Bedarfs- und Wahlpositionen tangieren ebenfalls das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung, da der Auftraggeber in diesem Fall bestimmte Leistungen nur unter Vorbehalt abfragt.
Bei Bedarfspositionen (Eventualpositionen) behält sich der Auftraggeber vor, die Ausführung einer bestimmten Position nur bei einem entsprechenden Bedarf anzuordnen.1Vgl. OLG Saarbrücken, Urteil v. 24.6.2008 – 4 U 478/07. Der Auftrag wird in diesem Fall unter der aufschiebenden Bedingung erteilt, dass der Auftraggeber die entsprechenden Leistungen – bei Bedarf – nachträglich einseitig fordern darf.2OLG Düsseldorf, Beschluss v. 10.2.2010 – VII-Verg 36/09. Bei einer Wahlposition (Alternativposition) steht hingegen zwar grundsätzlich fest, dass eine bestimmte Leistung ausgeführt werden soll. Der Auftraggeber behält sich in diesem Fall jedoch ein Wahlrecht hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung vor.3Wirner, in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, § 7 VOB/A, Rn. 48. Er schreibt daher mehrere Alternativen der Leistungserbringung aus, von denen er nach Kenntnisnahme der Angebotsinhalte eine Alternative für den Zuschlag auswählt.4OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.4.2011 – VII-Verg 58/10. Eine Leistungsbeschreibung, die Wahl- und Bedarfspositionen enthält, lässt sowohl den genauen Leistungsgegenstand als auch den genauen Leistungsumfang mindestens teilweise offen.5In Bezug auf Bedarfspositionen Prieß, NZBau 2004, 20 (26). Die damit einhergehende Ungewissheit hat zur Folge, dass der Bieter sein Angebot nicht sicher kalkulieren und der Auftraggeber entsprechende Angebote nicht angemessen vergleichen kann.6Prieß, NZBau 2004, 20 (25). Sie gefährden darüber hinaus auch die Transparenz des Vergabeverfahrens (§ 97 Abs. 1 Satz 1 GWB), da der Auftraggeber möglicherweise in die Lage versetzt wird, vermöge seiner Entscheidung für oder gegen eine Wahlposition bzw. Bedarfspositionen das Wertungsergebnis aus vergaberechtsfremden Erwägungen zu beeinflussen.7In Bezug auf Wahlpositionen OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.4.2011 – Verg 58/10; OLG München, Beschluss v. 27.1.2006 – Verg 1/06. Für Bedarfspositionen OLG Düsseldorf, Beschluss v. 28.2.2008 – VII-Verg 57/06; Beschluss v. 24.3.2004 – Verg 7/04. Denkbar ist insbesondere, dass das Austauschen und Zusammenstellen verschiedener Wahlpositionen mit dem Blick auf einen favorisierten Bieter erfolgt.8VK Arnsberg, Beschluss v. 28.1.2004 – VK 1-30/03.
Diesen Bedenken hat der Normgeber in Bezug auf Bedarfspositionen Rechnung getragen. Gemäß § 7 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A sind Bedarfspositionen grundsätzlich nicht in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen.9In der VOL/A findet sich keine enstprechende Regelung. Aufgrund der Beschränkung des Transparenzgrundsatzes sollten jedoch die gleichen Maßstäbe Anwendung finden. So auch im Ergebnis Prieß, NZBau 2004, 20 (26). Dieser Formulierung kann entnommen werden, dass Bedarfspositionen im Regelfall unzulässig sind10Wirner, in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, § 7 VOB/A, Rn. 42; Motzke, in: Dreher/Motzke, Vergaberecht, § 4 VOB/A, Rn. 92. und nur ausnahmsweise unter engen Voraussetzungen verwendet werden dürfen. Auch wenn die VOB/A in Bezug auf die rechtlich verwandten Wahlpositionen keine explizite Regelung trifft, gelten für sie dieselben Grundsätze.11Vgl. VK Baden-Württemberg, Beschluss v. 9.6.2011 – 1 VK 26/11; Kappellmann, in: Kappellmann/Messerschmidt, VOB, § 7 VOB/A, Rn. 34. Der Ausnahmecharakter von Wahlpositionen folgt dabei unmittelbar aus dem Transparenzgrundsatz.12Vgl. Motzke, in: Dreher/Motzke, Vergaberecht, § 4 VOB/A, Rn. 111.
