn. 69. In Einzelfällen sind aber auch größere Werte für den Schwankungsbereich von der Rechtsprechung akzeptiert.3 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 25.4.2012 – VII-Verg 9/12. Die Wahl des Schwankungsbereichs bei der erweiterten Richtwertmethode ist daher von nicht trivialer Natur. Auch ein eigentlich moderat gewählter Schwankungsbereich von z.B. 5 % kann in nicht seltenen Fällen zu einer 100 % Preis- bzw. 100 % Leistungsentscheidung führen, wenn sich alle Angebote im Schwankungsbereich befinden. Im Gegensatz dazu gibt es aber auch genügend Ausschreibungsbeispiele, bei denen ein eher großzügig gewählter Schwankungsbereich von 8 % oder 10 % zu einer reinen Wertung von 50 % Preis und 50 % Leistung führt, wenn kein weiteres Angebot im Schwankungsbereich vertreten ist.