Fachliteratur  Kommentare und Handbücher  VgV/UVgO-Kommentar  Kommentar zur VgV, UVgO und VergStatVO  VgV – Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge  §§ 14–63 Abschnitt 2 Vergabeverfahren  §§ 42–51 Unterabschnitt 5 Anforderungen an Unternehmen; Eignung  § 44 VgV Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung 

Werk:
VgV-Kommentar
Herausgeber:
Malte Müller-Wrede
Autor:
Andreas Hövelberndt
Stand:
Oktober 2017
Thema:
Leistungen (VgV)
Auflage:
5. Auflage

C. Eintragung in ein Berufs- oder Handelsregister oder andere Nachweise über die erlaubte Berufsausübung (Abs. 1)

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Nach § 44 Abs. 1 S. 1 VgV kann der öffentliche Auftraggeber von Bewerbern oder Bietern entsprechend den Rechtsvorschriften des Staates, in dem sie niedergelassen sind, verlangen, die Eintragung in das jeweilige Berufs- oder Handelsregister des Sitzstaates nachzuweisen oder auf andere Weise die erlaubte Berufsausübung zu belegen. Die Möglichkeit eines Nachweises „auf andere Weise“ dürfte auf die in § 44 Abs. 1 S. 2 VgV angesprochenen Bescheinigungen oder Erklärungen abzielen.

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Um welche Registereintragungen bzw. Bescheinigungen oder Erklärungen es sich handelt, ergibt sich für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Einzelnen aus Anhang XI RL 2014/24/EU, auf die in § 44 Abs. 1 S. 2 VgV verwiesen wird.

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Nach dem in Bezug genommenen Anhang XI RL 2014/24/EU handelt es sich bei den Berufs- oder Handelsregistern für die Bundesrepublik Deutschland um das Handelsregister, die Handwerksrolle und – bei Dienstleistungsaufträgen – um das Vereinsregister, das Partnerschaftsregister und die Mitgliederverzeichnisse der Berufskammern der Länder.

