BtPrax – Betreuungsrechtliche Praxis  Jahrgang 2000  BtPrax 5/2000 

Zeitschrift:
BtPrax - Betreuungsrechtliche Praxis
Autor:
Werner Bienwald
Beitragstyp:
Beitrag
Ausgabe:
5/2000 Seiten: 187 bis 191

Schuldenregulierung als Betreueraufgabe?

Prof. Dr. Werner Bienwald Hannover

1. Vorläufiger Befund

Eine der neuerlichen Entdeckungen in der Betreuungsarbeit ist die Schuldenregulierung. In dem vom Vormundschaftsgerichtstag e. V. herausgegebenen Heft 2 von "Betrifft: Betreuung" behandelt Volker Schmidt das Thema Betreuung und Schulden.1S. 19; annähernd gleichlautend bereits in der Verbandszeitung des BdB e. V., Heft Nr. 20/1999, S. 62 f. Schulden, Schulden und kein Ende ist der Beitrag von Ulf Groth überschrieben, den die Verbandszeitung des BdB e. V. in Heft 23/2000, S. 29, veröffentlicht. Im Anschluß an diesen Beitrag kündigt der BdB an, ein Sonderheft zum

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Thema "Schulden, Schulden und kein Ende..." herauszubringen.2In Heft Nr. 25, Juli 2000, sind in der Rubrik "Lei(d)tfaden" fünf Beiträge zu dem Thema veröffentlicht

In die Sachgebietskataloge der zu § 2 BVormVG getroffenen Länderprüfungsbestimmungen hat der Begriff Schuldenregulierung ebenfalls Eingang gefunden. Die Sachgebietskataloge enthalten die Fachbereiche, auf die sich die Umschulung und Fortbildung zum Zwecke der Ablegung der Prüfungen insbesondere zu erstrecken haben. Für die Vermögenssorge ist das folgendermaßen formuliert: "Vermögenssorge, insbesondere a) Schuldenregulierung, Vermögensverwaltung und -anlage".3Zitiert nach der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz über Prüfungen nach dem Berufsvormündervergütungsgesetz (Berufsvormünderprüfungsverordnung - BVorm-PrüfVO) vom 2. September 1999 - Sächs. GVBl. Nr. 12/1999 -; fast gleichlautend die Berliner Regelung, insoweit abgedruckt in BtPrax 4/2000, 157

Die Aufnahme von Schuldenregulierung in den Aufgabenkreis einer Betreuerin/eines Betreuers, sei es bei der Erstbestellung, sei es bei einer Aufgabenkreiserweiterung, geschieht bisher, soweit ich sehe, nur vereinzelt.

2. Warum plötzlich "Schulden und Betreuung"?

Das Thema Schulden und Betreuung (besser gesagt: Vormundschaft, Pflegschaft und Betreuung) ist keinesfalls neu. Zumindest ist jedem Amtsinhaber aus der Verpflichtung zur Errichtung des Inventars (§ 1802 i. V. mit § 1908 i Abs. 1 Satz 1 sowie § 1915 Abs. 1 BGB) bekannt, daß die Verschuldenslage des Betroffenen nicht unbeachtet gelassen werden kann. Zumeist wird dem Betreuer auch nicht die Verwaltung des Vermögens des Betreuten, sondern die Vermögenssorge und damit eine weitergehende Verantwortung übertragen (in Anlehnung an die in § 1626 und § 1793 enthaltenen Aufgabenformulierungen; vgl. aber auch § 1903 Abs. 1 BGB).

Daß neuerdings ausdrücklich die Schuldenregulierung bzw. "Schulden und Betreuung" thematisiert wird, läßt sich wohl auf das durch die Insolvenzordnung (InsO) eingeführte Verbraucherinsolvenzverfahren mit der Möglichkeit der Restschuldbefreiung, aber auch auf die geradezu kampagnenhaft betriebene Professionalisierung und Anerkennung der Betreuung als eigenständiger Beruf zurückführen. Bereits die kommentarlose Verwendung der aus der Schuldnerberatung und Entschuldungshilfe bekannten Begrifflichkeiten, aber auch die dann folgenden Erörterungen bestätigen die schon mehrfach zu beobachtende Praxis, aus Arbeitsfeldern sozialer Arbeit bekannte Verfahren unbesehen auf die Führung einer Betreuung zu übertragen und damit nicht nur Betreuer wie Betreuung zu belasten, sondern auch zur Verwirrung beizutragen.

