Fachbücher  Praxiskommentar Betreuungs- und Unterbringungsverfahren  Teil 1 Kommentar zum Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)  Buch 3 Verfahren in Betreuungs- und Unterbringungssachen  Abschnitt 1 Verfahren in Betreuungssachen  § 287 FamFG Wirksamwerden von Beschlüssen 

Werk:
Praxiskommentar Betreuungs- und Unterbringungsrecht
Herausgeber:
Rolf Jox/Tobias Fröschle
Autor:
Rolf Jox
Stand:
März 2020
Auflage:
4. Auflage

III. Sofortige Wirksamkeit (Abs. 2)

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Das Gericht kann durch Beschluss, der in der Endentscheidung enthalten sein, aber auch gesondert gefasst werden kann, die sofortige Wirksamkeit einer in Betreuungssachen getroffenen Entscheidung anordnen. Das setzt voraus, dass entweder Gefahr im Verzug oder eine Bekanntmachung an den Betreuer nicht möglich ist. Gefahr im Verzug ist gegeben, wenn die Verzögerung bis zu einer den Anforderungen der §§ 41, 15 FamFG entsprechenden Bekanntgabe an den Betreuer eine Gefährdung der Interessen des Betroffenen erwarten lässt.1Jurgeleit/Bučić § 287 FamFG Rn. 6 Da § 300 FamFG keine eigenständige Regelung über die sofortige Wirksamkeit von einstweiligen Anordnungen enthält, gewinnt diese Alternative an Bedeutung.

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Eine Bekanntmachung an den Betreuer ist nicht möglich, wenn dieser nicht erreichbar ist (z.B. verreist, unbekannten Aufenthalts, verstorben, entlassen, unbekannt verzogen o.Ä).

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Wird die sofortige Wirksamkeit der Entlassung des Betreuers angeordnet, ist hierbei zu beachten, dass dies die Wirksamkeit weiterer Amtshandlungen des entlassenen Betreuers wegen §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1893 Abs. 1, 1698a BGB unberührt lässt, solange er die Entscheidung nicht kannte oder kennen musste. Er musste sie nicht schon deshalb kennen, weil er um den Entlassungsantrag des Betreuten wusste.2LG Cottbus FamRZ 2003, 61 (LS)

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Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.3Keidel/Budde § 287 FamFG Rn. 11 Sie ist in der Entscheidung zu begründen.4Bassenge/Roth/Bassenge § 287 FamFG Rn. 7 Als verfahrensleitende Anordnung ist sie nicht gesondert anfechtbar.

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Ist die sofortige Wirksamkeit angeordnet, so wird die Entscheidung wirksam, wenn sie

dem Betroffenen oder

seinem Verfahrenspfleger bekannt gegeben oder

der Geschäftsstelle zum Zwecke der Bekanntgabe an den Betroffenen oder Verfahrenspfleger übergeben wird,

was davon auch immer zuerst geschieht.5Soweit HK-BUR/Braun § 287 FamFG Rn. 23 eine Binnendifferenzierung mit Stufenverhältnis für angebracht hält, ist hierfür m.E. weder im Wortlaut noch im „Geist“ des Gesetzes eine Grundlage vorhanden. Hat der Betroffene einen Verfahrensbevollmächtigten, so steht die Bekanntgabe an diesen der Bekanntgabe an den Betroffenen gleich.6So i.E. auch Bassenge/Roth/Bassenge § 287 FamFG Rn. 9

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Soll die sofortige Wirksamkeit durch Übergabe an die Geschäftsstelle herbeigeführt werden, muss die Entscheidung abgesetzt und unterschrieben sein.7Jurgeleit/Bučić § 287 FamFG Rn. 8, Die Übergabe setzt ein Übergehen der Entscheidung aus dem Bereich des Richters in den Bereich der Geschäftsstelle voraus;8Bassenge/Roth/Bassenge § 287 FamFG Rn. 10 dies kann durch Übergabe an die Servicekraft, aber auch durch Niederlegung auf der Geschäftsstelle außerhalb der Dienstzeiten geschehen. Der Zeitpunkt der Übergabe ist auf dem Beschluss zu vermerken (§ 287 Abs. 2 Satz 3). Das Fehlen des Vermerks berührt die Wirksamkeit der Anordnung jedoch nicht.9Bassenge/Roth/Bassenge § 287 FamFG Rn. 8

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Früher war nur der Eingang auf der Geschäftsstelle entscheidend.10Bienwald/Sonnenfeld § 287 FamFG Rn. 17 Die beiden anderen Varianten ermöglichen es dem Gericht seit dem 2.BtÄndG, der Entscheidung noch vor dem Eingang auf der Geschäftsstelle zur Wirksamkeit zu verhelfen, indem es sie in Anwesenheit des Betroffenen oder seines Verfahrenspflegers verkündet. Dies setzt allerdings voraus, dass die Beschlussformel bereits schriftlich fixiert ist, da sie nur in diesem Fall nach § 41 Abs. 2 FamFG verlesen werden kann (siehe auch § 41 FamFG Rn. 10). Wegen § 275 ist unerheblich, ob der Betroffene in der Lage ist, die Entscheidung zu verstehen.11Jurgeleit/Bučić § 287 FamFG Rn. 7; man wird allerdings wohl verlangen müssen, dass er sie zumindest sinnlich wahrnehmen kann.