Nach der Rechtsprechung trifft den Auftraggeber daher zunächst die Pflicht, einen sachlich gerechtfertigten Grund, ein anzuerkennendes Bedürfnis oder objektives Interesse für die Aufnahme einer Bedarfs- oder Wahlposition in das Leistungsverzeichnis nachweisen.13Für die Bedarfsposition OLG Düsseldorf, Beschluss v. 28.2.2008 – VII-Verg 57/06. Für die Wahlposition OLG Düssldorf, Beschluss v. 13.4.2011 – Verg 58/10: OLG München, Beschluss v. 27.1.2006 – Verg 1/06; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 24.3.2004 – Verg 7/04. Anerkennenswert ist dabei z.B. das Bedürfnis des Auftraggebers, effizient und sparsam mit den Haushaltsmitteln umzugehen, so dass unter diesem Gesichtspunkt ein legitimes Interesse besteht, mit Hilfe der Ausschreibung und entsprechenden Wahlpositionen die Kosten für die verschiedenen Ausführungsvarianten zu erfahren und die kostengünstigste zu bezuschlagen.14Vgl. OLG Düssldorf, Beschluss v. 13.4.2011 – VII-Verg 58/10. Bedarfspositionen dürfen darüber hinaus nur zum Einsatz kommen, wenn für den Auftraggeber trotz Ausschöpfung aller zumutbaren Erkenntnismöglichkeiten im Zeitpunkt der Ausschreibung nicht feststellbar ist, ob und in welchem Umfang Leistungen zur Ausführung gelangen.15Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 10.2.2010 – VII-Verg 36/09; Beschluss v. 28.2.2008 – Verg 57/06.
Die Rechtsprechung hat nicht nur herausgearbeitet, in welchen Fällen die Verwendung von Bedarfs- und Wahlpositionen überhaupt zulässig ist, sondern auch Maßgaben für deren rechtskonforme Ausgestaltung aufgestellt. Der öffentliche Auftraggeber muss dabei durch die Gestaltung seiner Ausschreibungsbedingungen soweit wie möglich dem Transparenzgrundsatz Rechnung tragen und einer Manipulation der Vergabeentscheidung vorbeugen.16Vgl. VK Baden-Württemberg, Beschluss v. 9.6.2011 – 1 VK 26/11. Dies bedeutet zunächst, dass Bedarfs- und Wahlpositionen vom Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung unmissverständlich als solche zu kennzeichnen sind.17OLG Düsseldorf, Beschluss v. 28.2.2008 – VII-Verg 57/06. Dabei kommt auch der richtigen Verwendung der Begrifflichkeiten eine entscheidende Bedeutung zu. Bezeichnet der Auftraggeber fälschlicherweise eine Position als Wahlposition, die tatsächlich jedoch ein Nebenangebot darstellt, schafft der Auftraggeber ein Maß an Unklarheit, das bei den Bietern zu unterschiedlichsten Interpretationen und damit zu einem Verstoß gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung führt.18VK Bund, Beschluss v. 18.6.2012 – VK 2-53/12.
Vor dem Hintergrund der Manipulationsgefahr wird auch vertreten, dass Bedarfs- und Wahlpositionen mengen- oder wertmäßig nur einen untergeordneten Teil der Gesamtleistung ausmachen dürfen.19Für eine Wertgrenze von 10 % VK Hessen, Beschluss v. 14.7.2005 – VK 1-50/05 (für Bedarfspositionen); VK Lüneburg, Beschluss v. 3.2.2004 – 203-VgK-41/2003 (für Wahlpositionen). Unter dem Gesichtspunkt einer transparenten Wertung kommt es letztendlich jedoch nicht auf den Umfang der Bedarfs- oder Wahlpositionen an. Maßgeblich ist allein, inwiefern diese geeignet sind, das Wertungsergebnis zu beeinflussen.20OLG Düsseldorf, Beschluss v. 28.2.2008 – VII-Verg 57/06 (für Bedarfspositionen). Diese Möglichkeit kann durchaus auch bei kleineren oder wenigen Bedarfspositionen der Fall sein.21OLG Düsseldorf, Beschluss v. 28.2.2008 – VII-Verg 57/06 (für Bedarfspositionen). Wahlpositionen sind jedenfalls dann unzulässig, wenn sie aufgrund der Zahl oder ihrem Gewicht keine sichere Beurteilung mehr erlauben, welches Angebot das wirtschaftlichste ist.22VK Lüneburg, Beschluss v. 17.9.2001 – 203-VgK-18/2001. Das häufige Auftreten von Wahlpositionen kann somit Anlass geben, deren Zulässigkeit genauer zu überprüfen.23OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.2.2012 – VII-Verg 87/11 (für Wahlpositionen). Schließlich hat der Auftraggeber in den Ausschreibungsbedingungen nachprüfbare Kriterien anzugeben, die für die Inanspruchnahme und die Wertung von Bedarfs- und Wahlpositionen ausschlaggebend sind, und an denen die Bieter vorher erkennen können, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Maßstäben eine Bedarfs- bzw. Wahlposition gewertet wird oder nicht.24OLG Düsseldorf, Beschluss v. 28.2.2008 – VII-Verg 57/06 (für Bedarfspositionen); VK Hessen, Beschluss v. 28.7.2004 – 69d-VK-49/2004 (für Bedarfs- und Wahlpositionen).