3. Der Betreuer ist nicht Schuldnerberater

Während Kenntnisse und Erkenntnisse aus "Überschuldung im gesellschaftlichen Kontext"4Überschrift des ersten Abschnitts (Einleitung) des Beitrags von Schmidt - s. oben Fn. 1 - für eine politikbewußt agierende Schuldnerberatung unerläßlich sind, ist es für den Betreuer - abgesehen von der Frage der Allgemeinbildung -fachlich grundsätzlich ohne Belang, daß mehr als zwei Millionen Haushalte in Deutschland überschuldet sind. Auch die von Schmidt in seinem Beitrag aufgezeigten Überschuldungsfolgen für Betroffene (soziale und wirtschaftliche Ausgrenzung, Arbeitsplatzverlust, Kontokündigung, familiäre Probleme und Sozialhilfebedürftigkeit)5A.a.O. - s. oben Fn.1 -, S. 19 sind in der Regel dann ohne spezifisches Interesse, wenn der Betreuer bestellt ist und es nun darum geht, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betreuten zu sichten, zu ordnen, Ansprüche geltend zu machen, Verpflichtungen zu erfüllen, den Betreuten vor unberechtigten Forderungen und vor Vollstreckungsmaßnahmen zu schützen.

Von Interesse sind Ursachen der Überschuldung oder auch nur Verschuldung der/des Betroffenen in der Regel dann, wenn Ausgabeverhalten und "Schulden machen" (z. B. Spielschulden) als Symptom für Krankheit und/oder Behinderung in Betracht kommen und daraus Schlüsse für die rechtliche Bewertung zu ziehen wären.

Teilen diejenigen, die dieser eben geschilderten Einschätzung widersprechen, ihren "Fall" mit, wird meist erkennbar, daß ein Betreuer für einen Menschen bestellt wurde, der zwar in manchen oder sogar vielen Situationen hilflos agiert oder reagiert hat, dem aber keineswegs etwa - krankheits- oder behinderungsbedingt - die Fähigkeit zur Entscheidung gefehlt hat, der vielmehr "lediglich" nicht in der Lage war, "nach dieser Einsicht zu handeln", sich zu behaupten, "nein" zu sagen. Um den Betroffenen in dieser Hinsicht zu schützen, bedarf es keines gesetzlichen Vertreters, keines "rechtlichen" Betreuers. Ebenso wenig wäre es mit §§ 1896 ff. BGB vereinbar, dem überschuldeten Betroffenen auf dem Wege über die Bestellung eines Betreuers lediglich zu einem Schuldnerberater zu verhelfen, den er andernfalls erst nach Monaten zur Verfügung hätte, wenn die Warteliste der zuständigen Schuldnerberatungsstelle abgearbeitet worden ist. Daß dies bei überschuldeten und damit regelmäßig mittellosen Betreuten dann zu Lasten der Staatskasse ginge, darf als bekannt vorausgesetzt werden.6Die Frage, ob der Betreuer bestimmte in dem Verfahren nach der InsO vorgesehene Funktionen (zusätzlich) übernehmen könnte und dürfte, kann hier unerörtert bleiben

Auch hier droht der "rechtlichen" Betreuung der Mißbrauch, weil andere Systeme, nämlich die sozialer Dienstleistung, wie etwa auch in Fällen "lediglich" sozialer Auffälligkeit, nicht existieren, nicht ausreichen oder reduziert werden oder ihr Selbstverständnis ändern, so daß sie als "Dienstleistungsunternehmen" von den Personen, die sie benötigen würden, nicht (mehr) nachgefragt werden. Daß sich hier auch eine Krise der Sozialarbeit anbahnt, sei nur am Rande bemerkt. Bedauerlicherweise erkennen offenbar zu viele Richterinnen und Richter (nicht nur der ersten Instanz) dieses "Spiel" nicht, denn sonst würden weniger Betroffene einen Betreuer erhalten.

