Fachbücher  Praxiskommentar Betreuungs- und Unterbringungsverfahren  Teil 1 Kommentar zum Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)  Buch 1 Allgemeiner Teil  Abschnitt 7 Kosten  Anhang zu § 85 FamFG (Gerichtskosten)  VI. Gebühren  1. Betreuungssachen 

Werk:
Praxiskommentar Betreuungs- und Unterbringungsrecht
Herausgeber:
Rolf Jox/Tobias Fröschle
Autor:
Tobias Fröschle
Stand:
März 2020
Auflage:
4. Auflage

b) Jahresgebühren bei Dauerbetreuungen (Nr. 11101, 11102)

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Das Kostenverzeichnis unterscheidet ansonsten zwischen Dauerbetreuungen und solchen für einzelne Rechtshandlungen (Einzelbetreuungen). Diese Unterscheidung ist bei Betreuungen rein kostenrechtlicher Natur. Entscheidend ist die Formulierung des Aufgabenkreises. Eine Einzelbetreuung liegt nur vor, wenn der Betreuer nach ihr bestimmte Rechtshandlungen einmalig vornehmen (oder auch nicht vornehmen) kann, z.B. beim Sterilisationsbetreuer i.S.v. § 1899 Abs. 2 BGB, dem kein anderer Aufgabenkreis obliegen darf. Eine Dauerbetreuung liegt dagegen vor, wenn der Aufgabenkreis eine unbestimmte Vielzahl von Rechtshandlungen ermöglicht. Der voraussichtliche Umfang der Betreuertätigkeit ist kein Kriterium.1Korintenberg/Lappe Nr. 11101 KV GNotKG Rn. 3

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Für die Dauerbetreuung werden nach Nr. 11101, 11102 KV GNotKG Jahresgebühren erhoben, wobei die nach dem Vermögen gestaffelte Jahresgebühr aus Nr. 11101 KV GNotKG die Regel ist. Die Sonderregel für Betreuungen mit rein persönlichen Aufgabenkreisen in Nr. 11102 KV GNotKG geht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurück, nach der es ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstellt, wenn das Vermögen zu Lasten des Betroffenen auch in Fällen berücksichtigt wird, für die es keinerlei Rolle spielt.2BVerfG BtPrax 2006, 152

Die erste Jahresgebühr gilt für das (angefangene) Kalenderjahr des Wirksamwerdens der Betreuungsanordnung und das Folgejahr, wenn die Anordnung während eines Kalenderjahres wirksam geworden ist (Anmerkung 2 zu Nr. 11101 KV GNotKG, Anmerkung zu Nr. 11102 GNotKG. Das ist fast immer so. Die einzige denkbare Ausnahme ist die einer Betreuerbestellung nach § 1908a BGB, die mit dem 1. Januar als 18. Geburtstag des Betroffenen wirksam wird, was wegen § 187 Abs. 2 Satz 2 BGB genau mit Jahresbeginn geschieht. Dann ist für das folgende Jahr schon die zweite Gebühr zu zahlen.

Die Folgegebühren gelten dann jeweils für ein Kalenderjahr. Die Gebühr ermäßigt sich nicht, wenn die Betreuung während des Jahres endet.

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Fällig wird die erste Jahresgebühr nach § 8 Satz 1 GNotKG sofort mit dem Wirksamwerden der Betreuung (siehe dazu § 287 FamFG), die weiteren Jahresgebühren werden zu Beginn des Kalenderjahres, für das sie zu zahlen sind, fällig. Die Jahresgebühren sind in voller Höhe zu zahlen, wenn die Betreuung nach ihrer Fälligkeit endet.

Beispiel

Die Betreuerbestellung wird am 27.2.2015 wirksam. Die erste Jahresgebühr ist am 27.2.2015 fällig, die zweite am 1.1.2017, die dritte am 1.1.2018 usw. Stirbt der Betreute am 10.1.2018, ändert das nichts daran, dass die volle Jahresgebühr für das Jahr 2018 erhoben wird.

