Christina Geyer LL.M., Vereinsbetreuerin bei Leben mit Behinderung Hamburg Elternverein e.V., Betreuungsverein für behinderte Menschen
Das Behindertentestament ist ein komplexes Konstrukt, welches nach dem Eintreten des Erbfalls durch unterschiedliche Akteure begleitet wird. Ein wichtiger Akteur ist der rechtliche Betreuer2Um das Lesen dieses Artikels zu vereinfachen, finden alle geschlechtsspezifischen Ausführungen jeweils in der männlichen Form statt. Selbstverständlich beziehen sich alle Aussagen gleichwohl auf die weibliche Form. des behinderten Erben. Bei dem Anfall der Erbschaft sieht sich der rechtliche Betreuer einer Vielzahl von anstehenden Aufgaben gegenüber. Dieser Aufsatz3Den Überlegungen zugrunde liegt der Fall, dass sich der Erbe im Leistungsbezug des SGB XII befindet. widmet sich deshalb den gängigen Aufgaben und Überlegungen des rechtlichen Betreuers nach Eintreten des Todes des Erblassers.
Einer Vielzahl von Menschen mit einer (Schwer-)Behinderung ist, aufgrund eines hohen Unterstützungsbedarfs und individueller behinderungsbedingt eingeschränkter Fähigkeiten, eine Teilnahme am ersten Arbeitsmarkt nicht möglich.
Das Unterstützungssystem hält für diesen Personenkreis geschützte Beschäftigungsmöglichkeiten, z.B. in einer Werkstatt für behinderte Menschen, bereit.
Allen Beschäftigungsangeboten gemein ist die Tatsache, dass das gezahlte Entgelt regelmäßig so gering ausfällt, dass die Betroffenen i.d.R. zusätzlich auf Sozialleistungen angewiesen sind. Dies verursacht Kosten. Auch ein möglicher Wohnplatz, der durch die Eingliederungshilfe gem. §§ 53, 54 SGB XII finanziert wird, verursacht monatlich Kosten, die trotz Heranziehung sämtlicher vorrangig einzusetzender Mittel vom Sozialhilfeträger übernommen werden müssen. Diese beispielhaft genannten Unterstützungsbedarfe eines behinderten Menschen führen häufig zu einer lebenslangen Abhängigkeit von Mitteln der Sozialhilfe. Fließen dem Leistungsempfänger nun Mittel, z.B. aus einer Erbschaft, zu, hat er diese aufgrund des Subsidiaritätsprinzips zur Deckung seines Bedarfs einzusetzen (vgl. § 2 SGB XII).
Die Motivation des Erblassers besteht jedoch darin, dass sein zu vererbendes Vermögen zur Verbesserung des Lebensstandards des behinderten Kindes über das Sozialhilfeniveau hinaus eingesetzt wird.4Langenfeld/Fröhler, Testamentsgestaltung. Einzeltestament, Ehegattentestament, Unternehmenstestament, 6. Kap., Besondere Typen letztwilliger Verfügungen, 2015, Rn. 72. Dieses Vorhaben erfordert eine geschickte Testamentsgestaltung des Erblassers. Das sogenannte Behindertentestament liefert eine erbrechtliche Lösung zur Umsetzung des letzten Willens des Erblassers.
Es gibt unterschiedliche Arten der Ausgestaltung eines Behindertentestaments.
Eine gängige Lösung ist die Kombination aus der Berufung eines Vorerben, eines Nacherben und die Anordnung der (Dauer-)Testamentsvollstreckung.5Siehe hierzu z.B. Ruby/Schindler/Wirich, Das Behindertentestament, 2014, Rn. 11 ff.