4. Begleichung von Forderungen als Angelegenheit der Vermögenssorge

Die Tilgung von Schulden, die Begleichung von Forderungen, die andere gegen den Betreuten haben (oder zu haben behaupten), gehörte schon immer im Rahmen einer geordneten Wirtschaftsführung zur Aufgabe eines Betreuers, Vormunds oder Pflegers, wenn ihm dieser Aufgabenkreis zugewiesen war. Daß im Falle der Vormundschaft über einen Minderjährigen das Begleichen von Schulden einen eher geringen Teil der Vermögenssorge ausmacht, kann nicht verwundern. Insofern dürfen aus den im Minderjährigenrecht enthaltenen Vorschriften über die Vermögenssorge für die Betreuung volljähriger Personen nicht falsche Schlüsse gezogen werden. Im übrigen lassen die Bestimmungen über die Vermögenssorge auch das Schulden machen zu, wie sich aus § 1822 Nr. 8 i. V. mit § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt. Die Kreditaufnahme auf den Namen des Betreuten ist genehmigungsbedürftig, also genehmigungsfähig und keinesfalls ausgeschlossen.

Im Rahmen laufender Betreuungsarbeit werden ständig Schulden getilgt, Forderungen beglichen: Heimkosten, Miete, Mietnebenkosten, Versorgungsentgelte (Gas, Elektrizität), Handwerkerforderungen, Pflegeleistungen und Dienstleistungen anderer Art; unter Umständen Unterhalt für den Ehegat-

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ten, Steuern (Hund, Erbfall, Pkw, Grundstück), Kleingartenpacht, Vereinsbeiträge, Versicherungsbeiträge usw. Auch längerfristige Schulden sind zu begleichen, z. B. wiederkehrende Zins- und Tilgungsleistungen auf früher eingegangene Darlehensverbindlichkeiten (z. B. für die Finanzierung einer Eigentumswohnung).

Zwangsvollstreckung prüfen

Auch im Rahmen dieser "normalen" Wirtschaftsverwaltung muß der Betreuer die Rechtslage seines Betreuten kennen und gegebenenfalls die Rechtmäßigkeit der Forderungen und die der u. U. bereits zu ihrer Durchsetzung eingesetzten Maßnahmen (Zwangsvollstreckung) prüfen. Denn keineswegs wurden in der Vergangenheit von Betroffenen Schulden nur deswegen nicht beglichen, weil keine Mittel vorhanden waren (Überschuldung), sondern auch weil der Betroffene krank-heits- oder behinderungsbedingt dazu nicht (mehr) imstande war. Nicht selten war die darauf zurückzuführende Unterlassung der Mietzahlung für den Vermieter das "Signal", die Bestellung eines Betreuers anzuregen. Deshalb können Gläubiger trotzdem Mahnverfahren in Gang gesetzt und den Gerichtsvollzieher beauftragt oder bei Gericht einen Pfändungsund Überweisungsbeschluß beantragt haben, so daß der Betreuer die Richtigkeit der geltend gemachten Forderung überprüfen können muß. Obwohl Geld vorhanden ist, der Betreute also keineswegs zu den überschuldeten Personen oder Haushalten gehört, kann die Erhaltung des Wohnraums, die Abwehr des Räumungsverfahrens und die schnellstmögliche Begleichung fälliger Verpflichtungen zu den dringenden Angelegenheiten gehören, die der Betreuer zu besorgen hat.

Nebenbei bemerkt sind Kenntnisse des materiellen und formellen (Verfahrens-)Rechts auch nicht lediglich deshalb vorauszusetzen, wenn und weil ihr Betreuter verschuldet oder überschuldet, jedenfalls Schuldner, ist. Der Betreuer kann ebensogut in die Lage kommen, für den Betreuten die Gläubigerposition vertreten zu müssen. Das heißt, er muß wissen, welche Verfahren zur Geltendmachung von Forderungen und zur Erreichung eines vollstreckbaren Titels zur Verfügung stehen und welche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in Betracht kommen und welchen von ihnen im Hinblick auf die konkrete Sachlage unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten der Vorzug zu geben ist. Die Kenntnis des Rechts der Forderungspfändung ist also keineswegs ein Spezifikum von Betreuern verschuldeter Betreuter.

