Im Bereich der Angelegenheiten der Heilbehandlung und weiterer Fragen der Personensorge zählt nicht nur der Zeitaufwand für die Unterschrift unter Behandlungsverträge und Einwilligungserklärungen zur Betreuertätigkeit, sondern auch das persönliche Aufklärungsgespräch mit dem Arzt über Folgen, Tragweite und Nebenwirkungen der medizinischen Behandlung.1Zimmermann, FamRZ 1998, 521/523; LG Koblenz FamRZ 1996, 1348
Seit einiger Zeit gibt es häufiger Differenzen zwischen Ärzten und Betreuern wegen der Erklärung von Einwilligungen in die Behandlung von Betreuten. Oft sind Ärzte der Meinung, dass der Betreuer die Einwilligung vor Ort in der Klinik erklären muss – auch, wenn diese sehr weit vom Geschäftsort des Betreuers entfernt liegt. Eindeutig geklärt ist die Rechtslage nicht. Unseres Erachtens gibt es für das generelle Verlangen nach einer „Unterschrift vor Ort“ aber keine Grundlage. Gegen eine entsprechende Pflicht des Betreuers sprechen die folgenden Gründe (die man gegenüber Ärzten anführen kann):
Die Anforderungen an Aufklärung und Einwilligung sind inzwischen in den §§ 630d und e BGB geregelt. Eine Einwilligung des Betreuers ist dabei nur dann erforderlich, wenn der Patient selbst nicht mehr einwilligungsfähig ist. Ist er noch einwilligungsfähig, gilt nur seine Entscheidung. Willigt er in eine Behandlung ein, hat der Betreuer kein „Vetorecht“, lehnt ein einwilligungsfähiger Patient eine Behandlung ab, gibt es keine Möglichkeit, ihn gegen seinen Willen behandeln zu lassen (§ 1906a Abs. 1 Nr. 2 BGB).
Gem. § 630 e Abs. 2 BGB muss die Aufklärung mündlich erfolgen, damit ist für den Regelfall ein persönliches Gespräch gemeint.2BT-Drs. 17/10488, S. 24 Während der Patient selbst gem. § 630e Abs. 3 BGB auf die Aufklärung verzichten kann, soll diese Möglichkeit für einen Betreuer oder auch einen Bevollmächtigten nicht bestehen.3BT-Drs. 17/10488, S. 25
Allerdings ist hinsichtlich der Art und Weise der Aufklärung auch auf die konkrete Behandlungssituation abzustellen, in einfach gelagerten Fällen kann die Aufklärung auch telefonisch erfolgen.4BT-Drs. 17/10488 a.a.O.; BGH NJW 2010, 2430 In der genannten Entscheidung des BGH wurde ausdrücklich festgestellt, dass dies auch für die Aufklärung eines gesetzlichen Vertreters gilt. Es gilt ausdrücklich auch für die Risiken der Anästhesie. Insoweit ist eine fernmündliche Aufklärung auch dann ausreichend, wenn z.B. mit der Anästhesie durchaus erhebliche, aber insgesamt eher seltene Risiken verbunden sind. Ferner kann eine Aufklärung auch unterbleiben, wenn der/die zur Einwilligung Berechtigte aufgrund eigener Fachkenntnisse keiner Aufklärung bedarf.
Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass es bei Berücksichtigung dieser Vorgaben des Gesetzgebers und der Rechtsprechung nur in seltenen Fällen erforderlich sein dürfte, dass ein Berufsbetreuer – dem man auch schon aufgrund seiner Tätigkeit und der in Verbindung damit gesammelten Erfahrungen ein gewisses Grundverständnis für solche Fragestellungen unterstellen kann – an einem Aufklärungsgespräch vor Ort teilnimmt.
