Dr. Andreas Jürgens, Richter am Amtsgericht, Kassel
Unter der Geltung des bis zum 31. Dezember 1991 geltenden alten Vormundschaftsrechts war nach allgemeiner Ansicht die Übertragung vormundschaftlicher Befugnisse auf Dritte zwar ausgeschlossen, eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung Dritter als Hilfspersonen des Vormunds aber in weitem Umfange zulässig. Auch eine Ermächtigung zur Ausübung der tatsächlichen Personensorge wurde für zulässig gehalten. Soweit ersichtlich, ist Rechtsprechung hierzu nur aus den Anfängen des BGB veröffentlicht (etwa KG, OLGE 22, 376 - Beschluß vom 9. Oktober 1914; weitere Nachweise etwa bei Soergel-Damrau, § 1793 Rdnr.8).
Es stellt sich die Frage, ob durch das Inkrafttreten des Betreuungsrechts für den Betreuer etwas anderes gilt. Immerhin enthält § 1899 Abs. IV BGB nunmehr ausdrücklich die Möglichkeit, mehrere Betreuer in der Weise zu bestellen, daß der eine die Angelegenheiten des Betreuten nur zu besorgen hat, soweit der andere verhindert ist oder ihm die Besorgung überträgt. Dies gibt dem Vormundschaftsgericht die Möglichkeit, für den praktisch bedeutsamsten Fall der Betreuer-Vertretung - die Urlaubsabwesenheit - eine ausdrückliche Regelung zu treffen. Auch der nunmehr festgeschriebene Grundsatz der persönlichen Betreuung könnte dafür sprechen, daß der Betreuer die Wahrnehmung von Angelegenheiten des Betreuten nicht an Dritte delegieren kann.
Soweit diese Frage in der betreuungsrechtlichen Literatur überhaupt angesprochen wird, gehen die Autoren einhellig von den bisherigen Grundsätzen aus. So verweist Schwab im Münchener Kommentar (3. Aufl., § 1903 Rdnr. 44) auf die Ausführungen bei § 1793 - betreffend die Minderjährigenvormundschaft -, wo unter Rdnr. 31 ff. die bisherige Rechtsprechung zur Beteiligung Dritter wiedergegeben wird. Schwab hält in diesem Zusammenhang sowohl eine Ermächtigung zur Ausübung der tatsächlichen Personensorge als auch eine Unterbevollmächtigung im rechtsgeschäftlichen Bereich für zulässig, und dies auch nur im Ausnahmefall bei Vorliegen der Voraussetzungen etwa des § 1822 Nr.11 (Erteilung einer Prokura) für genehmigungsbedürftig durch das Vormundschaftsgericht. Lediglich die Erteilung einer Generalvollmacht ist nach seiner Ansicht ausgeschlossen, weil dies der "persönlichen Zuständigkeit" widerspricht.
Damrau (in Damrau-Zimmermann, Betreuungsgesetz, § 1902 BGB Rdnr. 2) hält offenbar die Bevollmächtigung Dritter für möglich. In seiner Kommentierung im Soergel (Soergel-Damrau, § 1793 BGB Rdnr.8) hält er sogar im Gegensatz zu Schwab eine Generalvollmacht für möglich, eine Genehmigung derartiger Vollmachten durch das Vormundschaftsgericht sei mangels entsprechenden gesetzlichen Vorbehalts nicht möglich.
Ausgangspunkt aller Überlegungen muß der anerkannte Grundsatz sein, daß die gesetzlich eingeräumte Vertretungsmacht stets die Erteilung von Untervollmachten ermöglicht, wenn nicht ausdrücklich ein höchstpersönliches Handeln vorgeschrieben ist (wie z. B. in § 1600 d Abs. 2 und 3 BGB) oder sonstige gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen (zu diesem Grundsatz vgl. Münchener Kommentar - Schramm, 3. Aufl., § 167 Rdnr. 77). § 1902 BGB bestimmt den Betreuer im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises zum gesetzlichen Vertreter des Betreuten, er kann also für die Wahrnehmung der Aufgaben nach o. g. Grundsatz auch Untervollmachten erteilen, wenn nicht gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen.
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Aus § 1899 Abs. 4 BGB kann nicht gefolgert werden, daß der Betreuer Untervollmachten nicht erteilen darf. Zwar ist hierin ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, daß das Vormundschaftsgericht einen weiteren Betreuer bestellen kann, der nur bei Verhinderung oder nach Übertragung durch den anderen Betreuer tätig werden darf. Schon aus der Begründung zum Regierungsentwurf (BT-Drucks.11/4528) ergibt sich nicht, daß damit eine entsprechende rechtsgeschäftliche Regelung durch einen Einzelbetreuer ausgeschlossen sein sollte. Außerdem würde bei einem Vorgehen nach § 1899 Abs.4 BGB nur jeweils der vom Vormundschaftsgericht bestellte weitere Betreuer tätig werden können, wohingegen bei rechtsgeschäftlicher Unterbevollmächtigung durch den Betreuer wechselnde Personen vom Betreuer hinzugezogen werden können. Vor allem aber stößt die praktische Handhabung von § 1899 Abs. 4 BGB auf Schwierigkeiten, u.a. deshalb, weil sich die Vertretungsmacht des weiteren Betreuers - der ja nach § 1902 BGB auch gesetzlicher Vertreter wäre - nur schwer im Betreuerausweis festlegen läßt, da er ja nur jeweils bei Verhinderung oder nach Übertragung durch den anderen Betreuer tätig sein darf und Haftungsprobleme Schwierigkeiten bereiten können (zu der Problematik vgl. Münchener Kommentar - Schwab, § 1899 Rdnr.25).