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Der Zweck des Nachweises einer Handelsregistereintragung erscheint auf den ersten Blick fraglich, da dieser unmittelbar keine Auskunft über die Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung gibt.1Müller-Wrede, in: Müller-Wrede, VOL/A, § 7 EG Rn. 120. Allerdings enthält das Handelsregister, welches beim Amtsgericht geführt wird (vgl. § 1 HRV), Informationen, welche für die Beurteilung der Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung mittelbar relevant sein können.2OLG Düsseldorf, Beschluss v. 2.1.2006 – VII-Verg 93/05; Werner, in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, § 7 EG VOL/A Rn. 24. Dem Handelsregister lassen sich insbesondere die Rechtsform,3§§ 40 Nr. 5 lit. a, 43 Nr. 6 lit. a HRV. die Firma,4§ 106 Abs. 2 Nr. 2 HGB (OHG); §§ 162 Abs. 1 S. 1, 106 Abs. 2 Nr. 2 HGB (KG); § 10 Abs. 1 S. 1 GmbHG (GmbH); § 39 Abs. 1 S. 1 AktG (AG) sowie §§ 40 Nr. 2 lit. a), 43 Nr. 2 lit. a) HRV; § 29 HGB. der Sitz und/oder die Geschäftsanschrift der Gesellschaft5§ 106 Abs. 2 Nr. 2 HGB (OHG); §§ 162 Abs. 1 S. 1, 106 Abs. 2 Nr. 2 HGB (KG); § 10 Abs. 1 S. 1 GmbHG (GmbH); § 39 Abs. 1 S. 1 AktG (AG) sowie §§ 40 Nr. 2 lit. a, 43 Nr. 2 lit. a HRV; § 29 HGB. entnehmen. Ferner gibt die Handelsregistereintragung z.T. Aufschluss über den Unternehmensgegenstand6§ 10 Abs. 1 S. 1 GmbHG (GmbH); § 39 Abs. 1 S. 1 AktG (AG) sowie §§ 40 Nr. 2 lit. b, 43 Nr. 2 lit. b HRV. und die Höhe des Grund- bzw. Stammkapitals7§ 10 Abs. 1 S. 1 GmbHG (GmbH); § 39 Abs. 1 S. 1 AktG (AG).. Darüber hinaus finden sich Angaben zu den Vertretern des Unternehmens und/oder dessen Vertretungsmacht,8§ 106 Abs. 2 Nr. 4 HGB (OHG); §§ 162 Abs. 1 S. 1, 106 Abs. 2 Nr. 4 HGB (KG); § 10 Abs. 1 S. 1, 2 GmbHG (GmbH); § 39 Abs. 1 S. 1, 3 AktG (AG) sowie §§ 40 Nr. 3, 43 Nr. 4 lit. a HRV. den Gesellschaftern,9§ 106 Abs. 2 Nr. 1 HGB (OHG); §§ 162 Abs. 1 S. 1, 106 Abs. 2 Nr. 1 HGB (KG); §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG (GmbH). etwaigen Prokuristen10§ 53 HGB (OHG, KG, GmbH, AktG) sowie §§ 40 Nr. 4, § 43 Nr. 5 HRV. und/oder Kommanditisten bzw. der Höhe ihrer Kapitaleinlage11§ 162 Abs. 1 S. 2 HGB.. Eingetragen wird zudem die Auflösung der Gesellschaft,12§ 143 Abs. 1 HGB (OHG); §§ 161 Abs. 2, 143 Abs. 1 HGB (KG); § 65 Abs. 1 GmbHG (GmbH) und § 263 AktG (AG). das Erlöschen bzw. die Liquidation oder Abwicklung der Gesellschaft,13§ 157 HGB (OHG); §§ 161 Abs. 2, 157 HGB (KG); § 74 GmbHG (GmbH); § 273 Abs. 1 AktG (AG). die Eröffnung des Insolvenzverfahrens14§ 31 InsO. sowie dessen Aufhebung15§§ 31, 200 Abs. 2 S. 2 InsO. oder Einstellung16§§ 31, 200 Abs. 2 S. 2, 215 Abs. 1 S. 3 InsO.. Eintragungspflichtig ist schließlich die Änderung der Firma,17§ 107 HGB (OHG); §§ 161 Abs. 2, 107 HGB (KG) bzw. – soweit nicht spezialgesetzlich geregelt – § 31 HGB. des Sitzes der Gesellschaft bzw. der Geschäftsanschrift,18 § 107 HGB (OHG); §§ 161 Abs. 2, 107 HGB (KG); § 45 Abs. 1 AktG (AG) bzw. – soweit nicht spezialgesetzlich geregelt – § 13h HGB. der Höhe des Grund- oder Stammkapitals,19§ 107 HGB (OHG); §§ 161 Abs. 2, 107 HGB (KG); § 57 Abs. 1 GmbHG (GmbH); § 184 Abs. 1 AktG (AG). der Vertretung bzw. der Vertretungsmacht,20§ 107 HGB (OHG); §§ 161 Abs. 2, 107 HGB (KG); § 39 GmbHG (GmbH); § 81 AktG (AG). des Gesellschafterkreises,21§ 107 HGB (OHG); §§ 161 Abs. 2, 107 HGB (KG); § 40 Abs. 1 GmbHG (GmbH). das Erlöschen der Prokura22§ 53 HGB (OHG, KG, GmbH, AktG). sowie der Ein- oder Austritt von Kommanditisten23§ 162 Abs. 3 HGB. bzw. eine Veränderung der Kapitaleinlage Letzterer24§ 175 HGB.. Zu beachten ist allerdings, dass nicht jeder Bieter oder Bewerber eine Handelsregistereintragung haben kann oder muss. Für Einzelkaufleute und BGB-Gesellschaften besteht grundsätzlich keine Pflicht, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen. Erreicht das Gewerbe jedoch einen Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderlich macht, so entsteht gemäß § 1 Abs. 2 HGB ein eintragungspflichtiges Handelsgewerbe (Istkaufmann). Die Eintragung in das Handelsregister ist für diesen allerdings nur deklaratorischer Natur, d.h., ein Fehlen der Eintragung lässt die Kaufmannseigenschaft nicht entfallen.25OLG München, Beschluss v. 17.12.2013 – Verg 15/13. Erfordert ein Unternehmen nach Art und Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb, so besteht keine Verpflichtung, wohl aber die Berechtigung, die Handelsregistereintragung zu beantragen. Lässt sich ein solches Unternehmen freiwillig in das Handelsregister eintragen, wird mit der Eintragung die Kaufmannseigenschaft erworben (vgl. § 2 HGB). Insoweit wird vom Kannkaufmann gesprochen. Unternehmen sonstiger Rechtsformen (insbesondere GmbH, AG) sind kraft Rechtsform Handelsgesellschaften i.S.d. HGB (Formkaufmann) und müssen ebenfalls in das Handelsregister eingetragen werden (vgl. § 13 Abs. 3 GmbHG, § 3 Abs. 1 AktG).

