Horst Deinert 1Der Autor ist Dipl.-Verw.wirt/Dipl.-Soz.arb. (FH), Duisburg.
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Ein Arbeitsverhältnis ist die rechtliche und soziale Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es handelt sich dabei im Arbeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland um einen privatrechtlichen Vertrag, der „Arbeitsvertrag“ genannt wird, der wiederum eine Sonderform des Dienstvertrags ist. Das ist ein Dauerschuldverhältnis, das die Leistung von abhängiger weisungsgebundener Tätigkeit gegen Entgelt zum Gegenstand hat. Auch betreute Menschen stehen des Öfteren in Arbeitverhältnissen. Thema des Beitrags sind die Besonderheiten, die sich aus einer Betreuung für sie arbeitsrechtlich ergeben sowie die Auswirkungen einer etwaigen Geschäftsunfähigkeit oder eines Einwilligungsvorbehaltes. Der Beitrag beschränkt sich dabei auf die Rolle des Betreuten als Arbeitnehmer.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen bei Abschluss des Arbeitsvertrages grundsätzlich geschäftsfähig sein. Anderenfalls müssen sie sich durch Stellvertreter (gesetzliche Vertreter, wie Betreuer oder durch Bevollmächtigte, vgl. § 672 BGB) vertreten lassen. Insoweit gelten die Vorschriften der §§ 164 ff. BGB. Der geschlossene Arbeitsvertrag wirkt dann für und gegen den Vertretenen, wenn der Vertreter im Namen des Vertretenen handelt und wenn er Vertretungsmacht hat.
Arbeitsverträge sollten im Interesse aller Beteiligter schriftlich abgeschlossen werden; allerdings ist die Schriftform (§ 126 BGB) keine gesetzliche Voraussetzung. In bestimmten Branchen verlangen Tarifverträge aber die Einhaltung der Schriftform, z. B. im öff. Dienst nach § 2 TVöD. Darüber hinaus ist eine schriftliche Fixierung des vereinbarten Arbeitsverhältnisses nicht nur wegen gesetzlicher Normen,2§ 2 Nachweisgesetz, § 105 Gewerbeordnung sowie für Ausbildungsverträge § 11 Berufsbildungsgesetz. die dies verlangen, sondern auch zu Beweisfragen in etwaigen arbeitsgerichtlichen Verfahren den Beteiligten dringend angeraten.
Kündigungen von Arbeitsverträgen erfordern demgegenüber stets die Schriftform, § 623 BGB. Dies gilt auch für Auflösungsverträge.
Der Betreuer ist ggü. Vertragspartnern des Betreuten grundsätzlich nicht verpflichtet, diesen Kenntnis von der Betreuung zu geben.3Siehe dazu den Beschluss des BVerfG vom 11.06.1991, 1 BvR 239/90, BVerfGE 84, 192 = NJW 1991, 2411 = FamRZ 1991, 1037 = FamRZ 1991, 1284.
Lediglich dann, wenn der Betroffene geschäftsunfähig ist oder bezüglich des Arbeitsverhältnisses ein Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) besteht, muss der Betreuer sich beim Abschluss des Arbeitsvertrags betätigen und insofern die Betreuung offenbaren, anderenfalls ist der Arbeitsvertrag nichtig (§ 105 i. V. m. § 104 Nr. 2 BGB) bzw. schwebend unwirksam (§§ 1903 i. V. m. 108 BGB).
Der Betreuer kann den Vertrag aber auch gegenüber dem Betreuten genehmigen, dann wäre kein Offenbaren notwendig.
Der Betreuer kann bei einem Einwilligungsvorbehalt dem Betreuten auch die Erlaubnis erteilen, eigenständig einen Arbeitsvertrag zu schließen, §§ 1903 i. V. m. 113 BGB. Verweigert der Betreuer dieses, kann das Betreuungsgericht die Einwilligung ersetzen (§ 113 Abs. 3 BGB). Die für einen einzelnen Fall erteilte Ermächtigung wirkt gem. § 113 Abs. 4 BGB im Zweifel für alle entsprechenden Arbeitsverhältnisse.4BAG vom 08.06.1999, 3 AZR 71/98; BB 1999, 2090 = BB 2000, 567 = NZA 2000, 34.