Beschränkungen könnten sich allerdings aus dem Grundsatz der persönlichen Betreuung ergeben. Der Betreuer ist vom Vormundschaftsgericht bestellt worden, weil er geeignet und in der Lage ist, den Betreuten im erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen (§ 1897 Abs. 1 BGB). An dieses Auswahlkriterium ist der Betreuer, wenn man Untervollmachten für möglich hält, nicht ohne weiteres gebunden. Eine Beteiligung Dritter als Unterbevollmächtigte kommt daher von vornherein nur in Betracht, wenn hierdurch die persönliche Betreuung nicht unmöglich wird. Eine Generalvollmacht wäre hiermit unvereinbar, weil dann der Betreuer sämtliche Aufgaben delegieren würde. Auch die Bevollmächtigung Dritter für Einzelaufgaben setzt voraus, daß der Betreuer hierdurch nicht die persönliche Betreuung delegiert, sondern selbst die Betreuung im Grundsatz weiterführt. Er muß daher den Bevollmächtigten überwachen, haftet für dessen Fehler selbst und darf einen solchen nur als untergeordnete "Hilfskraft" einsetzen, also z. B. für überschaubare einzelne "Verwaltungsaufgaben" oder um in der Zeit seiner - etwa urlaubsbedingten - Abwesenheit den Betreuten nicht ohne Ansprechpartner zu lassen.
Dies würde bedeuten, daß die Erteilung z. B. einer Kontovollmacht in der Regel unbedenklich wäre. Bei der Kontoführung handelt es sich um eine solche typische untergeordnete Verwaltung. Der Betreuer darf Mittel des Betreuten nur in dessen Interesse verwenden, und auch der Unterbevollmächtigte ist hieran gebunden. Es ist aber kein Erfordernis der persönlichen Betreuung, daß der Betreuer etwa höchstpersönlich Überweisungen tätigt, Bargeld abhebt etc. Nur wenn sich in der Kontoführung - was selten der Fall sein dürfte - die Aufgaben des Betreuers erschöpfen, wäre eine Untervollmacht ausgeschlossen, im übrigen aber ist sie m. E. durch die gesetzliche Vertretungsmacht des Betreuers gedeckt. Da das Gesetz hierfür einen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsvorbehalt nicht normiert, ist dies auch ohne Genehmigung möglich. Das gleiche gilt auch für Hilfstätigkeiten bei der Verwaltung größerer Vermögensgüter, soweit der Unterbevollmächtigte die Entscheidungen des Betreuers sozusagen verwaltungsmäßig umsetzt.
Wesentlich problematischer dürfte es dagegen bei Aufgaben der Personensorge sein. Die - praktisch allerdings nicht sehr bedeutsame - Einwilligung zur Sterilisation kann nur durch den besonderen Betreuer (§ 1899 Abs. 2 BGB) erfolgen, eine Untervollmacht ist hier nicht denkbar. Auch die generelle Übertragung der Entscheidung über eine Unterbringung (§ 1906 BGB), die Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme oder die Aufenthaltsbestimmung wäre danach unzulässig. Nur für "Hilfs-Maßnahmen", wie etwa den Abschluß des Arzt- oder Krankenhausvertrages auf Weisung und nach grundsätzlicher Entscheidung über die durchzuführende Maßnahme durch den Betreuer käme dann eine Vertretung in Betracht.
In der Praxis dürfte vor allem die Frage der Urlaubsvertretung ein Problem darstellen. Auch hier kommt eine Vertretung des Betreuers bei wichtigen Entscheidungen der Personensorge nur in Betracht, wenn der Betreuer die wesentliche Entscheidungsmacht behält. Das wäre z. B. der Fall, wenn die Urlaubsvertretung lediglich die Verbindung zum Betreuten aufrechterhalten soll, die Entscheidung etwa über eine während des Urlaubs notwendig werdende Unterbringung vom Betreuer am Urlaubsort auf Grundlage der Information durch den Vertreter getroffen werden kann und diese Entscheidung wiederum vom Vertreter "vor Ort" umgesetzt wird.
In jedem Falle ist der Betreuer auch bei Bestellung von Untervollmachten allein für die Führung der Betreuung gegenüber dem Betreuten und dem Vormundschaftsgericht verantwortlich und sollte daher schon im eigenen Interesse das Mittel der rechtsgeschäftlichen Stellvertretung nur vorsichtig einsetzen.