Nach neuerer Rechtsprechung, der alle bisher mit dieser Fragestellung befassten Oberlandesgerichte und letztlich der BGH gefolgt sind, ist die Mittellosigkeit in zwei Schritten zu beurteilen:
Bezüglich der in Ansatz zu bringenden Stundenzahlen (also § 5 Absatz 1 VBVG bei Vermögenden, § 5 Abs. 2 VBVG bei Mittellosen) ist auf den Zeitraum der abgerechneten Tätigkeit abzustellen. Das kann – sofern sich die Vermögensverhältnisse im Tätigkeitszeitraum entsprechend verändert haben – zu einer monatsweisen Berechnung der Stundenzahl führen.
Der BGH hat diese unter den Obergerichten strittige Frage dahingehend entschieden, dass der Monatsstundenansatz am Ende eines jeweiligen Betreuungsmonates (§ 287 Abs. 1 oder 2 FamFG) einheitlich nach den zu diesem Zeitpunkt gegebenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen zu betrachten ist.1BGH, BtPrax 2011, 83 = FamRZ 2011, 368; zuvor bereits OLG München BtPrax 2009, 30 = FamRZ 2009, 453 Gerichtentscheidungen, die zuvor auf eine tagegenaue Abgrenzung gesetzt hatten2OLG Brandenburg BtPrax 2007, 267 = FamRZ 2007, 2109; OLG Hamburg FamRZ 2008, 91; OLG Frankfurt/Main BtPrax 2008, 175 = FamRZ 2008, 1888; OLG Naumburg, Beschl. v. 13.8.2008, 8 Wx 18/08; LG München I FamRZ 2006, 970 = BtPrax 2006, 115; LG Koblenz NJW-RR 2006, 724; LG Ellwangen, Beschl. v. 6.3.2007, 1 T 24/07; LG Gießen FamRZ 2007, 1689; LG Meiningen Beschl. v. 14.12.2006, 3 T 255/06, BtMan 2007, 202 (Ls); LG Halle/Saale FamRZ 2009, 371 (Ls) und deren Rechtsauffassung zu einer kaum zu bewältigenden Dokumentationspflicht zur „Tagesmittellosigkeit“ geführt hätte, sind damit gegenstandslos geworden. Abzustellen ist nach der neueren Rechtsprechung auf die Vermögenssituation am jeweils monatlich wiederkehrenden Tag der Wirksamkeit der Betreuerbestellung, die sich aus § 287 Abs. 1 oder 2 FamFG ergibt.
Erst in einem zweiten Schritt ist dann festzustellen, wer – die Staatskasse oder der Betreute selbst (bzw. sein Erbe) – die Vergütung zahlen muss. Dabei ist, wie auch vor der Einführung der Pauschalvergütung, auf die Verhältnisse am Tag der gerichtlichen Entscheidung des Amtsgerichtes (bzw. bei Einlegung einer Beschwerde – des Landgerichts) abzustellen.3So z.B. Zimmermann, Die Betreuer- und Verfahrenspflegervergütung ab dem 1.7.2005, FamRZ 2005, 950, 951; offenbar auch Dodegge NJW 2005, 1896, 1898; OLG Brandenburg BtPrax 2007, 267 = FamRZ 2007, 2109; OLG Dresden BtPrax 2007, 256 (Ls); OLG Hamburg FamRZ 2008, 91; LG Ellwangen, Beschl. v. 6.3.2007, 1 T 24/07 ; LG Frankenthal FamRZ 2007, 1358; LG Gießen FamRZ 2007, 1689; LG Koblenz NJW-RR 2006, 724; LG Meiningen, Beschl. v. 14.12.2006, 3 T 255/06, BtMan 2007, 202 (Ls). LG München I FamRZ 2006, 970 = BtPrax 2006, 115; LG Bückeburg, Beschl. v. 14.3.2011, 4T 112/10
Dennoch verbleibt eine Unsicherheit. Denn entsprechend der Zuflusstheorie4Z.B. BVerwG NDV-RD 1999, 91 = FEVS 51, 51; BVerwG DVBl. 2001, 1065 im Sozialhilferecht gelten grundsätzlich alle Zahlungen, die der Betroffene innerhalb eines Kalendermonats erhält, für diesen als Einkommen i.S. des § 82 SGB XII und, sobald die Beträge nicht verbraucht sind, ab dem 1. des folgenden Kalendermonats als Vermögen nach § 90 SGB XII. Logischerweise müssten Vermögensabflüsse, z.B. zur Schuldentilgung, innerhalb des Monats ihrer Zahlung noch nicht von dem der Vergütungsabrechung zugrunde liegenden Vermögen abgezogen werden, sondern erst ab Beginn des folgenden Kalendermonates. Da der BGH nicht auf Kalendermonate, sondern auf Betreuungsmonate (wiederkehrendes Datum des sich aus dem Wirksamwerden der Betreuung nach § 287 FamFG ergebenden Zeitpunkt) abstellt, müsste die Frage des Zuflusses, also des Umwandelns nicht verbrauchter Einnahmen in Vermögenswerte, konsequenterweise auch auf den Betreuungsmonat bezogen werden. Hierdurch kann sich, wenn der Betreute Sozialhilfeempfänger ist, eine leichte Abweichung von der Beurteilung durch den Sozialhilfeträger für den betreffenden Monat ergeben.