Der Betreuer muss allerdings sicherstellen, dass er seiner Besprechungspflicht bei wichtigen Entscheidungen mit dem Klienten nachkommt, und auch der Arzt ist gem. § 630e Abs. 5 BGB verpflichtet, in geeigneten Fällen auch persönlich mit einem einwilligungsunfähigen Patienten zu sprechen und die wesentlichen Aspekte der geplanten Maßnahme in einer an die Verständnismöglichkeiten angepassten Form zu erörtern. Im Idealfall würde ein gemeinsames Gespräch zwischen Arzt, Betreuer und Patient geführt werden.
Unseres Erachtens muss es aber dem Betreuer überlassen bleiben, in eigener Verantwortung zu beurteilen, in welcher Form er seiner Besprechungspflicht nachkommt und in welcher Form die ärztliche Aufklärung entgegengenommen wird.
Die Einwilligungserklärung selbst ist vom Gesetz her an keine Form gebunden. Die Einwilligungserklärung kann vor Ort abgegeben werden. Eine Einwilligung per Fax ist aber gleichermaßen möglich und wirksam.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Natürlich gibt es auch Fälle, in denen ein Betreuer die Klinik aufsuchen sollte, schon um sich selbst ein Bild von dem Zustand des Patienten machen zu können und um dessen Wünsche in Erfahrung zu bringen. Und ein Betreuer ist verpflichtet, wichtige Entscheidungen mit dem Betreuten zu besprechen. Das betrifft aber die Pflichten des Betreuers gegenüber dem Betreuten, nicht gegenüber dem Arzt und kann nicht zu einer generellen Pflicht zum persönlichen Erscheinen führen.
Auch ein Arztgespräch und eine Rücksprache mit dem Betreuten nach erfolgter Behandlung gehören zur Betreueraufgabe, da er ggf. Schadensersatz – und/oder Schmerzensgeldansprüche geltend zu machen hat, falls Behandlungsfehler vorlagen.5Zur Thematik: LG Traunstein, Beschl. v. 4.8.1994, 4 T 2618/94, abgedruckt bei Knittel § 1836 Anhang B 15; LG Koblenz FamRZ 1996, 1348; LG Leipzig FamRZ 2000, 147 Eine Begleitung zum Arzt zählt allenfalls dann ausnahmsweise zu den Betreueraufgaben, wenn anderenfalls die Behandlung nicht sichergestellt wäre6BayObLG FamRZ 1999, 463, der Betreuer ist insoweit aber grundsätzlich nicht dafür zuständig, den Transport zum Arzt selbst auszuführen.7Siehe dazu und zur Abgrenzung der Aufgaben eines Pflegeheims von den Betreueraufgaben Walther, Rechtliche Betreuung – Soziale Betreuung: Aufgaben des Betreuers versus Aufgaben der Einrichtungen, BtMan 2007, 144 ff. Keine Betreuervergütung erfolgt für Therapiegespräche, die der Betreuer selbst leistet,8OLG Zweibrücken Rpfleger 2000, 549 folglich zählt auch die Linderung von Angstzuständen als therapeutische Tätigkeit nicht zu den Betreueraufgaben.9AG Koblenz FamRZ 2005, 656 Die Fahrt mit dem Betreuten zum Optiker kann in Ausnahmefällen vergütungsfähig sein.10LG Aachen BtPrax 1999, 38 Ebenso gehören Gespräche mit dem Pflegepersonal des Krankenhauses, dem Krankenhaussozialdienst oder dem Sozialpsychiatrischen Dienst zum abrechnungsfähigen Zeitaufwand im Rahmen der Gesundheitsfürsorge.11LG Dortmund v. 23.7.2001, 9 T 312/01
Begleitung zu Arztbesuchen und Optikern, bei denen keine wesentlichen Entscheidungen zu erwarten sind, sind demgegenüber nicht vergütungsfähig, wenn das Heim im Rahmen des Vertrags nach § 75 Abs. 2 SGB XI verpflichtet ist, Begleitpersonal zu stellen, und der Betreute dies nicht beanstandet.12BayObLG FamRZ 2003, 477