Der Betreuer ist allerdings nur dann vertretungsberechtigt, wenn arbeitsrechtliche Angelegenheiten von seinem Aufgabenkreis erfasst sind oder er den Aufgabenkreis „alle Angelegenheiten“ hat. Die üblichen Aufgabenkreise, Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge und Vermögenssorge dürften nicht ausreichend sein.5OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 16.7.2009, 20 W 147/09 (für den Aufgabenkreis Vermögenssorge); von den Arbeitsgerichten wird dem Vernehmen nach meist die Vermögenssorge als ausreichend angesehen. Sinnvollerweise könnte ein passender Aufgabenkreis lauten: „Vertretung in arbeitsvertraglichen Angelegenheiten“. Aus einem entsprechend vom Betreuer für den Betreuten geschlossenen Arbeitsvertrag ist der Betreute gem. § 164 BGB, § 613 BGB persönlich zur Arbeitsleistung verpflichtet.
Der Betreuer benötigt unter Umständen für den Abschluss des Arbeitsvertrags oder die Ermächtigung nach § 113 BGB eine betreuungsgerichtliche Genehmigung nach § 1822 Nr. 6 (i. V. m. § 1908i 1 BGB).6Zuständigkeit des BetrG statt des in § 1822 genannten FamG ergibt sich aus §§ 271 Nr. 3, 299 FamFG. Die Genehmigungspflicht besteht dann, wenn es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, das länger als ein Jahr dauern soll. Voraussetzung für eine Genehmigungspflicht ist aber zusätzlich, dass eine Lösung vom Vertrag vor Ablauf eines Jahres entweder ausgeschlossen oder nur unter Einbußen möglich ist.7BGH, Urteil vom 30.06.1958; BGHZ 28, 78 = NJW1958, 1393; Knittel: BtG, § 1907 BGB, Rn. 16.
Aufgrund der nach §§ 620 ff. BGB bestehenden generellen Kündigungsmöglichkeit dürfte ein üblicher unbefristeter Arbeitsvertrag somit nicht der gerichtlichen Genehmigungspflicht unterfallen. Das gleiche gilt für befristete Arbeitsverträge, die für eine Dauer von maximal einem Jahr abgeschlossen wurden.
Für befristete Arbeitsverhältnisse, die länger als ein Jahr dauern, gilt, dass eine ordentliche Kündigung nur dann statthaft ist, wenn dies im Arbeitsvertrag selbst oder einem anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist.8§ 620 Abs. 3 BGB i. V. m.. § 15 Abs. 3 TzBfG. Daher gilt: Ein entsprechendes befristetes Arbeitsverhältnis muss entweder eine solche Kündigungsklausel enthalten oder betreuungsgerichtlich genehmigt werden.
Beim Abschluss eines Berufsausbildungsvertrags9Das BGB verwendet in § 1822 immer noch die veraltete Bezeichnung „Lehrvertrag“. gilt abweichend: hier ist stets die betreuungsgerichtliche Genehmigungspflicht des Betreuers gem. § 1822 Abs. 7 BGB (i. V. m.: § 1908i BGB) gegeben, sobald das Vertragsverhältnis länger als ein Jahr beträgt. Ausbildungsberufe haben üblicherweise eine Vertragsdauer von 2 bis 3 Jahren.
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§ 22 BBiG enthält Beschränkungen der Kündigungsmöglichkeit nach Ablauf der Probezeit. Daher wird eine Genehmigungspflicht hier bejaht.
Das Betreuungsgericht soll in einem Genehmigungsverfahren nach § 299 FamFG den Betreuten persönlich anhören. Funktional zuständig ist der Rechtspfleger (§ 15 Abs. 1 RpflG).
Ist der Betreuer bei den Arbeitsvertragsverhandlungen anwesend und verschweigt er besonders gefährliche Schädigungshandlungen aus der Vergangenheit, kann es, allerdings nur im Extremfall, zu einer Haftung des Betreuers kommen. An sich führen vorvertragliche Pflichtverletzungen (ebenso wie spätere vertragliche Pflichten selbst) im Außenverhältnis aber lediglich zu einer Haftung des Betreuten selbst, nicht zu einer Haftung des Betreuers. Etwas anderes soll aber dann gelten, wenn der Vertragspartner ausdrückliche Fragen stellt, die unzutreffend beantwortet werden, so z. B. in einem vom BGH 1987, also noch zur Zeit des Vormundschaftsrechtes für Volljährige, entschiedenen, spektakulären Fall einer Brandstiftung eines jungen psychisch kranken Mannes, bei welchem der Amtsvormund beim Einstellungsgespräch anwesend war, den künftigen Arbeitgeber jedoch nicht auf die Gefahr von Brandstiftungen durch den Vertretenen hingewiesen hatte. Der Vertretene hatte in Vorjahren mehrfach Brände gelegt („Pyromanie“); nach vorliegenden Sachverständigengutachten bestand auch weiterhin eine erhöhte Gefahr weiterer Brandstiftungen.10BGH, BGHZ 100, 313 = NJW 1987, 2664 = FamRZ 1987, 904 = NJW-RR 1987, 1288.
