Handbuch Bilanzrecht  C. Rechnungslegung: Handelsrecht und Steuerrecht  VII. Kleinstkapitalgesellschaften 

Werk:
Handbuch Bilanzrecht
Herausgeber:
Karl Petersen/Christian Zwirner
Autoren:
Christian Zwirner/Gregor Zimny
Stand:
März 2018
Auflage:
2.. Auflage

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Durch das MicroBilG eröffnet sich den Unternehmen ein enormer Spielraum, die einzelnen Erleichterungen miteinander zu kombinieren. Den Unternehmen werden in drei Bereichen (Bilanz, GuV, Anhang) Erleichterungswahlrechte, die unabhängig voneinander, aber unter Berücksichtigung des Stetigkeitsgrundsatzes ausgeübt werden können, zur Verfügung gestellt. Die Möglichkeiten der Inanspruchnahme der Wahlrechte mit Blick auf die Erstellung der Rechenwerke sowie des Anhangs verdeutlicht Tabelle 2.1Vgl. hierzu bereits Zwirner/Froschhammer, StuB 2015, 83, 86.

Rechnungslegungsumfang
Kombinationsmöglichkeiten
Erstellung von
Bilanz
GuV
Anhang
Wie kleine Kapitalgesellschaft
1.
Vollständig
Vollständig
Vorhanden
 
2.
Vollständig mit Angaben unter der Bilanz
Vollständig
Nicht vorhanden
 
3.
Vollständig
Verkürzt
Vorhanden
 
4.
Vollständig mit Angaben unter der Bilanz
Verkürzt
Nicht vorhanden
 
5.
Verkürzt
Vollständig
Vorhanden
 
6.
Verkürzt
Verkürzt
Vorhanden
 
7.
Verkürzt mit Angaben unter der Bilanz
Vollständig
Nicht vorhanden
Alle Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften genutzt
8.
Verkürzt mit Angaben unter der Bilanz
Verkürzt
Nicht vorhanden

Tab. 2: Möglichkeiten der Inanspruchnahme der Wahlrechte

Praxishinweis

Durch die dargestellte Kombinationsfülle hinsichtlich der Inanspruchnahme von Erleichterungswahlrechten wird die Vergleichbarkeit von Unternehmensinformationen erschwert. Die entsprechende Differenzierung führt zudem nicht zu den gewünschten vereinfachenden Deregulierungswirkungen.

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Zu den Erstellungserleichterungen hinzu kommt außerdem die Offenlegungserleichterung durch die Möglichkeit, unabhängig von der gewählten Erstellungsvariante lediglich die (verkürzte) Bilanz beim Betreiber des Bundesanzeigers zu hinterlegen. Damit bestehen zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten zwischen den in Anspruch genommenen Erstellungserleichterungen sowie den Offenlegungserleichterungen.

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Um prüfen zu können, ob und inwieweit sich das vom Gesetzgeber erwartete Kostenersparnispotenzial auch realisieren lässt, ist den im Gesetz (MicroBilG) theoretisch gewährten Erleichterungen und Befreiungen deren praktische Umsetz- und Anwendbarkeit im Rechnungslegungsalltag gegenüberzustellen.2Vgl. auch Zwirner/Froschhammer, StuB 2013, 83, 88 f. Bei einem vom Gesetzgeber3Vgl. BT-Drucks. 17/11292, S. 15. geschätzten Einsparungseffekt von ca. 36 Mio. EUR und rund 500.000 UN, die als Kleinstkapitalgesellschaft einzustufen wären, ergibt sich rechnerisch eine erwartete Kostenersparnis von ca. 72 EUR pro Jahr und UN.4Vgl. Zwirner, BB 2012, 2231, 2236; Zwirner, StuB 2012, 779, 779. Außerdem muss eine gesetzeskonforme Inanspruchnahme der für Kleinstkapitalgesellschaften geltenden Regelungen ständig überwacht werden. Dies verursacht administrativen Aufwand.