In seiner letztwilligen Verfügung beruft der Erblasser den behinderten Menschen zum Vorerben seines Nachlasses, § 2100 BGB. Er hat die Möglichkeit, den Vorerben zum befreiten oder zum nicht befreiten Vorerben zu berufen. Ist der Vorerbe nicht befreiter Vorerbe, ergeben sich für ihn eingeschränktere Verfügungsmöglichkeiten als wäre er ein befreiter Vorerbe. Der Vorerbe erbt den Nachlass nur zeitlich begrenzt.6Kroiß/Ann/Mayer/Gierl, NomosKommentar-BGB, Erbrecht, Bd. 5: §§ 1922–2385, 4. Aufl. 2014, § 2112 BGB Rn. 1. Die (Vor-)Erbschaft, welche mind. die Höhe des gesetzlichen Pflichtteils betragen sollte, wird mit einer Testamentsvollstreckung beschränkt. Durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung verliert der Vorerbe sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht an den Testamentsvollstrecker.7MüKoBGB/Grunsky, 6. Aufl. 2013, § 2113 BGB Rn. 11. Das hat zur Folge, dass der Vorerbe (und sein rechtlicher Betreuer) durch den Testamentsvollstrecker gem. § 2211 BGB zur Verfügung über den Nachlass nicht berechtigt ist (sind).
Der Erblasser legt die Befugnisse des Testamentsvollstreckers fest und trifft Anordnungen zur Verwaltung und Verwendung des Erbteils des behinderten Menschen.
Der eingesetzte Testamentsvollstrecker kann für unterschiedliche zu erfüllende Aufgaben eingesetzt werden. Unterschiedliche Typen der Testamentsvollstreckung8Siehe hierzu die Abwicklungstestamentsvollstreckung gem. §§ 2203, 2204 BGB und die Dauertestamentsvollstreckung gem. § 2209 Satz 1 Hs. 1 bzw. § 2209 Satz 1 Hs. 2 BGB. ermöglichen dem Erblasser einen auf seinen Willen und für seinen individuellen Nachlass zugeschnittenen Einsatz.
Zur Wahrung des Subsidiaritätsprinzips berücksichtigt das Sozialhilferecht Einkommen (§ 82 SGB XII), Vermögen (§ 90 SGB XII) und Ansprüche (§ 93 SGB XII) des Bedürftigen.
Was nun in der Bedarfszeit als Einkommen oder als Vermögen angesehen wird, lässt sich mithilfe der von der Rechtsprechung entwickelten Zuflusstheorie9BVerwG, Urteil vom 18.2.1999 – 5 C 35-97, NJW 1999, 3649. zuordnen. Hiernach ist Einkommen alles das, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält. Hiervon abzugrenzen ist das Vermögen. Hierzu besagt die Zuflusstheorie, dass Vermögen alles das ist, was jemand in der Bedarfszeit bereits besitzt. Auch das BSG10BSG, Urteil vom 8.2.2007 – B 9b SO 6/06 R, juris, Rn. 22. folgt der Zuflusstheorie.
Erbt der behinderte Erbe den Nachlass beschränkt mit einer Testamentsvollstreckung und nur als Vorerbe, kann der Sozialhilfeträger den Nachlass weder als Einkommen noch als Vermögen verwerten, denn es findet kein Zufluss von Mitteln statt.
Nimmt der Testamentsvollstrecker die Ausschüttungen der Früchte und die Zuwendungen gem. den gemachten Verwaltungsanordnungen vor, kann (zurzeit) ebenfalls keine Anrechnung erfolgen. Zuwendungen des Testamentsvollstreckers an den behinderten Vorerben in Geld sollten daher unterbleiben, da diese vom Sozialhilfeträger im Sinne der Zuflusstheorie gewertet und leistungsmindernd angerechnet werden müssten.
Stirbt der Erblasser, fällt dem Erben die Erbschaft gem. §§ 1922, 1942 BGB nach seinem Tod automatisch und von selbst an.
Ist der Betreute geschäftsfähig, kann er selbst alle relevanten Erklärungen abgeben. Ist der Betreute jedoch nicht geschäftsfähig, benötigt er zur Abgabe von Erklärungen die Stellvertretung durch seinen rechtlichen Betreuer. In beiden Fällen sollten der Betreute und sein rechtlicher Betreuer die neu eingetretene Situation besprechen und gemeinsam klären, welches Vorgehen nun ratsam ist, welche Erklärungen abgegeben werden müssen und in welcher Frist welche Termine stattfinden müssen. Alle während der Vorerbschaft relevanten Entscheidungen und Tätigkeiten können entweder vom Betreuten allein oder in Zusammenarbeit mit dem rechtlichen Betreuer getroffen werden.