Tritt ein geschäftsunfähiger Arbeitnehmer (ohne einen vom Betreuer für ihn wirksam geschlossenen Arbeitsvertrag) tatsächlich in Dienst oder Arbeit, so sind dessen Lohnansprüche nach dem Grundsatz des faktischen Arbeitsverhältnisses abzuwickeln.
Ein faktisches Arbeitsverhältnis liegt vor, wenn ein Arbeitsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zwar geschlossen wurde und auch vollzogen wird, sich dann aber als nichtig herausstellt oder wirksam angefochten wurde.11BAG, Urteil vom 3.11.2004 = BAGE 112, 299; vgl. auch Knittel, BtG § 1822 Rn. 31. Zum Schutz des Arbeitnehmers wird das faktische Arbeitsverhältnis wie ein wirksam zustande gekommener Arbeitsvertrag behandelt. Dem Arbeitnehmer ist also für die Zeit der Beschäftigung das Arbeitsentgelt zu zahlen, das nach dem nichtigen Arbeitsvertrag zu zahlen wäre. Ihm stehen insoweit alle Rechte aus dem Arbeitsvertrag zu; dagegen treffen ihn nicht die Pflichten, weil er sich wegen des Mangels der Geschäftsfähigkeit nicht wirksam verpflichten kann. Sinn und Zweck dieses von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsinstituts des faktischen Arbeitsverhältnisses ist, dass man komplizierte Rückabwicklungsansprüche verhindern möchte. Ansonsten könnte der Arbeitgeber einerseits sein gezahltes Geld zurückverlangen, während andererseits der Arbeitnehmer den genauen objektiven Wert seiner Arbeitsleistung verlangen könnte, was oftmals nur schwer zu ermitteln ist.
Für die Zukunft besteht jedoch keine Bindung, es ist insbesondere nicht das Kündigungsschutzgesetz anzuwenden. Während des Beschäftigungszeitraums gelten jedoch die arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen (z. B. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Mutterschutzbestimmungen usw.).12Vgl. BAG vom 15.01.1986, 5 AZR 237/84; BAGE 50, 370 = NJW 1986, 2133 = BB 1986, 1157 = NZA 1986, 561.
Ein faktisches Arbeitsverhältnis kann von Arbeitnehmer und Arbeitgeber jederzeit durch einseitige Erklärung beendet werden, ohne dass die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung (§ 626 BGB) vorliegen müssen.13BAG vom 07.12.1961, 2 AZR 12/61. Das faktische Arbeitsverhältnis endet mit Zugang dieser Erklärung. Der Einhaltung einer Frist bedarf es hierzu ebenso wenig wie der vorangegangenen Anhörung des Betriebs- oder Personalrats oder der Zustimmung des Integrationsamtes gem. § 85 SGB IX.
Allerdings wird für den rechtswirksamen Empfang der genannten Erklärung beim weiterhin geschäftsunfähigen Arbeitnehmer ein gesetzlicher Vertreter benötigt (§ 131 BGB).
Für Arbeitsverträge in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) ist diese Möglichkeit durch § 138 Abs. 6 und 7 SGB IX eingeschränkt. Hier heißt es: „War der volljährige behinderte Mensch bei Abschluss eines Werkstattvertrages geschäftsunfähig, so kann der Träger einer Werkstatt das Werkstattverhältnis nur unter den Voraussetzungen für gelöst erklären, unter denen ein wirksamer Vertrag seitens des Trägers einer Werkstatt gekündigt werden kann. Die Lösungserklärung durch den Träger einer Werkstatt bedarf der schriftlichen Form und ist zu begründen.“
Die Kündigung (eines wirksamen Arbeitsvertrags) kann nicht rechtswirksam ggü. einem inzwischen geschäftsunfähig gewordenen Arbeitnehmer erklärt werden.14LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.05.2009, 6 S. 55/09.