5. Schuldenregulierung als Betreueraufgabe?

Wenn von Schuldenregulierung die Rede ist, geht es nicht lediglich darum, daß im Rahmen einer regelrechten Wirtschaftsführung Einnahmen erzielt und Ausgaben getätigt und dabei bestehende Schulden beglichen werden. Schuldenregulierung ist dann in Erwägung zu ziehen, wenn jemand überschuldet ist, wenn sein Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO), wenn die laufenden Einnahmen und das vorhandene Vermögen einschließlich bestehender Forderungen nicht mehr ausreichen, neben den lebensnotwendigen Ausgaben die laufenden Verpflichtungen zu begleichen und die rückständigen Schulden zu tilgen.

Während bis zum Inkrafttreten der InsO am 1. 1. 1999 Schuldnerberatungsstellen außerhalb eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens überschuldeten Personen dabei halfen, ihre Schulden zu verringern oder vollständig abzubauen, bietet nun die InsO ein Verbraucherinsolvenzverfahren an, das nach erfolglosem außergerichtlichem Schuldenbereinigungsversuch die Möglichkeit bietet, daß ein Schuldenbereinigungsplan mit gerichtlicher Unterstützung zustande kommt und der Schuldner am Ende eines unter bestimmten Voraussetzungen überstandenen Zeitraums von sieben Jahren (sogenannte Wohlverhaltensperiode) Restschuldbefreiung erlangt. Antragsberechtigt ist der Schuldner (§§ 13 Abs. 1, 287 Abs. 1 Satz 1, 305 Abs. 1 InsO); ist dieser nicht prozeßfähig, handelt für ihn der gesetzliche Vertreter. Eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Antragstellung durch den Betreuer ist nicht vorgesehen. Genehmigungen des Vormundschaftsgerichts können jedoch für einzelne Erklärungen und Rechtsgeschäfte im Rahmen des Schuldenbereinigungsverfahrens nach Maßgabe der §§ 1821, 1822 ff. BGB in Betracht kommen.

Fraglich ist zunächst, wann die Beantragung und Durchführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens mit der Restschuldbefreiung eine Angelegenheit des Betreuers ist und ob die Schuldenregulierung eine geeignete Bezeichnung des dahin zielenden Auftrags des Betreuers darstellt. Sodann ist zu prüfen, in welchen Fällen Schuldenregulierung als eine notwendige und geeignete Maßnahme in Betracht kommt. Zu beachten ist ja, worauf schon hingewiesen wurde, daß im Falle von Überschuldung in der Regel auch Mittellosigkeit vorliegen wird, so daß die für die Schuldenregulierung aufzuwendende und aufgewendete Zeit dem beruflich tätigen Betreuer aus der Staatskasse zu vergüten wäre. Es kann aber nicht Sache der Staatskasse sein, wirtschaftlich gesehen sinnlose Schuldenregulierungsverfahren zu finanzieren, die lediglich dem damit beauftragten Betreuer zu Einnahmen verhelfen.7Weitere Einzelheiten/Probleme in bezug auf das InsO-Verfahren (Nullpläne u. ä., PKH-Bewilligungen?) bleiben hier außer Betracht. Hingewiesen sei aber auf die kürzlich in Heft 34/2000 der NJW erschienenen Beiträge von G. König: "Prozesskostenhilfe in Verbraucherinsolvenzverfahren" (S. 2485) und "Rechtsprechungsübersicht zur Prozesskostenhilfe in Verbraucherinsolvenzverfahren" (S. 2487).

a) Beantragung und Durchführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung

Die Beantragung und Durchführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens mit der Restschuldbefreiung kann dem Betreuer als Aufgabe übertragen sein. Voraussetzung für eine Aufgabenzuweisung dieser Art ist es - wie auch sonst bei der Betreuerbestellung -, daß es um eine Angelegenheit des Betroffenen geht, für deren Besorgung es eines Betreuers als eines gesetzlichen Vertreters bedarf, weil auf andere Weise die Angelegenheit nicht ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden kann (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB). Hinzukommt, daß die Angelegenheit auch aktuell besorgungsbedürftig sein muß, eine Aufgabenzuweisung für einen späteren Zeitpunkt, weil irgendwann einmal regelungsbedürftig, wäre als Vorratsbetreuung nicht zulässig. Dies gilt nicht minder für Angelegenheiten, mit denen die Verringerung oder der vollständige Abbau von Schulden des Betroffenen erreicht werden soll.