Damit der rechtliche Betreuer wirksam Erklärungen abgeben kann, muss er einen zur Vertretung berechtigenden Aufgabenkreis innehaben.
Nach dem Eintreten des Erbfalls und des Bekanntwerdens des Betreuten als Erben des Erblassers sollte der rechtliche Betreuer seine Mitteilungspflichten gegenüber dem Betreuungsgericht und dem Sozialhilfeträger nachkommen.
Ist der Betreute Erbe geworden, besteht die Möglichkeit, dass der Betreute das Erbe gem. § 1943 BGB annimmt. Die Erbschaft kann auf drei unterschiedliche Arten angenommen werden: durch Erklärung des Erben, durch schlüssiges Annahmeverhalten oder durch Ablauf der Ausschlagungsfrist.11MüKoBGB/Leipold, 6. Aufl. 2013, § 1943 BGB Rn. 23.
Da das deutsche Erbrecht vom Grundsatz des Vonselbsterwerbs geprägt ist (vgl. §§ 1922, 1942 BGB), kann eine Annahmeerklärung grundsätzlich unterbleiben. Möglicherweise ist dem Betreuten und seinem rechtlichen Betreuer sogar von einer Erklärung der Annahme der Erbschaft abzuraten, da er damit das Recht auf Ausschlagung der Erbschaft verwirkt (§ 1943 BGB). In diesem Zusammenhang ist zu überlegen, ob für die Annahmeerklärung durch den rechtlichen Betreuer ggf. ein Genehmigungstatbestand erfüllt würde, da durch die Erklärung der Annahme über das Recht zur Ausschlagung verfügt wird. Die überwiegende Meinung12OLG Koblenz, Beschluss vom 16.7.2007 – 5 W 535/07, BeckRS 2008, 00834; Staudinger/Otte, o. Aufl. 2008, § 1943 BGB Rn. 11; Kroiß/Ann/Mayer/Ivo, NomosKommentar-BGB, Erbrecht, Bd. 5: §§ 1922–2385, 4. Aufl. 2014, § 1943 BGB Rn. 4. besagt hierzu jedoch, dass die Annahme der Erbschaft nicht genehmigungsbedürftig ist.
Die Gründe für eine Erbausschlagung sind vielfältig. Sie können finanzieller, persönlicher oder strategischer Natur sein.
Bei einem überschuldeten Nachlass werden der Betreute und der rechtliche Betreuer regelmäßig zu dem Ergebnis kommen, dass eine Ausschlagung sinnvoll ist.13Auch der Nachlass eines Erblassers mit einem Behindertentestament kann überschuldet sein.
Bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 2306 BGB könnte es im Einzelfall für den Betreuten strategisch günstig sein, auch eine werthaltige Erbschaft auszuschlagen und den Pflichtteil zu verlangen. Bei der Überlegung zur Ausschlagung eines werthaltigen Nachlasses sollten immer die individuellen Lebens- und Vermögensumstände des Betreuten beachtet werden. Ist der Wert des Nachlasses sehr hoch und befindet sich der Betreute nicht im Leistungsbezug der Sozialhilfe, könnte eine Ausschlagung und Geltendmachung des Pflichtteils vorteilhaft sein. Der Betreute könnte über den realisierten Pflichtteil ohne Beschränkungen verfügen, da er nicht an die Beschränkungen des (nicht) befreiten Vorerben und an den Testamentsvollstrecker gebunden ist. Zu berücksichtigen ist hierbei jedoch, dass Gerichtskosten für die Ausschlagung entstehen, dass der vermögende Betreute ggf. für die künftigen Vergütungsanträge des rechtlichen Betreuers aufkommen (werden) muss,14Dies kann auch bei Annahme der Erbschaft der Fall sein. Der geschickte Erblasser wird jedoch auch zur Betreuervergütung eine Regelung im Testament getroffen haben. bei der Ausschlagung durch den Betreuer, die Genehmigung des Betreuungsgerichts gem. § 1822 Nr. 2 i.V.m § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB eingeholt werden muss und dass es zu überwindende Hindernisse bei der Geltendmachung des Pflichtteils geben kann.