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Die Eintragung in das i.d.R. ebenfalls bei den Amtsgerichten geführte Vereinsregister (vgl. § 1 Abs. 1 VRV) verschafft Gewissheit über Name und Sitz des Vereins, Tag der Errichtung der Satzung, die Mitglieder des Vorstandes und ihre Vertretungsmacht (vgl. § 64 BGB). Im Übrigen gibt die Eintragung Aufschluss darüber, dass der Verein – zumindest im Zeitpunkt der Eintragung – den Anforderungen der §§ 56 bis 59 BGB genügt (vgl. § 60 BGB). Auch lässt sich dem Register entnehmen, ob sich der Verein in Insolvenz befindet (§§ 31, 200 Abs. 2 S. 2, 215 Abs. 1 S. 3 InsO).

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Auch das Partnerschaftsregister wird auf Grundlage des Registerrechts beim Amtsgericht geführt (vgl. § 1 Abs. 1 PRV i.V.m. § 1 HRV). Bei der Partnerschaft handelt es sich um eine Rechtsform, in der sich Angehörige freier Berufe, wie Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Ärzte oder Architekten, zusammenschließen können. Die rechtlichen Grundlagen hierfür sind im PartGG geregelt. Das Partnerschaftsregister führt als öffentliches Register die Angaben über die wesentlichen Rechtsverhältnisse von Partnerschaften. Im Einzelnen sind dem Register Name, Sitz und Gegenstand der Partnerschaft, Berufsbezeichnungen aller zur Partnerschaft gehörenden Berufe, die an der Partnerschaft beteiligten Partner nebst Vertretungsbefugnis (vgl. §§ 3, 4 PartGG) sowie das Ausscheiden eines Partners (vgl. §§ 9 Abs. 1 PartGG, 143 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 HGB) oder die Auflösung der Partnerschaft (vgl. §§ 9 Abs. 1 PartGG, 143 Abs. 1 S. 1 HGB) zu entnehmen. Ebenso wie in das Handels- und Vereinsregister wird auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Partnerschaft (§ 31 InsO) bzw. dessen Aufhebung (§§ 31, 200 Abs. 2 S. 2 InsO) oder Einstellung (§§ 31, 200 Abs. 2 S. 2, 215 Abs. 1 S. 3 InsO) aufgenommen.

