Eine Antragfrist kann sich aber aus § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB ergeben. Nach dem nationalen Recht müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:
Ein Bieter oder Bewerber muss eine Beanstandung erhoben haben, die die Bezeichnung „Rüge“ verdient.
Der Auftraggeber muss unmissverständlich zum Ausdruck gebracht haben, dass er überhaupt nicht daran denkt, auf die Rüge irgendetwas zu ändern.
Außerdem muss der Auftraggeber bereits in der Bekanntmachung entweder über die Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB belehren oder eine Stelle benennen, bei der Auskünfte über die Einlegung von Rechtsbehelfen erhältlich sind.OLG Brandenburg, Beschluss v. 13.09.2011 - Verg W 10/11 - VergabeR 2012, 242
Für die Mitteilung des Auftraggebers, er helfe einer Rüge nicht ab, ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. Rechtlich reicht also auch ein Telefonanruf aus.
Für den Auftraggeber hat § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB Vor- und Nachteile. Einerseits kann die Regelung dazu führen, dass umstrittene Fragen bereits in einem frühen Stadium des Vergabeverfahrens geklärt und somit Verzögerungen zumindest begrenzt werden. Andererseits besteht die Gefahr voreiliger Nachprüfungsanträge. Rügt ein Unternehmen z.B. Mängel der Bekanntmachung und teilt ihm die Vergabestelle sofort mit, sie helfe nicht ab, muss es alsbald einen Nachprüfungsantrag stellen, der sich später aus vielerlei Gründen als überflüssig herausstellen kann.
Der Auftraggeber hat es allerdings in der Hand, den Gang der Dinge zu beeinflussen. Er ist nicht gezwungen, jede Rüge sofort zu bearbeiten. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB stellt es ihm frei, ob und wann er Rügen zurückweist.
Auftraggeber können auf den Zeitpunkt der möglichen Stellung von Nachprüfungsanträgen Einfluss nehmen, indem sie Rügen sammeln, den weiteren Verlauf des Verfahrens beobachten (Wer gibt überhaupt ein Angebot ab? Sind die Angebote der Rügenden überhaupt wertbar?) und Nichtabhilfebescheide erst dann versenden, wenn das Risiko am geringsten zu sein scheint.