Eine Ausschlagung der Erbschaft muss innerhalb einer Frist erklärt werden. Die Ausschlagungsfrist beträgt sechs Wochen ab Kenntnis des Anfalls der Erbschaft (Tod des Erblassers) und dem Grund der Berufung (gesetzliche Erbfolge, Verfügung von Todes wegen), § 1944 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Ist der Betreute geschäftsfähig, beginnt die Ausschlagungsfrist bei Kenntnis des Betreuten oder des rechtlichen Betreuers. Für die Ermittlung, wann die Frist begonnen hat, ist das frühere Datum der Kenntniserlangung heranzuziehen.15Palandt/Weidlich, 75. Aufl. 2016, § 1944 BGB Rn. 6. Ist der Betreute nicht geschäftsfähig, kommt es auf die Kenntnis des rechtlichen Betreuers an.
Ist die Erbschaft, wie bei einem klassischen Behindertentestament, mit einer Testamentsvollstreckung oder mit einem Nacherben beschränkt, kann sich für die Erbausschlagung ein abweichender Fristbeginn ergeben (vgl. § 2306 Abs. 1 BGB). Die Ausschlagungsfrist beginnt dann erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der Beschränkung Kenntnis erlangt.
Ist der Betreute Vorerbe geworden und ist die Vorerbschaft mit einer Testamentsvollstreckung beschränkt, entstehen bzgl. der angefallenen Erbschaft für den rechtlichen Betreuer mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge neue Verpflichtungen.
Der rechtliche Betreuer verwaltet weiterhin im Rahmen seiner Tätigkeiten das bisherige Vermögen des Betreuten. Seine Verpflichtungen haben sich aber nun insofern erweitert, als dass er nun die Rechte des Vorerben gegenüber dem Testamentsvollstrecker wahrzunehmen hat (vgl. § 1902 BGB).
Die Verwaltung des Erbteils, welche mit einer Testamentsvollstreckung beschränkt ist, obliegt (wie dem Vorerben) nicht dem rechtlichen Betreuer, sondern dem Testamentsvollstrecker (vgl. §§ 2205, 2211 BGB).
Ergibt sich aus dem Testament, dass der rechtliche Betreuer des behinderten Menschen zugleich namentlich genannter Testamentsvollstrecker sein soll, hat der Betreuer dies dem Betreuungsgericht gem. § 1901 Abs. 5 Satz 2 BGB mitzuteilen. Das Betreuungsgericht benötigt die Mitteilung des rechtlichen Betreuers, um zu prüfen, ob sich in diesem konkreten Einzelfall ein erheblicher Interessengegensatz ergibt. Da der rechtliche Betreuer die Interessen des Betreuten gegenüber dem Testamentsvollstrecker durchsetzen muss, wird die zeitgleiche Führung beider Ämter vereint in einer Person dazu führen, dass das Betreuungsgericht die betreffenden Aufgabenkreise des rechtlichen Betreuers gem. § 1796 i.V.m. § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB entzieht und einen weiteren Betreuer gem. § 1899 Abs. 4 BGB für den/die betroffenen Aufgabenkreise bestellt. Die teilweise Entziehung der Vertretungsmacht ist nach hier vertretener Ansicht eine geeignete und angebrachte Lösung für die schutzwürdige Interessenwahrung des Betreuten.
Das Amt des Testamentsvollstreckers beginnt erst, wenn dieser das Amt angenommen hat (vgl. § 2202 Abs. 1 BGB). Der Testamentsvollstrecker kann das Amt erst nach Eintritt des Erbfalls annehmen (vgl. § 2202 Abs. 2 Satz 2 BGB).
Sollte zwischen dem Eintreten des Erbfalls und der Annahme des Amtes durch die Person, die für das Amt vorgesehen ist, Zeit verstreichen und müsste in dieser Zeit für den Nachlass gehandelt werden, gibt es hierfür verschiedene Lösungsansätze. Je nach Lage des Falles könnten der Betreute und/oder der rechtliche Betreuer
a) einen Antrag auf Fristsetzung zur Bestimmung des Testamentsvollstreckers stellen (§ 2198 Abs. 2 BGB). Dieser Antrag ist sinnvoll, wenn durch den Erblasser die Testamentsvollstreckung zwar angeordnet, die Bestimmung der Person des Testamentsvollstreckers jedoch einem Dritten eingeräumt worden ist und dieser Dritte (noch) keinen Gebrauch von seinem Bestimmungsrecht gemacht hat. Bei Vorliegen eines zur Vertretung berechtigenden Aufgabenkreises kann der rechtliche Betreuer für den Betreuten handeln und den Antrag stellen. Wenn möglich, sollte der rechtliche Betreuer vorab Kontakt zu der zur Bestimmung des Testamentsvollstreckers berechtigten Person aufnehmen und das vorliegende Dilemma mit dem Berechtigten besprechen.