Praxishinweis

In der Praxis führt im Einzelfall der Wegfall des Anhangs – sofern dies satzungsmäßig zulässig ist – zu einer Kosteneinsparung bei der Erstellung des Jahresabschlusses. Die Buchhaltung und die damit verbundene Gliederung in Bilanz und GuV erfolgt bei Kleinstkapitalgesellschaften allerdings ebenso wie bei ‚normalen’ Kapitalgesellschaften. Damit ist in der Praxis der wahrnehmbare Mehrwert auf die Erleichterungen in der Publizität beschränkt.

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Die Haftung dafür, dass die Erleichterungen zulässigerweise in Anspruch genommen wurden, trägt dabei der gesetzliche Vertreter, selbst wenn der Abschluss durch einen Steuerberater erstellt worden sein sollte. Ein Wirtschaftsprüfer wird regelmäßig mangels Prüfungspflicht von Kleinstkapitalgesellschaften nicht involviert sein. Damit bleibt noch offen, wer, abgesehen vom Betreiber des Bundesanzeigers, das Vorliegen der Voraussetzungen sowie das Einhalten der Erleichterungen etc. prüft. Ebenso ist allein der gesetzliche Vertreter für eine zutreffende und fristgerechte Hinterlegung der Bilanz der Kleinstkapitalgesellschaft sowie die Beantwortung etwaiger Rückfragen des Betreiber des Bundesanzeigers verantwortlich.5Vgl. zu derRechtsprechung im Zusammenhang mit der Zurechnung vom Verschulden eines mit der Offenlegung/Hinterlegung beauftragten Beraters stellvertretend OLG Köln v. 02.02.2016, 28 Wx 20/15, GmbHR 2016, 367 ff.; OLG Köln v. 01.07.2015, 28 Wx 8/15, DStR 2015,2296 ff.

Praxishinweis

Die Prüfung, ob Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften zu Recht in Anspruch genommen werden, sowie die Einhaltung der gesetzlichen Offenlegungs- bzw. Hinterlegungspflichten obliegt allein den gesetzlichen Vertretern der Kleinstkapitalgesellschaft.

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Abgesehen von der zweifelhaften Kostenersparnis dürfte sich in der Rechnungslegungspraxis eine Inanspruchnahme der Erleichterungen insb. in Fällen der Konzernverflechtung, eingeführter Controlling- und Steuerungsmechanismen, durch das Mutterunternehmen vorgegebener Reporting-Packages oder vor dem Hintergrund interner Buchungs- und Gliederungsanweisungen als schwierig bis kaum durchführbar erweisen. Ebenso kann sich bei wesentlicher Bankfinanzierung ein faktischer Zwang zur Nicht-Inanspruchnahme der Befreiungen und Erleichterungen ergeben, um entsprechende Informationsansprüche der Kapitalgeber zu erfüllen.6Vgl. bereits Zwirner/Froschhammer, StuB 2012, 419, 423. Auf die Problematik fehlender Angaben insb. für Kreditgeber weisen bereitsTheile/Weiß, BBK 2012, 786, 791 f., hin.

Praxishinweis

Bei einem Einbezug der Kleinstkapitalgesellschaft in einen Konzern kann sich im Hinblick auf weitergehende Angaben ein faktischer Zwang zur Nicht-Inanspruchnahme der Erleichterungen ergeben. Analoges gilt auch vor dem Hintergrund der Information von Fremdkapitalgebern, insb. Banken.

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Zudem ist eine Abstimmung mit der Satzung der Kleinstkapitalgesellschaft dahin gehend notwendig, ob die Erweiterung des Jahresabschlusses, bestehend aus Bilanz und GuV, um einen Anhang explizit gefordert wird. Der Verzicht auf die Erstellung eines Anhangs würde gegen entsprechende Satzungsbestimmungen verstoßen und damit die Notwendigkeit einer Satzungsänderung oder zumindest eines satzungsdurchbrechenden Gesellschafterbeschlusses nach sich ziehen.