Die Befreiung von eigenen Schulden ist eine Angelegenheit des Betroffenen, auch wenn gegebenenfalls Dritte - Gläubiger - von der Schuldenbereinigung einen Vorteil haben, indem (z. B.) ein Teil ihrer Forderungen (u. U.) befriedigt wird. Daß die Betreuung auch im Interesse eines anderen als lediglich des Betreuten liegt, steht seit der Klarstellung durch die BGH-Entscheidung, einer Betreuerbestellung nicht entgegen, damit aber auch nicht einem Teilaufgabenkreis oder einer Erweiterung des Aufgabenbereichs des Betreuers.

Hat der Betroffene für den Fall eines in Betracht kommenden Schuldenbereinigungsverfahrens keine eigene Vorsorge in Form einer Bevollmächtigung getroffen und ist er im akuten Fall auch außerstande, eine Person seines Vertrauens mit der Beantragung und Durchführung des Verfahrens zu betrauen, ist die Bestellung eines Betreuers mit einem entsprechenden Aufgabenkreis geboten, weil auf andere Weise, z. B. durch eine nicht vertretungsberechtigte Person oder Institution, das Verfahren nicht durchgeführt werden kann, wenn der Betroffene nicht prozeßfähig ist.

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Besteht Handlungsbedarf?

Weniger schnell läßt sich beantworten, ob für den Aufgabenbereich ein aktueller Handlungsbedarf besteht. Ist es - aus der Perspektive des Betroffenen - erforderlich, daß die Schuldensituation des Betroffenen bereinigt wird? Was hat die/der Betroffene davon, daß seine Verschuldenslage "bereinigt" wurde?

Vorausgesetzt, daß die Aufgabe der Beantragung und Durchführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens mit der Restschuldbefreiung dem Betreuer nicht als alleiniger Aufgabenkreis übertragen wurde, ist der Auftrag im Zusammenhang mit den übrigen Aufgaben des Betreuers zu sehen.

Unabhängig von Aufgabenkreisformulierungen in Einzelfällen wird immer die Sicherstellung der täglichen Versorgung und Pflege des behinderten oder kranken Betreuten im Vordergrund stehen, sofern sie nicht auf andere Weise als durch den Betreuer zu sichern ist. Dazu gehört die Mittelbeschaffung und -verwaltung und die Sorge, daß die von Versicherungen, öffentlichen und halböffentlichen Stellen in Anspruch zu nehmenden Mittel dem Betroffenen in dem höchstzulässigen Maße zugute kommen. In diesem Rahmen kann es - bei entsprechendem Aufgabenkreis - zu den Pflichten des Betreuers gehören, dafür zu sorgen, daß Gläubiger nicht auf Kosten der zugunsten des Schuldners bestehenden Schutzbestimmungen des Zwangsvollstreckungsrechts Befriedigung ihrer Forderungen und Ansprüche erlangen. Um das zu erreichen genügt es vielfach nicht, die Pfändungsschutzbestimmungen der ZPO zu beachten; der Betreuer wird (z. B.) Gläubiger davon überzeugen müssen, jedenfalls den Versuch unternehmen, daß diese ergebnislose, lediglich Kosten verursachende Vollstreckungsversuche unterlassen. Gelingt es dem Betreuer nicht, die Gläubiger zu überzeugen, kann es geboten sein, sich zu diesem Zwecke einer geeigneten Stelle (Schuldnerberatungsstelle) oder Person (Anwalt, ggf. unter Inanspruchnahme von Beratungshilfe) zu bedienen, die Gläubigern glaubhafter erscheinen mag als ein Betreuer.