Der Antrag auf Fristsetzung ist gegenüber dem Nachlassgericht zu stellen. Das Nachlassgericht setzt dem Berechtigten eine Frist zur Äußerung. Äußert sich die (zur Bestimmung berechtigte) Person innerhalb der Frist nicht, wird die angeordnete Testamentsvollstreckung hinfällig, es sein denn, der Erblasser hat für diesen Fall weitere Anordnungen getroffen.16Palandt/Weidlich, 75. Aufl. 2016, § 2198 BGB Rn. 3. Das Entfallen der Testamentsvollstreckung wäre für den Erben im Leistungsbezug der Sozialhilfe nachteilig, da nach der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft dem Betreuten „bereite Mittel“ zur Verfügung stehen würden. Diese würden ihm bei der Bedarfsermittlung angerechnet werden und zur Bedarfsdeckung eingesetzt werden müssen.
Da das Entfallen der Testamentsvollstreckung unbedingt zu vermeiden ist, sollte, bevor ein solcher Antrag für einen sozialhilfeempfangenden Begünstigten gestellt wird, das Testament auf Anordnungen zu Ersatzberechtigten zur Bestimmung des Testamentsvollstreckers Hinweise auf ein Ersuchen zur Ernennung des Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht geprüft werden.
Zusätzlich prüft das Nachlassgericht von Amts wegen, ob sich durch Auslegung des Testaments ergibt, dass der Erblasser in solch einem Fall das Nachlassgericht um Ernennung eines Testamentsvollstreckers ersucht hätte.17BayObLG, Beschluss vom 5.11.1987 – Breg. 1Z 42/87, FamRZ, 1988, 325.
b) Ist der Testamentsvollstrecker namentlich im Testament genannt, hat ein Beteiligter die Möglichkeit, beim Nachlassgericht einen Antrag auf Setzung einer Frist zur Annahme des Amtes zu stellen (vgl. § 2202 Abs. 3 Satz 1 BGB). Auch hier ist der (Vor-)Erbe bzw. sein rechtlicher Betreuer mit einem zur Vertretung berechtigenden Aufgabenkreis Berechtigter und damit in der Lage, einen Antrag auf Fristsetzung zur Amtsannahme zu stellen. Verstreicht die Frist, gilt das Amt als abgelehnt (vgl. § 2202 Abs. 3 Satz 2 BGB). Auch hier sollte vor der Antragstellung geprüft werden, ob es einen Ersatzberechtigten gibt und ob sich dem Testament ggf. entnehmen lässt, dass der Erblasser das Nachlassgericht ersucht hätte, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen.
Trotzdem bleibt, wie bei einem Antrag auf Fristsetzung zur Bestimmung eines Testamentsvollstreckers, das Risiko, dass die Testamentsvollstreckung entfällt.
Beide Antragsmöglichkeiten haben gemein, dass trotz erfolgter Antragstellung weiterhin Zeit verstreicht.