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Die Eintragung in die Handwerksrolle (§ 6 HwO) lässt erkennen, ob der Bewerber bzw. Bieter die gewerbe- und handwerksrechtlichen Voraussetzungen erfüllt und somit die notwendige Sicherheit für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen bietet.26OLG Celle, Urteil v. 27.12.2001 – 13 U 126/01. Sie ist ein Indiz für die Einhaltung der jeweils einschlägigen rechtlichen Voraussetzungen der Aufnahme und Fortführung der beruflichen bzw. unternehmerischen Betätigung des Bewerbers oder Bieters. Eingetragen wird, wer in dem betriebenen oder in einem mit diesem verwandten zulassungspflichtigen Handwerk die Meisterprüfung abgelegt hat (§ 7 Abs. 1a HwO). In besonderen Fällen erfolgt eine Eintragung in die Handwerksrolle auch ohne Meisterprüfung. So werden Ingenieure oder Absolventen von technischen Hochschulen bzw. staatlichen oder staatlich anerkannten Fachschulen für Technik mit dem Handwerk eingetragen, welches dem Schwerpunkt ihrer Prüfung entspricht (§ 7 Abs. 2 S. 1 HwO). Dasselbe gilt für Personen, die eine sonstige Prüfung abgelegt haben, die der Meisterprüfung für das betreffende Handwerk mindestens gleichwertig ist (§ 7 Abs. 2 S. 2 HwO). Inhaber einer Ausübungsberechtigung und damit in die Handwerksrolle einzutragen sind nach §§ 7 Abs. 7, 7b HwO auch Personen, die in einem zulassungspflichtigen Handwerk bzw. in einem artverwandten zulassungspflichtigen Handwerk bzw. einem entsprechenden Ausbildungsberuf eine Gesellenprüfung abgelegt haben und über einschlägige Berufserfahrung in leitender Stellung verfügen („Altgesellenregelung“).27Hierzu näher BVerwG, Urteil v. 13.5.2015 – 8 C 12/14; Günther, GewArch 2011, 189 ff. Eingetragen sein können gemäß §§ 7 Abs. 7, 7a HwO auch solche Handwerker, die bereits eine Ausübungsberechtigung für ein anderes Gewerbe gemäß Anlage A zur HwO oder für wesentliche Tätigkeiten dieses Gewerbes besitzen und darüber hinaus die für die Ausübung des zweiten Gewerbes erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen haben. In der Praxis handelt es sich um Handwerksmeister oder sonstige Ausübungsberechtigte, die eine Berechtigung zur Ausübung eines zweiten, artverwandten Handwerks beantragt haben, um Leistungen „aus einer Hand“ anbieten zu können.28Ähnlich Honig/Knörr, in: Honig/Knörr, HwO, § 7a Rn. 1; Erdmann, DVBl. 2010, 353 (359). Verzeichnet sind nach § 7 Abs. 3 HwO zudem Inhaber einer Ausnahmebewilligung im Sinne des § 8 HwO, die die zur Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks notwendigen Kenntnisse nachgewiesen haben, für die aber die Ablegung der Meisterprüfung etwa aus Gründen des Alters, der persönlichen Situation oder des beruflichen Werdeganges eine unzumutbare Härte darstellt (Härtefallregelung).29BVerwG, Urteil v. 29.8.2001 – 6 C 4/01; Erdmann, DVBl. 2010, 353 (355). Schließlich existiert eine Sonderregelung für Handwerker, die ein zulassungspflichtiges Handwerk aufgrund einer in einem EU-Mitgliedstaat bzw. einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens oder der Schweiz erworbenen Berufsqualifikation ausüben dürfen (§§ 7 Abs. 3, 9 HwO). Die genannten Ausnahmetatbestände sind nicht als Durchbrechung des Grundsatzes der Erforderlichkeit einer Meisterprüfung zu verstehen, sondern nur des Prinzips, dass der Nachweis der erforderlichen Fachkenntnisse durch die Meisterprüfung erbracht wird.30 VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 22.1.2013 – 6 S 1365/12; Huber, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, BesVerwR, Kap. 3 Rn. 332. Es handelt sich um Ausnahmen, die der Gesetzgeber mit Rücksicht auf Marktteilnehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten sowie die Flexibilisierung des Ausbildungsbereiches geschaffen hat.31I.d.S. BVerfG, Beschluss v. 26.3.2007 – 2 BvR 1006/01; Urteil v. 5.12.2005 – 1 BvR 1730/02; Erdmann, DVBl. 2010, 353 (354).