§ 131 BGB verlangt, dass die Abgabe der empfangsbedürftigen Willenserklärung gegenüber dem Geschäftsunfähigen erfolgt, der Zugang aber beim gesetzlichen Vertreter eintritt. Dies ist dahin zu verstehen, dass die Abgabe der Erklärung mit dem Ziel erfolgt, den Wirksamkeitseintritt beim gesetzlichen Vertreter herbeizuführen; der Erklärende bei der Abgabe an den Geschäftsunfähigen also zugleich den Willen hat, die Erklärung an den gesetzlichen Vertreter zu richten.15Vgl. Staudinger-Dilcher, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Allgemeiner Teil, 1. Buch, Rn. 3, sowie APS – Kündigungsrecht, 3. Auflage, D, 36, 69, 70; a. A. Reichhold, jurisPK – BGB, 4. Aufl. 2008, § 131, Rn. 6. Hieraus folgt, dass die bloß zufällige Kenntniserlangung vom Vorliegen einer Kündigung durch den Betreuer im Rahmen seiner Betreuungsfunktion keinen wirksamen Zugang einer Erklärung gegenüber Geschäftsunfähigen begründen konnte.16Vgl. auch BGH, Beschluss vom 13.04.1989, V ZR 145/88, m. w. N.
Bei einer Eigenkündigung des geschäftsunfähigen Arbeitnehmers gilt, dass der Arbeitgeber nicht fahrlässig handelt, wenn er von der Wirksamkeit der Kündigung ausgeht, solange der Arbeitnehmer oder sein gesetzlicher Vertreter kein aussagekräftiges Gutachten eines neutralen Sachverständigen über seine Störung der Geistestätigkeit vorlegt.17BAG vom 17.02.1994 – 8 AZR 275/92; DB 1994, 1626 = BAGE 76, 32 = NJW 1994, 2501 = BB 1994, 1010 = NZA 1994, 693. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Störung für einen Laien nicht ohne Weiteres erkennbar war. Die Kündigung eines Arbeitsvertrags durch den Betreuer erfordert ebenso wie ein Aufhebungsvertrag keine betreuungsgerichtliche Genehmigung.18Jurgeleit/Meyer, BtR, § 1822 Rn. 20.
Soweit ein Betreuer einen passenden Aufgabenkreis (sh. 3) innehat, kann er auch vor dem Arbeitsgericht eine Kündigungsschutzklage19Klagemuster bei Meier, Handbuch Betreuungsrecht, Rn. 996 und Deinert/Lütgens/ Meier: Die Haftung des Betreuers, 2. Aufl. Rn. 784. gegen eine arbeitgeberseitige Kündigung erheben, die Vorschriften über die Prozessfähigkeit und die gesetzliche Vertretung (§ 1902 BGB i. V. m.. §§ 51 – 53 ZPO) gelten auch vor dem Arbeitsgericht.20So zuletzt BAG vom 28.05.2009, 6 AZN 17/09, BtPrax 2009, 296 = FamRZ 2009, 1665, NJW 2009, 2051 = NZA 2009, 1109; LAG Thüringen, Beschluss vom 11.07.2000, 5 Ta 64/2000. Hierbei ist die
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Klagefrist von 3 Wochen nach § 4 KSchG zu beachten. Bei kurzfristigen Arbeitsverhältnissen und Kleinbetrieben gelten Sonderregelungen. Es besteht in 1. Instanz kein Anwaltszwang. Vor den Arbeitsgerichten werden oft Vergleiche angeboten und abgeschlossen. Der Betreuer benötigt hierzu die betreuungsgerichtliche Genehmigung (§ 1822 Nr. 12 BGB). Handelt es sich beim Vergleich um eine Abfindung, entfällt die Genehmigungspflicht des BetrG, wenn der Arbeitsrichter selbst den Vergleichsvorschlag unterbreitet. Ist aber das Weiterbestehen oder Beenden des Arbeitsverhältnisses Gegenstand des Vergleiches, bleibt die Genehmigungspflicht bestehen.21Meier, Handbuch Betreuungsrecht, Rn. 999. Hier darf diesem Vergleich somit stets nur unter Vorbehalt zugestimmt werden.