Muss der Nachlass jedoch gesichert, verwaltet oder für diesen gehandelt werden und ist der Testamentsvollstrecker noch unbekannt (sei es durch nicht vorhandene namentliche Nennung im Testament, langandauernde Ermittlung und Bearbeitung des Nachlassgerichts, noch nicht erfolgte Amtsannahme etc.), kann das Gericht einen Pfleger bestellen. Uneinigkeit herrscht darüber, welche Form der Pflegschaft bei welchem Gericht infrage kommt. Damrau18Damrau, ZEV 1996, 81. spricht sich dafür aus, in solch einem Fall eine Pflegschaft für den unbekannten Testamentsvollstrecker gem. § 1913 BGB anzuregen. Marotzke19Staudinger/Marotzke, o. Aufl. 2008, § 1960 BGB Rn. 25. sieht als Lösung für die Zeit, in der der Testamentsvollstrecker das Amt noch nicht angenommen hat, eine analoge Anwendung von § 1960 BGB. Auch Bengel/Dietz20Bengel/Dietz, in: Bengel/Reimann (Hrsg.): Handbuch der Testamentsvollstreckung, 1. Kapitel: Das Amt des Testamentsvollstreckers, 5. Aufl. 2013, Rn. 15. kommen zu dem Ergebnis, das eine analoge Anwendung der Nachlasspflegschaft gem. § 1960 BGB angemessen ist. Diese Uneinigkeit scheint zunächst lediglich von akademischer Relevanz. Sie erweckt den Anschein, dass es sich nicht um einen für einen (den Vorerben vertretenden) rechtlichen Betreuer bedeutsamen Diskurs handelt. Unter Umständen könnte sich dies jedoch als Problem erweisen. Denn für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft gem. § 1960 BGB ist das Nachlassgericht zuständig (vgl. §§ 1960 Abs. 2, 1962 BGB, § 342 Abs. 1 Nr. 2 FamFG), für eine Pflegschaft gem. § 1913 BGB liegt die Zuständigkeit beim Betreuungsgericht (vgl. §§ 1913, 1915 Abs. 1 Satz 3 BGB, § 340 Nr. 1 FamFG).
Liegt für den Nachlass ein Fürsorgebedürfnis vor, sollte der rechtliche Betreuer sich wegen der sich ergebenden unterschiedlichen Zuständigkeiten und der Art der Pflegschaft an das örtlich zuständige Nachlassgericht und ebenfalls an das zuständige Betreuungsgericht wenden.
In seiner Anregung an das jeweilige Gericht empfiehlt es sich, bereits auf die Problematik beider möglicher Pflegschaftsarten hinzuweisen und das hierfür jeweils zuständige Gericht zu benennen. Gegebenenfalls ergibt sich hieraus eine notwendig erscheinende Kommunikation zwischen den Gerichten.
Da die Miterben und der Nacherbe an der Sicherung des Nachlasses regelmäßig ein ebenso hohes Interesse wie der Vorerbe und sein rechtlicher Betreuer haben, ist ungewiss, ob überhaupt ein Fürsorgebedürfnis für den Nachlass besteht. Der Betreute und sein rechtlicher Betreuer sollten sich deshalb auch mit den weiteren Erben in Verbindung setzen.
Da der rechtliche Betreuer den Vorerben im Rahmen seiner Aufgabenkreise vertritt, hat er sämtliche Rechte des Vorerben gegenüber dem Testamentsvollstrecker geltend zu machen. Diese sind nach Zimmermann:21Vgl. Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, Handbuch für die gerichtliche, anwaltliche und notarielle Praxis, K. Rechtsverhältnis Testamentsvollstrecker-Erbe, 2014, Rn. 311. Das Recht auf ordnungsgemäße Verwaltung (§ 2216 BGB), Anspruch auf Unterlassung mangelhafter Amtsführung, Unterlassung von Schenkungen (§ 2205 Satz 3 BGB), Mitteilung eines Nachlassverzeichnisses (§ 2215 BGB), Information (§§ 2218 Abs. 1, 666 Alt. 1 BGB), Auskunft (§§ 2218 Abs. 1, 666 Alt. 2 BGB), Überlassung bestimmter Nachlassgegenstände (§ 2217 BGB) und jährliche Rechnungslegung (§ 2218 Abs. 2 BGB), ebenso wie der Anspruch auf Anhörung zum Teilungsplan (§ 2204 Abs. 2 BGB), Anspruch auf Auseinandersetzung (§ 2204 Abs. 1 BGB) und Anspruch auf Schadensersatz (§ 2219 BGB).
Beachtlich ist, dass der Testamentsvollstrecker weder der Kontrolle des Nachlassgerichtes noch der Kontrolle des Betreuungsgerichts unterliegt.22Staudinger/Reimann, o. Aufl. 2012, Vorbemerkungen zu §§ 2197–2228 BGB Rn. 20, 42. Dieser Umstand macht deutlich, dass der rechtliche Betreuer sehr gewissenhaft sämtliche, dem Vorerben zustehende Rechte gegenüber dem Testamentsvollstrecker einfordern muss.