Wird die Lebenslage der/des Betroffenen durch die Einleitung und Durchführung des Verfahrens nach der Insolvenzordnung nicht spürbar verbessert, besteht kein aktueller Bedarf an einer Schuldenbereinigung in der beschriebenen Form.

Bessere Lage durch Schuldenbereinigung

Eine spürbare Verbesserung der Lebenslage der/des Betroffenen würde dann durch eine Schuldenbereinigung eintreten und erreicht, wenn sich die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse positiv verändern würden. Das wäre etwa der Fall, wenn die Erfahrung, schuldenfrei zu sein, die gesundheitliche und seelische Verfassung der/des Betreuten verbessern würde oder wenn die Chancen, eine neue Beschäftigung zu finden, steigen würden.

Im Einzelfall einer Betreuung mag das nicht ausgeschlossen sein. Im Regelfall, vor allen Dingen dann, wenn Anlaß für die Bestellung eines Betreuers dementielle Auffälligkeiten bei einem älteren Menschen waren, wird in der geschilderten Weise eine spürbare Verbesserung der Lebenslage der/des Betroffenen durch eine Schuldenbereinigung nicht zu erreichen sein und auch nicht eintreten (können). Sie käme, in eingeschränktem Maße, Gläubigern zugute (s. oben) und vor allem den Erben der/des Betroffenen, die einen durch Schulden unbelasteten Nachlaß übernehmen könnten, sofern sie die Erbschaft nicht aus anderen Gründen ausschlagen.

Abgesehen davon müßte vor einer diesbezüglichen Beauftragung des Betreuers auch geprüft worden sein, daß hinreichende Aussichten bestehen, das Schuldenbereinigungsverfahren nach der InsO erfolgreich zu beenden. Sind z. B. nicht genügend Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß eine siebenjährige Wohlverhaltensperiode in jeder Hinsicht erfolgreich überstanden werden wird, wären etwaige Bemühungen des Betreuers nutzlos vertane Zeit, die - weil der Betroffene mittellos sein wird - zu Lasten der Staatskasse zu vergüten wäre.

b) Zum Aufgabenkreis Schuldenregulierung

Während mit der Formulierung "Beantragung und Durchführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung" die (Teil-) Aufgabe des Betreuers hinreichend präzise beschrieben wird, so daß seine Befugnisse und Verpflichtungen sowie seine Vertretungsbefugnis (§ 1902 BGB) klar sind, läßt sich dies von der Aufgabenbeschreibung "Schuldenregulierung" nicht behaupten.

Schuldenregulierung als Verfahren verstanden entspräche der Aufgabenbeschreibung, das Verfahren zu beantragen und durchzuführen; Schuldenregulierung als Ergebnis einschlägiger Bemühungen verstanden, würde von dem Betreuer etwas verlangen und erwarten, was - zunächst jedenfalls - völlig ungewiß ist, weil das Verhalten der Gläubiger und auch das des Insolvenzgerichts nicht hinreichend vorhergesehen werden können und es deshalb offen ist, ob es -im Ergebnis - zu einer Schuldenbereinigung kommt. Der Begriff der Schuldenregulierung ist auch insofern unpräzise, als er offen läßt, ob lediglich eine außergerichtliche Schuldenbereinigung (mit dem Ziel einer längerfristig angelegten "Befreiung") versucht oder auch das Verfahren nach der InsO durchgeführt werden soll, für das der außergerichtliche (Fehl-)Versuch lediglich eine erste Station, sozusagen das Vorverfahren, darstellt.

c) Das Erfordernis präziser Aufgabenbestimmung

Die genaue Bezeichnung der Aufgabe des Betreuers ist - abgesehen von Unsicherheiten vertretungsrechtlicher Art - für die Vergütung und die Frage etwaiger Haftung von Bedeutung. Bei einer nicht hinreichend bestimmten Aufgabe ist der Streit über die Frage, welche Tätigkeiten, weil zum Auftrag gehörend, zu vergüten sind und welche nicht (einschließlich von Art und Umfang vom Aufwendungsersatz), programmiert. Und ob jemand pflichtwidrig gehandelt hat, indem er seinen Auftrag dem Inhalt und/oder Umfang nach nicht erfüllt hat, kann bei einer unpräzisen Aufgabenbestimmung zu Problemen führen. Diese wären nicht dadurch zu vermeiden, daß die Aufgabe als "Versuch einer Schuldenregulierung" formuliert wird. Denn dann bliebe der Umfang der vergütungsfähigen Tätigkeiten ebenfalls kaum bestimmbar und vorhersehbar.