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Die Eintragung in die Mitgliederverzeichnisse der Berufskammern gibt ebenfalls Aufschluss darüber, ob der Bewerber oder Bieter die von ihm ausgeübte Tätigkeit in rechtlich zulässiger Weise erbringt.32Müller-Wrede, in: Müller-Wrede, VOL/A, 3. Aufl. 2010, § 7 EG Rn. 120. Fraglich ist, welche Einrichtungen als „Berufskammern der Länder“ einzuordnen sind. Die Bezeichnung „Berufskammern der Länder“ ist unscharf. Verbreitet ist die Unterteilung der Kammern in die berufsständischen und die wirtschaftsständischen Kammern.33VG Arnsberg, Urteil v. 13.12.2002 – 13 K 690/02; Reidt, in: Jarass, WirtschaftsVerwR, § 6 Rn. 5. Den wirtschaftsständischen Kammern werden die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern sowie die Landwirtschaftskammern zugerechnet.34Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 43 I 2; Maurer, AllgVerwR, § 23 Rn. 31. Zur Gruppe der berufsständischen Kammern gehören hingegen die Kammern der freien Berufe, also die Rechtsanwalts-, Notar-, Steuerberater-, Heilberufs-, Architekten- bzw. Bauingenieurkammern sowie die Patentanwalts- und Wirtschaftsprüferkammer.35 VG Arnsberg, Urteil v. 13.12.2002 – 13 K 690/02; Maurer, AllgVerwR, § 23 Rn. 32. Im Hinblick auf die Auslegung des Begriffs „Berufskammern der Länder“ ist diese Unterteilung jedoch nicht zielführend. Erfolgversprechender erscheint dagegen ein Typisierungsansatz, der auf den Normgeber der zugrunde liegenden Rechtsgrundlage abstellt. Auf landesrechtlicher Basis bestehen insbesondere die Architekten- und Bauingenieurkammer (BauKaG NRW), die Ärzte-, Tierärzte-, Zahnärzte- und Apothekerkammern (HeilBerG NRW) sowie die Landwirtschaftskammer (LwKammerG NRW). Diese lassen sich ohne Weiteres als „Berufskammern der Länder“ begreifen. Allerdings ließen sich bei diesem Ansatz die auf bundesgesetzlicher Rechtsgrundlage geschaffenen Kammern,36Z.T. existieren auch landesrechtliche Ergänzungsvorschriften, vgl. z.B. Gesetz über die Industrie- und Handelskammern im Lande Nordrhein-Westfalen v. 23.7.1957 (GV NRW, 187, 228), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.5.2004 (GV NRW, 248). vor allem die Handwerkskammer (HwO), die Industrie- und Handelskammern (IHKG), die Rechtsanwaltskammern (BRAO), die Notarkammern (BNotO), die Steuerberaterkammern (StBerG) und die – deutschlandweit nur einmal existierende – Patentanwaltskammer (PatAnwO) sowie die Wirtschaftsprüferkammer (WPO) nicht als „Berufskammern der Länder“ einordnen. Eine solche Auslegung wäre mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 44 Abs. 1 VgV nur schwer vereinbar. So ist kein Grund dafür ersichtlich, warum der öffentliche Auftraggeber im Falle der Vergabe einer Architektenleistung von den Bewerbern oder Bietern als Nachweis für die Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung einen Nachweis über die Mitgliedschaft in der Architektenkammer verlangen kann, bei der Beauftragung einer Steuer- oder Wirtschaftsprüferleistung jedoch auf den Nachweis der Mitgliedschaft in der für die Bewerber oder Bieter zuständigen Kammer verzichten muss. Vorzugswürdig erscheint es daher, die Begrifflichkeit „Berufskammern der Länder“ als klarstellenden Hinweis auf die Hierarchieebene zu verstehen und darunter – unabhängig von der bundes- oder landesgesetzlichen Rechtsgrundlage – alle in den Bundesländern existierenden Kammern zu verstehen,37Müller-Wrede, in: Müller-Wrede, Kompendium des Vergaberechts, Kap. 20 Rn. 54 (IHK, Architekten- und Ingenieur- sowie Ärzte- und Rechtsanwaltskammern); im Ergebnis ähnlich Tomerius, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 7 EG VOL/A Rn. 29. im Gegensatz zu den auf Bundesebene bestehenden Spitzenorganisationen, wie der Bundesrechtsanwaltskammer oder dem Deutschen Industrie- und Handelstag. Wo keine Untergliederung besteht, wie z.B. im Falle der Wirtschaftsprüferkammern, sind auch diese als miterfasst anzusehen. Bei diesem Verständnis können Auszüge aus den Mitgliederverzeichnissen sämtlicher genannter Kammern verlangt werden.

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Für die in Anhang XI RL 2014/24/EU genannten Registereintragungen bzw. Bescheinigungen oder Erklärungen der übrigen EU-Mitgliedstaaten ist die unterschiedliche Aussagekraft ebenso zu berücksichtigen wie im Falle der für die Bundesrepublik Deutschland genannten Nachweise. Das setzt eine gewisse Kenntnis der jeweiligen nationalen rechtlichen Grundlagen voraus und wird daher in der Praxis nicht immer leichtfallen. Hilfreich kann in diesem Zusammenhang das internetbasierte Informationssystem e-Certis der EU-Kommission sein. Es handelt sich um ein Online-Dokumentenarchiv, mit dessen Hilfe die in den 28 Mitgliedstaaten, dem Kandidatenland Türkei und den drei EWR-Staaten (Island, Liechtenstein und Norwegen) am häufigsten verlangten Unterlagen, wie Berufsregistereintragungen etc., ermittelt und die lokale Entsprechung recherchiert werden kann.38http://ec.europa.eu/markt/ecertis/login.do.

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Wie aus der Fußnote zur Überschrift des Anhang XI RL 2014/24/EU folgt, gelten im Falle innerstaatlicher Änderungen die an die Stelle der aufgelisteten Register tretenden Register als „Berufs- oder Handelsregister“ im Sinne von Art. 58 Abs. 2 RL 2014/24/EU.