Auf jeden Fall sollte ein Nachlassverzeichnis verlangt werden. Anders als der Erblasser kann der Erbe den Testamentsvollstrecker von der Pflicht zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses befreien.23Soergel/Damrau, 13. Aufl. 2003, § 2215 BGB Rn. 1. Dies ist nicht empfehlenswert, da das Nachlassverzeichnis die Grundlage zur Feststellung der zu verwaltenden Nachlasswerte darstellt. Zudem gibt das Nachlassverzeichnis Auskunft über die Werthaltigkeit des Nachlasses.
Der rechtliche Betreuer hat das ererbte Vermögen zu verzeichnen und dem Betreuungsgericht ein – um die Erbschaft erweitertes – Vermögensverzeichnis zu übersenden, § 1802 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB.
Bei einer länger andauernden Verwaltung kann der Vorerbe vom Testamentsvollstrecker eine Rechnungslegung über das von ihm verwaltete Vermögen einfordern (vgl. § 2218 Abs. 2 BGB).
Diese Rechnungslegung sollte eingefordert werden, da der Testamentsvollstrecker keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Wird keine Rechnungslegung über den Nachlass eingefordert, bleiben Verfügungen über das Vermögen und deren rechtmäßige Verwendung unkontrolliert.24Dies ist besonders kritisch, wenn der rechtliche Betreuer zugleich Testamentsvollstrecker und/oder Nacherbe sein sollte und vom Betreuungsgericht kein weiterer Betreuer für den Aufgabenkreis der „Vermögenssorge“ oder „Kontrolle des Testamentsvollstreckers“ bestellt wurde.
Auch das Auskunftsrecht gem. §§ 2218 Abs. 1, 666 Alt. 2 BGB sollte regelmäßig geltend gemacht werden. Mithilfe des Auskunftsrechts ist ein Einblick in den „Stand des Geschäfts“ möglich. Auf Anfrage hat der Testamentsvollstrecker die gewünschten Auskünfte zu erteilen.
Weiterhin hat der Vorerbe einen Anspruch auf ordnungsgemäße Durchführung der vom Erblasser angeordneten Verwaltungsanordnungen im Sinne von § 2216 Abs. 2 Satz 1 BGB. Diese stellen das Herzstück des Behindertentestaments dar, da dem Vorerben mithilfe dieser Anordnungen die bezweckten Zuwendungen oberhalb des Sozialhilfeniveaus gemacht werden können. Damit dem Betreuten für ihn nutzbare Zuwendungen gemacht werden können, empfiehlt es sich, regelmäßig Zuwendungsanträge gegenüber dem Testamentsvollstrecker zu stellen. Kann der Betreute den Anspruch mithilfe einer Antragstellung an den Testamentsvollstrecker nicht selbst wahrnehmen, muss sein rechtlicher Betreuer dies stellvertretend für ihn erledigen.
Es ist ratsam, gegenüber dem Testamentsvollstrecker aktiv Zuwendungen zu beantragen, damit der Anspruch des behinderten Menschen auf Zuwendungen aus dem Nachlass nicht u.U. ins Leere läuft.
Das Behindertentestament ist ein probates Instrument, dem behinderten Erben langfristig und sozialhilfeunschädlich Zuwendungen oberhalb des Sozialhilfeniveaus zukommen zu lassen.
Damit das Behindertentestament als eine erbrechtliche Lösung funktionieren kann, muss der rechtliche Betreuer seine Tätigkeiten für und mit dem Betreuten erweitern. Dies kann bereits bei einer möglichen Anregung auf eine Aufgabenkreiserweiterung beginnen und führt über die regelmäßige Kontrolle der Tätigkeiten des Testamentsvollstreckers bis hin zur aktiven Einforderung zur Erbringung von Zuwendungen, welche im Rahmen der Anordnungen des Erblassers möglich sind.
Der Aufbau einer notwendigen Kommunikation zwischen Betreutem, Betreuer und Testamentsvollstrecker scheint notwendig, damit der Betreute regelmäßig für ihn nutzbare Zuwendungen aus dem Nachlass erhalten kann.