Hierbei ist es denkbar, dass der Betreute zum Beginn des Abrechnungszeitraums noch vermögend ist, weil das verfügbare Vermögen die Freigrenze des § 1836c Nr. 1 BGB i.V.m. § 90 Abs. 2 SGB XII und § 1 der Verordnung zu § 90 SGB XII übersteigt und der Betreute aufgrund Vermögensabflusses (z.B. für Heimkosten oder die Deckung der Betreuervergütung für einen früheren Abrechnungszeitraum) mittellos wird, weil die Schongrenze für das Vermögen unterschritten wird. Ebenfalls ist denkbar, dass ein bisher mittelloser Betreuter zu Vermögen kommt (z.B. durch Schenkung, Erbschaft, Nachzahlungen von Renten oder Verfügbarwerden bisher geschützten Vermögens, z.B. dadurch, dass ein Hausgrundstück nicht mehr selbst bewohnt wird). Auch kann dieser Zustand während des Abrechnungszeitraums mehrfach wechseln, vor allem, wenn eher geringe (zusätzliche) Vermögenswerte hinzukommen oder abfließen.
Zwar gebietet § 5 Abs. 4 VBVG auf den ersten Blick ausnahmslos für alle Umstände, die sich auf die Vergütung auswirken, eine tageweise Berechnung der Vergütung. Diese Regelung wurde aber bereits formuliert, als noch lediglich eine Unterscheidung nach dem Wohnort des Betreuten (Einrichtung oder eigene Wohnung) und nach der Dauer der Betreuung vorgesehen war. Es spricht einiges dafür, dass eine Überarbeitung dieser Formulierung übersehen wurde, als nachträglich (im Rahmen der Beratungen des Rechtsausschusses) auch die unterschiedlich hohen Stundenansätze für mittellose und nicht mittellose Betreute in das Gesetz aufgenommen wurden (so auch die Auffassung des BGH5BGH BtPrax 2011, 83, s.o. zu Rn. 1247). Hierfür spricht auch, dass in der Begründung des Rechtsausschusses einfach nur darauf hingewiesen wird, § 5 Abs. 4 VBVG entspreche dem früher dafür vorgesehenen § 1908 Abs. 1 Abs. 3-E6BT-Drs. 15/4874, S. 73; dieser aber stellte nicht auf das Kriterium Mittellosigkeit ab.
Aus der BGH-Rechtsprechung zur „Monats-Mittellosigkeit“ ergibt sich aber auch noch eine andere Frage, die des Aufaddierens der monatlich zu zahlenden Betreuervergütung selbst. Sind diese Zahlungspflichten, die ja mangels Gerichtsbeschlusses nach § 168 FamFG noch nicht entnommen werden können, jeweils vom Vermögen des Betreuten abzuziehen oder nicht? Am Beispiel: Der Betreute hat ein Vermögen von 5.500,00 €. Es handelt sich um einen Fall des Nichtheimbewohners am Anfang einer Betreuung und einen Betreuer in Vergütungsstufe 3. Bei einem Vermögenden wären im ersten Quartal monatlich 8,5 Stunden á 44,00 € = 374,00 € in Rechnung zu stellen, bei einem Mittellosen stattdessen 7 Stunden á 44,00 € = 308,00 €. Würde in der Berechnung das Vermögen durch den ersten Betreuungsmonat um die dafür zu zahlende Summe von 374,00 € vermindert, wären ab dem 2. Monat keine weiteren Zahlungen aus dem Betreutenvermögen möglich, da sonst der Freibetrag nach § 1 der Verordnung zu § 90 SGB XII von 5.000,00 € unterschritten würde, der auch für die Betreuervergütung gilt (§ 1836c Nr. 2 BGB). Fände also ein solcher fiktiver Abzug statt, wäre ein Vergütungsantrag so zu stellen, dass nur für den ersten Betreuungsmonat der Betrag von 374,00 € in Rechnung zu stellen wäre, für die Monate 2 und 3 des ersten Quartals nur jeweils 308,00 €. Würde demgegenüber die Zahlungspflicht der einzelnen Monate nicht abgezogen (weil ja auch andere Schuldverpflichtungen grundsätzlich keinen Abzug rechtfertigen), wäre für jeden der Monate des 1. Quartals eine Summe von 374,00 € zu berechnen. Diese bisher höchstrichterlich nicht geklärte Frage liegt zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieses Werks dem BGH zur Entscheidung vor.7Unter AZ: XII ZB 106/18