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Die Jahresgebühr nach Nr. 11101 KV GNotKG wird für alle Dauerbetreuungen erhoben, bei denen der Aufgabenkreis wenigstens teilweise auch vermögensrechtliche Angelegenheiten umfasst. Sie beträgt 10,00 € je angefangene 5.000,00 € des zu berücksichtigenden Vermögens, mindestens 200 €. Zu berücksichtigen ist das Vermögen nur, soweit es die in Vorbemerkung 1.1 KV GNotKG gezogene Grenze übersteigt3LG Augsburg BtPrax 2017, 249 (siehe dazu oben Rn. 68). Das ergibt für ein Vermögen bis 185.000,00 € (ohne Berücksichtigung des selbstbewohnten Eigenheims) folgende Sätze:

Tabelle:

Vermögen bis
Jahresgebühr
 
Vermögen bis
Jahresgebühr
25.000,00 €
gebührenfrei
 
150.000,00 €
250,00 €
125.000,00 €
200,00 €
 
155.000,00 €
260,00 €
130.000,00 €
210,00 €
 
160.000,00 €
270,00 €
135.000,00 €
220,00 €
 
175.000,00 €
280,00 €
140.000,00 €
230,00 €
 
180.000,00 €
290,00 €
145.000,00 €
240,00 €
 
185.000,00 €
300,00 €

Für größere Vermögen rundet man auf die nächsten vollen 5.000,00 € auf, teile dann durch 500 und subtrahiere hiervon 50,00 €. Für ein Vermögen von genau 1.000.000,00 € beträgt die Jahresgebühr demnach 1.950,00 € (nämlich 1.000.000,00 € / 500 – 50,00 €).

Entscheidend ist der Stand des Vermögens am Tag der Fälligkeit der jeweiligen Jahresgebühr4LG Koblenz FamRZ 2006, 138 (§ 59 Satz 2 GNotKG). Bei schwankenden Vermögenswerten ist der Tageskurs an diesem Tag entscheidend.5LG Detmold v. 22.3.2011 – 3 T 160/10

Für das Verfahren zur Festsetzung des Vermögenswertes gilt § 79 GNotKG6BayObLG FamRZ 2004, 1305 (LS) (siehe oben Rn. 47 ff.). Solange eine gerichtliche Festsetzung nicht erfolgt ist, ist der Kostenbeamte dazu berufen.

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Betrifft der Aufgabenkreis nur einen Teil des Vermögens des Betroffenen, so ist für die Jahresgebühr aus Nr. 11101 KV GNotKG nach der Anmerkung 1 Satz 2 dazu höchstens dieses Teilvermögen zu berücksichtigen. Aus dem „höchstens“ folgt, dass der Freibetrag aus Vorbemerkung 1.1 KV GNotKG zuerst auf den nicht der Betreuung unterliegenden Teil anzurechnen ist und nur insoweit auf das der Betreuung unterliegende Teilvermögen, als der Rest des Vermögens dadurch schon aufgebraucht ist. Verfügungsbeschränkungen (z.B. durch eine Dauertestamentsvollstreckung) führen nicht zu einer Begrenzung der Gebühr nach Nr. 11101 KV GNotKG. Ob der Betreute über sein Vermögen verfügen kann, ist vielmehr erst im Vollstreckungsrecht zu berücksichtigen.7OLG Celle FamRZ 2017, 1083; OLG Hamm BtPrax 2015, 246; OLG Köln v. 14.9.2009 – 2 Wx 66/09; a.A. OLG München BtPrax 2019, 76 (da Gegenstand der Betreuung insoweit nur die Wahrnehmung der Rechte des Betreuten gegenüber der Testamentsvollstreckung seien).

Beispiel

Das Vermögen eines Betreuten besteht aus seinem Anteil an einem größeren Nachlass, der einen Wert von 1.000.000,00 € beträgt. Sein sonstiges Vermögen beträgt 500.000,00 €. Beschränkt sich der Aufgabenkreis des Betreuers auf die Verwaltung des Nachlasses, so beläuft sich die Gebühr auf 2.000,00 €, beschränkt sie sich auf die Verwaltung des sonstigen Vermögens, auf 1.000,00 €. Nur wenn der Betreuer das Gesamtvermögen verwaltet, ist der Freibetrag von 25.000,00 € zu berücksichtigen und die Gebühr beträgt nur 2.950,00 €.

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Das Gesetz regelt nicht, von welchem Teilvermögen Schulden in Abzug zu bringen sind. Wahrscheinlich gilt auch hierfür, dass sie zunächst von dem nicht der Betreuung unterliegenden Teilvermögen abzuziehen sind und nur, soweit dies dadurch aufgebraucht ist, auch von dem Teilvermögen, aus dem sich die Gebühr berechnet, es sei denn, die Schulden lasten gerade auf den Vermögensgegenständen, die der Betreuer verwaltet.

Betrifft die Betreuung ausschließlich das Eigenheim, das nach Vorbemerkung 1.1 KV GNotKG bei der Vermögensberechnung nicht mitgezählt wird oder lautet der Aufgabenkreis des Betreuers ausschließlich auf die Schuldenregulierung (so dass er nur ein Passivvermögen verwaltet), so ist, wenn das Gesamtvermögen im Übrigen die Grenze für die Gebührenfreiheit übersteigt, die Mindestgebühr von 200,00 € zu zahlen.