Die wohl treffendste Bezeichnung wäre die, der Betreuer habe die Schuldenbereinigung zu veranlassen. Denn damit würde zum Ausdruck gebracht sein, daß der Betreuer dieses Unternehmen nicht selbst zu betreiben, sondern dafür die Initiative zu ergreifen und einen Spezialisten zu beauftragen habe. Dies entspräche auch der realen Situation. Denn im Laufe der letzten 20 Jahre hat sich ein Spezialistentum der Schuldnerberatung und Schuldenregulierung herausgebildet, das über die notwendigen rechtlichen, wirtschaftlichen und methodischen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, um mit der Angelegenheit "Überschuldung/Verschuldung" professionell umzugehen. Ob der damit beauftragte Betreuer in vergleichbarer Weise hinreichend kompetent ist, muß in Frage gestellt werden. Zumindest muß das Gericht, wenn es dem Betreuer auch die Aufgabe der Schuldenbereinigung zuweist, zuvor hinreichend geprüft und festgestellt haben, daß der Betreuer die für die Schuldenbereinigung oder die Beantragung und Durchführung des InsO-Verfahrens notwendige Eignung besitzt.

d) Reicht die Aufgabe der Vermögenssorge aus?

Die Vermögenssorge des Betreuers für eine betreute Person umfaßt - analog dem Verständnis der elterlichen und der vormundlichen Vermögenssorge (vgl. Palandt/Diederichsen,

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59. Aufl. 2000, § 1626 BGB Rz. 19) - alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, das Vermögen der/des Betroffenen zu erhalten, zu verwerten und zu vermehren (KGJ 47, 39). Zur Erhaltung des Vermögens gehört nicht nur die Vermeidung von Schulden (Palandt/Diederichsen, a. a. O.), sondern auch die Verbesserung der Vermögenslage durch die Verringerung von Schulden (Bienwald, BtR, 3. Aufl. 1999, Anh. zu § 1908 i BGB Rn. 9 und 11). Um die Verringerung des Schuldenbergs des Betreuten in Angriff zu nehmen und womöglich eine Entschuldung zu erreichen, benötigt der Betreuer deshalb keine Erweiterung des Aufgabenkreises Vermögenssorge um die Aufgabe der Schuldenregulierung oder ähnlich formulierter Angelegenheiten oder auch sogenannter Klarstellungen in dieser Hinsicht.

Auch aus der Perspektive des Vormundschaftsgerichts sowie des Betreuten, aus dessen Vermögen der beruflich tätige Betreuer vergütet wird, hat die Beschränkung des Auftrags auf die Vermögenssorge mit dem so verstandenen Inhalt den Vorteil, daß die Aufgabe zwar einerseits weit gefaßt ist und dem Betreuer einen weiten Handlungsspielraum einräumt, gleichzeitig aber ihm auch ein höheres Maß an eigener Verantwortung zuweist, pflichtgemäß zu prüfen, inwiefern Bemühungen um eine Verringerung der Schulden und eine Beseitigung der Überschuldung des Betreuten diesem zugute kommt und ein dafür betriebener und erforderlicher Aufwand in einem vertretbaren Verhältnis zu dem Nutzen für den Betreuten steht.

Anders dagegen die Präzisierung oder Spezialisierung des Aufgabenkreises, die von dem Betreuer ein zielgerichtetes Tätigwerden erwartet und dem Vormundschaftsgericht kaum erlaubt, jedenfalls erhebliche Schwierigkeiten bereiten dürfte, dem Betreuer Vorhalte zu machen, weil der in erheblichem Umfang Zeit für die Schuldenregulierung eingesetzt hat, obwohl ein befriedigendes Ergebnis nicht zu erwarten war oder/und das Ergebnis in keinem vertretbaren Verhältnis zu dem betriebenen Aufwand steht.