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Anm. 1 Satz 2 zu Nr. 11101 KV GNotKG betrifft nur die gegenständliche Beschränkung der Vermögensbetreuung. Eine inhaltliche Beschränkung – sei sie auch noch so gravierend – führt nicht zu einer Begrenzung der Jahresgebühr. Für eine Vollmachtsbetreuung i.S.v. § 1896 Abs. 3 BGB fällt z.B. die volle Jahresgebühr an, wenn nicht die Vollmacht ihrerseits nur zur Verfügung über einen Teil des Vermögens berechtigt.

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Betrifft die Betreuung ausschließlich die Person des Betroffenen, gilt Nr. 11102 KV GNotKG: Die Jahresgebühr beträgt dann 300,00 €, es sei denn, sie wäre bei Anwendung von Nr. 11101 KV GNotKG niedriger, dann bleibt es bei diesem niedrigeren Betrag. Auf die Person beschränkt ist ein Aufgabenkreis auch noch, wenn er nicht unmittelbar das Vermögen betrifft. Nr. 11102 KV GNotKG gilt daher auch, wenn der Betreuer zu Tätigkeiten ermächtigt wird, die sich lediglich mittelbar auf das Vermögen auswirken, was kaum je auszuschließen wäre. Das in den Gesetzgebungsmaterialien enthaltene Beispiel für eine nur mittelbare Wirkung8BT-Drucks. 16/3038 S. 53 ist eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen „Aufenthaltsbestimmung inklusive Abschluss eines Heimvertrages“. Betrifft die Betreuung die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen, so ist dies insoweit vermögensrechtliche Angelegenheit, als auch die Rückstände davon erfasst sind.

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Nicht völlig klar ist das Ergebnis, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers sich auf einen Teil des Vermögens und im Übrigen auch auf persönliche Angelegenheiten erstreckt. Dem Wortlaut der Anm. 1 Satz 2 zu Nr. 11101 KV GNotKG ist nicht zu entnehmen, ob das „nur“ dort lediglich auf die Vermögensverwaltung bezogen ist oder ob die Begrenzung auch schon dann nicht anzuwenden ist, wenn überhaupt mehr als ein Teilvermögen Gegenstand der Betreuung ist.

Beispiel

Der Aufgabenkreis lautet: „Gesundheitsfürsorge und Verwaltung des Grundstücks in …“. Dieses Grundstück hat nur einen Wert von 20.000,00 €, der Rest des Vermögens beträgt 1.500.000,00 €.

Ohne jede Begrenzung würde hier eine Jahresgebühr von 2.990,00 € anfallen. Geht man davon aus, dass Anm. 1 Satz 2 zu Nr. 11101 KV GNotKG greift, wäre nur die Mindestgebühr von 200,00 € fällig. Das ist letztlich beides nicht sachgerecht. Da aber der Anfall der vollen aus dem Vermögen berechneten Jahresgebühr vermutlich verfassungswidrig wäre (s. oben Rn. 70), muss es bei den 200,00 € bleiben, obwohl 300,00 € anfielen, wäre nur die Gesundheitssorge Gegenstand der Betreuung,9OLG Hamm Rpfleger 2015, 172. die Betreuung also weniger kostet, wenn der Aufgabenkreis weiter ist.

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Für eine durch einstweilige Anordnung angeordnete Dauerbetreuung fallen dieselben Gebühren an.10A.A. Schneider FamRB 2015, 78. Das folgt seit der letzten Änderung aus der neu eingefügten Vorbem. 1.1.1 GNotKG, die eine Ausnahme zu Vorm. 1 Abs. 1 KV GNotKG darstellt. Geht die vorläufige Betreuung in eine endgültige über, gilt beides für die Berechnung der Jahresgebühren als nur eine Betreuung.

Durch einstweilige Anordnung wird am 27.10.2021 ein vorläufiger Betreuer bestellt. Am 3.2.2022 wird durch Hauptsacheentscheidung ein Betreuer bestellt. Die erste Jahresgebühr wird am 27.10.2021 fällig und gilt die Zeit bis einschließlich 31.12.2022 ab. Genau eine Jahresgebühr fällt auch an, wenn das Hauptsacheverfahren am 3.2.2022 ohne Betreuerbestellung eingestellt wird.

Endet das Eilverfahren ohne Betreuerbestellung, richten sich die Gebühren dagegen nach Hauptabschnitt 6 (siehe unten Rn. 83).